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Einstige Wissenschaftler auf Abwegen - Wie ist das zu erklären?

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Begonnen von TerryX, 08. April 2020, 11:40:58

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TerryX

Hallo,

ich suche eine Antwort oder eine Erklärung, wie Leute mit akademischem Grad und wissenschaftlicher Ausbildung, so auf Abwege geraten können, dass sie so einen Humbug verbreiten können, wie z.B. der Mollekularbiologe S. Lanka, der die Existenz des Masernvirus bestreitet und ähnlichen Humbuck verficht.

Warze

Ohne das jetzt pathologisieren zu wollen, aber zum Beispiel eine Psychose oder Demenz kann jeden treffen. Ich denke, für normale Verblödung und Beklopptheit gilt das auch.
"One thing's sure: Inspector Clay is dead- murdered- and somebody's responsible!"

celsus

Zitat von: TerryX am 08. April 2020, 11:40:58
Hallo,

ich suche eine Antwort oder eine Erklärung, wie Leute mit akademischem Grad und wissenschaftlicher Ausbildung, so auf Abwege geraten können, dass sie so einen Humbug verbreiten können, wie z.B. der Mollekularbiologe S. Lanka, der die Existenz des Masernvirus bestreitet und ähnlichen Humbuck verficht.

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten. Welche das im individuellen Fall ist, lässt sich schwer sagen.

Manche Akademiker - und natürlich auch Nichtakademiker - biegen irgendwann mal falsch ab, stecken dann eine Menge Energie in ihre vermeintlich sensationelle Entdeckung und können dann nicht mehr zurück. Wenn man in eine Idee, eine Ideologie oder einen Glauben viel Aufwand investiert hat, wird eine Umkehr immer schwieriger und man muss immer weiter auf dem falschen Weg gehen. Charakterstärke erkennt man eher bei Leuten, die in der Lage sind, einen Irrtum einzugestehen und sich neu zu orientieren. Lanka gehört m.E. nicht zu den charakterstarken Menschen.

Tatsächlich halte ich Lanka für einen Überzeugungstäter, dem nicht vollständig bewusst ist, wie sehr er sich verlaufen hat. Eine leichte Ahnung davon scheint aber vorhanden zu sein, sonst hätte er nicht so mit seiner Belohnung rumtricksen müssen und hätte nicht anschließend die Auslobung eingestellt.

Es gibt natürlich auch Leute, die an ihren eigenen Unsinn überhaupt nicht glauben, aber sich Vorteile davon versprechen, wenn sie abseitige Dinge öffentlich behaupten. Damit lässt sich Aufmerksamkeit generieren, Bücher verkaufen u.v.m.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

TerryX

Mal eine erweiterte Frage - kann jemand, der sich beispielsweise so "verlaufen" hat wie der Lanka wieder so etwas wie Karriere - oder zumindest wenn schon nicht "Karriere" so doch wenigstens eine Beschäftigung entsprechend ihrer Ausbildung erhalten, oder je wieder erhalten, oder sind solche Leute auf immer "verbrannt"?

Nun muss ich gestehen, dass ich als Elektroniktechniker, von Mollekularbiologie, (medizinischen) Viren und Bakterien nicht unbeding so die Ahnung hab - allerding fällt mir da noch ein viel extremeres Beispiel als den S. Lanka ein, nämlich den verstorbenen Dr. Axel Stoll, der doch tatsächlich die Ansicht vertreten hat ( eine von vielen blöden Ansichten), dass die Erde innen hohl sei. "Begründet" hat er das mit der Fliehkraft aufgrund der Erdrotation.

Das muss doch schon irgendwie mit krankhafter Verblödung einhergehen, dass die Fliehkraft bei einer Erdrotation von 1/Tag unmöglich ausreichen kann, um eine "Höhlung" wie bei einer Wäschetrommel im Schleudergang, hervorzurufen, dazu reicht schon einfache Schulphysik - nun hat aber der Knallkopp (ist das zu hart?) auch noch einen Doktortitel - irgenwie passt das nicht zusammen....

Was ja dann mindest ebenso skuril ist, dass solche Leute auch noch eine entsprechende Anhängerschaft an sich gebunden haben.


Typee

Uns begegnet dieses Thema immer wieder einmal: die falsch abgebogenen. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist die Eitelkeit. Nehmen wir an, es gibt da einen meinungsstarken, aber durchaus noch raisonablen Wissenschaftler oder wenigstens voll ausgebildeten und graduierten Fachakademiker, mit der akzentuierten Bereitschaft, auch einmal wider den Stachel zu löcken. Unter diesen Typen gibt es Leute, die das Genie oder das Glück haben, mit einer Außenseiterposition das große Los zu ziehen. Irgendwann setzt sich seine oder ihre Auffassung durch, weil sie besser ist als alles Dagewesene - sie beschreibt ein Phänomen besser, sie schafft ein plausibleres Modell, sie hält der empirischen Prüfung stand. Dann wird irgendwann eine Stiftung oder ein Preis nach ihm benannt, vielleicht auch Schulen oder gar Universitäten und Institute. Bingo, das mindestens auch eitle Beharren hat nicht nur sich selbst gelohnt, sondern das Große und Ganze vorwärtsgebracht. Mein Prototyp solcher Persönlichkeiten wäre etwa Fritz Zwicky, der aber auch gleich mit einer enormen Trefferquote, vielleicht auch - und ähnlich - Fred Hoyle, wenngleich deren beider stationäres kosmologisches Modell von der modernen Empirie in ihrem Fach überrollt wurde.

Es kann aber auch sein, dass so ein Typ einer unhaltbaren Position aufgesessen war. Dann wird eine charakterstarke Natur erst einmal einpacken und sich überlegen, wo er oder sie das nächste Feuerchen entfachen kann - neues Spiel, neues Glück. Selbst unter den Unbeugsamen gibt es solche, die aus lauterer Überzeugung insistieren, hier denke ich wieder an Hoyle. Wo die übergroße Eitelkeit den Charakter überwiegt, wird  er/sie versuchen, die Anhängerschaft, das begeisterte Publikum, anderswo zu finden. Und das ist das obere Ende einer schiefen Ebene, deren unteres Ende von einem Zerberus des DösKopp-Verlags bewacht wird. Endlich einmal verstanden werden! Endlich Wertschätzung! Endlich keine Rücksichten mehr auf das klein-klein der kritischen Selbstreflexion! Und das Medienecho! Eine solche Persönlichkeit, die sich zumindest eine Zeitlang erkennbar am Beifall prekärer Geister besoff, haben wir im Blog zum Beispiel hier beschrieben:

https://blog.psiram.com/2017/08/ulrich-kutschera-ein-mann-sieht-rosa/

Und noch eines: selbstverständlich gibt es fachlich in jeder Profession auch die ausgesprochenen Nieten. Mir sind in meinem Fach - akademisch, aber nicht naturwissenschaftlich - grausliche Existenzen begegnet. Das reichte, um mich davon zu überzeugen, dass ein akademischer Grad den Charakter nicht unbedingt verdirbt, aber auch nicht notwendig stählt.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

celsus

Zitat von: TerryX am 08. April 2020, 13:28:25- nun hat aber der Knallkopp (ist das zu hart?) auch noch einen Doktortitel - irgenwie passt das nicht zusammen....

Vielleicht passt das doch zusammen. Stoll hatte keine Ahnung von Physik. Selbst die einfachsten Zusammenhänge hat er grotesk verdreht, missverstanden oder einfach Anfängerfehler gemacht.

Wie er zu seinem Doktortitel gekommen ist - hm, er hatte wohl die Fähigkeit, so viel über eine Sache zu lernen, dass es für einen Abschluss reichte. Allerdings hat er ja nicht in Physik promoviert.

Dann kommt da noch der DDR-Faktor hinzu, über den ich zu wenig weiß. Ich erinnere mich aber an einen DDR-Dozenten mit zwei Doktortiteln, der erkennbar keine Ahnung von seinem Fach hatte. Uns Studenten fiel das sofort auf. In den Büchern stand das einfach anders. Er war verbeamtet und man musste ihn irgendwie mitschleppen. Also hat er nur ein Fach unterrichtet, in dem nicht allzuviel Schaden anzurichten war.

Doktorgrad(e) und fachliche Kompetenz korrelieren nicht immer.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

biomango

Ich war an der gleichen Uni tätig an der Dr. Lanka studiert u. promoviert hat.  Als die Sache mit Hamer und der germanischen Medizin unter der Beteiligun Lankas   hochkochte, habe ichmir seine frei zugäglichen Arbeiten zum Diplom bzw Promotion angesehen. Beide gehen über das gleiche Thema, einem Virus in Algen. Während die erste Arbeit noch ganz ordentlich daherkommt, erreicht die Promotionsarbeit kaum  ein passables Niveau. Irgendetwas scheint genau in der Zwischenzeit passiert zu sein. Vielleicht waren als Folge seine Note so schlecht dass er den Gedanke an eine wissenschaftliche Karriere aufgab.

Nogro

Es genügt nicht, keine Ahnung zu haben. Man muss auch dagegen sein (Hermann Hinsch)

sailor

DDR-Doktor: Es muss nicht Golm gewesen sein. Das Problem der DDR-Akademik war auch die Politik. 1. Musste zu JEDEM Fach ne Runde ML (Marxismus-Leninismus) belegt werden, die entsprechenden Sätze auch im Vorwort jeder Promotion vorkommen. Summa cum laude war ohne ne gute Note in ML kaum möglich. 2. Wurde bei der auswahl für die Studienplätze auch massiv auf soziale und politische Herkunft geachtet. Jemand mit bourgeosen Eltern (bspw. Zahnarztkind) hatte schlechtere Chancen auf einen Studienplatz als ein "Arbeiteerkind". Dazu kamm die Parteitreue bzw. auch die Frage, ob man besonders engagiert in irgendeiner Massenformation der SED unterwegs war... oder zumindest alle Häkchen auf der Liste (bspw. freiwillige Meldung zur NVA als Offizier, ZV-Lager, FDJ-Funktionarista oder oder oder) hatte. "Reiche" Eltern plus Kirchenmitglied halfen bspw. nicht gerade. 3. Kannte auch der real existierende Sozialismus so seine Irrungen in der Wissenschaft, Doktrin gabs auch dort. Insbesondere in den Bereichen, wo die Thematiken irgendwie ins ML-Schema (Geistes- und Wirtschaftswissenschaften) gepresst werden mussten, gabs ziemlich... interessante ansätze. 4. Hat der Übergang vom DDR- und BRD-Uni-System eine Menge Karrieren abgeschnitten, nicht jede politisch/wissenschaftlich zu Recht. Da haben sehr viele "Hinterbänkler" aus den gebrauchten BL Morgenluft geschnuppert und die indigene Konkurrenz gern auch weggebissen. Das zerstört nicht nur Karrieren, sondern kann auch die Ratio nachhaltig zerstören.

"Mad scientists" im allgemeinen: Hier spielen meiner Meinung nach zwei Dinge eine große Rolle. Erstens die Suche nach dem Paradigmenbruch, der einen schlagartig berühmt macht, der alles vorherige umwirft und der in seiner Plötzlichkeit sehr selten ist. Die meisten revolutionären Ideen in der Wissenschaft haben sich nicht sofort durchgesetzt, sondern mussten durchgefochten werden. Der Wissenschaftler auf Abwegen will den Fame und er weiss, dass dieser erkämpft werden muss. Hier kommt zweitens ins Spiel: Austausch des "Publikums". Statt sich wissenschaftlich durchzusetzen schwenkt der "Wissenschaftler" um auf ein ahnungsloses, aber begeisterungsfähiges Publikum. Dort ist ihm kleiner Fame sicher ohne dass seine Theorie wirklich wissenschaftlicher Kritik standhalten muss. Im Gegenteil, wissenschaftliche Kritik erhöht dort das Ansehen und man kann vom Verkauf von Schwurbelbüchern und Metallschrott in Kunstharz sehr gut leben, ohne sich ständig mit dummen Fragen von noch dümmeren Studenten beschäftigen zu müssen. Wenn man dafür zuvor einen Dr. oder gar habil. gemacht hat, erhöht es den Fame nochmal, weil es in den Kreisen ein Gütesiegel ist, solange der Dr./Prof. GEGEN die anderen Dr./Prof. ist. Das macht den Publikumswechsel so verführerisch für die "Rebellen".

celsus

The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

Schwuppdiwupp

Ach, was weiß denn ich ...

celsus

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Sauropode

Zitat von: celsus am 08. April 2020, 13:53:12
Zitat von: TerryX am 08. April 2020, 13:28:25- nun hat aber der Knallkopp (ist das zu hart?) auch noch einen Doktortitel - irgenwie passt das nicht zusammen....

Vielleicht passt das doch zusammen. Stoll hatte keine Ahnung von Physik. Selbst die einfachsten Zusammenhänge hat er grotesk verdreht, missverstanden oder einfach Anfängerfehler gemacht.

Wie er zu seinem Doktortitel gekommen ist - hm, er hatte wohl die Fähigkeit, so viel über eine Sache zu lernen, dass es für einen Abschluss reichte. Allerdings hat er ja nicht in Physik promoviert.

Dann kommt da noch der DDR-Faktor hinzu, über den ich zu wenig weiß. Ich erinnere mich aber an einen DDR-Dozenten mit zwei Doktortiteln, der erkennbar keine Ahnung von seinem Fach hatte. Uns Studenten fiel das sofort auf. In den Büchern stand das einfach anders. Er war verbeamtet und man musste ihn irgendwie mitschleppen. Also hat er nur ein Fach unterrichtet, in dem nicht allzuviel Schaden anzurichten war.

Doktorgrad(e) und fachliche Kompetenz korrelieren nicht immer.

So wie Hüther, denke ich. Er ist keineswegs als Hirnspezialist in den Westen gekommen. Er hat vorher was mit Histochemie gemacht.

Asarnil

Lanz (08.04.20) geschaut und mich gewundert, wie viel Kraft doch in den Fäusten steckt. Zwischen Dr. med. Stefanie Holm und Claudia Zimmermann bei nuoviso ist kaum mehr eine Linie. Aber es war für mich persönlich doch einsehbar, dass sowohl Lauterbach als auch Linnemann da einige male gekneift haben. Ich fürchte, da ist mehr im Busch bei Frau Holm. Wir werden sehen.

Gimpel

Geht das irgendwie konkreter?

Ich hab mir etwa 30 Minuten von der Lanz-Sendung angetan. Frau Holm hat da nichts vertreten, das sie irgendwie diskreditieren würde. Suche nach "Stefanie Holm" und "nuoviso" bzw. , "Stefanie Holm" und "Claudia Zimmermann" liefert nichts Verwertbares. Hast Du da irgendetwas Brauchbares oder unterstellst Du da eine nicht belegbare Nähe?