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Zahnarzt als Verkäufer statt unabhängiger Fachmann

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Begonnen von lerau, 16. Januar 2018, 23:02:22

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lerau

Hallo,

letztens war ich seit langer Zeit mal wieder beim Zahnarzt (Uni-Klinik).
Neben anderen wichtigeren Dingen empfahl man mir ganz unverbindlich und optional eine "Kariesinfiltration" - kommerziell "icon" genannt.
Nach ein bisschen Recherche fand ich heraus, dass es dazu nicht viel zu lesen gibt. Gefühl das einzige Paper, das dazu veröffentlicht war und etwas zur Evidenz sagte, waren die Doktoren der Herstellerfirma selbst. Es hätte auf jeden Fall eine Menge Geld gekostet, pro Zahn natürlich.

Später wollte man mir dann zur Tomographie Digitale Volumentomographie (DVT) (0) statt der kassenbezahlten Computer-Tomographie verkaufen. Davor sagte man mir, dass beim Herausziehen eines Zahnes eine permanente Lähmung o. ä. entstehen kann. Die DVT funktioniere wohl anders und besser und hat Vorteile wie u. a. eine geringere Strahlenbelastung. Vor Ort sollte ich mich quasi erst mal vor ein paar Azubis entscheiden, ob ich ein armer Schlucker oder Geizhals bin, dessen Gesundheit ihm nicht wichtig oder einer der natürlich das beste, was man ihm bietet. Schließlich bekam ich dann doch die Gelegenheit, bis zum nächsten Termin zu entscheiden.
Ich frage mir da: Bin ich jetzt plötzlich Radiologe, um beurteilen zu können, wie hoch der Schaden für mich als Patient ist? Wieso muss ich nach einem Zahnarzt-Termin im Internet recherchieren, ob der Zahnarzt einfach Knete von mir haben wollte, und das "neuere", "bessere" Verfahren überhaupt keinen nennenswerten Nutzen für mich bringt?

Eine Bekannte wollte sich vor kurzem die Zähne ziehen lassen. Vom einen Zahnarzt wurde sie, erst einmal zum nächsten Zahnarzt gesandt. Der wollte erst einmal nicht die Zähne ziehen und sie "beraten". Nach Hause kam sie mit einem Kostenvoranschlag für ein nicht-kassenbezahltes Produkt. Das Produkt nennt sich "collacone", und Google gibt nur ca. 8 Tausend Treffer. Das Produkt kostet 180€. Mit diesem Produkt sollten weniger Schmerzen nach der Zahn-OP aufkommen und sich die Heilung verkürzen.

Sicherlich kann man vom mündigen Patient ausgehen, der selbstbewusst zusagt und ablehnt, aber aus meiner Sicht ist das ein paar Vorstufen von: den Patienten Angst machen und ihnen dann etwas verkaufen, was sie eigentlich nicht brauchen. Ist das bei jedem Zahnarzt so? Oder bei der Mehrheit? Falls ja, würde ich mich als Berufsstand schon ziemlich schämen. Ich erwarte von (Zahn-)ärzten, dass sie einem genau das empfehlen, was Freunde einem Nahe legen würden. Und das wäre sicherlich kein überteuerter Müll, dessen Nutzen marginal ist.

(0) https://de.wikipedia.org/wiki/Digitale_Volumentomographie

Liebe Grüße,
lerau

Nogro

Bei der DVT sehe ich das Problem eher darin, dass die (gesetzliche) Kasse sie nicht bezahlt, wohl aber völlig sinnlose Behandlungsmethoden (TK, Homöopathie). Als Antwort bekam ich von dieser Kasse die Auskunft, dass die Kunden das so wollen...
Es genügt nicht, keine Ahnung zu haben. Man muss auch dagegen sein (Hermann Hinsch)

Peiresc

Hi lerau,

Ich finde, Dein Post ist schon so ziemlich einen Blog-Beitrag wert. IMHO.

Zitatdass beim Herausziehen eines Zahnes eine permanente Lähmung o. ä. entstehen kann.
Die Menschheit ist also vor der Ankunft der DVT sämtlich mit Lähmungen herumgelaufen, und die Kassenpatienten tun das immer noch. Die Beurteilung der Kassenfähigkeit von Methoden obliegt dem GB-A, und der richtet sich (im Allgemeinen jedenfalls) nach der Evidenz, wenn man auch an dieser oder jener Entscheidung mit Recht herumpolken kann. Welche brachialen Methoden setzen denn die Zahnärzte ein, dass sie einen motorischen Trigeminusast lädieren können? Und sollten da nicht mal ein paar Zahlen über Risiken usw. herumlungern, die sie dem hilflosen Patienten mitteilen sollten?

Sauropode


Typee

Zitat von: Peiresc am 17. Januar 2018, 09:39:45
Welche brachialen Methoden setzen denn die Zahnärzte ein, dass sie einen motorischen Trigeminusast lädieren können?

Ich meine mich an einen Fall zu entsinnen, bei dem eine Spritze  den Trigenimus getroffen haben könnte. In der Sache ging es um eine halbseitige Gesichtslähmung, aber ich bekomme nicht mehr zusammen, wie das ausging.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

lerau


Peiresc

    https://blog.psiram.com/?p=21120&preview=1&_ppp=74a3417b15

    Dies ist die Vorschau; der Beitrag ist noch nicht veröffentlicht.

    The paper is open for discussion.

LaDeesse

Der Titel dürfte ruhig noch etwas prägnanter sein, meine ich. Vorschlag:
Medicus oeconomicus: Zur Pandemie der provisionsabhängigen Zahnbehandlung

Peiresc

Zitat von: LaDeesse am 17. Januar 2018, 22:04:40
Der Titel dürfte ruhig noch etwas prägnanter sein, meine ich. Vorschlag:
Medicus oeconomicus: Zur Pandemie der provisionsabhängigen Zahnbehandlung

Das klingt schon mal deutlich ausgereifter, auf jeden Fall. Aber man sollte noch bedenken, dass googlefähige Begriffe zu bevorzugen sind; gefühlt wäre Zahnarzt besser als Zahnbehandlung. Andererseits kommt das dann nicht so verwegen originell. Hmm.  :gruebel

LaDeesse

Wissensfrage: Warum ist "Zahnbehandlung" nicht googlefähig?

celsus

Um Google würde ich mir da mal keine Sorgen machen. Eine schöne Überschrift sollte man dafür nicht opfern. (Und die ist wirklich schön, danke dafür LaDeesse)
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

Peiresc

Zitat von: LaDeesse am 17. Januar 2018, 22:30:36
Wissensfrage: Warum ist "Zahnbehandlung" nicht googlefähig?
Willst Du sagen, mit meinen Gefühlen stimmt was nicht?  :schlaeger

:grins2:

LaDeesse

Das musste ich zweimal lesen - und mir diesen Satz in Erinnerung rufen: "gefühlt wäre Zahnarzt besser als Zahnbehandlung"
Im Hinblick auf Google fühle ich wohl ein wenig anders. Ob sich das aber auf das Ranking auswirkt ...

LaDeesse

Zitat von: LaDeesse am 17. Januar 2018, 22:04:40
Der Titel dürfte ruhig noch etwas prägnanter sein, meine ich. Vorschlag:
Medicus oeconomicus: Zur Pandemie der provisionsabhängigen Zahnbehandlung

Provision ist bei Ärzten meines Wissens ein unüblicher Begriff und schließt außerdem die abrechenbaren Dienstleistungen nicht ein. Vielleicht wäre einer dieser Vorschläge besser:

Medicus oeconomicus: ...

Zur Pandemie der honorarmaximierenden Zahnbehandlung
Zur Pandemie der honorargeführten Zahnbehandlung
Zur Pandemie der honorarabhängigen Zahnbehandlung

Peiresc

Das da bitte ... nein links davon ... nein, das davor ...
Zitat von: LaDeesse am 18. Januar 2018, 07:14:23
Medicus oeconomicus: ...

Zur Pandemie der honorarmaximierenden Zahnbehandlung
Danke. Wickelnses ein.  :grins2: