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Genetik und Menschen

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Begonnen von Scipio, 23. April 2018, 06:45:25

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zimtspinne

Ich vermute, es geht bei dieser Art und Form (und Herkunft) der Kritik um "Racial Profiling".
Die Einführung erweiterter DNA-Analysen gefährdet die Menschen- und Minderheitenrechte. Insbesondere um die Rechte von rassifizierten und ethnisierten Personen zu schützen, muss die Polizei in ihren Ermittlungen auf erweiterte DNA-Analysen verzichten.

Reality is transphobic.

zimtspinne

Nach Einschätzung vieler Organisationen und Prof. Dr. Veronika Lipphardt ist der Nutzen fragwürdig und als eher gering zu bewerten.  ::)

Gen-ethisches Netzwerk e.V.:
ZitatDie Aussagekraft von Tests für die meisten Haar- und Augenfarben ebenso wie für die Hautfarbe ist äußerst niedrig. Nur bei spezifischen Merkmalen (eindeutig blauen oder dunkelbraunen Augen, eindeutig schwarzen oder roten Haaren) gibt es höhere Vorhersagewahrscheinlichkeiten. In den Studien liegen hier die Trefferquoten je nach verwendeten Markern, Referenzpopulationen und statistischen Modellen zwischen 87 und allerhöchstens 98 Prozent. Das heißt aber umgekehrt, dass selbst bei diesen Pigmentierungen 2 bis 13 Prozent der Ermittlungen in die Irre geführt werden. Zudem sind diese Verfahren wissenschaftlich bisher nicht ausreichend überprüft, und vorliegende Validierungsstudien sind von äußerst mangelhafter Qualität.

Ähnlich vage Ergebnisse erzielen Tests auf die ,,biogeographische Herkunft". Höhere Wahrscheinlichkeiten lassen sich allenfalls bei kontinentaler Herkunft erzielen, nicht aber bei nationalen oder regionalen Eingrenzungen. Auch für Laien ist offensichtlich, dass angesichts der Geschichte globaler Migration selbst kontinentale Zuordnungen notwendig fehleranfällig sind. Die derzeit verfügbaren Tests kommen auch bei gleicher DNA aufgrund verschiedener Referenzdaten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Zudem basieren diese Datenbanken auf stereotypen Zuschreibungen, wenn es um Ethnizität und Herkunft geht. So deskriptiv die ,,biogeographischen Marker" vermeintlich sind - so sehr basieren sie auf Strategien der Rassifizierung.

Ebenso überschätzt der Gesetzentwurf auch das Verfahren der Verwandtensuche. Bei Massengentests sollen Verwandte einer/s Probengeber_in in Ermittlungen einbezogen werden, wenn das Proben-DNA-Profil teilweise mit dem Spuren-DNA-Profil übereinstimmt. Das Gesetz bestimmt nicht, wie hoch die Teilübereinstimmung ausfallen muss und erlaubt Rückschlüsse bis auf Verwandte dritten Grades in der Seitenlinie, auch wenn hier biostatistisch die Übereinstimmungen nur noch gering sind und eine hohe Quote falsch-positiver Zufallstreffer erwartbar ist. Zudem würde eine sehr große Gruppe entfernt verwandter Personen in Ermittlungen einbezogen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung mit der Spuren-DNA äußerst gering ist.

Der kriminalistische Nutzen dieser Verfahren ist insofern fragwürdig. Tatsächlich kommen sie auch dort, wo sie legal sind, äußerst selten zur Anwendung und führen noch seltener zu Ermittlungserfolgen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass eine wissenschaftsgläubige Überschätzung dieser Methoden, zu denen auch die mediale Darstellung der Gerichtsmedizin entscheidend beigetragen hat (der sogenannte CSI-Effekt), zu Fehlinterpretationen und irregeleiteten Ermittlungen.

In NL kam dieses Verfahren seit 2003 bisher nur zehnmal zum Einsatz. Aus meiner Erinnerung, inwzsichen könnte sich die Zahl leicht nach oben verändert haben. Wie die Seltenheit zu berwerten ist, kann jeder für sich entscheiden. 
Reality is transphobic.

Conina

Dieses Netzwerk ist keine gute Quelle. Steht das auch anderswo?
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

zimtspinne

Ja, aber ich wollte zu einem Perspektivwechsel ermuntern.
Reality is transphobic.

eLender

Es geht um Rassismus bzw. einer merkwürdigen Vorstellung davon. Ich habe weiter oben schon mal auf einen Beitrag verlinkt, der das Grundproblem erklärt. Man kann Genome anhand charakteristischer Merkmale (SNP) klassifizieren bzw. nach ihrer Ähnlichkeit (Verwandtschaft) gruppieren. Da fällt dann z.B. auf, dass es Genome gibt, die eine ähnliche "biogeographische Herkunft" aufweisen, rein deskriptiv (Cluster). Das klingt nach (biologistischem) Rassismus, weil es ja angeblich keine strukturellen Unterschiede zwischen den Menschen(-Gruppen) geben darf. Dabei kann man das objektiv feststellen, und es sagt erst mal gar nichts weiter aus, v.a. nichts über eine Wertigkeit (erst ab da kommt man überhaupt in den Bereich des Rassismus). Deswegen ist es verpönt, das für z.B. forensische Methoden zu verwenden.

Die Dame mit dem Perspektivenwechsel nutzt die üblichen Strohmänner. Keiner sagt, dass das ein 100%-Match sein kann und auch muss. Das ist bei anderen Tätermerkmalen mindestens genauso problematisch. Auch ist das nur ein weitere Hinweis, der alleine niemals für eine Verurteilung/Verdächtigung reicht (das steht alles im Beitrag von Courts). Man muss auch das Prinzip verstehen. Das sind statistische Methoden, die immer (nur) Wahrscheinlichkeitsaussagen erlauben. Wenn die Datenbasis klein ist, dann ist auch die Verallgemeinerung schlecht. Aber das ist ein lösbares Problem. Soweit ich mich erinnere, ist gerade die "biogeographische Herkunft" sehr gut ableitbar. Das ist übrigens ein Paradefeld für KIs, die fressen gerne riesige Datenmengen. Ich gehe davon aus, dass diese Modelle in Zukunft sehr gute Voraussagen ermöglichen. Trotzdem wird das nie reichen, um jemanden im Vorfeld zu verurteilen. Und - wie Typee anmerkt - ist es nicht nur ein Mittel, jemanden zu belasten (verdächtigen), es ist genauso gut geeignet, jemanden zu entlasten.

Das Rumgeeiere ist eindeutig ideologisch motiviert. Es darf einfach keine Unterschiede in der Genetik zwischen den Ethnien geben. Die unterschiedlichen Merkmale sind schließlich alle nur sozial konstruiert. Das nennt man dann Rassismus.

Zitat von: zimtspinne am 02. Februar 2024, 21:09:40Ja, aber ich wollte zu einem Perspektivwechsel ermuntern.
Hamse dich jetzt auch eingefangen, die Woken? Früher oder später gibt jeder nach, man erträgt es einfach nicht auf Dauer, als böser Mensch bezeichnet zu werden (das gelingt nur wenigen, mir z.B.)
( ;) )
Wollte ich nur mal gesagt haben!

RPGNo1

Zitat von: zimtspinne am 02. Februar 2024, 18:15:20Nach Einschätzung vieler Organisationen und Prof. Dr. Veronika Lipphardt ist der Nutzen fragwürdig und als eher gering zu bewerten. 

Frau Lipphardt hat ihre Thesen auch auf Cornelius' Blog mehrfach zum besten gegeben. Ihre Argumente und ihre Position haben Cornelius Courts allerdings nicht überzeugt, wie er ihr mehrfach erklärt hat.

https://scienceblogs.de/bloodnacid/2017/04/06/deutschland-modernisiert-hoffentlich-endlich-die-stpo/
https://scienceblogs.de/bloodnacid/2021/02/28/die-charite-schliesst-ihre-forensische-genetik-aus-kostengruenden/

eLender

Zitat von: RPGNo1 am 05. Februar 2024, 11:19:04Frau Lipphardt hat ihre Thesen auch auf Cornelius' Blog mehrfach zum besten gegeben
Aha, danke für den Hinweis, wundert mich nicht. Werde ich bei Gelegenheit mal über die Netzhaut ziehen. Für einen Kommi wird es allerdings zu spät sein ::)
Wollte ich nur mal gesagt haben!