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Pastor Latzel

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Begonnen von Typee, 17. Februar 2015, 21:55:50

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pelacani

Zitat von: Typee am 19. Februar 2015, 09:23:44
Zitat von: Pelacani am 19. Februar 2015, 08:56:38
Aufgabe der Theologie ist es, solche Stellen in den Heiligen Schriften wegzuerklären; ihre Virulenz abzuschwächen.

Ja, das ist nützlich und sinnvoll. Aber eins ist es eben nicht: fromm.

Die Kunst, die verlangt werden muss, besteht darin, die Definition für "fromm" an die Forderung des heutigen Tages anzupassen. Wichtig ist, die Diskussion über die unlösbaren religiösen Kernfragen möglichst zu entschärfen, nicht aufkommen zu lassen, für abgeschlossen zu erklären - dem Erfindungsreichtum darf man da keine Grenze setzen.

Natürlich stellt sich das für den Atheisten wie eine Krücke dar, wenn eine Sanierung der Knochenentzündung nicht möglich ist.

sweeper

ZitatDie Kunst, die verlangt werden muss, besteht darin, die Definition für "fromm" an die Forderung des heutigen Tages anzupassen.
Das ist eine Kernaufgabe von Theologie:

http://de.m.wikipedia.org/wiki/Systematische_Theologie

Daraus ergeben sich ja die unterschiedlichen Strömungen der christlichen Theologie: Interpretation in den jeweiligen kulturellen, politischen, sozialen Rahmen hinein.

Evangelikaler Fundamentalismus tut sich damit schwer (insofern durchaus mit Salafismus vergleichbar). Dennoch diffundieren mit zeitlicher Verzögerung die veränderten theologischen Deutungen auch zu den Fundis.

Im Gegensatz dazu haben es die wenigen (!) kritischen Islamwissenschaftler sehr schwer und sind oft Zielscheibe heftiger Attacken aus den eigenen Reihen.
Der Koran wird in der dominierenden Wahrnehmung eben noch immer als die vollkommene, unveränderbare Offenbarung Gottes betrachtet. Wer daran rüttelt, ist Apostat.

Christentum zeigte hingegen von Anfang an Offenheit für neue Impulse - anders wäre es nie zur Ausweitung in den griechisch-römischen Kulturkreis gekommen - Beispiel:

http://www.bibleserver.com/text/LUT/Apostelgeschichte11,9


With magic, you start with a frog and end up with a prince.
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pelacani

Zitat von: sweeper am 19. Februar 2015, 11:34:56
Im Gegensatz dazu haben es die wenigen (!) kritischen Islamwissenschaftler sehr schwer und sind oft Zielscheibe heftiger Attacken aus den eigenen Reihen.
Der Koran wird in der dominierenden Wahrnehmung eben noch immer als die vollkommene, unveränderbare Offenbarung Gottes betrachtet. Wer daran rüttelt, ist Apostat.
Das ist auch mein Eindruck. Ich habe vor nicht langer Zeit mal ein Interview mit einem islamischen Theologen gehört, der in Deutschland irgendwo unterrichtet. Er vertrat einen gemäßigten, mit heutigen zivilisatorischen Mindeststandards im wesentlichen kompatiblen Islam. Im letzten Halbsatz räumte er verschämt ein, dass diese Auffassungen in der islamischen Theologie ,,noch" nicht allgemein dominieren würden.

Zitat von: sweeper am 19. Februar 2015, 11:34:56
Christentum zeigte hingegen von Anfang an Offenheit für neue Impulse
Wenn auch bei Weitem nicht für alle; man denke nur an die pelagianische Ketzerei oder an eine der zahllosen anderen Sekten aus der Frühzeit des Christentums, die energisch bekämpft worden sind. Das, was später das Christentum ausmachte, ist ein rein retrospektiver Begriff.

sweeper

ZitatDas, was später das Christentum ausmachte..
Im Rahmen der Theologie nimmt daher das Fach Kirchengeschichte einen wichtigen Raum ein.
Da kann man die ideengeschichtliche Entwicklung und die Irrungen & Wirrungen studieren..

Ein wesentliches protestantisches Prinzip lautet

"Ecclesia SEMPER reformans" - im Sinne von Reform-Bedürftigkeit. :)
Geht zurück auf die Aussage: "Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig" (2.Kor.3,6)
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pelacani

Zitat von: sweeper am 19. Februar 2015, 11:59:21
"Ecclesia SEMPER reformans" - im Sinne von Reform-Bedürftigkeit. :)
Geht zurück auf die Aussage: "Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig" (2.Kor.3,6)
Natürlich lässt sich jede Art vernünftiger Äußerung letztlich irgendwie auf die Bibel zurückführen; jede Art Unvernunft auch.  Allerdings ist die Anerkennung, die Betonung der ewigen Reformbedürftigkeit ein geradezu postmodernes Phänomen:
ZitatEcclesia semper reformanda est (Latin for "the church is always to be reformed", often - as usual in Latin - shortened to Ecclesia semper reformanda) is a phrase first used by Karl Barth in 1947
Immerhin.

sweeper

Deine Quelle war vermutlich
http://en.m.wikipedia.org/wiki/Ecclesia_semper_reformanda_est

Geht ja auch nicht um ein unterstelltes nachträgliches Hineininterpretieren
ZitatNatürlich lässt sich jede Art vernünftiger..
sondern um den Deutungsspielraum, den die überlieferten Quellen abstecken.
Da ist das "Ihr habt gehört..., ich aber sage euch..." der Bergpredigt stilbildend.
Es ging eben von Anfang an nicht um ein in Stein gemeißeltes Dogma, welches stur befolgt werden musste.
Genau das werfen islamische Gelehrte übrigens dem Christentum vor:
deren "Beweis" für die Göttlichkeit des Koran ist seine (behauptete) Unwidersprüchlichkeit.
Kann man in jeder Diskussion mit gläubigen Muslimen erleben.
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sweeper

Hier ist die Predigt - war wohl ein Rundumschlag  ::)

https://m.youtube.com/watch?v=BrQ_JcROtvg

Kann sie frühestens heute Abend ansehen.
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pelacani

Zitat von: sweeper am 19. Februar 2015, 13:38:15
Geht ja auch nicht um ein unterstelltes nachträgliches Hineininterpretieren
ZitatNatürlich lässt sich jede Art vernünftiger..
sondern um den Deutungsspielraum, den die überlieferten Quellen abstecken.
Selbstverständlich ist die Reform aus der Binnensicht kein nachträgliches Hineininterpretieren, sondern die endliche Herauspräparierung der Wahrheit. Klar.
Aber das ist kein Unterscheidungsmerkmal. Die "Reformfähigkeit" ist kein dem Christentum immanentes Merkmal, welches dem Islam abgeht. Die islamische Theologie wird den gleichen Weg gehen müssen wie der Mainstream der christlichen Theologie, oder sie wird das Chaos der arabischen Welt perpetuieren.


pelacani


sweeper

ZitatWie stark darf sich ein staatliches Organ in kirchliche Angelegenheiten einmischen? Anlass für diese Frage ist ein Beschluss der Bremischen Bürgerschaft, in dem sie scharfe Kritik an der Predigt des Pastors der St.-Martini-Gemeinde, Olaf Latzel, vom 18. Januar übt. Sie sei ,,aufwiegelnd und herabwürdigend" gewesen. Das Parlament distanziere sich von allen Versuchen, ,,unter dem Deckmantel von Predigt und Schriftauslegung Hass gegen Anders- und Nichtgläubige zu verbreiten", heißt es in der Erklärung.

http://www.idea.de/nachrichten/detail/thema-des-tages/artikel/darf-ein-parlament-eine-predigt-bewerten-83146.html

ZitatKirchenrechtliches Institut der EKD rät zur Zurückhaltung

Der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, Prof. Hans Michael Heinig (Göttingen), sagte auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, staatliche Organe seien im Blick auf religiöse Fragen dem Neutralitätsgebot verpflichtet. Er rate deshalb zur Zurückhaltung, auch wenn manche Äußerungen ,,unappetitlich" sein mögen. Es sei eine ,,neue Qualität" erreicht, wenn sich nicht nur Politiker kritisch zu einer Predigt äußerten, sondern ein Landesparlament. Er sei skeptisch, dass das vorbildhaft sei, so Heinig. Wenn ein solches Vorgehen Schule mache, könne es zu Verwerfungen im Verhältnis zwischen Staat und Kirche kommen. Der Kirchenrechtler sieht in dem Beschluss jedoch keinen Verstoß gegen die Verfassung. Ein parlamentarisches Gremium sei zwar nicht befugt, sich inhaltlich zur Lehre einer Religion zu äußern, aber zu ihrer Wirkung im öffentlichen Leben. Dies sei etwa der Fall, wenn durch eine Predigt das friedliche Zusammenleben der Menschen gefährdet sei.
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Terry Pratchett

pelacani

Ich habe noch nichts davon vernommen, dass die EKD zur Zurückhaltung rät, wenn es um islamistische Hasspredigten geht.

pelacani

ZitatLatzel bezeichnete den Beschluss als einen tiefen Einschnitt in die Religionsfreiheit: ,,Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, wenn sich die Bremische Bürgerschaft eine Stunde lang mit einer Predigt befasst, die absolut bibelkonform ist."
Der Atheist hat mit dieser Aussage kein Problem; aber, tja, Theologen, hier seid Ihr gefragt. Erklärt dem Pfarrer, dass er unrecht hat.

Im Jahre 1694 verkündete ein christlicher Hassprediger, dass das Gebot des Evangeliums, man solle seine Feinde lieben, zu nichts verpflichte als nur, dem Feind himmlische Glückseligkeit zu wünschen. Hass, Empörung und Zorn seien zulässig und empfehlenswert, wenn es um die Feinde Gottes gehe. Man müsse nicht nur deren Ketzereien, sondern auch die Feinde in Person hassen und verachten und ihnen irdisch alles Böse wünschen. Er behauptete, die Bergpredigt dürfe nur in einem übertragenen Sinn verstanden werden.

Ein Ankläger schlussfolgert, dass es somit nicht gerechtfertigt sei, die Feinde z. B. aus einem brennenden Haus zu retten, und  legte diese neue Häresie, die das Staatswohl gefährdet, der Synode von Tergow vor. Wie entschied die Synode?

Die Synode behandelte das Pamphlet des Anklägers wie die Schrift des Angeklagten als Schmähschriften und ließ die Affäre fallen, wie nie gewesen.

[Bayle, Dict, Zuerius, D]