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Psychometrie im Allgemeinen, Sozionik im Speziellen

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Begonnen von F. A. Mesmer, 22. Februar 2014, 23:38:04

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F. A. Mesmer

ZitatSozionik (engl. Socionics; zusammengesetzt aus society ,,Gesellschaft" und bionics ,,Bionik"), im Bereich der Psychologie, Soziologie und Informatik, Theorie der informationell-psychologischen Persönlichkeitstypen und der Beziehungen zwischen ihnen, basiert auf der Typologie von Carl Gustav Jung und der Theorie des Informationsmetabolismus (Antoni Kępiński), hebt sich durch die Existenz eines Informationsmodells der Psyche und eines prognostischen Modells der zwischenmenschlichen Beziehungen hervor. Sozionik wurde in den 1970er und 1980er Jahren von der litauischen Forscherin Aušra Augustinavičiūtė entwickelt, einer Wirtschaftswissenschaftlerin, Soziologin und Psychologin. Zugleich war sie Leiterin der Fakultät für Ehe und Familie der Pädagogischen Universität Vilnius[1]

Die akademische Anerkennung der Sozionik als Wissenschaft widerspiegelt sich im Unterricht dieser an mehr als 150 staatlichen Universitäten von Russland, Ukraine, Bulgarien, Lettland, Litauen, Rumänien und in anderen Ländern auf Grundlage von staatlichen Programmen, in Forschungen auf dem Gebiet der Sozionik an Universitäten[2], sowie in der Benutzung von sozionischen Methoden in mehr als 800 Dissertationen zu allen Geistes- und einigen Naturwissenschaften[3].

Der wesentliche Vorteil liegt nach Ansicht der Anwender nicht nur in der Analyse der Beziehungen, die es zwischen verschiedenen Typen geben kann.[4] Die Anwendungsbereiche der Sozionik sind u. a.: Berufswahl, Partnerwahl, Zusammenstellung von Arbeitsgruppen, Verbesserung bestehender Beziehungen und allgemeine Menschenkenntnis. Auch Partnervermittlungen setzen auf sozionische Einstufung der Kunden.[5]
...

weitere links werden im wp-artikel genannt, zu ergänzen wären diese vielleicht noch um diesen hier.

insgesamt tue ich mich schwer mit dem thema Persönlichkeitstypologie.
das versprechen schneller erkenntnis aufgrund der richtigen spielerei, logisch aufgebaut, systematisch usw. ist verlockend und bedient offensichtlich eine große nachfrage.

professionell weiß ich, wie unzureichend modelle/typisierungen sind, wenn man sie mit der realität konfrontiert. probiert man solche angebote, wie das oben erwähnte, hat man (wahrscheinlich) ratz fatz den Barnum-Effekt an der backe.
zugleich frage ich mich, ob nicht doch etwas dran sein könnte, sei es nun Sozionik, der andere quark oder andere angebote aus der kategorie persönlichkeitstest.
:gruebel




generalerror

Zitathebt sich durch die Existenz eines Informationsmodells der Psyche und eines prognostischen Modells der zwischenmenschlichen Beziehungen hervor.
Wie es halt manche Leute immer wieder schaffen, dermaßen lange Sätze zu formuliere, ohne dabei irgendwas zu sagen. Man bezeichnet das Phänomen glaube ich als "Bullshit".

Wie du ja weißt sind Modelle immer nur mehr oder weniger akkurate Abbildungen der Realität. Den Barnum-Effekt hat man auch auf jeden Fall immer mit dabei und dazu kommt noch ein Confirmation-Bias seitens des Modellierenden.

Was Persönlichkeitspsychologie angeht: Da gibt es schon einige Inventare, anhand derer man gewisse aussagen treffen kann, aber ich denke die tatsächliche Bedeutung für den Einzelnen wird eher überschätzt, also bei der Partnersuche würde ich mich auf ein persönlichkeitspsychologisches Modell jedenfalls nicht verlassen und ganz übel wird mir, wenn ich daran denke dass in Deutschland einige Arbeitgeber ihre Angestellten doch tatsächlich solche Inventare ausfüllen lassen und Teams nach diesen Kriterien zusammenstellen.

Und wenn sie dann bei der nächsten Beförderungsrunde mal wieder übergangen werden, dann wissen sie, dass sie im Persönlichkeitstest das falsche angekreuzt haben.

Hildegard

Zitat von: generalerror am 23. Februar 2014, 20:27:15
...und ganz übel wird mir, wenn ich daran denke dass in Deutschland einige Arbeitgeber ihre Angestellten doch tatsächlich solche Inventare ausfüllen lassen und Teams nach diesen Kriterien zusammenstellen.

Aus Sicht des Kandidaten ist es natürlich ärgerlich, wenn er wegen so eines Tests nicht ins Team kommt. Andererseits ist leicht einsichtig, dass die Werte für die ziemlich gut untersuchten Big Five, nämlich Offenheit, Extraversion, Neurotizismus, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit für Arbeitgeber nicht ganz uninteressant sind.
Umgekehrt wird sogar ein Vorteil draus: Idealerweise wird der Mitarbeiter ja nach dem Test auf einem Platz eingesetzt, der besser zu seiner Persönlichkeit passt, ihn zufriedener macht und weniger Stress verursacht. Berufseignungstests sind ja auch nichts anderes und genau dazu da.
Übrigens suchen einige Unternehmen inzwischen gezielt nach Asperger-Kandidaten (SAP glaube ich), weil die für bestimmte Aufgaben besonders gut taugen. Nur eher nicht für Teams ;-)
[url="http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com"]http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com[/url]

F. A. Mesmer

dagegen könnte man halten, dass
A auch die Big Five als Weltanschauung bezeichnet werden dürften - die Kritik ist recht vielschichtig, daher nur der Verweis auf diesen, diesen, diesen und diesen Kritikansatz (es gibt da offensichtlich eine reichhaltige Literatur, die die BigFive als unwissenschaftlich betrachtet, erstrecht das Testen derselben)

und

B das Matching von Dating-Websites schon für simple Paarbeziehungen höchst bescheiden funktioniert, um wieviel anspruchsvoller darf da das Matching für Projektgruppen mit kriegsähnlichem Stresslevel multi-global-bullshitbingo-Unternehmen mit militaristischem corporate SprachAkronymgebrauch angesetzt werden?

Hildegard

Zitat von: F. A. Mesmer am 24. Februar 2014, 22:08:50
dagegen könnte man halten, dass
A auch die Big Five als Weltanschauung bezeichnet werden dürften - die Kritik ist recht vielschichtig, daher nur der Verweis auf diesen, diesen, diesen und diesen Kritikansatz (es gibt da offensichtlich eine reichhaltige Literatur, die die BigFive als unwissenschaftlich betrachtet, erstrecht das Testen derselben)

und

B das Matching von Dating-Websites schon für simple Paarbeziehungen höchst bescheiden funktioniert, um wieviel anspruchsvoller darf da das Matching für Projektgruppen mit kriegsähnlichem Stresslevel multi-global-bullshitbingo-Unternehmen mit militaristischem corporate SprachAkronymgebrauch angesetzt werden?
Zu A:
Aus dem ersten  deiner Links: "Big Five is far preferable to MBTI for personality assessment. "


Zu B: Wirklich, Dating-Websites? Ich kenn keine, die evaluierte Tests benutzt. Und Liebesbeziehungen funktionieren sowieso anders als Teams oder Jobs.
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F. A. Mesmer

aus dem ersten link:

Zitat

Why MBTI is not science:

ZitatResearch shows "that as many as three-quarters of test takers achieve a different personality type when tested again," writes Annie Murphy Paul in The Cult of Personality Testing, "and the sixteen distinctive types described by the Myers-Briggs have no scientific basis whatsoever." In a recent article, Roman Krznaric adds that "if you retake the test after only a five-week gap, there's around a 50% chance that you will fall into a different personality category."

Science requires results be repeatable. Yeah science!

Zitat

MBTI has no correlation with management efficacy:

 
ZitatA test is valid if it predicts outcomes that matter. If we're going to use it in organizations, it should shed light on how well I'll perform in a particular job or with a certain group of people. Although there are data suggesting that different occupations attract people of different types, there is no convincing body of evidence that types affect job performance or team effectiveness. As management researchers William Gardner and Mark Martinko write in a comprehensive review, "Few consistent relationships between type and managerial effectiveness have been found."

If there's no correlation with managerial effectiveness, then what good is the test?

wie gesagt, wissenschaftlicher überprüfung hält das nicht stand - dafür kann ich auch gerne auf wissenschaftliche literatur, wie link 4 verweisen.
klar, es wird gemacht - bis vor einigen jahrenzenhten war ja auch Graphologie beliebt, einige andere innovationen (z.B. NLP) sind es ja immernoch.

Hildegard

Mesmerizing ...
Bitte nimm zur Kenntnis, dass die Big Five und der MBTI zwei völlig verschiedene Dinge sind.
Die Big Five sind ein Modell.
Der MBTI ist ein Test. Und er misst auch nichtmal die Big Five.
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F. A. Mesmer

Zitat von: Hildegard am 25. Februar 2014, 12:53:27
Mesmerizing ...
Bitte nimm zur Kenntnis, dass die Big Five und der MBTI zwei völlig verschiedene Dinge sind.
Die Big Five sind ein Modell.
Der MBTI ist ein Test. Und er misst auch nichtmal die Big Five.
gut, dann kann man splitten. ich hatte bisher den eindruck, das eine würde das andere messen.
ich liefere später kritische betrachtung zu BigFive nach.

F. A. Mesmer

(MBTI misst 4 von 5 BigFive-traits. nundenn. es ist nicht so, als hätten beide gänzlich nichts miteinander zu tun.) - mir reicht es, wenn wir abhaken, dass MBTI unwissenschaftlich ist - was wohl hier unstrittig sein dürfte, ebenso sozionik.

weiter gehts zu Big Five / Fünf-Faktoren-Modell (FFM):

das BigFive Modell ist, so scheint es, nicht zufriedenstellend - so z.B. im Schlusskapitel (p.21) hier oder auch hier.

die englischsprachige wp hat auch eine kleine aufzählung der mängel.



Hildegard

Zitat von: F. A. Mesmer am 25. Februar 2014, 15:21:15
das BigFive Modell ist, so scheint es, nicht zufriedenstellend - so z.B. im Schlusskapitel (p.21) hier oder auch hier.

die englischsprachige wp hat auch eine kleine aufzählung der mängel.
Bei dem zweiten Paper (auf ein Schummel-Portal hochgeladene Hausarbeit) ist schon der Titel sinnlos: "Can the five factor model explain personality."
Etwas zu erklären, ist nicht die Aufgabe des Modells. Es hilft lediglich beim Sortieren.

Der erste Link kritisiert einerseits, dass der FFM traits zu wenig berücksichtigt und sagt andererseits "studies of personality development have shown little maturational change for the FFM dimensions in adulthood". Ja was denn jetzt? Außerdem wird ja genau diese Stabilität als Stärke des FFM gesehen. Es kommt halt drauf an, was man will.

Mir kam es sowieso nicht darauf an, irgendeinen bestimmten Test hervorzuheben. Ich wollte nur sagen, dass Persönlichkeitstests einen Nutzwert haben können. Man sollte halt vor dem Einsatz das Manual lesen und schauen, ob sie für diesen Zweck und diese Zielgruppe validiert sind. Dass genau dies leider oft nicht geschieht, ist bekannt.
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F. A. Mesmer

beim zweiten paper habe ich die urheberschaft schon nicht verstanden.
beim ersten fand ich die conclusions interessant.

Zitatp.21
Conclusions
In summary, several problems with the currently popular FFM are apparent.  For
example, the FFM does not provide adequate coverage of the normal personality
trait domain (let alone the abnormal personality trait domain); it is unable to be
replicated consistently in different samples; it is not linked to underlying
physiological mechanisms or to neurochemical brain processes; it postulates
heterogeneous broad traits which are too few in number to enable highly accurate
predictions; it provides a static account of regularities in behaviour; and a major
difficulty with the FFM is that it has no established theoretical basis.  What are the
underlying biochemical, neuroanatomical, neuropharmacological, and genetic
substrates of the so-called Big Five dimensions?  Also, it appears that FFM
personality instruments fail to detect significant sex differences in personality
structure (Poropat, 2002, p. 1198).  Evidently, the Big Five dimensions are too
broad and heterogeneous, and lack the specificity to make accurate predictions in
many real-life settings.  Johnson and Kreuger (2004) examined multivariate models
of genetic and environmental influences on adjectives describing the Big Five
p.22
dimensions.  It was found that each domain was aetiologically complex, raising
fundamental questions about the conceptual and empirical adequacy of the FFM.

It has been asserted by Costa and McCrae (e.g., 1997, 2006), that studies of
personality development have shown little maturational change for the FFM
dimensions in adulthood.  Nevertheless, since personality structure is constantly
undergoing developmental change in response to experiential learning (Cattell et al.,
2002; Roberts et al., 2006a,b; Srivastava et al., 2003), it is important to recognize
that adoption of more dynamic models that take into account personality-learning
processes (Cattell, 1983; Cattell et al., 2002), necessarily precludes simple models
of static trait dimensions such as proposed in the FFM.  Instead of representing a
conceptual framework for outlining the developmental and dynamic aspects of
personality traits within a larger psychological structure, the FFM tends merely to
provide a descriptive account of presumed regularities in behaviour, and to view
personality structure as a set of static dimensional tendencies not readily influenced
by social learning experience and enculturation during childhood development. 
Indeed, as Rothbart et al. (2000, p. 130) pointed out, "purely descriptive models of
personality do not readily lend themselves to making predictions about
interactions...they tend to reinforce a simple trait-based model of personality."  In
conclusion, it appears that the currently popular FFM should be replaced with an
expanded and altogether more inclusive model of dynamic personality structure.

so wie ich das verstehe, geht es um folgendes:

  • ist halt ein Modell und keine Simulation
  • es gibts bei Pathologien damit wohl keine Blumentopf zu gewinnen
  • das Modell ignoriert physiologische/neurochemische Vorgänge
  • durch die geringe Anzahl getesteter Eigenschaften sind Vorhersagen ungenau
  • Modell kann keine Unterschiede nach biologischen Geschlecht (sex) abbilden (ergo ungenau)
  • keine genauen (bzw. belastbaren) vorhersagen für real-life settings möglich
  • bei unter 30jährigen [habe ich woanders gelesen] schwanken die Daten mit jeder neuen Erhebung deutlich. Danach werden sie konstanter.
         hier wäre anzumerken, dass das kein Widerspruch in sich sein muss:
         einerseits ist der test dann nämlich für Schülerstudien (in USA beliebt) und Jobassessment in jungen Jahren ungeeignet - keiner würde bei zeitlicher Monatsdifferenz von einer weitgehenden Persönlichkeitsveränderung in der Masse ausgehen
        andererseits bleiben die Daten nach dem 30sten Lebensjahr über sehr lange Zeiträume auffällig konstant, obwohl die Persönlichkeitsstruktur der Leute doch auch danach noch Veränderungen durchmacht, nur halt eben kaum im Test
  • methodische Irritationen in der Erhebung und oder Auswertung der Daten für BigFive-Eigenschaften
  • statisches Konzept, welches Lernprozesse ausklammert
  • kein theoriebasiertes fundament vorhanden. stattdessen salopp formuliert: faktoranalytische Zahlenspiele mittels Statistikprogrammen
  • abschließendes zusammenfassendes zitat:
    ZitatIndeed, as Rothbart et al. (2000, p. 130) pointed out, "purely descriptive models of
    personality do not readily lend themselves to making predictions about
    interactions
    ...they tend to reinforce a simple trait-based model of personality." In
    conclusion, it appears that the currently popular FFM should be replaced with an
    expanded and altogether more inclusive model of dynamic personality structure.
    fett von mir
    bezieht sich auf:
    ZitatRothbart, M. K., Ahadi, S. A., & Evans, D. E. (2000). Temperament and personality:
    Origins and outcomes. Journal of Personality and Social Psychology, 78, 122-135.
    hier wäre anzumerken, dass Berufs- Projekt- etc -settings genau auf dieser Interaktionsebene funktionieren oder scheitern, Aussagen hierzu aber eben mittels Big Five nicht unproblematisch sind.
die englische wp argumentiert vergleichbar im Kritikteil.

Es geht nicht darum, dass ich unbedingt gegenhalten möchte, ich habe von psychometire so gut wie null ahnung, bin aber interessiert. mir wäre es halt und erleichterung, wenn es so richtig gute tools gäbe um psyche, neigung, persönlichkeit zu vermessen (alles politische außen vor gelassen).
mir sind die unzulänglichkeiten von IQ-tests bekannt - IQ-tests messen die fähigkeit ebensolche auszufüllen. ebenso bin ich mit der schwierigkeit gute fragebögen zu konstruieren vertraut.
gruppendynamiken mit ein paar wenigen variablen feststellen zu wollen halte ich berufsbedingt für illusorisch - konkret ist es schon anspruchsvoll eben solche mittels videoaufzeichnung überhaupt herausarbeiten zu können.

zugleich stelle ich aktuell in weiterem umfeld fest, dass der glaube an psychologische messverfahren verbreitet ist und, für meinen geschmack, recht oft quasi-religiös daherkommt. daher mein bohren.