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Werbungskostenabzug für Fortbildung in einer Pseudowissenschaft

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Begonnen von KranzFonz, 24. Juni 2013, 11:13:52

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KranzFonz

Eben habe ich folgenden Pressemitteilung vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz gelesen:

Aufwendungen für die Fortbildung in einer Pseudowissenschaft können nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden

Da dachte ich zuerst: Cool. Sinnlose Fortbildungen werden steuerlich nicht gefördert. Da könnte man ja umgekehrt über das Steuerrecht auf die Sinnhaftigkeit einer Fortbildungsmaßnahme schließen.  8)

Leider war es dann doch nicht so. Die Fortbildungskosten wurden tatsächlich nur deshalb gestrichen, weil die überwiegend berufliche Veranlassung nicht nachgewiesen werden konnte. Aber man wird ja mal träumen dürfen...

MrSpock

Zitat von: KranzFonz am 24. Juni 2013, 11:13:52
... Die Fortbildungskosten wurden tatsächlich nur deshalb gestrichen, weil die überwiegend berufliche Veranlassung nicht nachgewiesen werden konnte. Aber man wird ja mal träumen dürfen...

Dazu bedarf es anderer Steuergesetzte. Die Gesetzesvorlagen werden in dieser demokratischen Republik - wie wir alle wissen - von den Lobbyisten eingebracht und von den sog. Volksvertretern - auch Politiker genannt - beraten. Um objektiv über eine Gesetzesvorlage beraten zu können, müsste der gemeine Politiker sich intensiv mit der Thematik beschäftigen. Dazu hat er weder die Zeit (irgendwo ist immer Wahlkampf) noch die notwendige Qualifikation (Politologie und Soziologie, mit etwas "Glück" Jura). Naturwissenschaftler findet man dort eher selten.
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.

KranzFonz

Zitat von: MrSpock am 24. Juni 2013, 11:46:53
Um objektiv über eine Gesetzesvorlage beraten zu können, müsste der gemeine Politiker sich intensiv mit der Thematik beschäftigen. Dazu hat er weder die Zeit (irgendwo ist immer Wahlkampf) noch die notwendige Qualifikation (Politologie und Soziologie, mit etwas "Glück" Jura). Naturwissenschaftler findet man dort eher selten.

Juhu, Juristen...  :ironie:

Aber Du hast die Lehrer vergessen, die sich zahlreich im Bundestag tummeln...

http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/mdb_zahlen/Berufe.html

The Doctrix

Zitat von: KranzFonz am 24. Juni 2013, 12:44:59
Aber Du hast die Lehrer vergessen, die sich zahlreich im Bundestag tummeln...

http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/mdb_zahlen/Berufe.html

Wobei mich da mal das Fächerspektrum der Pauekr interessieren würde - ob das allen nur Vertreter der Geisteswissenschaften sind, oder auch ein paar Naturwissenschaftler. Und bei letzteren würde mich dann doch mal sehr ihre Haltung zur Pseudomedizin interessieren.
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

KranzFonz

Naja, es lassen sich auch Physiker, Mathematiker, Mediziner, etc. im Bundestag finden:

http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/mdb_zahlen/Studienf__cher.html

Wenn Du viel Zeit hast, kannst Du Dich ja durch diese Liste durcharbeiten und die betreffenden Abgeordneten einzeln anschreiben.  ;D

The Doctrix

Mich interessieren die Lehrer vor allem deshalb, weil es interessante Rückschlüsse auf das Bildungssystem und damit auf die Frage, warum so viele Leute auf Eso-Kram hereinfallen, obwohl sie in der Schule eigentlich das Rüstzeug, diesen Schwachsinn zu erkennen, mitbekommen haben sollten, zulassen würde.
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

KranzFonz

Bekommt man in der Schule wirklich das Rüstzeug mit, um nicht auf Eso-Kram hereinzufallen? In welchem Fach sollte man das lernen?

Groucho

Zitat von: KranzFonz am 25. Juni 2013, 10:26:20
Bekommt man in der Schule wirklich das Rüstzeug mit, um nicht auf Eso-Kram hereinzufallen? In welchem Fach sollte man das lernen?

Religion?

Ratiomania

Zitat von: Groucho am 25. Juni 2013, 10:29:26
Zitat von: KranzFonz am 25. Juni 2013, 10:26:20
Bekommt man in der Schule wirklich das Rüstzeug mit, um nicht auf Eso-Kram hereinzufallen? In welchem Fach sollte man das lernen?

Religion?

,,Habe nun ach! Mathematik, Soziologie und Biologie, und leider auch Religion! durchaus gelernt mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! und bin so klug als wie zuvor; heiße Berufsschulabschließer, heiße Hochschulabließer gar, und ziehe schon an die zwawölf/dreizehn Jahr herauf, herab und quer und krumm meine Lehrer an der Nase herum – und sehe, dass wir nicht kritisch denken können! Das will mir schier das Handy verbrennen!"

:-X

The Doctrix

Zitat von: Groucho am 25. Juni 2013, 10:29:26
Zitat von: KranzFonz am 25. Juni 2013, 10:26:20
Bekommt man in der Schule wirklich das Rüstzeug mit, um nicht auf Eso-Kram hereinzufallen? In welchem Fach sollte man das lernen?

Religion?

In den Naturwissenschaften? Und in Mathematik?
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

Ratiomania

Zitat von: The Doctor am 25. Juni 2013, 12:55:47
Zitat von: Groucho am 25. Juni 2013, 10:29:26
Zitat von: KranzFonz am 25. Juni 2013, 10:26:20
Bekommt man in der Schule wirklich das Rüstzeug mit, um nicht auf Eso-Kram hereinzufallen? In welchem Fach sollte man das lernen?

Religion?

In den Naturwissenschaften? Und in Mathematik?

Poe's Law? OR IS IT?

KranzFonz

Aktuelles Urteil zu Kosten für Heileurythmie als außergewöhnliche Belastung:

FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.4.2013, Az: 5 K 71/11

Bitte vergesst Eure Meinung zu bestimmten alternativen Therapien. Das Finanzgericht weiß es besser:

Zitat
29. Der formalisierte Nachweis darf allerdings nur in den § 64 Abs. 1 EStDV ausdrücklich geregelten Fällen gefordert werden. So fordert § 64 Abs. 1 Buchst. f EStDV den strengen amtlichen Nachweis nur bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, nicht aber bei wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethoden. Auch die Behandlungsmethoden der in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen, zu denen die Homöopathie, Anthroposophie und Phytotherapie gehören (BSG-Urteil vom 22.03.2005 B 1 A 1/03 R, BSGE 94, 221), sind wissenschaftlich anerkannte Heilmethoden, die nach festgelegten Regeln in der Praxis individuell angewandt und kontinuierlich mit modernen wissenschaftlichen Methoden weiter entwickelt werden [...]

Das bedeutet: Ein Heilpraktiker kann Heiltanzen verordnen. Wenn es die Kasse nicht bezahlt, kann man es als außergewöhnliche Belastung abziehen. Die Allgemeinheit zahlt also auf jeden Fall mit.

Revision wurde eingelegt, also muss der BFH entscheiden. Es mag aber bezweifelt werden, ob der das Urteil des Finanzgerichts aufhebt:

Zitat
34. [...] So hat der BFH in einem vor Inkrafttreten der EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ergangenen Urteil ausgeführt, dass Aufwendungen nur nach § 33 EStG abgezogen werden können, wenn die Behandlungsmethode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht, der die prognostizierte Wirkweise der Behandlung auf das angestrebte Behandlungsziel zu erklären vermag, diese Wirkweise sonach zumindest wahrscheinlich macht. Dabei könne es allerdings nicht darauf ankommen, ob die gewählte Behandlungsmethode und die sie tragenden medizinischen Erwägungen von schulmedizinischen Erkenntnissen bestimmt würden oder ob sie auf Erkenntnissen aufbauten, die in der sogenannten alternativen Medizin entwickelt worden seien. Entscheidend sei insoweit vielmehr, ob aus naturheilkundlicher Sicht die gewählte Behandlungsmethode anerkannt und nach den für die Naturheilkunde geltenden Grundsätzen als medizinisch notwendig anzusehen sei. Dabei verstehe es sich von selbst, dass es für die auch hier maßgebliche medizinische Notwendigkeit nicht auf eine Betrachtung aus schulmedizinischer Sicht ankommen könne. Maßstab sei vielmehr insoweit nur die naturheilkundliche Lehre selbst (BFH-Urteil vom 05.10.2011 VI R 49/10, BFH/NV 2012, 33 m.w.N.). [...]

Es ist echt zum Mäusemelken...  $)

Ratiomania

Zitat[...]Insoweit werde auf die als Anlage K 7 eingereichte vergleichende Studie aus der Zeitschrift ,,Der Merkurstab", Heft 5 2008, Seite 435 ff verwiesen.[...]
Q: http://news.steuerfinder.com/familie/sonstige-private-ausgaben/urteile/detail/artikel/kosten-fuer-heileurythmie-als-aussergewoehnliche-belastung-619.html

Wurde beim Anthrosophenamagazin diese Metastudie http://de.wikipedia.org/wiki/Heileurythmie#cite_note-11
breitgeschlagen?

Ratiomania

ZitatFür dieses Ergebnis spricht auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundessozialgerichts. So hat der BFH in einem vor Inkrafttreten der EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ergangenen Urteil ausgeführt, dass Aufwendungen nur nach § 33 EStG abgezogen werden können, wenn die Behandlungsmethode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht, der die prognostizierte Wirkweise der Behandlung auf das angestrebte Behandlungsziel zu erklären vermag, diese Wirkweise sonach zumindest wahrscheinlich macht. Dabei könne es allerdings nicht darauf ankommen, ob die gewählte Behandlungsmethode und die sie tragenden medizinischen Erwägungen von schulmedizinischen Erkenntnissen bestimmt würden oder ob sie auf Erkenntnissen aufbauten, die in der sogenannten alternativen Medizin entwickelt worden seien. Entscheidend sei insoweit vielmehr, ob aus naturheilkundlicher Sicht die gewählte Behandlungsmethode anerkannt und nach den für die Naturheilkunde geltenden Grundsätzen als medizinisch notwendig anzusehen sei. Dabei verstehe es sich von selbst, dass es für die auch hier maßgebliche medizinische Notwendigkeit nicht auf eine Betrachtung aus schulmedizinischer Sicht ankommen könne. Maßstab sei vielmehr insoweit nur die naturheilkundliche Lehre selbst (BFH-Urteil vom 05.10.2011 VI R 49/10, BFH/NV 2012, 33 m.w.N.). Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 11.05.2011 (B 6 KA 25/10 R, BSGE 108, 183) ausgeführt, dass das Gebot, der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen, insbesondere bedeute, dass die Eigenheiten besonderer Therapierichtungen - soweit dies im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften möglich ist – zu berücksichtigen seien. Bei der Bewertung der Qualität und Wirksamkeit von Behandlungsmethoden und Medikationen sei deshalb der Erkenntnisstand der jeweiligen Therapierichtung, also die aus Sicht der Therapierichtung gegebene besondere Wirksamkeit zugrunde zu legen (Maßstab der sogenannten Binnenanerkennung).

Der Maßstab der sogenannten Binnenanerkennung bedeutet kurz gesagt also eine gesetzlich vorgeschriebenes Doppeldenk.

Aber moment:

ZitatSo hat der BFH in einem vor Inkrafttreten der EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ergangenen Urteil ausgeführt, dass Aufwendungen nur nach § 33 EStG abgezogen werden können, wenn die Behandlungsmethode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht, der die prognostizierte Wirkweise der Behandlung auf das angestrebte Behandlungsziel zu erklären vermag, diese Wirkweise sonach zumindest wahrscheinlich macht.

Das heit es gibt 4 verschiedene Wirklichkeiten

- eine schulmedizinische
- eine anthropsophische
- eine homöopathische
- eine phytotherapeutische

Jede darf ihr eigenes Süpchen der "therapeutischen Wirksamkeit" kochen. Ganz nach den eigenen "Binnenregeln".

Ergo gibt es sich widersprechende "Erkenntnisstände der jeweiligen Therapierichtung" die aber juristisch den gleichen Rang haben.


Was folgt daraus? Jeder der seinen Bullshit verticken will sollte versuchen in den Kreis "der heiligen Drei" zu kommen.

Meine Dönertherapie steht schon am Start. Wer seine eigenen Spielregeln im Gesundheitssystem festlegen darf, der kann nicht verlieren.

Aber über die Milliarden der Pharmarießen jammern. Die müssen sich aber wenigstens noch MÜHE geben! [1] [²]

Ratiomania

Was macht das juristische Hirn eigentlich wenn ich denselben "Wirkstoff" in unterschiedlichen Verpackungen von unterschiedlichen Herstellern habe?

Ich möchte eine Kostenerstattung über Krankenkasse für Mistelpräparat mit behaupteter WIrkung X - die bei allen Herstellern diesselbe ist.

Vom "normale Hersteller" von Pharmazeutika (ohne theoretischen Überbau) bekommt man dasselbe nicht erstattet oder wie?

Auch wenn dasselbe beim anthroposophischen, beim homöopathischen (Niedrigpotenz) und beim "phytotherapeutischen" Präparat drin ist?