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die ABDA und ich (der Konsument)

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Begonnen von ajki, 13. Juni 2013, 06:12:58

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ajki

Ab heute wird in den Medien das Ergebnis einer Studie verbreitet, die von der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apotherverbände) beauftragt, von der FORSA durchgeführt und von wiederum der ABDA präsentiert wird. Die Botschaft des ABDA in der Präsentation ist extrem simpel - sie lautet: "Die Ergebnisse zeigen wieder einmal: Auch bei rezeptfreien Medikamenten ist die Beratung durch den Apotheker unumgänglich".

Es ist jetzt irgendwie nicht komplett überraschend, dass ein Berufsverband die Ansicht vertritt, man solle am besten (für alle) dasjenige kaufen, was vom jeweiligen Beruf verkauft wird. Insofern könnten sich die an den Bundesverband angeschlossenen Apothekerverbände an dieser Stelle fragen, ob ihre Beiträge sinnvoll und schlagkräftig für eine "Studie" verwendet wurden, die zu einer Presseerklärung führt, die denn doch - vornehm ausgedrückt - voraussehbar war. Sogar für die Leser der Apotheken Umschau (für die hätte man das aber sowieso nicht machen müssen, denn wer sowas ernsthaft liest, hat eh' schon ein verwirklichtes Abhängigkeitsverhältnis zu den Angeboten der Apothekerverbände).

An dieser Stelle muß jedoch die Bundesvereinigung in Schutz genommen werden. Das Revolutionäre an der Botschaft ist nicht der simple Fakt, sondern das Wörtchen "wieder". Dafür zahlen die Apotherverbände ihre Beiträge an den Bundesverband (gerne): das eben immer wieder mal was gesagt wird, was eh' klar ist.

Soweit zur Verbandspolitik.

Da ich (zum Beispiel) aber nur ein simpler Konsument des phantastischen Angebots der deutschen pharmazeutischen Industrie und ihrer Wertschöpfungsketten bin, möchte ich die Gelegenheit nicht versäumen, zu den zentralen Ergebnissen der wirklich überzeugenden Studie der ABDA Stellung zu nehmen. Dazu fühle ich mich insofern berufen, weil ich zu 52% und zu 66% gemäß der Aussage der ABDA nicht das Richtige tue.

An dieser Stelle beschränke ich mich auf den 52-prozentigen Fehlverhaltensvorwurf der ABDA. Danach blicke ich nicht wirklich durch, also nur zum Befragungszeitpunkt-Hälftigen, wenn mein generisches Anti-Histamin mein Bedienvermögen bei Kraftfahrzeugen und Maschinen beeinträchtigen kann. Wenn ein FORSA-Interviewer also jetzt im Moment mir die Frage stellen würde, ob ich Auto fahre (ja, mach ich) und dann irgendwann später die Frage stellt, ob ich ständig/oft/gelegentlich rezeptfreie Medikamente konsumiere (ja, mach ich) und noch irgendwann später in der Unterhaltung fragt, ob ich rezeptfreie Medikamente im Internet/in der Apotheke/bei einem russischen Schwarzhändler meines Vertrauens kaufe (ja, mach ich), dann ist das 52-prozentige Ergebnis dieser Befragung das, dass ich mit rezeptfrei erworbenen Medikamenten Auto fahre. Weil mir das RISIKO (das ungeheure!) des Anti-Histamins beim kraftfahren und maschinenbedienen bestenfalls halb bewußt ist.

Liebe ABDA, liebe Apotherverbände, liebe Apothekerinnen*,

sehr wohl bin ich mir der dauerhaft gespaltenen Unklarheit meines eigenen Wesens bewußt. Ja, ich scheue mich nicht, diesen Mangel als dauerhafte und unabänderliche Charakterschwäche (meinerseits) zuzugeben. Aber hinsichtlich des Ankaufs und der Verwendung von "rezeptfreien Medikamenten" ist das keine Entschuldigung, die ich verwenden kann.

Denn ich habe irgendwann mal in grauen Vorzeiten ärztliche Beratung zu dem oder den Produkten genossen, die ich auch jetzt, Jahrzehnte später, immer noch verwende, ich habe mich nett und intensiv mit freundlichem Beratungs- und Fachpersonal in Apotheken darüber ausgetauscht (mehrfach) und immer wieder mal lese ich fasziniert und gebannt den Waschzettel des Produkts, das ich kaufe. Im Gegensatz also zu den Pflichten eines Bundesverbandes, der in zyklischen Abständen seine Daseinsberechtigung einem "wieder mal" verdankt, bin ich, der Konsument, ein "immer noch" über den Wesenskern des Produkts aufgeklärter.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(soweit der Dank für die überflüssige Information)

Vielleicht noch ein winzigkleiner Hinweis zu den Informationsangeboten der Pharmaprodukte, soweit sie mir vorliegen. Einem meiner Waschzettel entnehme ich folgende lichtvolle Erläuterung:

"...
Verkehrstüchtigkeit und das Bedienen von Maschinen

Bei manchen Personen kann es in sehr seltenen Fällen zu Benommenheit kommen, was zu einer Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit oder der Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen führen kann.
Es ist deshalb ratsam, Ihre individuelle Reaktion auf die Einnahme von murmelnuschel(R) bei Allergien abzuwarten, bevor Sie ein Fahrzeug führen oder Maschinen bedienen.
..."

Ich möchte hier gerne ein paar Kernpunkte dieser Paraphrase hervorheben (im rein aufklärerischen Sinne, selbstverständlich, zum besser merken!):

  • manche Personen (also von 100 sagen wir mal zwischen 2 und 4)
  • sehr seltenen Fällen (von den zwischen 2 bis 4 Personen sind ab und an 0 bis 1-mal Einnahmefälle betroffen)
  • führen kann (nicht muss)
  • Reaktion abwarten (check - rund unendlich mal)
Hinsichtlich der Botschaft der Bundesvereinigung der Apothekerverbände, auch rezeptfreie Medikamenten unbedingt nur oder mindestens "viel" bei den Apotheken zu kaufen, um einen dauerhaften Beratungsgewinn durch die hervorragenden Fachkräfte abzuschöpfen, kann ich persönlich angesichts der Prüfung der wahrscheinlichen Beratungsergebnisse an dieser Stelle nur eins sagen: besser als der Schmarrn auf dem Waschzettel wird es nicht werden.

Und ich bin auch als doofer Konsument immer noch keine hohle Nuss, liebe ABDA.

Und nebenbei: das mit dem Beraten bei den enormen Risiken rezeptfreier Medikamente habe ich nun verstanden. Das ist ein tolles Angebot, das sollte man nutzen. Wie ist es denn da bei den Homöopathika bestellt mit der Beratung? Je weniger wirksam, desto fahruntüchtiger? Ich wette, da laufen die Apothekerinnen* im Beratungsbusiness zur Hochform auf.

* die Verwendung weiblicher Formen der Anrede schließt ausdrücklich und unter Ausschluss jedes weiteren Rechtsanspruchs sogenannte "männliche" Anredeformen ein
every time you make a typo, the errorists win

Conina

Haste das schon gewusst?

ZitatBeschreibung der Nebenwirkungen in der Produktinformation

Die Beschreibung des Auftretens von Nebenwirkungen ist hinsichtlich der Benennung, Strukturierung und Häufigkeitsangaben einheitlich festgelegt (Terminologie, Organklassensystem und Häufigkeitsdefinition nach MedDRA). Die Häufigkeitsangaben zu Nebenwirkungen basieren auf folgenden Kategorien:[8]

    Sehr häufig: mehr als 1 Behandelter von 10 (>10%)
    Häufig: 1 bis 10 Behandelte von 100 (<10%)
    Gelegentlich: 1 bis 10 Behandelte von 1.000 (1-0,1%)
    Selten: 1 bis 10 Behandelte von 10.000 (0,1-0,01%)
    Sehr selten: weniger als 1 Behandelter von 10.000 (<0,01%)
    Nicht bekannt: Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar


Seltene und sehr seltene Nebenwirkungen machen sich erst ab einer höheren Zahl von Anwendungen (Einnahmedauer, Patientenzahl) bemerkbar. Aus statistischen Gründen müssen zum Beispiel für Nebenwirkungen mit einer Häufigkeit von 1:1 Million etwa sechs Millionen Anwendungen beobachtet werden. Dadurch besteht bei neuen oder wenig verbreiteten Arzneimitteln ein erhöhtes Risiko für bis dahin unbekannte Nebenwirkungen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Nebenwirkung#Beschreibung_der_Nebenwirkungen_in_der_Produktinformation
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

MrSpock

Was ist mit den Wechselwirkungen und verstärkten Nebenwirkungen bei der Einnahme von verschiedenen Medikamtenten? Aber zum Glück gibt es ja dazu die Apotheken-App. Einfach den PZN-Code scannen und los geht´s! Wie steht der Apotheker-Verband eigentlich zu dieser App? Das verleitet doch dazu, eben nicht den Apotheker meines Vertrauens zu fragen, sondern selber zu lesen und versuchen zu verstehen. Auf der einen Seite soll ich wegen jedem Schnupfen-Spray ("Nicht länger wie 2 Wochen einnehmen") und jeder Packung Aspirin mir eine Beratung abholen, auf der anderen Seite kann ich mittels der App schnell und komfortabel mir einen Wechselwirkungsscheck abrufen. Wie passt das zusammen?
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.

ajki

Zitat von: Conina am 13. Juni 2013, 07:17:46
Haste das schon gewusst?

Schlimmer ;-)

Ich habe mir vor Unzeiten folgende Situation ausgemalt:

Kommission zur Freigabe von Arzneimitteln, Kaffeepause, drei Wichtigs

Wichtig1: "Da ham wir dies' Zeuch mit ner Studie, wonach von 100.000 Mäusen eine tüddelig rumrannte nach zweimonatiger, überdosierter Vergabe. Dat könn' wer ja wohl ein-deu-tich rezeptfrei verramschen lassen..."

Wichtig2 (der allbekannte Oberbedenkenträger): "oh-oh, ich weiss ja nich, ich weiss ja nich.. was iss mit den Beschmierten, die sich dat Zeuch hundertkilloweise in zwei Tagen reinzerren?"

Wichtig3: "Kein Ding, iss nachweisbar bis zu drei Monaten später, die aufgenommene Menge. Null Risiko der Haftbarmachung bei Mißbrauch."

Wichtig2: "okee, wo iss der Wisch zum Freigeben?"

Mit dieser Visualisierung kann ich den statischen Feinheiten abgekürzt begegnen ;-)
every time you make a typo, the errorists win

bayle

Zitat von: ajki am 13. Juni 2013, 06:12:58
Die Botschaft des ABDA in der Präsentation ist extrem simpel - sie lautet: "Die Ergebnisse zeigen wieder einmal: Auch bei rezeptfreien Medikamenten ist die Beratung durch den Apotheker unumgänglich".
Es ist jetzt irgendwie nicht komplett überraschend, dass ein Berufsverband die Ansicht vertritt, man solle am besten (für alle) dasjenige kaufen, was vom jeweiligen Beruf verkauft wird.
Ja, klar.
Aber man sollte noch im Hinterkopf behalten: die wesentliche Klientel der Apotheke ist nicht der smarte, gesunde 30+ F.D.P.-Wähler, sondern die schon etwas tüttelige Omma mit Verdauungsproblemen. Da kann die Informationsverarbeitung ein wenig störanfälliger sein, schon wegen der Schwerhörigkeit. Die soziale Funktion der Apotheke ist schwer fassbar aber wichtig, schließlich hat das Postamt schon lange dicht gemacht.

Conina

Die ABDA-PM, die wir hier hatten, war für unser Portal übrigens eine bessere Steilvorlage:
http://blog.psiram.com/2010/02/abda-webseite-von-homoopathen-gehackt/
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

ajki

Zitat von: bayle am 13. Juni 2013, 08:35:08
Die soziale Funktion der Apotheke ist schwer fassbar aber wichtig

Die Klientel ist mit Rückbezug auf die Apotheken Umschau wohlwollend berücksichtigt ;-)

Und es ist natürlich richtig, was Du anmerkst (und unstrittig, will ich betonen).

(im obigen Gepinsel muß es natürlich "statistisch" und nicht "statisch" heißen, aber ich schreib' es jetzt nicht zur Eigenbestrafung 100mal)
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ajki

Zitat von: Conina am 13. Juni 2013, 08:53:07
war für unser Portal übrigens eine bessere Steilvorlage

Auch geil ;-)

Aber da bin ich ja leider nicht betroffen und darf dann sozusagen auch nicht rumnölen ;-)
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The Doctrix

Zitat von: Conina am 13. Juni 2013, 07:17:46
Haste das schon gewusst?

Ich muss es regelmässig meinen Patienten erklären. Problem: nicht einmal Prozentangaben können die meisten korrekt gedanklich umsetzen. Erst wenn man ihnen die Umkehrung sagt ("10% Risiko bedeutet, dass 9 von 10 Patienten keine Nebenwirkungen haben"), wird es zumindest für einige etwas klarer.
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

Conina

Eben!
Deswegen denke ich, dass z.B. so eine APP auch nur begrenzten Nutzen haben kann.


Und was beim Vier-Augen-Erklären dann wirklich ankommt, ist auch oft genug noch mehr als abenteuerlich.
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

MrSpock

Ich denke auch nicht, das die "tüttelige Oma" die Zielgruppe der App ist. Da muss also nach wie vor die Rentner-Bravo herhalten.
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.