Tierheilpraktiker: Zum Mäusemelken

[Unkreativ]

Hinweis für Allergiker: Dieser Post kann Spuren von Pferd enthalten

Hallo finsteres Pharmamafia(tm)-Forum,

Ich bin gerade sowas von angekotzt über die Unterwanderung durch Esos, dass ich mir hier mal Luft machen muss.
Ich schreib mal, was mein akutes Problem ist, wie Esos das unnötig verkomplizieren und etwas über die allgemeine Situation an deutschen Ställen.

Das Problem:

Zusammen mit meiner Frau besitze ich ein Reitpferd. Das Tier hat einige Ausbildungsmängel, die über das hinausgehen, was wir mit unserem reiterlichen Fähigkeitenstand noch handhaben können. Insbesondere buckelt es uns ab und an in den Sand. (Alles Glück der Pferde ist der Reiter auf der Erde)
Also muss das Ego zurückstehen und ein Bereiter/Ausbilder her. Da Buckeln auch ein Anzeichen für Schmerzen sein kann, möchte der -vernünftigerweise- natürlich wissen, ob das Tier gesund ist. [Anmerkung: Wenn ich meinen Stamm-Tierarzt frage, ob das Tier gesund ist, antwortet der mit Schulterzucken und "Wer sucht, der findet... irgendwas".]

Jetzt kommt der Satz, den man in Reitställen bei jeder Art von Problem ständig zu hören bekommt: "Lasst da mal einen Osteopathen oder Chiropraktiker draufschauen".

Und dann steht man da. Einen Eso lass ich an meinen Gaul nicht. Aber gute Bereiter wachsen auch nicht auf Bäumen. Der Kompromissvorschlag ist ein Tierarzt mit Zusatzausbildung. Aber das macht auch nichts besser. Da bekomme ich dann eine Diagnose, die ich in ihrer Glaubwürdigkeit gar nicht mehr einordnen kann.

Bah!

Die Lage:

Die diversen Ausprägungen der manuellen Therapie sind in Reiterkreisen fest etabliert. Selbst Absurditäten wie buntes Klebeband auf dem Fell stellt niemand offen in Frage. Der Gründe gibt es viele:

1. Das durchschnittliche Publikum. Alle Vorurteile dürfen hier frei verwendet werden.

2. Pferde sind als Fluchttiere darauf getrimmt, Schmerzen nicht zu zeigen (Wer sichtbar lahmt, ist Beute). Das bereitet Tierärzten eine ganz besondere Diagnose-Herausforderung, gerade wenn sich die Probleme nur als Unarten (Schlagen, Bocken, Steigen...) unter dem Reiter zeigen. Und hat für Abzocker den Vorteil, dass jede noch so abstruse Horrordiagnose geglaubt wird.

3. Viele gesundheitliche Probleme beim Pferd gründen auf  falscher Reitweise oder ungeeigneter Ausrüstung. Beides ist nicht im Zuständigkeitsbereich der Tierärzte. Gerade hier setzten viele der "guten" Heilpraktiker an. Sie prüfen die Sättel, trainieren das Pferd wieder auf, geben Reitunterricht. Alles solide und wirkungsvolle Maßnahmen. Nur einen "guten" erstmal erkennen. Und natürlich hat nicht das Training, sondern das Zupfen am Beinchen den Bock geheilt.

4. Der Markt ist intransparent. Es gibt diverse Schulen für Osteopathen, Chiropraktiker und Physiotherapeuten. Als Sonderstellung gibt es noch durch die reiterlicher Vereinigung (FN) zertifizierte Physiotherapeuten (Das sind human Physiotherapeuten mit staatllichem Examen und einer Zusatzausbildung). Blöd nur, dass im FN-Verlag auch Fachbücher erscheinen, in denen Reklame für Laser-Akupunktur und Kranio-Sakral-Therapie gemacht wird. Viele Säcke, mit noch mehr Katzen drin zum kaufen.

Fazit:

Dank esotersicher Antiaufklärung fühle ich mich nicht mehr in der Lage, ein rationale Entscheidung zu treffen und damit schlicht entmündigt. Bitter.

[Robert]

Hi, willkommen!

Im Bereich Humanmedizin gibt es Physiotherapeuten, die wenigstens eine seriöse Ausbildung haben, und diese auch anwenden (können - dass es hier auch viele Esos gibt, ist ja bekannt), im Vet-Med-Bereich gibt es aber keine geschützten Bezeichungen dafür und daher jede Menge Unfug, gerade im reiterlichen Bereich (ein gestandener Landwirt dürfte da wohl nicht so anfällig sein).

Man kann nur eins sagen, was beim Menschen unseriös ist, ist es auch bei Tieren. Die seriösen Methoden allerdings dürften nicht 1:1 vergleichbar sein, so ein Reitpferd hat ja eine andere Anatomie als H. sapiens.... Hier hilft genaueste Beobachtung, wie das Pferd sich in unterschiedlichen Belastungssituationen verhält, um herauszufinden, was los ist.

[MrSpock]

Es ist schon merkwürdig: Wir regulieren den Krümmungsgrad der Gurke, den Wasserverbrauch von Duschbrausen und den Energieverbrauch von Lampen. Aber wir sind nicht in der Lage, die Qualität der "Heilberufe" sowohl im Human- als auch im Veterinärmedizinischen Bereich vernünftig zu regulieren. Ich denke, das ist der Kern des angesprochenen Problems.

[Onkel Heinz]

Dank esotersicher Antiaufklärung fühle ich mich nicht mehr in der Lage, ein rationale Entscheidung zu treffen und damit schlicht entmündigt. Bitter.

Ich kenne das gut, ging mir auch so. Mir hingegen wurde aber erst bewusst, welch Infomüllhalde ich unbemerkt in meinem Kopf hatte, bis ich auf das Wiki gestoßen bin. Umso erhellender und befreiender war es, sich von da aus durch die Themen durchzuarbeiten.

Das gute ist doch, dass es zu dem ganzen Zeug jede Menge Infos gibt, und in Foren, wie diesem hier, kann man auch sachliche Themen i.d.R. gut diskutieren. Im RL 'an der Front' wird es zwar manchmal unangenehm, aber da muss man dann durch. Und ja, manchmal ist es zum Haare ausreißen...

[mossmann]

Wenns um Pferde geht, mutiere ich u. U. zum Eso: Reiten muss nicht sein. Sehe ich als Biologe zumindest so nach dem Stand meiner Ausbildung.

[The Doctrix]

Wenns um Pferde geht, mutiere ich u. U. zum Eso: Reiten muss nicht sein. Sehe ich als Biologe zumindest so nach dem Stand meiner Ausbildung.

Ich mag Pferd zwar auch lieber im Magen als unterm A....llerwertesten, aber trotzdem: suum cuique.

[Robert]

Das steht hier nicht zur Debatte, sondern dass selbsternannte Tierheiler ungestraft herumpfuschen dürfen und es schwer ist, seriöse Behandlungsmethoden zu finden.

Bzgl. Homöopathie und einer am einem Tumor erkrankten Katze habe ich in einem Forum Irres gelesen, da hat eine Tusse ihre Katze mit Globuli totgequält und hinterher herumgeheult, als der Katze ein Tumor nach außen durch die Bauchdecke gebrochen ist. Die hat echt gefragt, ob man die Katze homöopathisch einschläfern kann....

Der Thread dazu existiert leider (zum Glück?) nicht mehr.

Ja, und diese Tierquälerei hatte auch so eine Tierheilpraktikerin zu vertreten. Es gibt ja auch keinerlei Anforderungen an diese Tätigkeit, jeder Depp darf sich so nennen. Bei solchen Dingen könnte ich gewalttätig werden....

[MrSpock]

Homöopathisch einschläfern geht nur, wenn man massiv Globuli (welche, das ist egal) in die Luftröhre befördert.

[Belbo zwei]

Ja, und diese Tierquälerei hatte auch so eine Tierheilpraktikerin zu vertreten....

Da bekommen dann auch die Worte "Mäuse" und "Melken" wieder eine ganz andere Bedeutung.....

[Unkreativ]

Uh. Mit Katze habe ich das auch mal miterlebt. Wucherung am Auge. Der Tierarzt hat sich nicht getraut, das zu operieren und dann einfach zur Halterruhigstellung irgendein ein Homeopathikum verabreicht. Leider war ich damals zu jung, um das zu durchblicken.

Was in Reiterkreisen so nervt, ist dass man so langsam unter Rechtfertigungsdruck gerät, wenn man keinen Osteopathen wünscht. Da wird man angeguckt, als würden einem Tassen fehlen.

Was dazu kommt: Natürlich will man ja das Beste für den blöden Gaul. Und so nagt an einem dann der Zweifel: "Vielleicht ist ja doch nicht alles Humbug?"

[misfit]

Das gibt es nicht nur beim Pferd. Ich bin in verschiedenen Kleintierforen unterwegs, z.B. bei meerschweinforum.de  Dort treiben sich einige selbsternannte Tierheilpraktierinnen rum, oder solche die von obskuren Instituten dazu ernannt wurden. In den meisten Fällen leider Frauen zwischen 30 und 50 (so wie ich), die aus irgend einem Grund eine Alternativkarriere suchen (ich aber nicht).

Es wird dort auch nicht davor zurückgeschreckt, Diagnosen abzugeben und Heilberatungen zu machen. Wenn man etwas dagegen sagt, erfolgt das bekannte Phänomen... Alle auf den Skeptiker. Da werden die Heilpraktiker und die Gläubigen zu Furien.

Und wage niemals dort anzugeben, dass du Wissenschaftlerin bist und zumindest qualifiziert bist, um einige Pseudeerklärungen zu beurteilen... Au weia....

[The Doctrix]

Und wage niemals dort anzugeben, dass du Wissenschaftlerin bist und zumindest qualifiziert bist, um einige Pseudeerklärungen zu beurteilen... Au weia....

Das sollte einem sowieso klar sein - Wissenschaft ist nun einmal dogmatisch und pöhse.   

Und natürlich männlich. Frauen brauchen keine Wissenschaft, Frauen spüren, was gut und richtig ist.

[MrSpock]

Und natürlich männlich. Frauen brauchen keine Wissenschaft, Frauen spüren, was gut und richtig ist.

DESWEGEN schmeissen so viele Hebammen mit Globuli und Akkupunktur-Nadeln um sich!

[Belbo zwei]

Und natürlich männlich. Frauen brauchen keine Wissenschaft, Frauen spüren, was gut und richtig ist.

DESWEGEN schmeissen so viele Hebammen mit Globuli und Akkupunktur-Nadeln um sich!

"Wie, du kannst da 'nen Kopf sehen?"
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/unbemerkt-schwanger-ploetzliche-geburt-auf-einem-containerschiff-a-898425.html

[The Doctrix]

"Wie, du kannst da 'nen Kopf sehen?"
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/unbemerkt-schwanger-ploetzliche-geburt-auf-einem-containerschiff-a-898425.html

Hatte ich auch heute gelesen - ist schon irre, was einem die eigene Psyche so vorgaukeln kann.