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Deutsch => Allgemeine Diskussionen => Skeptisches Denken => Thema gestartet von: danpo am 21. April 2012, 15:17:07

Titel: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: danpo am 21. April 2012, 15:17:07
Hallo,

ich bin auf der Suche nach Literatur, Webseiten, Videos, Filmen oder was auch immer, wo esoterische und insbesonders verschwörungstheoretische Denkmuster analysiert werden.

Mir geht es dabei explizit nicht um spezifische Verschwörungstheorien, sondern mich interessiert eher die Metaebene: Welche Voraussetzungen (oder Gemeinsamkeiten) haben Menschen, die an solche Dinge glauben? Wie sind VT (oder andere irrationale Glaubenssysteme) aufgebaut und wie dringen sie in die Psyche von Menschen ein? Wo sind die Schwachstellen?

Hintergrund sind meine eigenen Erfahrungen mit einem mir nahestehenden Menschen und dessen Bekanntenkreis, die in dieser Szene unterwegs sind. Mir ist aufgefallen, dass keiner dieser Menschen übermäßig gebildet oder erfolgreich ist, teilweise heftig mit Drogen experimentiert wurde und wird und ich bei einigen weiß, dass sie eher unzufrieden mit ihrem Leben sind - wobei das Maß an Unzufriedenheit und Leichtgläubigkeit stark zu korrelieren scheint. Es liegt daher der Verdacht nahe, dass VT entweder als Erklärungsmuster für das eigene Versagen ("Die da oben wollen nicht, dass es uns gut geht") oder als eine Art Klugscheißerei ("Du glaubst doch nicht im Ernst noch immer, dass...") oder Mischung von beiden der Aufrechterhaltung des eigenen Stolzes dienen. Jetzt bin ich leider kein Psychologe, glaube aber dennoch, dass es sich bei meinen Bekannten um keine Einzelfälle handelt und dass man das noch viel fundierter diskutieren und analysieren kann.

Das Interview mit Erwin Giedenbacher [1] geht ein bisschen in diese Richtung der Analyse und gefällt mir sehr gut. Aber mehr von ihm finde ich leider nicht...

Ich hoffe, ihr könnt mir weiterhelfen.

Vielen Dank,
danpo

[1] https://www.youtube.com/watch?v=v4M2Io2AyE4
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Wolleren am 21. April 2012, 15:35:01
Wir haben im Wiki 91 Erwähnungen von "Verschwörung"
http://psiram.com/ge/index.php?title=Spezial%3ASearch&search=Verschw%C3%B6rung&go=Seite
und außerdem eine schöne Seite:
http://psiram.com/ge/index.php?title=Verschw%C3%B6rungstheorie

Eine Gemeinsamkeit ist m.E. die Überzeugung der Anhänger, mit den richtigen Antworten auf "cui bono?" eine ausreichende Welterklärung zu bekommen.
Solche Erklärungsmodelle simplifizieren die Welt zu stark: der Drang, die Welt in ihrer Komplexität kennen lernen zu wollen, wird ersetzt durch das Bedürfnis, das  Modell verstehen zu wollen.

Apropos: Esowatch wird ja durch die Pharmaindustrie, ausgewählte DAX und SMI-Unternehmen finanziert, dazu schmierige Genlabore, die Atomindustrie sowie Saatguthersteller. Das ist bekannt. Aber wer finanziert eigentlich die Piraten: Google?
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: celsus am 21. April 2012, 16:03:54
Hi danpo,

sehr wichtige Frage, die du da stellst, finde ich. Ist auch für mich ein sehr spannendes Thema.

Auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs in Berlin gab es mal einen Vortrag mit dem Namen "Entschwörungstheorie", der sich mit Ursachen und Gegenmaßnahmen beschäftigt.

Für mich sind besonders die psychologischen Hintergründe interessant. Da fehlt mir aber auch bisher jegliche Literatur. Vielleicht können wir hier eine Sammlung aufbauen.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Conina am 21. April 2012, 16:29:57
Die Bücher vom Thomas Grüter und sein Blog.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: celsus am 21. April 2012, 16:35:27
Zitat von: Conina am 21. April 2012, 16:29:57
Die Bücher vom Thomas Grüter und sein Blog.

Oh ja http://www.thomasgrueter.de/buecher.html
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Cosmo Kramer am 21. April 2012, 17:11:21

ZitatGrüter: Forschungen haben gezeigt, dass Menschen im Allgemeinen die eigene Gruppe für besser halten als andere. Wenn das nicht so wäre, würden Gruppen auch auseinanderfallen, weil jeder meinte, er wäre in einer anderen Gruppe besser aufgehoben. Der englische Sozialpsychologe Henri Tajfel hat für seine berühmten Studien Leute rein zufällig zu Gruppen zusammengestellt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die eigenen Gruppen jeweils positiver beurteilt wurden als die anderen. Das heißt: Dieser Effekt ist sehr allgemein und hat mit der Gruppe an sich nichts zu tun, sondern nur mit der Tatsache, dass man überhaupt zu einer Gruppe gehört.

Kleiner Hinweis von mir. Das ist ganz normales menschliches Verhalten.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: hamer_nein_danke am 21. April 2012, 17:16:04
klar - aber ein "normaler" Mensch bekommt evtl. Hinweise auf die Gruppenmitglieder und stellt dann fest, das die Gruppe vielleicht doch nicht so sein Fall ist und wechseln. Der VTler wird diese Hinweise immer ignorieren, weil sowas "von oben" oder von wem auch immer kommt und daher per se falsch sein muss. Und wenn dann der "Informierende" auch noch einen "behördlichen" anstrich hat - dann wird er erst recht sich an seine Gruppe klammern.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: celsus am 21. April 2012, 17:33:36
Zitat von: Cosmo Kramer am 21. April 2012, 17:11:21
Kleiner Hinweis von mir. Das ist ganz normales menschliches Verhalten.

Natürlich ist es das. Sollte man nur wissen, damit man eigenes und fremdes Verhalten besser interpretieren kann.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Ridcully am 21. April 2012, 18:40:28
Zitat von: celsus am 21. April 2012, 16:03:54
Auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs in Berlin gab es mal einen Vortrag mit dem Namen "Entschwörungstheorie", der sich mit Ursachen und Gegenmaßnahmen beschäftigt.

Gibt es inzwischen in Buchform: http://cutuphistory.org/media/Daniel_Kulla_Entschw%F6rungstheorie_Flyer.pdf
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 21. April 2012, 19:24:56
@danpoich:
Zitatdie in dieser Szene unterwegs sind. Mir ist aufgefallen, dass keiner dieser Menschen übermäßig gebildet oder erfolgreich ist,
Read more: http://forum.psiram.com/index.php?topic=8559.0#ixzz1shDjmAxa
außerdem
Zitatbei einigen weiß, dass sie eher unzufrieden mit ihrem Leben sind - wobei das Maß an Unzufriedenheit und Leichtgläubigkeit stark zu korrelieren scheint.
Read more: http://forum.psiram.com/index.php?topic=8559.0;topicseen#ixzz1shD5pP4M

haben bei mir auf jeden fall eine wichtige Rolle gespielt, bei manchen der genannten Argumente habe ich sogar jetzt noch Schwierigkeiten, mich ganz von der Praxis, verschiedene Situationen zu Interpretieren, zu lösen, es ist schwierig aber es klappt immer besser.

Hinzukommen können zusätzlich auch:

Traumata, langjährige, chronische Erkrankungen die zu sozialer Isolierung und auch Armut führen können, dazu zähllen sowohl selbst erlebte oder auch die von nahen Freunden oder Bekannten, bestärkt werden kann dies zum Teil auch durch Fehler oder Schwächen in unserem Sozialen System, die besonders auf ärmere oder benachteiligte Personengruppen zutreffen, welche sich aufgrund auch ihrer finanziellen Situation nicht richtig zur Wehr setzen und für ihre Rechte kämpfen können,
das hat dann zur Folge:
Dadurch dass die Bewegung zum großen Teil dann auch nur innerhalb dieser Gruppen stattfindet erfolgt das "Empfinden" dieser Situation als übermächtig, woraus dann gefolgert wird, diese Situation sei für die "gesamte Gesellschaft" representativ oder zumindest "bedeutend", was dann zur extrapolation der eigenen Situation auf die Gesamtstruktur führt.

Dies kann zu einer Suche dieses Menschen nach einer Lösung für seine Notlage führen, er ist in dieser Situation aber zuerst einmal nur "anfällig" für solche Theorien, richtet aber seinen Blick bevorzugt auf solche, vereinfachenden Erklärungsmodelle der Welt.
Hat betroffene Person bis zu diesem Zeitpukt noch ein bischen von ihrem Gesunden Menschenverstand behalten, ist es bis hierhin wahrscheinlich noch möglich, durch Sachargumente und/oder an der realität orientierte Diskussionen, diesen Menschen zum Nachdenken zu bringen, ist der Prozess schon weiter fortgeschritten, wird es sehr schwierig, da sachliche Argumente schon keine Rolle mehr spielen.

Zuletzt kann daraus dann dieses entstehen, wie es Wolleren schon passend formuliert hat:

ZitatEine Gemeinsamkeit ist m.E. die Überzeugung der Anhänger, mit den richtigen Antworten auf "cui bono?" eine ausreichende Welterklärung zu bekommen.
Solche Erklärungsmodelle simplifizieren die Welt zu stark: der Drang, die Welt in ihrer Komplexität kennen lernen zu wollen, wird ersetzt durch das Bedürfnis, das  Modell verstehen zu wollen.
Read more: http://forum.psiram.com/index.php?topic=8559.0#ixzz1shE3Evcd

Wenn dann schon hinsichtlich einer vorhandenen V.T. strukturierte Gruppen diese Person übernehmen, und quasi eine fertig ausformulierte "Heilsmethodik" , die eine dem Empfinden der betroffenen Person entgegenkommende, Gesamtgesellschaftliche Heilslösungen bereithält, zur Verfügung stellen, dann Tschüss, reale Welt.
Die Soziale Bewegung der betroffenen Person erfolgt letztlich dann auch nur noch innerhalb dieser Gruppen, die Sozialen Bindungen, Freundschaften, Beziehungen (ich Glaube das nennt man Gruppenzwang) finden dann auch nur noch im Rahmen dieser Vereinigungen statt, und dass man sich dort logischerweise in der selektiven Wahrnehmung der Welt gegenseitig verstärkt, sogar gegenseitig zu übertreffen sucht, kann man dann wohl als "normal" hinsichtlich der Ideologie innerhalb dieser V.T. Gemeinschaften betrachten.

Ich denke, man muss dann auch durchaus unterscheiden zwischen "Opfern", die in solche Dinge hineingeraten und mehr oder weniger aus "unwissenheit oder Not" dort involviert sind, und "Tätern", die ganz bewusst, aus finanziellen oder Narzistischen Gründen, diese Einstellungen befördern und die benötigte Ideologie, Pseudowissenschaftliche oder Religiöse Erklärung zur Aufrechterhaltung der V.T bereitstellen.

Aber auch das sind oft Wissenschaftler/Gebildete Personen die in irgeneiner Form gescheitert sind, die aber GENAU WISSEN  WAS SIE DA TUN.
Sicherlich gibt es noch viele andere Ursachen für VTs, z.b. bei den ganzen Antisemitischen Schweinereien, die auf uralte Pamphlete und Rassistische Untergrund Texte wie die Machwerke von Kruschewan oder Van H. bzw. J.U.Holey. zurückzuführen sind.

http://www.psiram.com/ge/index.php?title=Jan_Udo_Holey

Es gibt sicherlich noch etliche andere Erklärungen zur Entstehung von V.T,s oder der Motivation der Menschen, die in deren Fänge geraten sind, das hier kann lediglich als ein "empirischer Bericht" einer Einzelperson betrachtet werden, die gerade noch einmal davongekommen ist, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

So, ich guck net mehr drauf, sonst schick ichs net mehr ab, hoffe es trägt ein bissl zum Verständniss von solchen Sachen bei.


Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Cosmo Kramer am 21. April 2012, 19:58:02
Noch ein paar Links, die Beispiele für vergleichsweise sachliche Grundlagen verschwörungstheoretischer Ansätze aufzeigen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Gladio

http://de.wikipedia.org/wiki/Western_Hemisphere_Institute_for_Security_Cooperation

http://de.wikipedia.org/wiki/Bilderberg-Konferenz

http://de.wikipedia.org/wiki/Irakkrieg

Lässt sich beliebig fortsetzen.

Das in der öffentlichen Wahrnehmung gezeichnete Bild von Al Qaida ist ja auch nichts anderes als eine Verschwörungstheorie.

http://de.wikipedia.org/wiki/Al-Qaida

Wikipedia schreibt es richtig, mehr als ein ganz loser Dachverband ist das nicht, viele Menschen denken es aber anders.


Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: danpo am 21. April 2012, 22:03:27
Danke erstmal für eure zahlreichen Antworten.

Zitat von: Wolleren am 21. April 2012, 15:35:01
Eine Gemeinsamkeit ist m.E. die Überzeugung der Anhänger, mit den richtigen Antworten auf "cui bono?" eine ausreichende Welterklärung zu bekommen.
Solche Erklärungsmodelle simplifizieren die Welt zu stark: der Drang, die Welt in ihrer Komplexität kennen lernen zu wollen, wird ersetzt durch das Bedürfnis, das  Modell verstehen zu wollen.
Ja, das oft erwähnte einfache Erkärungsmodell der Welt ist sicherlich ein Faktor, aber ich glaube eben auch nur einer von vielen. Auch der Wissenschafter versucht die Welt so einfach wie möglich zu erklären und ist trotzdem kein VT. Außerdem vermute ich, dass auch hinter dem Drang nach einfachen Erklärungsmustern, der so stark wird, dass dafür wesentliche Gegenargumente bis hin zur völligen Irrationalität geopfert werden, wiederum eine psychologische Erklärung (mit entsprechenden Voraussetzungen) steht.

Zitat von: celsus am 21. April 2012, 16:03:54
Für mich sind besonders die psychologischen Hintergründe interessant. Da fehlt mir aber auch bisher jegliche Literatur. Vielleicht können wir hier eine Sammlung aufbauen.
Ich hab mir ursprünglich sogar überlegt, das hier in den bereits existierenden Bücherthread zu schreiben, hab mich aber dagegen entschieden. Ich denke es macht aber Sinn, wenn ich (sobald ich Zeit dazu finde) die Vorschläge ganz oben zusammenzufasse.

Zitat von: celsus am 21. April 2012, 16:35:27
Zitat von: Conina am 21. April 2012, 16:29:57
Die Bücher vom Thomas Grüter und sein Blog.

Oh ja http://www.thomasgrueter.de/buecher.html
Ich hab das Buch bereits auf meiner "Wunschliste" stehen, war mir aber nicht sicher, ob es das Geld tatsächlich Wert ist. Auch im Bereich der "Anti-Verschwörungstheorie-Bücher" gibt es leider viel Humbug. Hat das schon jemand gelesen? Es klingt auf jeden Fall spannend und in die Richtung gehend, die ich suche - wobei mich noch mehr die psychologischen Voraussetzungen interessieren. Und das Gedankenmodell und die dazugehörende Rhetorik (der Wiki-Artikel über Rhetorik in der Pseudomedizin ist übrigens hervorragend und trifft zum Teil auch auf VT zu). Vielleicht bin ich ja naiv, aber im Endeffekt interessiert mich immer noch die argumentatorische Schwachstelle von VT, quasi die bildliche Wunde in die man Salz streuen kann (nachdem man mit Fakten ja bekanntlicherweise nicht sehr weit kommt). Ich kann mir nach wie vor nicht vorstellen, dass man die klassischen Opfer von VT nicht stutzig machen kann - oder zumindest jene, die noch nicht alles glauben. Weiters interessieren mich auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: Ist mangelnde Bildung schuld an der Welle des Aberglaubens? Oder ist es eine "Über-Rationalisierung", der manche Menschen ausweichen zu versuchen? Warum klammert man sich ausgerechnet an derart ausbeuterische Glaubenssyteme, anstatt z.B. an die Religion wie früher? ....

Zitat von: Cosmo Kramer am 21. April 2012, 17:11:21

ZitatGrüter: Forschungen haben gezeigt, dass Menschen im Allgemeinen die eigene Gruppe für besser halten als andere. Wenn das nicht so wäre, würden Gruppen auch auseinanderfallen, weil jeder meinte, er wäre in einer anderen Gruppe besser aufgehoben. Der englische Sozialpsychologe Henri Tajfel hat für seine berühmten Studien Leute rein zufällig zu Gruppen zusammengestellt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die eigenen Gruppen jeweils positiver beurteilt wurden als die anderen. Das heißt: Dieser Effekt ist sehr allgemein und hat mit der Gruppe an sich nichts zu tun, sondern nur mit der Tatsache, dass man überhaupt zu einer Gruppe gehört.

Kleiner Hinweis von mir. Das ist ganz normales menschliches Verhalten.
Ja, gruppendynamische Phänomene lassen sich sicherlich auch auf VT und Esoterik übertragen. Nur ist die Frage, die ich mir stelle eher: Was sind die Voraussetzungen, damit jemand überhaupt in so eine Gruppe hineinrutscht?

Zitat von: Ridcully am 21. April 2012, 18:40:28
Zitat von: celsus am 21. April 2012, 16:03:54
Auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs in Berlin gab es mal einen Vortrag mit dem Namen "Entschwörungstheorie", der sich mit Ursachen und Gegenmaßnahmen beschäftigt.

Gibt es inzwischen in Buchform: http://cutuphistory.org/media/Daniel_Kulla_Entschw%F6rungstheorie_Flyer.pdf
Den Vortrag kannte ich schon, die Buchform nicht - danke für beide Hinweise. Auch wenn ich Kulla gegenüber etwas skeptische gegenüberstehe, weil er vieles von einem sehr linken Standpunkte aus sieht - was nicht heißen soll, dass ich den Vortrag nicht gut fand.

Zitat von: Chris224 am 21. April 2012, 19:24:56
Dadurch dass die Bewegung zum großen Teil dann auch nur innerhalb dieser Gruppen stattfindet erfolgt das "Empfinden" dieser Situation als übermächtig, woraus dann gefolgert wird, diese Situation sei für die "gesamte Gesellschaft" representativ oder zumindest "bedeutend", was dann zur extrapolation der eigenen Situation auf die Gesamtstruktur führt.
Interessanter Standpunkt, über die Übertragung der eigenen Empfindung der Hilflosigkeit auf die Gesellschaft und den vielleicht daraus resultierenden Drang der "Aufklärung" habe ich so noch nie nachgedacht. Liegt eigentlich nahe.

Zitat von: Chris224 am 21. April 2012, 19:24:56
Wenn dann schon hinsichtlich einer vorhandenen V.T. strukturierte Gruppen diese Person übernehmen, und quasi eine fertig ausformulierte "Heilsmethodik" , die eine dem Empfinden der betroffenen Person entgegenkommende, Gesamtgesellschaftliche Heilslösungen bereithält, zur Verfügung stellen, dann Tschüss, reale Welt.
Die Soziale Bewegung der betroffenen Person erfolgt letztlich dann auch nur noch innerhalb dieser Gruppen, die Sozialen Bindungen, Freundschaften, Beziehungen (ich Glaube das nennt man Gruppenzwang) finden dann auch nur noch im Rahmen dieser Vereinigungen statt, und dass man sich dort logischerweise in der selektiven Wahrnehmung der Welt gegenseitig verstärkt, sogar gegenseitig zu übertreffen sucht, kann man dann wohl als "normal" hinsichtlich der Ideologie innerhalb dieser V.T. Gemeinschaften betrachten.
Mir gefällt die Formulierung, dass eine Gruppe eine Person "übernimmt". Wobei in dem von mehr erwähnten Fall sich die Gruppe eigentlich eher entwickelt hat - also ein schon vorher bestehender Freundeskreis, der sich um einen Guru (aus demselben Freundeskreis) scharrt und sich wie üblich sozial langsam abschottet (schon allein deswegen, weil jedem normalen Mensch die ständigen Belehrungen am Geist gehen...) bzw. beginnt, sich mit anderen Eso-Freaks zu vernetzen. Deren Ideen gehen jedoch auf denselben Blödsinn wie der aller anderen etablierten Gruppen zurück und basieren auf den üblichen Büchern, Blogs etc.

Zitat von: Chris224 am 21. April 2012, 19:24:56
Ich denke, man muss dann auch durchaus unterscheiden zwischen "Opfern", die in solche Dinge hineingeraten und mehr oder weniger aus "unwissenheit oder Not" dort involviert sind, und "Tätern", die ganz bewusst, aus finanziellen oder Narzistischen Gründen, diese Einstellungen befördern und die benötigte Ideologie, Pseudowissenschaftliche oder Religiöse Erklärung zur Aufrechterhaltung der V.T bereitstellen.
Ja, die Unterscheidung zwischen "Tätern" und "Opfern" ist natürlich wichtig - wenn auch nicht immer einfach, weil meiner Erfahrung nach auch die "Opfer" oft beginnen, sich aktiv in der Szene zu engagieren. Die wichtigste Unterscheidung ist für mich jedoch zwischen jenen, die VT oder Esoterik bewusst aus Profitgier oder Durchsetzung politischer Interessen instrumentalisieren und jenen, die einfach leichtgläubig genug sind, darauf hineinzufallen. Während das Verhalten erste Gruppe vielleicht noch am ehesten durch Gesellschaftskritik (Rechtfertigung von Gier) oder politische Erklärungen (Rechtsextremismus im 21. Jahrhundert) nachvollzogen werden kann, interessiert mich in erster Linie die zweite Gruppe der "Unbedarften".
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Graf Zahl am 21. April 2012, 22:21:13
Zitat von: danpo am 21. April 2012, 22:03:27
Danke erstmal für eure zahlreichen Antworten.
...
Ja, das oft erwähnte einfache Erkärungsmodell der Welt ist sicherlich ein Faktor, aber ich glaube eben auch nur einer von vielen. Auch der Wissenschafter versucht die Welt so einfach wie möglich zu erklären und ist trotzdem kein VT.

Nein, nicht möglichst einfach, sondern möglichst realistisch. Wen die Realität komplex ist, dann wird/kann es der Wissenschaftler nicht simplifizieren.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 21. April 2012, 22:28:35
@danpo:

Da gabs mal einen Thread speziel Literatur zum Antisemitismus in VTs :
http://forum.psiram.com/index.php?topic=7842.msg95237#msg95237
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 21. April 2012, 22:34:31
@Graf Zahl:

ZitatNein, nicht möglichst einfach, sondern möglichst realistisch. Wen die Realität komplex ist, dann wird/kann es der Wissenschaftler nicht simplifizieren.

Read more: http://forum.psiram.com/index.php?topic=8559.new#new#ixzz1siFqeJmG

Ich glaube der meinte das so, wie Einstein das mal gesagt hat:

"Man muß die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher."

Albert Einstein - Zitate und Sprüche  Albert Einstein
deutsch-amerikanischer Physiker (1879 - 1955)
Von WWW.gutzitiert.de

Ich glaube der hat sich auch einmal im Bezug auf die "Schönheit" einer Theorie geäußert,
in der Sache jedoch hast du vollkommen recht, realistisch geht vor einfach oder auch Schönheit.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: danpo am 21. April 2012, 23:45:29
Vielleicht war das etwas missverständlich formuliert: Natürlich muss eine wissenschaftliche Theorie immer die "Realität" abbilden, d.h. die Messergebnisse erklären und voraussagen. Aber nach dem Positivismus, dem die Wissenschaft zumindest in der Methodik folgt, ist auch immer die einfachste -- genauer: denkökonomischste -- Theorie zu wählen, also jene Theorie, die die Beobachtungen auf die einfachste Art und Weise erklärt. In dem Sinne ist auch das Zitat Einsteins zu interpretieren.
("Realität" unter Anführungszeichen, weil es erkenntnistheoretisch nicht eindeutig ist, was Realität überhaupt ist.)
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Wolleren am 22. April 2012, 01:24:42
Wenn es weniger um die Analyse der Denkmuster als um die Frage geht, was Menschen dazu treibt, VTs anzuhängen, habe ich noch zwei Vermutungen (neben Gruppendynamik und einfacher Welterklärung):

- Das Sicheinlassen auf eine VT (ebenso auf eine Ideologie, auf eine esoterische Praktik) stellt auch immer ein Opfer dar, nämlich das Opfer der intellektuellen Autonomie. Dieses Opferbringen stellt auch einen Reiz dar: den Reiz, sich hinzugeben. Menschen sind aus den verschiedensten Gründen bereit, sich hinzugeben. Sogar die schlimmsten Ideologien bauen auf die Hingabe integrer Menschen. Gerade die schlimmsten Ideologien.

- Außerdem lockt durch die Hingabe eine Art Jungbrunnen. Der Jungbrunnen besteht im Wiedererleben einer völligen und selbstvergessenen Fokussierung auf ein Thema, und das ist etwas, was mit zunehmendem Alter immer seltener passiert. Eine emotionale Fokussierung kann man zeitweise z.B. durch Musik oder Meditation erreichen. Aber das Eintauchen in eine VT reizt ständig die Vorstellungskraft und bewirkt damit ein ständiges Heureka!-Gefühl, woraus eine intellektuelle Fokussierung entsteht.

Auch wenn das beleglose Küchenpsychologie ist - vielleicht hilft's. Die ursprüngliche Frage nach Denkmustern, die sich weniger mit der mentalen Disposition der Opfer befasst, finde ich interessanter: Wie würde man ein Computerprogramm entwerfen, das eine beliebige VT abbildet?
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Cosmo Kramer am 22. April 2012, 10:11:38
Zitat"Das Wunderbare an einer Konspirationstheorie ist, dass sie einem erlaubt, alles perfekt zu verstehen", erklärt der amerikanische Politikwissenschaftler Michael Barkun den Dauererfolg des Verschwörungsdenkens. Sie "verrät dir, dass alles Böse in der Welt auf eine einzige Ursache zurückgeht, und diese Ursache sind SIE, wer immer das jeweils sein mag".

Freilich machen SIE - im Fall des 11. September die Amerikaner - es den Phantasten auch leicht. Denn Verschwörungstheorien, so Groh, greifen nur, wenn ihnen die Realität entgegenkommt: Damit ihr "Mechanismus funktioniert, müssen sie in das vorherrschende Deutungsmuster einer Gruppe, Nation, Kultur oder Religion wie der Schlüssel in ein Schloss hineinpassen".

Und haben nicht Bush und Blair ihre Mitbürger, die Uno und den Rest der Welt mit gefälschten oder aufgebauschten Bedrohungsszenarien getäuscht, um den Weg ihrer Soldaten in den Irak zu ebnen? Was war mit Vietnam, Iran-Contra und der Unterstützung für Bin Laden und die Taliban gegen die Sowjetsoldaten in Afghanistan?

Der unterstrichene Aspekt ist aber auch wichtig.....
Wenn jemand zu 9/11 fragt, wie es drei Flugzeuge, allesamt unbedrängt, durch einen der am besten überwachten Lufträume der Welt schaffen, muss man nicht viel psychologisieren.

Die Frage(n) sachlich beantworten tut es auch......wenn diese Antworten von Verschwörungstheoretikern nicht aufgegriffen werden, wird's natürlich lästig.

Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 22. April 2012, 15:52:57
@danpo:

Zitat
Vielleicht war das etwas missverständlich formuliert: Natürlich muss eine wissenschaftliche Theorie immer die "Realität" abbilden, d.h. die Messergebnisse erklären und voraussagen. Aber nach dem Positivismus, dem die Wissenschaft zumindest in der Methodik folgt, ist auch immer die einfachste -- genauer: denkökonomischste -- Theorie zu wählen, also jene Theorie, die die Beobachtungen auf die einfachste Art und Weise erklärt. In dem Sinne ist auch das Zitat Einsteins zu interpretieren.
("Realität" unter Anführungszeichen, weil es erkenntnistheoretisch nicht eindeutig ist, was Realität überhaupt ist.)
Ich kenne ein Buch, in dem die "Realität" als Subjektiv beschrieben wird, alles ist eine Art Holographische Abbildung, wenn ich das Hologram zerbreche, nur die unterere rechte Ecke benutzte, dann enthält jedes kleinste Teil  Informationen bezüglich des großen ganzen, auch ein Stückchen des Holograms zeigt nicht die untere, rechte ecke des Bildes, sondern wieder das Gesamte Bild, nur mit weniger Informationen.
Das wird in diesem Buch dann auf die Welt als Gesamtheit bezogen, meinst du so etwas?
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 22. April 2012, 16:07:12
@Wolleren:

Es scheint sogar eine Art Sucht zu sein, wie sonst wären der Erfolg von Dänikens Büchern zu verstehen, obwohl es Tausende von Beweisen gibt, dass er ganz schlicht Lügt, vertuscht, falsch Interpretiert.

Für die Leser spielt es keine Rolle, selbst wenn sie das wissen.

Akte X, Ufo, Dooms Day, Entführt, Andromeda, was weiß ich net noch alles, es wird den Menschan so schmackhaft gemacht, anstelle der ehemals dafür zuständigen Religionen heutzutage (Pseudo)Wissenschaftliche Erklärungen zu akzeptieren, was zum Teil auch an dem Umvermögen vieler Wissenschaftler liegt, ihre Erkenntnisse interessant, Spannend, und trotzdem Faktisch richtig in der populärwissenschaft darzustellen.

Ich halte das für Fatal, in der heutigen Zeit, es gibt Ausnahmen, wie Harald Lesch mit seinen div. Sendungen, der Manfred Spitzer mit "Gehirn und Geist" auf Bayern Alpha und so manche Sendung auf den dritten/Arte/ntv, im großen ganzen kommt aber sehr viel Schrott.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Volvox am 22. April 2012, 16:17:20
@danpo
Ich kann dir dazu den Vortrag von Sebastian Bartoschek empfehlen.
Er hatte seine interessanten Recherchen kurz und Bündig bei ScienceSlam zusammengefasst: http://www.youtube.com/watch?v=B-EhqT_I1JA

Eine Publikation, die bei Spiegel-Online (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,811832,00.html) vorgestellt wurde, wäre ebenfalls zu empfehlen:
Dead and Alive: Beliefs in Contradictory Conspiracy Theories (http://m.spp.sagepub.com/content/early/2012/01/18/1948550611434786)

Ich fand beides sehr aufschlussreich.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Belbo zwei am 22. April 2012, 21:10:37
http://www.antifaschismus2.de/index.php?option=com_content&view=article&id=421:sind-verschwoerungstheoretiker-spinner&catid=63:ueber-verschwoerungsideologien&Itemid=99
....find ich ganz gut.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 22. April 2012, 21:46:27
Zitat von: Belbo zwei am 22. April 2012, 21:10:37
http://www.antifaschismus2.de/index.php?option=com_content&view=article&id=421:sind-verschwoerungstheoretiker-spinner&catid=63:ueber-verschwoerungsideologien&Itemid=99
....find ich ganz gut.

Gute Erklärung, finde ich, die von den Illuminaten ist aber auch net schlecht, link dazu auf der Seite.

und das mit dem Bild mit der dazugehörigen Erklärung hätte ich für pp diskussion mal gut brauchen können, schade, aber trotzdem gut:

http://www.antifaschismus2.de/index.php?option=com_content&view=article&id=295:luegen-mit-bildern&catid=77:vermischtes&Itemid=118
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 22. April 2012, 22:31:04
Zwei Sätze aus dem Text haben mir besonders gut gefallen:

"......Wir können auch sagen, der Verschwörungstheoretiker macht einen Schritt in die richtige Richtung, um hiernach wieder zwei Schritte zurück zu tun in ideologische Verblendung......"
und
".....Stattdessen braucht es für den Verschwörungstheoretiker immer einer Gruppe von konkreten, handgreiflich fassbaren Menschen oder Institutionen, die irgendwo im Hintergrund die Fäden ziehend an allen möglichen negativen Auswirkungen kapitalistischer Vergesellschaftung schuldig sein sollen. Ob es nun Ackermann oder Bertelsmann sind - sie werden vom Verschwörungstheoretiker nicht aufgrund ihrer Funktion innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft kritisiert (auch von anderen Personen ausgeübt werden könnte), sondern moralisch: als bösartige Agenten einer hinter den Kulissen ablaufenden, bloßen Augenschein nicht zugänglichenVerschwörung......."

Und  jetzt sind 100.000 als Kopfgeld aufgesetzt, passt irgendwie ganz gut zusammen.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: danpo am 22. April 2012, 23:46:13
Zitat von: Wolleren am 22. April 2012, 01:24:42
Auch wenn das beleglose Küchenpsychologie ist - vielleicht hilft's. Die ursprüngliche Frage nach Denkmustern, die sich weniger mit der mentalen Disposition der Opfer befasst, finde ich interessanter: Wie würde man ein Computerprogramm entwerfen, das eine beliebige VT abbildet?
Ich finde die Küchenpsychologie dazu ja gar nicht uninteressant - ich versuch mich ja sogar selbst daran. :-) Nur suche ich eben nach Quellen, die sich vielleicht fundierter damit auseinandergesetzt haben. Und ich denke, dass so ein Computerprogramm sehr ähnliche Fakten bräuchte wie jene, die ich suche.

Zitat von: Cosmo Kramer am 22. April 2012, 10:11:38
Wenn jemand zu 9/11 fragt, wie es drei Flugzeuge, allesamt unbedrängt, durch einen der am besten überwachten Lufträume der Welt schaffen, muss man nicht viel psychologisieren.

Die Frage(n) sachlich beantworten tut es auch......wenn diese Antworten von Verschwörungstheoretikern nicht aufgegriffen werden, wird's natürlich lästig.
Zitat von: Chris224 am 22. April 2012, 16:07:12
@Wolleren:

Es scheint sogar eine Art Sucht zu sein, wie sonst wären der Erfolg von Dänikens Büchern zu verstehen, obwohl es Tausende von Beweisen gibt, dass er ganz schlicht Lügt, vertuscht, falsch Interpretiert.

Für die Leser spielt es keine Rolle, selbst wenn sie das wissen.

Akte X, Ufo, Dooms Day, Entführt, Andromeda, was weiß ich net noch alles, es wird den Menschan so schmackhaft gemacht, anstelle der ehemals dafür zuständigen Religionen heutzutage (Pseudo)Wissenschaftliche Erklärungen zu akzeptieren, was zum Teil auch an dem Umvermögen vieler Wissenschaftler liegt, ihre Erkenntnisse interessant, Spannend, und trotzdem Faktisch richtig in der populärwissenschaft darzustellen.

Ich halte das für Fatal, in der heutigen Zeit, es gibt Ausnahmen, wie Harald Lesch mit seinen div. Sendungen, der Manfred Spitzer mit "Gehirn und Geist" auf Bayern Alpha und so manche Sendung auf den dritten/Arte/ntv, im großen ganzen kommt aber sehr viel Schrott.
Nach meinem Verständnis geht es eigentlich weder um Leute die kritische Fragen stellen -- die heiße ich jederzeit willkommen und unterstütze das --, noch um Entertainment: Ich selbe schau gerne die ein oder andere Serie oder Film, der wissenschaftlicher Humbug ist. Aber es gibt dann eben den Übergang zur VT, wo Fakt und Fiktion vermischt werden bzw. kritische Fragen rhetorischen Fragen zur (scheinbaren) Untermauerung einer vorgefertigten These dienen.

Zitat von: Chris224 am 22. April 2012, 15:52:57
@danpo:

Zitat
Vielleicht war das etwas missverständlich formuliert: Natürlich muss eine wissenschaftliche Theorie immer die "Realität" abbilden, d.h. die Messergebnisse erklären und voraussagen. Aber nach dem Positivismus, dem die Wissenschaft zumindest in der Methodik folgt, ist auch immer die einfachste -- genauer: denkökonomischste -- Theorie zu wählen, also jene Theorie, die die Beobachtungen auf die einfachste Art und Weise erklärt. In dem Sinne ist auch das Zitat Einsteins zu interpretieren.
("Realität" unter Anführungszeichen, weil es erkenntnistheoretisch nicht eindeutig ist, was Realität überhaupt ist.)
Ich kenne ein Buch, in dem die "Realität" als Subjektiv beschrieben wird, alles ist eine Art Holographische Abbildung, wenn ich das Hologram zerbreche, nur die unterere rechte Ecke benutzte, dann enthält jedes kleinste Teil  Informationen bezüglich des großen ganzen, auch ein Stückchen des Holograms zeigt nicht die untere, rechte ecke des Bildes, sondern wieder das Gesamte Bild, nur mit weniger Informationen.
Das wird in diesem Buch dann auf die Welt als Gesamtheit bezogen, meinst du so etwas?
Naja, mit Holographie hab ich nichts am Hut. :-) Ich bin auch kein Philosoph, der dir den Realitätsbegriff wirklich sezieren könnte, sondern nähere mich nur über die Wissenschaft an das Thema heran und da geht man in der Regel von einem "realistischen" [1] Weltbild aus, d.h. man geht von einer real existierenden Welt (unabhängig vom menschlichen Bewusstsein) aus. Der Positivismus [2] verneint dagegen die Trennung zwischen der Welt und dem menschlichen Bewusstsein. Mach schrieb dazu: "Die Unterscheidung zwischen Ich und Welt ist haltlos." [3] In der Wissenschaft geht man zwar meistens von einer unabhängig existierenden Realität aus, bedient sich aber der positivistischen Methodik - zum Beispiel der erwähnten "Denkökonomie". Wie du ihm Wikipedia-Artikel zur Wissenschaftstheorie siehst, gibts dann noch einige Abwandlungen der genannten Strömungen. Aber wie gesagt: ich bin selbst kein Experte dazu, ich hab mich nur mal im Rahmen einer Seminararbeit tiefer damit (und den daraus entstehenden Problemen) beschäftigt. Ich hoffe, das hilft dir weiter bzw. schafft alle Missverständnisse aus der Welt.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftstheorie#Wissenschaftlicher_Realismus
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftstheorie#Positivismus
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Mach#Sinnespsychologie_und_Philosophie

Zitat von: Volvox am 22. April 2012, 16:17:20
@danpo
Ich kann dir dazu den Vortrag von Sebastian Bartoschek empfehlen.
Er hatte seine interessanten Recherchen kurz und Bündig bei ScienceSlam zusammengefasst: http://www.youtube.com/watch?v=B-EhqT_I1JA

Eine Publikation, die bei Spiegel-Online (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,811832,00.html) vorgestellt wurde, wäre ebenfalls zu empfehlen:
Dead and Alive: Beliefs in Contradictory Conspiracy Theories (http://m.spp.sagepub.com/content/early/2012/01/18/1948550611434786)

Ich fand beides sehr aufschlussreich.
Zitat von: Chris224 am 22. April 2012, 21:46:27
Zitat von: Belbo zwei am 22. April 2012, 21:10:37
http://www.antifaschismus2.de/index.php?option=com_content&view=article&id=421:sind-verschwoerungstheoretiker-spinner&catid=63:ueber-verschwoerungsideologien&Itemid=99
....find ich ganz gut.

Gute Erklärung, finde ich, die von den Illuminaten ist aber auch net schlecht, link dazu auf der Seite.

und das mit dem Bild mit der dazugehörigen Erklärung hätte ich für pp diskussion mal gut brauchen können, schade, aber trotzdem gut:

http://www.antifaschismus2.de/index.php?option=com_content&view=article&id=295:luegen-mit-bildern&catid=77:vermischtes&Itemid=118
Danke für die Links! Ich sollte mich mal hinsetzen und die diversen Dissertationen, die (zumindesten in den Verweisen) erwähnt wurden, lesen. Auf der Antifaschismus-Seite ist wieder das von mir eingangs erwähnte Interview mit Erwin Giedenbacher zu sehen. Weiß jemand, was der jetzt macht? Ich konnte herausfinden, dass er offenbar an der Universität Salzburg wirkte, aber im Personalverzeichnis steht er nicht (mehr) und sonst finde ich im Internet auch keine Spuren von ihm.

Zitat von: Chris224 am 22. April 2012, 22:31:04
".....Stattdessen braucht es für den Verschwörungstheoretiker immer einer Gruppe von konkreten, handgreiflich fassbaren Menschen oder Institutionen, die irgendwo im Hintergrund die Fäden ziehend an allen möglichen negativen Auswirkungen kapitalistischer Vergesellschaftung schuldig sein sollen. Ob es nun Ackermann oder Bertelsmann sind - sie werden vom Verschwörungstheoretiker nicht aufgrund ihrer Funktion innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft kritisiert (auch von anderen Personen ausgeübt werden könnte), sondern moralisch: als bösartige Agenten einer hinter den Kulissen ablaufenden, bloßen Augenschein nicht zugänglichenVerschwörung......."

Und  jetzt sind 100.000 als Kopfgeld aufgesetzt, passt irgendwie ganz gut zusammen.
Braucht man tatsächlich immer konkrete Personen oder Institutionen? Ich habe eher das Gefühl, dass meistens (bewusst?) nicht konkretisiert wird, wer "die" (die über uns herrschen) sind. Vielleicht damit man "die" je nach Zielgruppe beliebig austauschen kann? Quasi "die Rockefellers und Ackermanns" als Wurzel allen Übels in der ersten Stufe, in der zweiten Stufe dann "die Politiker" (die ja von den "Rockefellers und Ackermanns" gesteuert werden; insbesondere die USA und als Brückenschlag zur dritten Stufe dann Israel) und als dritte Stufe die "Juden" als Synomyn für das Böse. Ist jetzt nichts weiter als ein kurzer Gedankengang, aber ich denke, dass es für eine VT (bzw. jene, die sie politisch instrumentalisieren) oft vorteilhafter ist, die Identität der "Elite" offen zu lassen.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 23. April 2012, 00:22:12
@danpo:
ZitatNaja, mit Holographie hab ich nichts am Hut. :-) Ich bin auch kein Philosoph, der dir den Realitätsbegriff wirklich sezieren könnte, sondern nähere mich nur über die Wissenschaft an das Thema heran und da geht man in der Regel von einem "realistischen" [1] Weltbild aus, d.h.

Read more: http://forum.psiram.com/index.php?topic=8559.0;topicseen#ixzz1soWnRWuh

;D ;D ;D Alles klar, danpo ;D ;D ;D
ich wollte mit der Frage nur mal zur Sicherheit abklopfen, ob es sich net vielleicht um so eine transhumanistische und damit endlose Sache bez. Realität etc.......handeln könnte.

Hast du dir die Sache vom Belbo mal angeschaut?

Da hat es einige gute Erklärungen, aber wenn ich dich richtig verstanden habe, suchst du nach den Beweggründen
"einfacher Leute" bei so etwas mitzumachen, also in der Art wie,
"Ich lerne beim Aldi jemanden kennen, den ich interessant finde",
dann telefoniere ich mit dem, später treffe ich mich mal, ein paar von seinen Aussagen kommen mir zwar komisch vor , aber , eigentlich ganz nett der Mensch, etc.

bis du dann irgendwann einmal Bestandteil der Gruppe geworden bist, die sich irgendwo auf`m Land in einer alten Scheune trifft, einem Medium oder Priester hinterherläuft und der "Engelsbotschaften channelt.



Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: RächerDerVerderbten am 04. Mai 2012, 18:25:41

" Welche Voraussetzungen (oder Gemeinsamkeiten) haben Menschen, die an solche Dinge glauben ? "

Eine Voraussetzung ist bei den meisten VTlern gefühlte Machtlosigkeit , ein Minderwertigkeitskomplex , der darauf lauert , in Grössenwahn umzuschlagen , verbunden mit dem Bedürfnis nach simplen Erklärungen .

Während der Annäherung an die V-Theorie gibts das permanente Gefühl der Erleuchtung , alles fügt sich wie von Zauberhand , das hat schon was .
Nach Verinnerlichung der V-Theorie tritt das Bewusstsein der eigenen Exklusivität auf , man gehört nicht mehr zur " dumpfen Masse " .

1. ist man klüger als die Herde ( die Verschwörung wurde durchschaut )

2. ist man mutiger als der Rest ( es wird todesverachtend die Wahrheit verkündet )

3. ist man hochmoralisch ( im Gegensatz zu Politikern , Journalisten und Esowatchern ist man nicht käuflich  )

Wobei ich zu Punkt 3 vermute , viele VTler sind einfach nur gekränkt dass ihnen nie jemand Schweigegeld geboten hat , oder wenigstens die Mitgliedschaft in einer Freimaurer - Loge  ;D
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 06. Mai 2012, 01:47:01
@RächerDerVerde:

Zitat
Während der Annäherung an die V-Theorie gibts das permanente Gefühl der Erleuchtung , alles fügt sich wie von Zauberhand , das hat schon was .

Read more: http://forum.psiram.com/index.php?action=post;topic=8559.0;num_replies=26#ixzz1u2tlKPx0

Das nennt man dann Syncronizität.

Das Problem mit der Eitelkeit, der Exclusivität, der Moral, der Herde überlegener Intelligenz haben ganz viele Leute, die Frage ist halt, wann ist gut.

Kritik, Misstrauen, Hinterfragen, Mutig gegen Unrecht einzuschreiten sind ja eigentlich ganz gute Eigenschaften, im Prinzip sollte das eigentlich jeder machen, aber in einem gesunden Rahmen.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: RächerDerVerderbten am 06. Mai 2012, 03:56:01
In meiner Sturm - und Drangzeit hattich auch mal sone halbjährige Phase , lag an den Halluzinogenen , immerhin hilfts mir heute noch , mich in die Psyche von Paranoikern reinzuversetzen  ;D

Das " Pendel " von Eco hat dann einiges wieder gradegerückt  ::)
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: BasementBoi am 09. Mai 2012, 02:06:42
Psychologisch denke ich das diese Leute wenig 'Selbstwirksamkeitserwartung' haben. Daher die Kontrolle über Ihr Leben eher äußerlichen Faktoren zuschreiben.

http://en.wikipedia.org/wiki/Locus_of_control
http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstwirksamkeitserwartung

Dazu gibt es in der Psychologie noch die sogennanten Attributationstheorien, die Menschen vornehmen um ihr eigenes oder fremdes Verhalten zu erklàren.

http://de.wikipedia.org/wiki/Attributionstheorien
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 09. Mai 2012, 15:43:37
ZitatDas " Pendel " von Eco hat dann einiges wieder gradegerückt
Read more: http://forum.psiram.com/index.php?topic=8559.0#ixzz1uNpwfvep
Geiles Buch, lass mir das ab und zu immer mal von meinem PC Vorlesen, da gibts ein gutes Prg, Ballabolka glaub ich heißt das, man muss nur einen Ersatz für die Amerikanischen Stimmen von MS finden, dann hört sich das sogar einigermaßen Menschlich an.

Und ohne das hier
ZitatIn meiner Sturm - und Drangzeit hattich auch mal sone halbjährige Phase , lag an den Halluzinogenen , immerhin hilfts mir heute noch , mich in die Psyche von Paranoikern reinzuversetzen
Read more: http://forum.psiram.com/index.php?action=post;topic=8559.0;num_replies=29#ixzz1uNqihQzB
wär ich wohl nach meiner Nahtoderfahrung komplett in den Wahnsinn oder in die Hände von irgendwelchen Esos geraten, da die Erlebnisse schon ziemlich heftig waren, ohne Refferenzpunkte andersgelagerter Haluzinationen wär ich da ganz schön ins Rudern gekommen, mit logischen/psyschologischen Erklärungen.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 09. Mai 2012, 15:45:11
Zitat von: BasementBoi am 09. Mai 2012, 02:06:42
Psychologisch denke ich das diese Leute wenig 'Selbstwirksamkeitserwartung' haben. Daher die Kontrolle über Ihr Leben eher äußerlichen Faktoren zuschreiben.

http://en.wikipedia.org/wiki/Locus_of_control
http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstwirksamkeitserwartung

Dazu gibt es in der Psychologie noch die sogennanten Attributationstheorien, die Menschen vornehmen um ihr eigenes oder fremdes Verhalten zu erklàren.

http://de.wikipedia.org/wiki/Attributionstheorien

Das hier, Selbstwirksamkeitserwartung , könnte was für den Piratenthread bzw. auch ne Erklärung für den Zulauf oder auch die ganzen abstrusen Einsickerungen aus der Eso Szene sein. Dadurch dass sie sich von jemand anderes vertreten fühlen, steigt die Möglichkeit dass die eigenen Vorstellungen gehört oder umgesetzt werden.
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: RächerDerVerderbten am 09. Mai 2012, 23:49:11
mit Selbstwirksamkeit und Attributation hab ich erst mal was zum Knuspern , ich spür schon den Rückkopplungseffekt auf meine Allgemeinbildung  ;)
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Chris224 am 19. Mai 2012, 02:32:37
@RächerDerVerderbten:
@Danpo:

ZitatHallo,

ich bin auf der Suche nach Literatur, Webseiten, Videos, Filmen oder was auch immer, wo esoterische und insbesonders verschwörungstheoretische Denkmuster analysiert werden.

Mir geht es dabei explizit nicht um spezifische Verschwörungstheorien, sondern mich interessiert eher die Metaebene: Welche Voraussetzungen (oder Gemeinsamkeiten) haben Menschen, die an solche Dinge glauben? Wie sind VT (oder andere irrationale Glaubenssysteme) aufgebaut und wie dringen sie in die Psyche von Menschen ein? Wo sind die Schwachstellen?

Ich hab dazu noch was vom Antitainment bekommen aus dem Büchertipps Thread, fand ich ganz interessant und treffend zum Thema.

http://forum.psiram.com/index.php?topic=2573.msg98163#msg98163

http://jungle-world.com/artikel/2012/19/45434.html
Titel: Re: Analyse verschwörungstheoretischer Denkmuster
Beitrag von: Arno am 19. Mai 2012, 09:39:02
Weiß jemand ob die Dissertation vom Dipl. Psychologen, Science Slammer und GWUPler Sebastian Bartoschek inzwischen fertig und irgendwo verfügbar ist?

ZitatSebastian widmet sich als erster Doktorand weltweit dem Thema Psychologie und Verschwörungstheorien [...]
(Aus der Beschreibung eines hier im Faden bereits verlinkten Videos: http://www.youtube.com/watch?v=B-EhqT_I1JA )
Das könnte passen...