Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Religion und Moral

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von Chris224, 28. März 2012, 23:15:49

« vorheriges - nächstes »

P.Stibbons

@ Binky:

ZitatAtheist im Sinne der Definition

Was wäre das dann präzise, wenn deiner Meinung nach gleichzeitig zutreffen soll:

ZitatEs ist wohl ein Paradoxon, daß in der DDR die Kirche quasi atheistischer als der Staat war.


Graf Zahl

Zitat von: P.Stibbons am 31. März 2012, 08:52:17
Ich schätze Pinker sehr.
Aber nach Grafs Logik müssten die atheistischsten politischen Systeme die friedliebendsten sein.
Nenne mir eins, das nicht zutiefst autoritär und unterdrückerisch ist.

Ici, der asiatische Gedankenleser, hat das genau in meinem Sinne schon beantwortet.
Ich habe das aber nicht angestoßen, sondern nur auf Landrattes Behauptung (etwas überspitzt: wg Kirche, Bibel und den zehn Geboten, hätten wir Frieden und bessere Gesellschaften bekommen) geantwortet. Da warte ich noch auf Belege.

Binky

Zitat von: P.Stibbons am 31. März 2012, 10:37:47
@ Binky:

ZitatAtheist im Sinne der Definition

Was wäre das dann präzise, wenn deiner Meinung nach gleichzeitig zutreffen soll:

ZitatEs ist wohl ein Paradoxon, daß in der DDR die Kirche quasi atheistischer als der Staat war.



Das steht doch schon in meinem Posting oben. Atheismus als Abwesenheit eines Glaubenssystems. Ich grenze das nicht auf die bekannten, großen Religionen ein.

Und ich schrieb: atheistischer  (als Vergleich gesehen, daher nicht absolut gemeint)

P.Stibbons

Graf, ich schätze dich auch sehr!  ;)

Daher hat es mich gewundert, dass du einerseits - zu Recht!- Belege einforderst, andererseits aber mit einer Art Klischee  (Atheismus führt zu weniger Kriegen) eingestiegen bist.
Einen Beleg  primär aus Gründen einer differenzierten Diskussion habe ich gebracht:
Zitat

So haben wir etwa einem Comenius ganz entscheidend mit zu verdanken, dass Zugang zu Bildung für alle Menschen möglich ist:


Zitat...Seine Forderung nach einer grundlegenden, das Wesentliche umfassenden Allgemeinbildung für alle, nach bildungspolitischer Chancengleichheit für Mädchen, sozial Schwache und geistig Zurückgebliebene, die Prinzipien der Anschauung und der Selbstständigkeit, der Erziehung zum Gebrauch der eigenen Vernunft, seine Vorstellung einer lebensnahen freundlichen Schule und einer gewaltfreien Erziehung sind bis heute gültig geblieben, ebenso seine Erziehungsziele, die Erziehung des Menschen zur Menschlichkeit und die dadurch entstehende Weltverbesserung.

Seine Hoffnung auf eine humane Welt, auf Fortschritt und Verbesserung des menschlichen Lebens verbinden ihn mit der Neuzeit. Neuzeitlich sind auch seine Vorstellung von der zentralen Stellung des Menschen für den Erneuerungsprozess der Welt, bei ihm allerdings verbunden mit Gottes Handeln. Comenius ist eine Art Bindeglied zwischen der Renaissance und der Aufklärung: Einerseits in der theologischen Tradition stehend, andererseits die Vernunft eines jeden Menschen, die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit betonend...

Einen weiteren Beleg meine ich in dem Einfluss der Evangelischen Kirche Ostdeutschlands in der friedlichen Revolution der Kerzen zu erkennen.
Dann gibt es beispielsweise noch diese:

William Wilberforce hat sich politisch massiv für die Abschaffung der Sklaverei eingesetzt.

Martin Luther King hat seinen gewaltlosen Kampf für die Freiheitsrechte der Afroamerikaner ganz stark aus seinem christlichen Glauben geführt.



Landratte

Zitat von: Graf Zahl am 30. März 2012, 23:51:01
Zitat von: Landratte am 30. März 2012, 23:27:57
Zitat von: Graf Zahl am 30. März 2012, 23:12:54
Falsch. Die hatten den Gott und waren trotzdem so. Er hat also nicht funktioniert. Heute gibt es mehr Atheisten und weniger Krieg etc. Schon komisch.
Schon klar. In den vergangenen 3000-8000 Jahren hat sich ansonsten gesellschaftlich ja auch nichts verändert. Nur die Sache mit den Atheisten. Und die zehn Gebote haben auf unsere Gesellschaft auch überhaupt keinen Einfluss (gehabt).
Da lach ich mich einfach mal ganz gepflegt schlapp.
Du meinst, die Gesellschaft hat sich geändert wegen Gott, der Bibel oder den Geboten?
Dann bring mal die Belege für Dein vielen Behauptungen. Und bitte auch die zehn Gebote und welches davon welchen Einfluss gehabt haben soll.

Manchmal denk ich: hätt ich mich doch lieber auf meine Finger gesetzt. Aber ich versuche das mal.
Im Gegenzug erwarte ich allerdings auch Nachweise über die Deinerseits aufgestellten Behauptungen (mehr Atheisten - weniger Krieg).

Mir geht es ausdrücklich nicht um einen Gottesbeweis oder darum, dass Gott selbst auf Gegebenheiten eingewirkt habe.

Ich beginne mal mit den zehn Geboten.

Vom Dekalog gibt es zwei Fassungen, die in Details voneinander abweichen. Die eine Fassung findet sich in Exodus 20, die andere Fassung in Deuteronomium 5. Ich nehme einfach mal die Fassung aus dem Deuteronomium, ist aber unwesentlich.

Dtn 5,6–21

,,Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus."

,,Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.Du sollst dir kein Gottesbildnis machen, das irgendetwas darstellt am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld."

,,Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht."
http://de.wikipedia.org/wiki/Gottesl%C3%A4sterungsparagraph
ZitatMit Hilfe des sog. ,,Gotteslästerungsparagraphen" wurden etwa 1994 die Darstellung gekreuzigter Schweine und die Aufführung des Musicals Das Maria-Syndrom von Michael Schmidt-Salomon verboten, in dem eine (neuzeitliche) ,,Marie" durch eine verunreinigte Klobrille befruchtet wird und daraufhin ein Fall von ,,Jungfrauengeburt" eintritt. Die Uraufführung des Stücks sollte am 28. Mai 1994 in Trier stattfinden. Einen Tag zuvor wurde die Aufführung jedoch vom dortigen Ordnungsamt verboten, das damit einem Antrag des Bistums Trier folgte. Auch eine Aufführung vor einem ,,garantiert religionsgefühllosen Publikum" wurde nicht zugelassen. Das anschließende Gerichtsverfahren ging über mehrere Instanzen: Das Bundesverwaltungsgericht[5] bestätigte die Rechtmäßigkeit des Verbots und folgte darin dem Oberverwaltungsgericht Koblenz.[6] Das Bundesverfassungsgericht lehnte eine Behandlung des Falles ohne Angabe von Gründen ab.[7]

,,Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat. Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Rind, dein Esel und dein ganzes Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er.    Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm dort herausgeführt. Darum hat es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht, den Sabbat zu halten."
http://de.wikipedia.org/wiki/Sonntagsruhe

"Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat, damit du lange lebst und es dir gut geht in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt."

"Du sollst nicht morden."
   
"Du sollst nicht die Ehe brechen."
http://de.wikipedia.org/wiki/Ehebruch#Deutschland
ZitatDeutschland [Bearbeiten]

In Deutschland gilt Ehebruch zivilrechtlich als unerlaubte Handlung und als Verletzung der aus der Ehe folgenden Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB) [3]. Jedoch wird Ehebruch seit dem 1. September 1969 (1. StrRG) nicht mehr strafrechtlich sanktioniert. Von Gegnern der Abschaffung war die Strafandrohung für Ehebruch mit der "sittenprägenden und sittenerhaltenden Wirkung" begründet worden.[4][5] Auch ist seit dem Wegfall des Verschuldensprinzips zum 1. Juli 1977 (1. EheRG) Ehebruch allein kein hinreichender Scheidungsgrund mehr; vielmehr wird auf die Zerrüttung der Ehe abgestellt.

"Du sollst nicht stehlen"

"Du sollst nichts Falsches gegen deinen Nächsten aussagen"

"Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen und du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren, nicht sein Feld, seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel, nichts, was deinem Nächsten gehört."

Ob und inwieweit der Dekalog Einfluss auf unsere Rechtsprechung zu Straftatbeständen hat, wird kontrovers diskutiert. Deshalb mache ich dazu mal keine Aussage.
Wichtig finde ich dennoch, dass mit dem Dekalog umfassende Regeln für ein gesellschaftliches und soziales Zusammenleben verschriftlicht wurden.
ZitatDies gab den Zehn Geboten ihre überragende Bedeutung als lebensnotwendige Grundregeln für alle Lebensbereiche in der weiteren Geschichte von Juden- und Christentum.
http://de.wikipedia.org/wiki/Zehn_Gebote

Zum Gebot der Nächstenliebe im Neuen Testament:
http://de.wikipedia.org/wiki/Goldene_Regel

Einflüsse des Christentums (und damit auch des Judentums) finden sich auch in
- der Vereidigung von z.B. Soldaten oder dem Bundespräsidenten:
http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_56.html
- der fehlenden Trennung von Kirche und Staat (nur in Frankreich und Portugal ist die Trennung verfassungsrechtlich festgeschrieben):
http://de.wikipedia.org/wiki/Laizismus
- der Kunst. Dazu habe ich jetzt keinen Link, aber dass Religion, insbesondere im christlich geprägten Europa das Christentum, bis heute auch Künstler beschäftigt und beeinflusst ist vielleicht auch ohne konkreten Nachweis nachvollziehbar.

Soweit erstmal "auf die Schnelle".

Ah, hier ist noch was zum Thema Vergeltung: http://de.wikipedia.org/wiki/Auge_f%C3%BCr_Auge und Abschaffung von Menschenopfern:
ZitatAntikes Judentum [Bearbeiten]

Im Tanach wurden Menschenopfer im Unterschied zu den umgebenden altorientalischen Religionen schon in früher Zeit verboten. Eine Opferung wird noch berichtet in Richter 11, Jeftahs Tochter. Die Opferung der Erstgeburt musste durch ein Tieropfer ausgelöst werden. Dies steht hinter der ursprünglich selbständigen Erzählung von der Beinahe-Opferung Isaaks (Gen 22).[21] Religionsgeschichtlich gesehen hat die Jüdische Religion damit das Menschenopfer abgeschafft und durch ein pars-pro-toto-Opfer, die Beschneidung, ersetzt.[22] Dies war Ergebnis einer längeren theologischen Auseinandersetzung mit älteren kanaanäischen und frühisraelitischen Menschenopferkulten.


Zitat von: Graf Zahl am 31. März 2012, 10:40:13
Ici, der asiatische Gedankenleser, hat das genau in meinem Sinne schon beantwortet.
Ich habe das aber nicht angestoßen, sondern nur auf Landrattes Behauptung (etwas überspitzt: wg Kirche, Bibel und den zehn Geboten, hätten wir Frieden und bessere Gesellschaften bekommen) geantwortet. Da warte ich noch auf Belege.

Stimmt übrigens nicht, ich habe von gesellschaftlichem Einfluss heute und Struktur und Reglementierung damals gesprochen. Und darin war mal so überhaupt keine Wertung enthalten wie "besser" oder "schlechter".

P.Stibbons

Auf alle Fälle gibt mir der Faden (wenn auch derzeit etwas OT, wie ich finde...) viele interessante Denkanstöße und fördert Informationen zutage, die mir wirklich neu waren:

Tolstoi und Gandhi

Dazu passt auch - am anderen Ende der Welt: Befreiungstheologie

http://de.wikipedia.org/wiki/Ernesto_Cardenal

http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A9lder_C%C3%A2mara

http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%93scar_Romero

Binky

Daß das Christentum die Moral für sich gepachtet hat verdeckt die Tatsache, daß es nach ca. 2000 Jahren Barbarei eine Aufklärung gegen seinen Willen stattgefunden hat. Scheinheilig nenne ich das. Die 10 Gebote besagen doch nichts weiter als allgemein verbindliche Regelungen menschlicher Zivilisation, die auch schon vor dem Christentum Gültigkeit hatten: man darf nicht stehlen, morden, betrügen und Unfrieden in die Gemeinschaft bringen. Der Rest, der Grbote mit Gottesbezug sind austauschbar und für Atheisten obsolet.

P.Stibbons

ZitatDaß das Christentum die Moral für sich gepachtet hat
Hat das hier irgendjemand behauptet?
Zitat
Die 10 Gebote besagen doch nichts weiter als allgemein verbindliche Regelungen menschlicher Zivilisation, die auch schon vor dem Christentum Gültigkeit hatten

Ja, denn sie stammen aus dem Judentum

http://de.wikipedia.org/wiki/Zehn_Gebote

Da die Juden sowohl in Ägypten als auch in der Babylonischen Gefangenschaft waren, fanden manche dort anzutreffenden Vorstellungen Einzug in das jüdische Denken, vielleicht auch Teile aus  http://de.wikipedia.org/wiki/Codex_Hammurapi

Kants Kategorischer Imperativ ist aber auch nicht auf seinem Mist gewachsen, sondern findet sich schon bei Jesus:

"Alles, was ihr wollt dass euch die Menschen tun, das tut ihnen"


ZitatDaß das Christentum die Moral für sich gepachtet hat verdeckt die Tatsache, daß es nach ca. 2000 Jahren Barbarei eine Aufklärung gegen seinen Willen stattgefunden hat.

Wenn du das jetzt als Strohmann einführst, dann haben wir uns im Kreis gedreht:
dann sind wir im Gegenzug bei den Machenschaften von atheistischen Regimen.

Genau darum soll es aber doch nicht gehen, oder?

Das hab ich mit Dr. Ici schon einmal durch:

ZitatRead more: http://forum.psiram.com/index.php?action=post;topic=8353.45;num_replies=54#ixzz1qhK0xCPZ
Zitat
Atheismus als Atribut eines politischen Systems ist doch eh Quatsch. Nur weil eine Partei/System sich atheistisch nennt, muss sie das noch lange nicht sein.

Stimmt ja  :D

Aber Kriege werden nun mal von gesellschaftlichen "Gruppen" bzw Staaten geführt.
Von daher ist die Behauptung nicht haltbar bzw im Kern nicht überprüfbar, dass/ob Atheismus zu mehr Frieden führt.

Und irgendwie muss sich die Einstellung im Kopf ja strukturell manifestieren bzw in der Lebensführung auswirken:

ZitatEine indirekte Korrelation von Atheismus und weniger Gewalt sehe ich aber trotzdem, sofern sich dieser Atheismus in den einzelnen Köpfen abspielt -  Aufklärung, Demokratie und Glaubensfreiheit haben sich nicht mit, sondern gegen die Kirchen durchgesetzt.

Ich beobachte durchaus auch intolerante Formen des modernen Atheismus.

Abgesehen davon ist es ein Denkfehler, einerseits von "Atheismus in einzelnen Köpfen" zu sprechen (im Kontrast zu abstoßenden Manifestationen atheistischer Systeme) und andererseits unter "die Kirchen" alles zu subsummieren, was zum Beispiel "einzelne Köpfe" mit engagiert gelebtem "Graswurzel-Christentum" (oft auch gegen eine herrschende kirchliche Doktrin) an sozialen oder auch politischen Impulsen gesetzt haben.

Was du gerade versuchst, ist einen aufgeklärten Atheismus einzelner gegenüber einem pauschalen Strohmann "Irgendwie"-Kirchenkritik zu vertreten.
Dabei gibt es "die Kirche" oder "das Christentum" durch die Jahrhunderte so gar nicht.

Du gingst sogar so weit zu behaupten, die DDR-Kirche sei eben "atheistischer" als das Regime gewesen.

Dabei haben die systemkritischen Kirchenleute ihre innere Unabhängigkeit aus ihrer christlichen Überzeugung gewonnen: "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen" - also aus ihrer Rückbindung an eine (wie auch immer geartete bzw gefüllte) dem Menschen übergeordnete Instanz - also das genaue Gegenteil von Atheismus:

Zitat
Der Rest, der erbote mit Gottesbezug sind austauschbar und für Atheisten obsolet.

Die Ausgangsfrage war übrigens, ob bzw. welche konstruktiven gesellschaftlichen Impulse aus - ich nenn es jetzt mal der christlich-jüdischen Tradition hervor gegangen sind.







P.Stibbons

ZitatDaß das Christentum die Moral für sich gepachtet hat verdeckt die Tatsache, daß es nach ca. 2000 Jahren Barbarei eine Aufklärung gegen seinen Willen stattgefunden hat.

Na ja, die 2000 Jahre sind noch mal eine Sonderbetrachtung wert.
Bevor das Christentum 391 Staatsreligion wurde, wurden die Christen von den (ursprünglich religiös relativ toleranten) Römern verfolgt:

http://de.wikipedia.org/wiki/Christenverfolgungen_im_R%C3%B6mischen_Reich#Einzelne_Verfolgungen

Ansonsten gibt die Zeittafel die ungefähren Entwicklungen wieder.

Aus meiner ganz persönlichen Sicht ist christliches Grundverständnis nicht mit gesellschaftlichen Machtstrukturen kompatibel - auch nicht mit kirchlichen übrigens.
Aber immerhin hat das Christentum ca 350 Jahre gebraucht, um politisch in "Amt und Würden" und damit implizit an die Willkür zu kommen - und in Folge zu entarten.

Das hat der atheistische Kommunismus in bemerkenswert kurzer Zeit geschafft: sozusagen noch in der Generation der Gründerfiguren...

Ansonsten ist das wohl die derzeitige Situation:

Nach Schätzungen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit, der katholischen Menschenrechtsorganisation Kirche in Not sowie der evangelikalen Organisation Christian Solidarity International bekennen sich 75 bis 80 Prozent der Menschen, die derzeit wegen ihres Glaubens verfolgt werden, zum Christentum.

Im übrigen habe ich noch nie davon gehört, dass eine "Aufklärung wider Willen" gelungen sei - da gab es in den beteiligten Köpfen einiges mehr an selbstkritischer Reflektion und innovativem Denken als öffentlich gern wahr genommen - Comenius hatte ich ja schon erwähnt.


Binky

ZitatMachenschaften von atheistischen Regimen.

Ich sehe eben diese Regimes NICHT als atheistisch an - wegen ihrer als eine Art Ersatzreligion ausgelegten Ideologie. Und dabei bleibe ich.

Wenn Du das Thema zerfaserst, indem Du sagst, es gibt DIE Kirche nicht (und da hast Du Recht), baust Du einen ganzen Haufen Strohmänner. Das Thema wäre einer eigenen Betrachtung wert. Aber auch hier bleibe ich dabei: Aufklärung und Humanismus mußten sich gegen die Kirche(n) durchsetzen.

ZitatChristenverfolgung

Ähm, Sorry, das ist auch ein Strohmann.... Klar gab bzw. gibt es Verfolgungen von Abweichlern in vielen anderen Gesellschaften, gegen die man genauso kämpfen muß.

Zitat10 Gebote, Ägypter... usw.

Mit geht es nicht um diese 10 Gebote, sondern darum, daß der Mensch schon immer verbindliche Regeln sozialen Zusammenlebens kannte, da heben sich diese Gebote nicht sonderlich ab. So etwas mag bereits in der Bronzezeit existiert haben oder noch früher. Das Interessante ist, daß diese Regeln meist nur innerhalb der eigenen Gruppe galten. Dies könnte eine Quelle des Rassismus sein. Für Leute wie Augustinus und Franz v. Assisi galten ja nicht einmal Frauen als Menschen..... Afrikaner, Indianer ebenfalls nicht.


Graf Zahl

Zitat von: Landratte am 31. März 2012, 11:33:19
Im Gegenzug erwarte ich allerdings auch Nachweise über die Deinerseits aufgestellten Behauptungen (mehr Atheisten - weniger Krieg).
Dazu hat Ici bereits alles geschrieben (Pinker).

Zitat von: Landratte am 31. März 2012, 11:33:19
Mir geht es ausdrücklich nicht um einen Gottesbeweis oder darum, dass Gott selbst auf Gegebenheiten eingewirkt habe.
Nein, hat er nicht. Er ist überflüssig in der ganzen Sache. Binky schrieb bereits, dass es allgemeine, gesellschaftlich vorteilhafte Verhaltensregeln sind.

Zitat von: Landratte am 31. März 2012, 11:33:19
Zitat von: Graf Zahl am 31. März 2012, 10:40:13
Ich habe das aber nicht angestoßen, sondern nur auf Landrattes Behauptung (etwas überspitzt: wg Kirche, Bibel und den zehn Geboten, hätten wir Frieden und bessere Gesellschaften bekommen) geantwortet. Da warte ich noch auf Belege.

Stimmt übrigens nicht, ich habe von gesellschaftlichem Einfluss heute und Struktur und Reglementierung damals gesprochen. Und darin war mal so überhaupt keine Wertung enthalten wie "besser" oder "schlechter".

Ich empfinde das Wort "hilfreich" klar als Wertung. Zumal ja nicht Gott für die Ordnung gesorgt hat, sondern wieder Menschen, die angeblich in seinem Auftrag handelten.
Zitat von: Landratte am 30. März 2012, 21:47:04
Das sollte er ja auch. Die Menschen waren ja nicht immer so friedlich und gesellschafts-ordentlich wie im heutigen Westeuropa. Da war es schon ganz hilfreich, wenn eine allmächtige und nicht nur gnädige Gottheit für ein bisschen Struktur und Reglement gesorgt hat...
Was mir immer noch fehlt, ist der Nachweis, dass die erreichten Verbesserungen überhaupt etwas mit Religion zu tun haben. Braucht der Mensch überhaupt die Drohung mit einer Strafe Gottes, damit er sich halbwegs ordentlich benimmt?

Zitat von: Landratte am 30. März 2012, 21:47:04
...wobei da der alttestamentarische Gott ja noch ganz anders agiert als der im neuen Testament.
War das eigentlich derselbe Gott oder zwei verschiedene?
Hat er nur seine Meinung geändert? Oder hat er dazugelernt und sein Verhalten gebessert?

Graf Zahl

Zitat von: Binky am 31. März 2012, 15:43:47
ZitatMachenschaften von atheistischen Regimen.

Ich sehe eben diese Regimes NICHT als atheistisch an - wegen ihrer als eine Art Ersatzreligion ausgelegten Ideologie. Und dabei bleibe ich.

Der Punkt ist eben nicht die Religion, sondern die Macht. Die Christen hatten im Rom keine Macht, also waren sie die Gejagten. Die "Kommunisten" hatten die Macht und diese korrumpierte die Sache zu Personenkult und parteilicher Ersatzreligion. "Die Partei hat immer Recht", andere sagen "Gott ist unfehlbar".

P.Stibbons

@ Binky:Liest du eigentlich meine Links  ;) ?
Ich habe nirgendwo behauptet, dass es "die Christenverfolgung" gibt- im Gegenteil informiert Wikipedia da sehr differenziert.

Die Kernthese war hier  - von Graf Zahl - dass Atheismus zu weniger Kriegen führt.
Diese These steht im Raum.
Landratte hatte gar nicht aktiv eine These formuliert, sondern sich rhetorisch geschickt zurück gelehnt:

http://forum.psiram.com/index.php?topic=8353.msg93907#msg93907

Zitat
ZitatZitat von: Graf Zahl am 30. März 2012, 23:12:54
Falsch. Die hatten den Gott und waren trotzdem so. Er hat also nicht funktioniert. Heute gibt es mehr Atheisten und weniger Krieg etc. Schon komisch.

Schon klar. In den vergangenen 3000-8000 Jahren hat sich ansonsten gesellschaftlich ja auch nichts verändert. Nur die Sache mit den Atheisten. Und die zehn Gebote haben auf unsere Gesellschaft auch überhaupt keinen Einfluss (gehabt).

Da lach ich mich einfach mal ganz gepflegt schlapp.

Ich habe daraufhin einige Belege gebracht, wie christlich-jüdische Impulse , und zwar v.a. die Idee vom gewaltlosen Widerstand - zuerst bei Jesus von Nazareth meines Wissens,( evtl auch bei Buddha?) sowie Comenius als Philosoph und Pädagoge wie  auch Wilberforce und Martin Luther King.

Der Einfluss Tolstois auf Gandhi sowie das Engagement von Befreiungstheologen zeigt den Einfluß auch über einen christlich geprägten Kulturraum hinaus.

Was hat das nun mit Strohmännern zu tun oder mit Zerfaserung des Themas - zumindest habe ich es nicht off-topic geführt, sondern argumentiere seit Landratte und Graf Zahl stringent.

Es geht mir nicht darum, per se das Christentum zu verteidigen - aber tatsächlich: wenn nach Belegen für positive Einflüsse gefragt wird, dann habe ich sie gebracht.
Ich könnte auch Dietrich Bonhoeffer anführen als Beispiel für christlich begründeten politischen Widerstand gegen Hitler.

Oder aus früherer Zeit diesen Herrn:

Gallaudet
Zitat
...Von seiner Familie hugenottischer Abstammung her war Gallaudet jedoch tief verwurzelt im Protestantismus. Er fühlte sich zum Prediger berufen und schrieb sich zu entsprechenden Studien 1812 im Andover Theological Seminary ein, das er 1814 als Reverend verließ. Er verfasste daneben auch Kinderbücher. Sein Leben erfuhr eine Wendung, als er Alice Cogswell traf, die neunjährige taube Tochter seines Nachbarn, Dr. Mason Cogswell. Dieser bat Gallaudet, in Europa nach Unterrichtsmethoden für taube Kinder zu forschen, insbesondere derer der Familie von Thomas Braidwood in Edinburgh.

Gallaudet fand die Braidwoods abgeneigt, ihr Wissen zu teilen, zudem waren die Resultate der dort angewendeten "oralen" (lautsprachlichen) Methode unbefriedigend. Während er noch in Großbritannien weilte, traf er bei einer Vorführungsveranstaltung den Abbé Sicard, Leiter der französischen "Institution Nationale des Sourds-Muets" in Paris und zwei taube Lehrkräfte dieser Schule, Laurent Clerc und Jean Massieu. Sicard lud Gallaudet nach Paris ein, die dortigen Methoden zu studieren. Beeindruckt von der gebärdensprachlichen ,,manuellen" Methode studierte Gallaudet die Unterrichtsmethoden unter Sicard und erlernte die Gebärdensprache von Massieu und Clerc, die beide in hohem Grade gebildete Absolventen der Schule waren...

Sein Engagement führte letztlich zu

http://de.wikipedia.org/wiki/Gallaudet_University

und über ihn und die ganze Geschichte der Gehörlosen hat Oliver Sacks in "Seeing Voices" eindrucksvoll berichtet.

ZitatIch sehe eben diese Regimes NICHT als atheistisch an

Das kann man von außen schön sagen - sie sind aber allesamt mit diesem Anspruch angetreten.
Hieraus könnten sich viele interessante Fragen ableiten.

Die Beobachtung "Power is corrupting" gilt offenbar für die ursprünglich "unschuldig" angetretenen Bewegungen des Christentums wie des (mit vielen Anleihen aus der urchristlichen Gütergemeinschaft) Ur-Kommunismus.

Und wenn ich mir so manche Absonderung von Peter Singer und Herrn Schmidt-Salomon ansehe, dann beruhigt mich das in keiner Weise im Blick auf behauptete Toleranz und Menschenfreundlichkeit mancher Atheisten.

Es steht und fällt eben alles mit der jeweils (implizit) gewählten Ethik bzw ihrer Auslegung.



Graf Zahl

Zitat von: P.Stibbons am 31. März 2012, 16:08:54
Die Kernthese war hier  - von Graf Zahl - dass Atheismus zu weniger Kriegen führt.
Diese These steht im Raum.
Landratte hatte gar nicht aktiv eine These formuliert, sondern sich rhetorisch geschickt zurück gelehnt:

http://forum.psiram.com/index.php?topic=8353.msg93907#msg93907

Zitat
ZitatZitat von: Graf Zahl am 30. März 2012, 23:12:54
Falsch. Die hatten den Gott und waren trotzdem so. Er hat also nicht funktioniert. Heute gibt es mehr Atheisten und weniger Krieg etc. Schon komisch.

Wenn Du Dich auf solche Spitzfindigkeiten zurückziehst, dann musst Du aber auch sehen, dass ich auch keine These formuliert habe. Ich habe zwei Fakten genannt: es gibt mehr Atheisten, es gibt weniger Gewalt/Krieg.

Graf Zahl

Zitat von: P.Stibbons am 31. März 2012, 16:08:54
Es steht und fällt eben alles mit der jeweils (implizit) gewählten Ethik bzw ihrer Auslegung.

Eben. Es steht und fällt mit den Menschen und deren Umgang miteinander und nicht mit der Religion.
Bei all den vielen guten von Dir genannten Leuten stellt sich die Frage, ob diese nicht auch ohne Religion gute Menschen gewesen wären.

Zitat von: P.Stibbons am 31. März 2012, 16:08:54
Das kann man von außen schön sagen - sie sind aber allesamt mit diesem Anspruch angetreten.
Hieraus könnten sich viele interessante Fragen ableiten.
Pseudowissenschaftler behaupten auch, Wissenschaft zu betreiben. Der Anspruch ist irrelevant.