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Euro-Krise

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Begonnen von NuEM, 02. Januar 2012, 14:31:33

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NuEM

Vielleicht nicht ganz unser Themengebiet, aber schon irgendwie wichtig.

Ich oute mich mal als volkswirtschaftlich unvorbelastet. Soll heißen ich hab davon keinen Plan. Nun stecken wir also alle in dieser Krise, auch wenn man persönlich vielleicht nicht viel davon spürt. Doch ständig scheinen irgendwelche Länder in Europa vor der Pleite zu stehen, uns alle in einer Kettenreaktion mitzureißen, das Ende Europas steht vor der Tür etc. pp. Dazu kommt, dass es offenbar niemanden gibt, der Ahnung zu haben scheint. Insbesondere diejenigen, die dich eigentlich damit auskennen sollten, scheinen sich alle gegenseitig zu widersprechen. Die Bewertung der Krisenbewältigung in Deutschland und Europa scheint auch eher nach Parteizugehörigkeit stattzufinden.

Es stellt sich eine gewisse Unsicherheit, ja sogar Besorgnis ein.

Was nun?

War der Euro doch eine Schnapsidee? Ist das Auseinanderfallen unvermeidlich? Oder kann man die Eurozone noch retten. Soll man überhaupt? Macht das wirtschaftlich, politisch und politsch Sinn?

Welche Lehren muss man aus der Finanz- und Eurokrise ziehen? Haben wir zu wenig Kontrolle? Zu viel? Und wer war eigentlich dieser Keynes?

Vielleicht haben wir hier einen Wirtschafts-Erklärbär unter uns, der Laien wie mir die ganze Sache etwas verständlicher macht.

Ich persönlich bin glühender Verfechter eines vereinten Europas, und fühle mich durch die Krise schon in meinem "Glauben" etwas erschüttert. So bin ich immer davon ausgegangen, dass neben eher irrationalen Beweggründen ("Ich bin Europäer") auch handfeste ökonomische und politische Gründe für einen engeren Zusammenschluss der Länder Europas sprechen. Nun läuft aber offenbar etwas schief. Brauchen wir einfach noch mehr Europa, oder sind wir auf dem Holzweg. Was meint ihr so?

mossmann

Zitat von: NuEM am 02. Januar 2012, 14:31:33


War der Euro doch eine Schnapsidee?



irgend ein Fachmann hat neulich erläutert, es liegt nicht am Euro, sondern an den Staaten.

Der Euro an sich sei extrem gut, selbst die Teurungsrate im Ganzen relativ gering usw ...
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Groucho

Hallo zusammen!

Bin kein Ökonom, aber mich treiben die Fragen auch genauso um, wie oben dargestellt. Europa ist eine gute, vermutlich sogar einzig sinnvolle Idee, angesichts der konkurierenden Wirtschaftsmächte und der zukünftigen Entwicklung = weltweit immer weniger Bedeutung. Vom emotionalen/praktischen Aspekt mal abgesehen, dass die Grenzen weg sind, man überall mit einer Währung bezahlen kann. Noch vor 30/40 Jahten unvorstellbar. Schön, diesen Teil der europäischen Geschichte miterlebt zu haben.

Das zentrale Problem sehe ich in einem Widerspruch: Der Euro kann nicht funktionieren, solange die einzelnen Mitglieder unterschiedliche Steuer- und Finanzsysteme, individuelle Wirtschaftssituationen etc. haben, gleichzeitig aber an eine feste Währung, ohne Möglichkeit zum Eingreifen (ob nun durch Staat oder marktwirtschaftliche Mechanismen) durch Auf- oder Abwerten gebunden sind. Diese Situation verlangt eigentlich weitere Zentralisierung und Vereinheitlichung. Gleichzeitig sträuben sich genau dagegen Viele. M.M. zurecht, weil hier das andere widersprechende Problem auftaucht, ein gefühlter Mangel an Demokratie (ob nun wirklich begründet oder nicht), sich hier einem zentralen Verwaltungsmoloch auszuliefern.

Dass es da dringenden Handlungs- und Änderungsbedarf gibt, ist wohl gerade das Einzige, was man als sicher sehen kann.

Grüße,
Groucho

NuEM

Hallo Groucho,

ich glaube, ich beurteile das ähnlich wie du. So wie die EU im Moment aufgebaut ist, kann es wohl nicht dauerhaft funktionieren. Bei einer gemeinsamen Währung muss es offenbar einen Ausgleichsmechanismus geben, insbesondere bei so unterschiedlicher Wirtschaftskraft. Ich verstehe zwar nicht im Detail warum, es scheint aber so zu sein. Mit dem Begriff "Transferunion" braucht man den meisten allerdings nicht kommen. Dabei ist doch jedes Land für sich, und letztendlich selbst jede Stadt eine Transferunion.

Leider hat die Politik meiner Meinung nach versagt, den Sinn eines vereinten Europas zu erklären. Grade mit dem Rückzug der Kriegsgeneration aus der Öffentlichkeit ist da einiges verloren gegangen.

Allerdings würden auch die "Vereinigten Staaten von Europa" nicht automatisch die Finanzkrise lösen.

Belbo zwei

Wenn ich das richtig verstanden habe ist einer von vielen Aspekten, dass Länder wie Griechenland früher einfach ihre Währungen abgewertet haben und so billiger produzieren  bzw. als günstiges Reiseland mehr Besucher anlocken konnte (sozusagen eine schlagartige Inflation), jetzt wird der Euro aber komplett stabil gehalten was dazu führt dass der Kaffee auf Kreta inzwischen genauso viel kostet wie in München.

Ausserdem brechen den Staaten immer mehr Einnahmen weg, weil man sich gegenseitig die Gutverdiener mit immer geringerer Einkommens- und Erbschaftssteuern abwirbt, ein Negativbeispiel hier so Kantone wie Zug in der Schweiz, oder auch Österreich dass die Erbschaftssteuer komplett abgeschafft hat.

Um den Europagedanken wäre es echt schade, und ich mag auch gar nicht glauben, dass das schiefgeht weil ich gerade bei Jüngeren einen total selbstverständlichen Umgang miteinander als Europäer beobachte.

Antitainment

Ich bin weder Ökonom noch Vertreter für NovoArgumente, aber die neue Ausgabe hat ein paar interessante Artikel und einen Kauf verdient - Nicht ganz billig, aber gut!

Hier mal ein paar Auszüge aus diversen Beiträgen zu Europa:
http://www.novo-argumente.com/magazin.php/novo_dossiers/europa/
Zahlen, Statistiken ... das ist alles total Sarrazin! Ihr müsst richtig fühlen! FÜHLEN! Darum geht es.

Obstverleih

Zitat von: Groucho am 02. Januar 2012, 15:55:53

Das zentrale Problem sehe ich in einem Widerspruch: Der Euro kann nicht funktionieren, solange die einzelnen Mitglieder unterschiedliche Steuer- und Finanzsysteme, individuelle Wirtschaftssituationen etc. haben, gleichzeitig aber an eine feste Währung, ohne Möglichkeit zum Eingreifen (ob nun durch Staat oder marktwirtschaftliche Mechanismen) durch Auf- oder Abwerten gebunden sind. Diese Situation verlangt eigentlich weitere Zentralisierung und Vereinheitlichung. Gleichzeitig sträuben sich genau dagegen Viele. M.M. zurecht, weil hier das andere widersprechende Problem auftaucht, ein gefühlter Mangel an Demokratie (ob nun wirklich begründet oder nicht), sich hier einem zentralen Verwaltungsmoloch auszuliefern.


An dem Punkt muss man noch bedenken, dass weder eine Identifikation mit dem Euro stattfand, noch eine direktdemokratische Legitimation. Eine Zentralorganisation wie auch immer geartet, dürfte die Freude noch ein wenig mehr im Zaum halten. Milde gesagt.

Averell

Zitat von: Obstverleih am 02. Januar 2012, 23:15:20
An dem Punkt muss man noch bedenken, dass weder eine Identifikation mit dem Euro stattfand, noch eine direktdemokratische Legitimation. Eine Zentralorganisation wie auch immer geartet, dürfte die Freude noch ein wenig mehr im Zaum halten. Milde gesagt.

Da ist leider was dran.

Ich finde, ein gemeinsames Europa ist nach Jahrhunderten von richtig doofen Kriegen eine absolut richtige Sache. Ich erinnere mich gern an Begegnungen mit europäischen "Nachbarn" auf anderen Kontinenten, das hatte sehr oft viel mit einem coolen Zusammengehörigkeitsgefühl und nix mit den alten Rivalitäten zu tun.

Eine Anekdote wenns recht ist. Wir waren 2004 auf einer Rundreise durch Burma/Myanmar. Aufgrund der Größe des Landes muß öfter mal geflogen werden. Das war aber nur etwas für robustere Zeitgenossen, denn die fliegen da teilweise mit echten Seelenverkäufern. Auf einem der Flüge über die Berge (Abstand zu den Gipfeln gefühlte 5 m) als dann auch noch wetterbedingte Turbulenzen einsetzten, begann mein inneres Auge schon mal das bisherige Leben vorbeiziehen zu lassen, da auch noch der linke Propeller aussetzte. Da begannen die zufällig anwesenden ca. 20 Franzosen mal spontan mit "Que sera sera"... worauf die Italiener die Reihen dahinter mit einsetzten, darauf wir paar deutsche und kurz darauf der gesamte Flieger.

Das hatte was.
http://www.youtube.com/watch?v=JlfPY8lzwMk

Europa ist schon in Ordnung nur das Marketing ist scheiße. Man denke doch nur an die Äppelwio-Geschichte. Es gibt halt leider zu viele Idioten auf diesem Planeten und einige davon sitzen nun mal in Brüssel.

Den Euro finde ich prinzipiell auch gut nur fürchte ich, daß er die ganzen Köche in Europa überfordert.

NuEM

Es müsste vernünftig auf die Beine gestellt werden, mit einer klaren Gewaltenteilung und besserer demokratischer Kontrolle. Das geht nicht, ohne dass die Mitgliedsstaaten Souveränität abtreten. Wenn man diesen Weg geht, wird das ohne Volksabstimmungen aber schwer möglich sein. Das wiederum bringt allerhand Probleme mit sich. Nicht umsonst hat sich fast überall die repräsentative Demokratie durchgesetzt.


zwingenberger

Der Euro ist an sich gar keine schlechte Idee, und wenn nicht völlig ungeeignete Volkswirtschaften drinnen säßen, wäre Deutschland das, was es vor der Finanzkrise längst war: der größte Nutznießer. Wenn wir morgen die DM wieder einführen wollten, stünde mindestens die Hälfte unserer Industrie vor dem Kollaps, weil der Außenwert der DM dermaßen durch die Decke schösse, dass sich im Ausland niemand mehr unsere Produkte leisten könnte. Das ist die Schattenseite eines Exportweltmeisters. Tatsächlich war der Euro eine einzige riesige Exportsubvention, indem er unsere Exportgüter künstlich billig hielt. Die Schweiz hat die Stärke ihrer Währung kürzlich ja sogar zu staatlich verordneten, nicht marktgerechten Wechselkursen veranlasst, und zwar bei verhältnismäßig geringfügigerem Anlass.

Ich vemute, in maximal zehn Jahren sieht die Euro-Zone ganz anders aus als heute. D, F, NL/B/L, A, SF (und F nur aus politischer Opportunität); vielleicht wäre so ein Gebilde dann auch für S, N und DK interessant. Und wenn die sich dranhalten, sogar für PL. Aber ganz sicher ohne GR und ziemlich sicher ohne S, I, P, IRL...

Selbst bei den PIIGS (inzwischen schreibt man ganz verschämt GIIPS, und die "Gipsköpfe" werden zum geflügelten Wort) wird es alsbald dämmern, dass die eigenen Volkswirtschaften das auf die Dauer nicht aushalten und dass die Alimentierung aus dem Norden nicht grenzenlos so weitergehen wird. Es ist schon richtig, dass die Senkung des Außenwertes einer Währung früher ein Regulativ für fiskaltische Schieflagen sein kann. Vor dem Euro haben das Weichwährungsländer recht ungehemmt so gemacht, und irgendwann kam ein Währungsschnitt, in dem ein Haufen Nullen gestrichen wurde. Die Geschichte des französischen Franc nach dem letzten Krieg ist genau so verlaufen, und nicht wenige Volkswirtschaftler meinen, das sei die geordneteste und die für alle verträglichste Form des Staatsbankrotts.

NuEM

Und wenn es dann in der Kern-Eurozone, die danach übrig bleibt, früher oder später zu neuen Verwerfungen kommt, was sicher nur eine Frage der Zeit ist, spalten wir die dann weiter auf? Bis am Ende wieder jedes Land für sich da steht? Das kann doch nicht die Lösung sein.

zwingenberger

Verwerfungen innerhalb einer Euro-Kernzone werden vermutlich nicht diese riesigen Ausmaße annehmen. Aber im Prinzip ist es schon richtig, dass auch das nur eine Prognose ist. Sie ist aber nicht weniger wert, als die Prognose, dass Bundesstaaten wie Louisiana, Pennsylvania, Michigan, Wisconsin und New York ihre Verwerfungen unter dem Dach des US-Dollar aushalten und ausgleichen werden. Ohne dieses Zukunftsvertrauen hätten wir den neuen Bundesländern auch nicht die DM überstülpen dürfen. So ganz ausgeglichene Lebensverhältnisse hatten und haben Oberschwaben und Vorpommern schließlich auch nicht.

There is no free lunch in this world.

NuEM

Es führt also an einer Art europaweitem Länderfinanzausgleich kein Weg vorbei, wenn wir an der Idee eines vereinten Europas festhalten wollen, oder sehe ich das falsch? Es funktioniert in Deutschland, es funktioniert in den USA etc. Natürlich sind das zwei besonders bittere Pillen. Einmal, dass reiche Länder die ärmeren mitfinanzieren. Und dann, dass die Länder einen Teil ihrer finanziellen Unabhängigkeit aufgeben müssen, damit sie nicht unkontrolliert Schulden auf Kosten der Anderen machen.

Das muss man den Leuten erst mal verkaufen. Aber haben wir überhaupt eine Wahl? Die Alternative, der Rückfall in die Kleinstaatenei mit bestenfalls einer Art europäischer Freihandelszone ist zu gruselig, als dass ich auch nur groß darüber nachdenken will. Wir hätten ein ganzes Jahrhundert verloren. Europa wird marginalisiert, die einzelnen Länder gegeneinander ausgespielt, während Amerika und die BRICS-Staaten die Welt unter sich aufteilen.

PaulPanter

Der ,,Schuldenschnitt" und das Kleingedruckte
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/7111

Politiker sind nicht blöd. Die Deutschen zB. wussten ganz genau, dass Griechenland nicht in der Lage ist eine Währung wie den Euro tragen zu können.
Jeder wusste, dass die Griechen ihre Bilanzen gefälscht haben, trotzdem haben die den Euro bekommen.
Jetzt sind se Pleite und was wird gemacht? Das Land wird weiter ausgesaugt und die Deutschen an vorderster Front. Kein Wunder, dass die Griechen den deutschen das Hakenkreuz gezeigt haben.