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Irrsinn

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Begonnen von cohen, 23. März 2011, 12:16:37

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cohen

ZitatRE: Dauerberieselung -- und Kinder    antworten

Die dämliche Berichterstattung und die Fischstäbchenfragen in Talkshows sind das Eine -- dogmatische und hysterische Erwachsene halt -- aber was dieser Tage in der Schule meiner zwei Kinder (5.+6. Klasse, normale öffentliche Schule, bürgerliche Ecke im Nordwesten Berlins) abgeht, spottet jeder Beschreibung.

Zum Teil kennt man das ja noch aus eigenen Schulzeiten, allerdings nicht aus der Grundschule. Dauernd mußte man über das Waldsterben, das Ozonloch und den Atomkrieg schreiben und irgendwelche Friedens-AGs haben auf dem Schulhof "Fallout mit Sirenengeheul und anschließendem Niedersinken" oder "Hilfe-wir haben-demnächst-alle-Hautkrebs" veranstaltet usw. Aber so richtig ernsthaft psychisch mitgenommen hat das damals niemanden, soweit ich mich erinnere; das eine war bloß Regelbetrieb, das andere zuviel Theater, zu inoffiziell.

Das ist jetzt offenbar anders. Ein Drittel der 5. Klasse ist inzwischen abwesend; Panikattacken, Nahrungsverweigerung oder Schlafmangel. Selbst meine Kinder, denen ich nach allem, was die sich in der Schule anhören und an Zeitungskiosken an Schlagzeilen ansehen mussten, versucht habe klarzumachen, daß die Lehrer aus Dummheit und politischen Motiven maßlos übertreiben, haben versucht, das Essen zu verweigern und haben stundenlang geheult. Die Kleine muß jetzt im elterlichen Bett schlafen, sonst geht's gar nicht

Innerhalb einer Woche haben die beiden im Unterricht jeweils drei Filme zu Atomkatastrophen gesehen (eine vom Schulministerium über Tschernobyl, einen Spielfilm über eine (Atom?-)giftwolke in Deutschland und einen über, glaube ich, Hiroshima; mit geburtsdefekten Lämmchen und haufenweise Vebrennungen in schwarzweiß), 1x Strahlenschutzanzüge aus Alufolien enworfen, 2x an japanische Kinder, denen der Strahlentod droht, geschrieben, gefährliche Nahrungsmittel diskutiert, Milchpulver gehortet und an unzähligen Monologen der Lehrkräfte und der Stuhlkreisteilnehmer über ihre Angst vor dem Atom und dem Krebstod teilgenommen.

Donnerstag abend bin ich mit einer Handvoll anderer Eltern zur Schule, habe protestiert und die beiden mit einer gefaketen Krankschreibung erstmal aus der Schule genommen, bevor die uns durchdrehen. Das anwesende Lehrpersonal war völlig von der Rolle, alle bezogen ihre Informationen aus dem ÖR-Fernsehen, der taz und dem Tagesspiegel und fanden, daß sie nur angemessenen Katastrophenschutz betreiben würden ("Man muß den Kindern die schlimme Wahrheit nahebringen, damit sie sich richtig schützen können", etc.). Ein Vater wurde angeschrieen, weil er Ingenieur ist ("solche wie Sie..."), als er vergeblich versuchte, neben der pädagogischen Fragwürdigkeit auch die inhaltlich-technische Seite ("Supergau, millionen Tote, unendliches Leid, Strahlenwolken") zu hinterfragen. Selbst Eltern, die das pädagogische Vorgehen auch zu heavy fanden, sind den Lehrern da beigesprungen.

Es war wie in diesem Film mit Donald Sutherland, wo außerirdischer Glibber von den Hirnen der Menschen Besitz ergreift, und auf die Nichtinfizierten quiekend mit Fingern gezeigt wird. Mir ist schlecht.
http://83273.homepagemodules.de/topic-threaded.php?board=83273&forum=14&threaded=1&id=3800&message=50169

HorstHuber

Bei dieser bitteren Realität echauffieren  sich manche über meine gepflegte Hasspolemik.
The intelligence of the creature known as a crowd, is the square root of the number of people in it. (Terry Pratchett)

Forbidden

Ich kann leider ähnliches berichten... zum glück nicht so dramatisch, aber trotzdem:

Mein Sohn (6. Schuljahr) kam neulich aus der Schule und erzählte sie hätten in NaWi (Naturwissenschaften) über Atomkraftwerke gesprochen. Mir graute gleich böses, da ich weiß dass die Lehrerin zu den "Grünen" gehört. Leider bestätigte sich meine Vermutung die Kinder wurden sehr vorurteilsbehaftet über Atomkraftwerke und alternative Energien aufgeklärt und dass man die Atomkraftwerke eigentlich gar nicht bräuchte und sie sofort abschalten könnte....

Ich habe meinem Sohn so gut wie ich das kann, versucht zu erklären, dass das so einfach leider nicht ist.

Eigentlich erwarte ich von Lehrern ihre parteiliche Gesinnung aussen vor zu lassen und NEUTRAL über solche Themen zu reden! Ebenfalls befürworte ich, dass man solche Sachen im Unterricht aufnimmt und sich damit befasst, aber nicht so... macht man da den Mund auf und setzt sich als Elter zur Wehr ist man sofort der/die Böse irgendwie scheint es mir haben da etliche den Bezug zur Realität verloren!

Warze

ICh hatte als Kind schon Angst vorm Atomkrieg und Sorgen wegen des Waldsterbens (warum ist der eigentlich noch da?). Aber es hat nichts überschattet. Ich habe das Gefühl, die Menschen sind hysterischer als früher und übertragen das auf die Kinder.
"One thing's sure: Inspector Clay is dead- murdered- and somebody's responsible!"

rincewind

Zitat von: Warze am 23. März 2011, 13:01:46
ICh hatte als Kind schon Angst vorm Atomkrieg und Sorgen wegen des Waldsterbens (warum ist der eigentlich noch da?). Aber es hat nichts überschattet. Ich habe das Gefühl, die Menschen sind hysterischer als früher und übertragen das auf die Kinder.

Das Gefühl habe ich auch. Man könnte beinahe ein "Gesetz" formulieren: Je sicherer die Lebensumstände in einer Gesellschaft, desto irrationaler werden die Ängste.
Dazu müsste man natürlich ein Grundangst-potential annehmen als fast Konstante. Manchmal denke ich, das ist so. Wie bei Kindern, die einen starken Bewegungsdrang haben, ihn aber nicht ausleben können. Dann fangen sie an, Quatsch zu machen.

Aulak

An unseren schulen scheint das kein Thema zu sein, aber den Kinder Spiegel haben sie gestern verschlungen. Der hat das als Titelthema.

Meine Kinder haben lange gelernt, alles was die Lehrer erzählen, sehr kritisch zu hinterfragen. Eltern sind doch die höheren Autoritäten  bei ihnen.  ;D

cohen

Das ist in der Retrospektive dann lustig, wenn man mal zusammenzählt, welche angedrohten Katastrophenszenarien alle gar nicht eingetreten sind.



Hier gibt es noch einen Blogpost über diese Schulgeschichte:

http://calimerosrumpelkammer.blogspot.com/2011/03/eins-zwei-freddy-kommt-vorbei.html

ZitatEins, zwei ... Freddy kommt vorbei!
Heute muss ich mich mal in eine Zeit zurückversetzen, als ich so zehn, elf Jahre alt war. Das ist zugegebenermaßen schon ein paar Monde her, aber ich weiß noch, welches Bild ich als Kind von Erwachsenen hatte.
Egal wie schlau ich mir damals vorkam, wie naseweis oder altklug ich mich gab - ich war mir immer darüber im Klaren, dass ich nur ein Kind war. Die letzte Instanz in allen Fragen die ich so hatte, waren immer "die Erwachsenen". Das waren nicht einfach nur "große Menschen", sondern Respektspersonen, die letzten Endes immer recht hatten. Erwachsene wussten was richtig und was falsch ist, sie wussten immer was zu tun ist, und was man unterlassen muss. Sie hatten die Antworten auf meine Fragen, und wenn sie mir etwas erzählten, dann galt das als wahr. Besonders den Eltern, sowie den Erziehern und Lehrern bringt man als Kind ein besonderes Vertrauen entgegen, denn die wollen und sollen einen ja erziehen und lehren. Wenn man denen nicht vertrauen könnte, wem denn dann überhaupt noch?...

Horst Hubert, du hast schon genau ins Schwarze getroffen.

Vom westlichen Luxus profitieren, sich aber verlogenerweise gegenüber dem gemeinen Pöbel durch grün angemalte Distinktion abgrenzen.

Forbidden

Und wie auf Bestellung kommt der Kleine gerade nach Hause:

Wir sammeln Unterschriften in der Schule, dass alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, und schicken das nach Berlin.

::)

heterodyne

Zitat von: HorstHuber am 23. März 2011, 12:40:31
Bei dieser bitteren Realität echauffieren  sich manche über meine gepflegte Hasspolemik.

Zur Klarstellung: für mich kam die Hasspolemik als Antwort auf die "Diskussionen" im Forum rüber. Hauptsächlich aus dem Grund habe ich sie kontraproduktiv und übertrieben gefunden. War sie das nicht? Habe ich einen entsprechenden Hinweis überlesen?

Was da in dem Beirag beschrieben wird: erfüllt das den Tatbestand der Volksverhetzung? Bin kein Jurist.

Was da abgeht ist echt gruselig und entbehrt tatsächlich jeder Grundlage.

Teils wird Panikmache und Agitation betrieben. Gerade beim Waldsterben hat man aber mit Filteranlagen etc. durchaus viele Maßnahmen gesetzt um gegenzuwirken. Ebenso Ozonloch.

Daß mit immer schlimmeren Bildern immer irrationalere Ängste eingebracht werden finde ich auch seltsam - offensichtlich brauchen wir wirklich etwas, vor dem wir uns fürchten können. Pharmaverschwörung, Cholesterin, Erdstrahlen, Handies, Atome(sic!), Gene(sic!)

Das, was sie eigentlich in der Schule lernen sollen, nämlich kritsch hinterfragen, Informationen sammeln, sich eine Meinung bilden - kommt da nicht einmal vor  >:( und würde wahrscheinlich heftigst sanktioniert, sollte es ein Kind oder Elter versuchen   :hirn: :po: :deppenalarm:

Warze

Zitat von: Forbidden am 23. März 2011, 13:24:31
Und wie auf Bestellung kommt der Kleine gerade nach Hause:

Wir sammeln Unterschriften in der Schule, dass alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, und schicken das nach Berlin.

::)

Unabhängig von meiner Haltung zur Atomkraft: Ist das noch legal?
"One thing's sure: Inspector Clay is dead- murdered- and somebody's responsible!"

cohen

Zitat von: heterodyne am 23. März 2011, 13:35:46
Zur Klarstellung: für mich kam die Hasspolemik als Antwort auf die "Diskussionen" im Forum rüber. Hauptsächlich aus dem Grund habe ich sie kontraproduktiv und übertrieben gefunden.

Ich glaube, da hast Du wirklich was in den falschen Hals gekriegt. Gut, dass wir mal drüber geredet haben.

heterodyne

Schöne eingeschränkte Kommunikationskanäle ;)

Wie schaut's denn wirklich aus mit Verhetzung?

cohen

Wer verhetzt das Volk?

Die Lehrer?

heterodyne

Eine Panik anfeuern, die keinen Hintergrund hat und sich gefährlich auswirkt?
Klar, einen einzelnen "Gegner" gibt es nicht, man kann niemand konkret klagen. Also: Massenpanik durch Massenblödheit/Kritiklosigkeit und gut is?

cohen

Die haben wahrscheinlich nur normales Fernsehen gekuckt und sind einfach typisch deutsch sozialisiert.