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Placebo im medizinischen Alltag für ethisch durchaus vertretbar

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Begonnen von cohen, 02. März 2011, 15:33:34

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cohen

http://www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Panorama/14151.html

ZitatÄrzte genehmigen sich Placebos
Berlin  -  Die Bundesärztekammer (BÄK) hält den bewussten Einsatz von Placebo im medizinischen Alltag für ethisch durchaus vertretbar. Das erläuterte der Wissenschaftliche Beirat der BÄK. Allerdings gelten dafür einige Voraussetzungen und rechtliche Rahmenbedingungen.

Dazu gehöre, dass es für die Erkrankung keine geprüfte wirksame Pharmakotherapie gibt. Die Beschwerden des Patienten müssten relativ gering sein, und der Patient den ausdrücklichen Wunsch haben, behandelt zu werden. Außerdem müsse Aussicht auf Erfolg einer Placebobehandlung bei dieser Erkrankung bestehen.

Unzulässig sei die Placebotherapie, wenn grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse der Medizin außer Acht gelassen werden. Der Arzt sei verpflichtet, die Behandlungsmethode zu wählen, die den besten Heilerfolg verspricht und deren Nebenwirkungen am wenigsten schaden. Das gelte auch für den Einsatz von Placebos.


...

merdeister

Aus dem ethischen Dilemma ist man raus, wenn man den Patienten erzählt, was sie bekommen. Das funktioniert ja ebenfalls.

http://www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Wissenschaft+und+Forschung/13309.html

Man muss es eben gut formulieren. Dann kann man sogar homöopathische Mittel nehmen, die sehen immer so hübsch aus. ::)


cohen

Wieso?

Denk mal an Hypochonder mit fehlender Einsicht oder Gummibärchen und Pflaster bei Kindern.

rincewind

Zitat von: cohen am 02. März 2011, 16:02:12
Wieso?

Denk mal an Hypochonder mit fehlender Einsicht oder Gummibärchen und Pflaster bei Kindern.


Dann soll man bitteschön das Problem der Hypochonder ansprechen. Aber nicht das offizielle Placet für etwas geben, was eh nur missverstanden wird.

heterodyne

Ich seh auch das Problem des Missbrauchs. Gefällt mir nicht.

Swen

Moin!

Ich muss da glaub ich mal n bisschen was auseinanderklamüsern bezüglich der Placebogabe. Einige Ansätze hier sind, meiner Meinung nach, nicht so ganz korrekt. Zum einen habt Ihr natürlich recht, dass die ganze Sache nen ,komischen' Beigeschmack hat, keine Frage. Aber von Möglichkeiten des Missbrauchs zu reden....das kann im Grunde auf alle Therapieformen und auch auf diagnostische Verfahren übertragen werden. Das ist kein alleiniges Phänomen der Placebos bzw. der Therapie mit diesen Mitteln. Zumal dieser ,Verdacht' nicht gerade eine Basis für eine vernünftige Therapie wäre. Man muss auch festhalten, dass der Placebo-Effekt mittlerweile recht gut verstanden wird. Man siehe dazu nur die Argumente bezüglich der Homöopaten. Es ist heute z.B. bekannt, dass der Placebo-Effekt ebenfalls bei Tieren und Kindern (bei Kindern sogar extrem gut) ,funktioniert', was viele Homöopathen ja strikt verneinen. Gerade was das angeht tut sich in der Forschung zur Zeit recht viel. Man weiß da heute doch schon einiges mehr als noch vor 10 Jahren...

Es gibt eine Reihe von Erkrankungen bei denen ein Einsatz von Placebos durchaus indiziert ist. Natürlich immer unter dem Aspekt: Der Therapeut handelt im Sinne des Patienten, aber das setze ich jetzt einfach mal voraus. Ich nenne da als Beispiel nur mal die Therapie eines Magengeschwürs bzw. dessen Prophylaxe. Wenn aus Sicht des Therapeuten Indizien dafür sprechen, dass die Ursache der Beschwerden des Patienten in seiner Psyche zu finden sind (oder besser in seiner psychischen Konstitution), wäre es ziemlich verantwortungslos eine Therapie ausschließlich mit ,echten' Medis (z.B. Protonenpumpen-Inhibitoren) durchzuführen. Gerade in diesem Bereich können Placebos super funktionieren. Es gibt Studien bei denen ein Therapieerfolg von deutlich über 50% bei einer Placebogabe bei Patienten mit diesem oder ähnlichen Krankheitsbildern zu verzeichnen sind. Und das wäre erst mal nur ein Beispiel...

Ein anderer Punkt sind die hier angesprochenen Hypochonder. Eben diese Patienten bekommen auf keinen Fall ein Placebo als Therapeutikum (mag in der Vergangenheit mal anders gewesen sein). Das ist ein weit verbreiteter Irrtum!
Zum einen ,vermutet' ein Hypochonder oft schon von sich aus die Gabe eines Placebos durch den Arzt, somit ist ein Auftreten des Placebo-Effekts in der Regel eh nicht zu erwarten...das würde auch nicht zu dem Krankheitsbild passen. Des weiteren besteht die Möglichkeit, dass ein Patient auch aufgrund des Krankheitsbildes die ganze Sache in den Nocebo-Effekt umkippt. Ist logischerweise ebenfalls nicht wünschenswert. Zudem würde der Therapeut nicht im Sinne des Patienten handeln, wenn er einem ,gesicherten' Hypochonder in seiner Erkrankung noch bestärkt indem er Ihn medikamentös therapiert...bezogen auf die ,angeblichen' Beschwerden. Mal abgesehen davon, dass ein Patient im Laufe der Behandlung über die Gabe eine Placebos aufgeklärt werden müsste (oder sollte)....wäre bei einem Hypochonder der dem Arzt eh nur bis zu einemgewissen Punkt vertraut absolut fatal für die weitere Therapie!


rincewind

Alles schön und gut, Sven. Aber: Placebo wird in den letzten Jahren stark gehyped. Vor allem auch von einigen Homöopathen, weil sie wohl darin eine Chance zur wissenschaftlichen Anerkennung ihrer Gesprächs"therapie" sehen. Wie Du sagst, P. ist eigentlich ganz gut verstanden, er ist u.a. eine schlichte Manipulation der Wahrnehmung. Entsprechend gut wirkt er daher manchmal bei sehr subjektiven Befindlichkeitsstörungen, wie z.B. Schmerz.

Das große Problem ist aber doch, dass je ernsthafter eine Erkrankung ist, diese Wirkung verschwindet. Und genau das kommt in der Öffentlichkeit nicht an. In den meisten Medien wird doch hauptsächlich von einem nicht verstandenen, fast magischen Phänomen geschwafelt, und der Laie kommt zum falschen Schluß, dass da etwas wäre, was dem perfekten Pharmakon nahe käme: Starke Wirkung ohne Nebenwirkung. Das wird aber nie so sein. Die biochemischen Vorgänge im Körper lassen sich nicht per Denken/Wahrnehmung abschalten (klar, auch da gibts Rückkopplungen, aber für die grobe Betrachtung kann man die wohl außen vor lassen).

Dass die Ärztekammer in dieser Situation den Hype noch indirekt befeuert durch das Inkaufnehmen von Missinterpretationen, das halte ich für schädlich.

heterodyne

Habe viel zu stark verkürzt, tut mir leid.
Ich wollte eigentlich sagen, daß Placebos über die Homöopathie soundso schon unverantwortlich eingesetzt werden, sie jetzt zu legalisieren und auf die Menschheit loszulassen, wo die meisten Patienten nicht einmal wissen, was ein Placebo überhaupt ist und was das heißt, halte ich für das völlig falsche Signal.

Daß Placebos sinnvoll (zum Wohle des Patienten) eingesetzt eine wertvolle Behandlungsmethode sind will ich auf gar keinen Fall abstreiten.
"Gut erforscht " möchte ich so nicht stehen lassen. Es wird viel geforscht und es ist schon viel bekannt, aber der Graubereich ist noch riesig.

Adromir

Ich habe einen Menschen zu betreuen, der vor Jahren mal Placebos gegen Schlafstörungen bekommen. Seid er das Spitz bekommen hat, traut er keiner medikamentösen Therapie mehr, auch weil er denkt womöglich wieder eins zu bekommen.

Letztendlich ist das doch auch eine Kapitulation vor dem Patienten. Anstatt dem Patienten klar zu sagen daß er nichts Behandlungsbedürftiges hat, scheut man den Konflikt, weil man ja weiß, daß dieser zum nächsten Arzt rennt und der verschreibt ihm schon was..