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Werner Brodesser - Der mit den Toten spricht

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Begonnen von artelion, 10. Januar 2011, 01:11:52

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artelion

Werner Brodesser stellt angeblich Kontakt zu Verstorbenen her und nennt den Angehörigen Details, die nicht recherchierbar oder mit Cold Reading erklärbar seien. Denn er verlange keine Adressen, Namen etc. von seinen Kunden. Bei meinem Streifzug durch Foren, youtube etc. habe ich so gut wie keine Berichte von enttäuschten Kunden gelesen, die unzufrieden waren. Wie kann ich die Umstände des Todes (Krankheit, Zeit...) erfahren, ohne Adresse, Telefonnummer etc. vorher zu erfragen? Gut, wenn ich Medium wäre, würde ich massenhaft in Foren "Werbung für mich machen lassen"..  Ich unterstelle ihm das mal nicht. Muss ich vorher beim BND gearbeitet haben um Zugang zu Datenbanken, Standesämter etc. zu haben? Ne, Spaß beiseite, ich habe mir über diese Person noch kein Urteil gebildet. Doch ich würde mich freuen, wenn die Esowatch-Gemeinde über Herrn Brodesser etwas zu sagen hat. Ich glaube nicht, dass er in die gleiche Kategorie wie Frau Lautenschläger fällt, jedenfalls ist er nicht so sehr auf Selbstvermarktung aus.

celsus

Lässt sich schwer etwas zu sagen. Ist ja nur eine Anekdote ohne verfügbare Fakten.
Schlage Ockham vor.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

Nogro

Er spricht nicht nur mit der geistigen Welt, er macht auch Werbung für Heilung aus dieser:
ZitatJens und Khatuna Konieczny  aus Dieblich (Nähe Koblenz)
www.Regenbogenheilung.de
Sichtbare und  beweisbare geistige Heilung nach dem spirituellen Meister und Lehrer des geistigen Heilens Pjotr Elkunoviz. Beckenschiefstandskorrektur mit Beinlängenausgleich! Wirbelsäulenaufrichtung mit Geradestellung der Schulterblätter!
Bei Jens und Khatuna hält Werner Brodesser auch gelegentliche Workshops ab.
Und...da er auf seiner Seite (www.wernerbrodesser.de) keine Preise für die Totensprechsitzungen veröffentlicht hat, gehe ich davon aus, das er es kostenlos macht   :grins2:
Es genügt nicht, keine Ahnung zu haben. Man muss auch dagegen sein (Hermann Hinsch)

artelion

Bei 70 Euro pro Sitzung (welche auch mal nur 20 Minuten dauert) kann man nicht von altruistischen Absichten ausgehen.
Ich bin nicht so fit in den Theorien - wie sieht denn Ockham für diesen Fall aus?

celsus

Zitat von: artelion am 10. Januar 2011, 10:15:10
Bei 70 Euro pro Sitzung (welche auch mal nur 20 Minuten dauert) kann man nicht von altruistischen Absichten ausgehen.
Ich bin nicht so fit in den Theorien - wie sieht denn Ockham für diesen Fall aus?

Für den Anfang würde ich nach einer Persönlichkeitsstörung oder betrügerischen Absichten Ausschau halten.
Das sind die häufigsten Ursachen für einen solchen Auftritt.
Wird man da nicht fündig, kann man weiter suchen.
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rincewind

Zitat von: artelion am 10. Januar 2011, 10:15:10
Bei 70 Euro pro Sitzung (welche auch mal nur 20 Minuten dauert) kann man nicht von altruistischen Absichten ausgehen.
Ich bin nicht so fit in den Theorien - wie sieht denn Ockham für diesen Fall aus?

http://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser

In dem Fall sähe das so aus, wie Celsus schrieb.

N.B.: Ockham ist natürlich kein "Beweis", sondern erstmal nur eine sinnvolle Annahme. Man kann damit auch problemlos daneben liegen, allerdings, und das macht die Annahme sinnvoll, meist sehr selten.

Hegel

Ich denke, daß es eine Reihe von allgemein zugänglichen Quellen gibt, die Auskünfte über bestimmte Personen oder Familien geben (Todesanzeigen in Zeitungen, genealogische Materialien, Angaben in sozialen Netzwerken, personenbezogene Infos im Internet allgemein). Man sollte auch bedenken, daß das Data Mining eine recht weit entwickelte Branche zu sein scheint. Vor einigen Jahren ist von Datenschützern eine Datensammlung auf CD für Werbekampagnen moniert worden, in der u. a. das Durchschnittseinkommen pro Wohnhaus verzeichnet war.

Im übrigen kann man natürlich auch geschickt fabulieren, indem sich die "Mitteilungen aus dem Jenseits" auf Sachverhalte beziehen, die sehr wahrscheinlich in jeder Familie oder Beziehung vorkommen. Denkbar ist z. B., daß ein Verblichener mitteilen läßt, daß ihm die Meinungsverschiedenheiten leid tun und er die Gefühle seiner Angehörigen nicht habe verletzen wollen. Diese Aussage ist ziemlich inhaltsleer und kann sich auf sonstwas beziehen, ist aber emotional appellativ. Es gibt nun 2 Möglichkeiten: Entweder es gab tatsächlich solche Differenzen, dann wird der oder die Hinterbliebene sicherlich auf dieses Stichwort anspringen, zumal man davon ausgehen muß, daß diejenigen, die solche Jenseitskontakte suchen unter seelischer Anspannung stehen. Aus den Reaktionen kann man Infos gewinnen, über die man weiter fabulieren kann. Die andere Möglichkeit besteht darin, daß es keinen familiären Dissenz gab. Na, das ist auch kein großes Problem, dann wird das einfach so behauptet, weil ja keiner beweisen kann, daß der oder die Verstorbene eine solche Sichtweise hatte.

Das Phänomen, auf das artelion hier hinweist, war bereits im 18. Jh. anzutreffen und wurde auch Gegenstand einer philosophischen Abhandlung. Der Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) erwarb einmal einen esoterischen Bestseller seiner Zeit, die "Acarcana coelestina" (=Himmlische Gemeimnisse), die zwischen 1749 und '56 in 8 Bänden in London erschienen. Autor war der Schwede Emanuel Swedenborg (1688-1772), der u. a. behauptete mit den Geistern von Verstorbenen in Kontakt zu stehen.

Diese Anschaffung erwies sich leider als Fehleinkauf, den Kant hatte, wie er später schrieb, "acht Quartbände von Unsinn" (alle Zitate beziehen sich auf "Träume eines Geistersehers, erläutert durch die Träume der Metaphysik", Königsberg 1766. in: Immanuel Kant, Werke in 6 Bänden. Bd.1 Darmstadt 2005. S.919-989) erworben. Damit die Lektüre wenigstens nicht umsonst war, stellte er Swedenborgs Ausführungen auf den Prüfstand der (Kantschen) Philosophie. Das Ergebnis sind die "Träume eines Geistersehers, erläutert durch die Träume der Metaphysik" von 1766.

Kant wollte mit dieser Schrift das Publikum vor ähnlichen literarischen Fehlinvestitionen bewahren. "Daher verdenke ich es dem Leser keineswegs, wenn er, anstatt die Geisterseher vor Halbbürger der andern Welt anzusehen, sie kurz und gut als Kandidaten des Hospitals abfertigt, und sich dadurch alles weiteren Nachforschens überhebt.". 

Obwohl Kants Schrift im Zusammenhang mit einem aktuellen Anlaß entstanden ist, scheint sie mir dennoch aus verschiedenen Gründen für die Gegenwart von Bedeutung zu sein.

Der Philosoph weist am Beispiel Swedenborgs  auf einige "blinde Flecken" hin, die auch bei heutigen Lehren anzutreffen sind. Wenn man davon ausgeht, daß man mit den Geistern oder Seelen von Verstorbenen im Jenseits kommunizieren kann, dann würde das bedeuten, daß zu Lebzeiten ein immaterielles  in einem materiellen Wesen (Körper) existiert hat. Kant wirft hierzu einige Fragen auf, z. B. wie eine solches Geisterwesen eigentlich entsteht oder wie man sich dieses "Zusammenleben"  eigentlich vorstellen soll.

Eine Auseinandersetzung mit solchen Theorien sieht er als nützlich an, indem sie "nämlich die Grenzen unserer Einsicht mit Sicherheit festsetzt, und uns überzeugt: daß die verschiedenen Erscheinungen des Lebens in der Natur und deren Gesetze alles sein, was uns zu erkennen vergönnet ist, das Principium dieses Lebens aber, d. i. die die geistige Natur, welche man nicht kennet, sondern vermutet, niemals positiv könne gedacht werden, weil keine Data hiezu in unseren gesamten Empfindungen anzutreffen sein, und daß man sich mit Verneinungen behelfen müsse, um etwas von allem Sinnlichen so sehr Unterschiedenes zu denken, daß aber selbst die Möglichkeit solcher Verneinungen weder auf Erfahrung, noch auf Schlüssen, sondern einer Erdichtung beruhe, zu denen eine von allen Hülfsmitteln entblößte Vernunft ihre Zuflucht nimmt.". Nach Kant sind Geister und Geisterwelten nicht durch sinnliche Wahrnehmung registrierbar, sodaß hierüber nicht vernünftig geurteilt werden kann. Die Vernunft benötigt quasi einen Input, bevor sie in Aktion tritt. Stellt man sich bspw. eine Personen in einem Raum vor, die sich nicht bewegen kann, die nichts sieht, nichts hört, nichts riecht usw., dann wird sie sich  nicht zu der Frage äußern können, ob sich außer ihr Gegenstände in dem Raum befinden.

Diese eigentümliche Beschaffenheit der menschlichen Erkenntnisfähigkeit ist nach Kant allerdings kein Beweis dafür, daß solche Geisterwesen und -welten nicht existieren. "Man kann demnach die Möglichkeit immaterieller Wesen annehmen ohne Besorgnis widerlegt zu werden, wiewohl auch ohne Hoffnung, diese Möglichkeit durch Vernunftgründe beweisen zu können.".

Bemerkenswert erscheint auch, daß Swedenborg von Kant nicht als notorischer Lügner oder gerissener Geschäftemacher angesehen wird, sondern als jemand, der tatsächlich von seinen Erscheinungen und Visionen subjektiv überzeugt war. Der Philosoph bietet hierfür eine interessante Erklärung an. Nach seiner Ansicht handelt es sich um eine Art Bewußtseinsstörung, i. d. S. daß bestimmte Bewußtseinsinhalte nach einer Bestätigung in der Realität drängen. Etwas vereinfacht ausgedrückt, wer an Geister glaubt, wird auch entsprechende Belege für ihre Existenz finden.