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Lourdes

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Begonnen von ClupeaRubens, 30. Dezember 2023, 16:01:05

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ClupeaRubens

Hallo Psiram-Forum,

kürzlich habe ich mir im ZDF Die großen Fragen: Gibt es Gott? angesehen.

Parallel habe ich im Psiram-Wiki über Lourdes nachgelesen. Dort ist mir folgende Passage aufgefallen:

Der Religionskritiker Richard Dawkins merkte passenderweise an, dass die Wahrscheinlichkeit, sich durch eine Waschung in der Quelle eine Infektion von einem der anderen Besucher zu holen, weit größer ist, als eine Heilung zu erfahren.

Es gab ein paar Ausschnitte von den Bädern und Zapfstellen für das Lourdes-Wasser, die eigentlich recht hygienisch aussehen. Ich kann mir auch vorstellen, dass (insbesondere nach Corona) die Vorkehrungen bezüglich Hygiene nicht auf dem schlechtesten Stand sind. Ist die Aussage von Dawkins nicht etwas überzogen?

Ein weiterer Punkt:
Die Modellrechnung zu Lourdes kennen ja sicher alle, hier hat jemand mal genauer geprüft:

https://skeptics.stackexchange.com/questions/5252/do-visitors-of-lourdes-experience-spontaneous-recovery-more-often-than-would-be

Vielleicht ganz interessant...

Muss man wissen! - Dr. Axel Stoll

Peiresc

Zitat von: ClupeaRubens am 30. Dezember 2023, 16:01:05Ist die Aussage von Dawkins nicht etwas überzogen?
Natürlich ist die Bemerkung von Dawkins eher rhetorisch/polemisch. Ihr harter Kern ist aber völlig treffend: es gibt keinerlei göttliche Garantie dafür, dass das Wasser irgendwie heilkräftig ist und im Gegenteil reichlich Grund für die Annahme, dass es unhygienisch sein könnte, schon weil man glaubt dass es gesund ist (und der Frage weiter keine Aufmerksamkeit schenkt). Das ist bei Devotionalien weltweit der Fall; Lourdes ist ja bei weitem nicht der einzige Wallfahrtsort und vielleicht eher stellvertretend gemeint.

Zitat von: ClupeaRubens am 30. Dezember 2023, 16:01:05Zapfstellen für das Lourdes-Wasser, die eigentlich recht hygienisch aussehen.
Man kann das verschieden interpretieren; eine traditionell westliche Antwort wäre i. S. von ,,Betet zu Gott und haltet euer Pulver trocken" (Oliver Cromwell), oder, weit schlichter: Nachrichten über Infektionswellen wären dem Fremdenverkehr abträglich. Insofern ist es völlig verständlich, dass man für Sauberkeit des Wassers sorgt.

Eine traditionell östliche Antwort wäre, nebenbei: ,,Kismet, Allah hat es so gewollt"; m. a. W. in Mekka ist die Gefahr größer (vgl. Mustafa Akyol: Islam's tragic fatalism. N. Y. T. International, 24.09.2015).

Zitat von: ClupeaRubens am 30. Dezember 2023, 16:01:05hier hat jemand mal genauer geprüft
Das ist okay, aber schon die bloße Anzahl der Lourdes-Besucher ist kaum verlässlich zu ermitteln. Ich habe früher mal versucht, dazu Quellen aufzutreiben. Die Zahlen, die ich gefunden habe, waren sämtlich über alle Daumen gepeilt. Was die ,,anerkannten Heilungen" angeht: auch die sind kaum zu prüfen, weil sie nicht nachvollziehbar dokumentiert sind. Alle Hochrechnungen können eigentlich nur eine Pseudogenauigkeit produzieren.

Max P

Zitat von: Peiresc am 30. Dezember 2023, 17:58:38Natürlich ist die Bemerkung von Dawkins eher rhetorisch/polemisch. Ihr harter Kern ist aber völlig treffend: es gibt keinerlei göttliche Garantie dafür, dass das Wasser irgendwie heilkräftig ist und im Gegenteil reichlich Grund für die Annahme, dass es unhygienisch sein könnte, schon weil man glaubt dass es gesund ist (und der Frage weiter keine Aufmerksamkeit schenkt). Das ist bei Devotionalien weltweit der Fall; Lourdes ist ja bei weitem nicht der einzige Wallfahrtsort und vielleicht eher stellvertretend gemeint.
Dawkins ist ein alter weißer Miesepeter. Zur Stärkung des Immunsystems gibt es nicht nur in Lourdes ganz traditionelle Methoden.

eLender

Zitat von: ClupeaRubens am 30. Dezember 2023, 16:01:05Ist die Aussage von Dawkins nicht etwas überzogen?
Nicht, wenn man es genau nimmt  ;)  (Dawkins irrt ja nie, er ist wahrscheinlich der intelligenteste lebende Mensch ::) ). Selbst wenn es sehr unwahrscheinlich wäre, sich in Lourdes eine göttliche Infektion einzufangen, dann ist es halt noch unwahrscheinlicher, dass man eine Heilung erfährt (was auch immer das sein mag).

Zitat von: ClupeaRubens am 30. Dezember 2023, 16:01:05Vielleicht ganz interessant...

Was sollte man denn sonst sagen, wenn man für teures Geld da hinpilgert und an den Schmuh glaubt. Das sind dann die erkenntnistheoretisch besonders wertvollen Aussagen: rein anekdotisch. So etwas empirisch zu belegen, dürfte (methodisch) beinahe unmöglich sein. Das ist noch diffuser als z.B. die Radon-Therapie, bei der man in die Unterwelt steigt, um sich radioaktiv aktivieren heilen zu lassen. Finde den Vergleich mit Lourdes da ganz gut. Es muss einem danach besser gehen. Sonst käme ja noch der skeptische Schwager und könnte sagen: hab ich dir doch gleich gesagt, das viele Geld umsonst verbrannt :P
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Juliette

Außerdem ist nicht alles, was hygienisch aussieht auch wirklich hygienisch. Bakterien und ähnliches Gedöns kann man mit bloßem Auge nicht erkennen.

Peiresc

Naja, Lourdes ist ja nicht exterritorial. Irgendwelche stinknormalen kommunalen / staatlichen Hygienenormen wird es da schon geben.

Juliette

Zitat von: Peiresc am 31. Dezember 2023, 06:38:59Naja, Lourdes ist ja nicht exterritorial. Irgendwelche stinknormalen kommunalen / staatlichen Hygienenormen wird es da schon geben.

Hast du dich schon mal näher mit manchen Restaurantküchen oder diversen Krankenhaus"innereien" beschäftigt?  :skeptisch: Ich hätte da so einige selbst erlebte und teilweise lebensgefährliche Anekdoten auf Lager. Und Fußpilz in Schwimmbädern ist doch auch immer wieder ein Thema, oder?

Peiresc

Zitat von: Juliette am 31. Dezember 2023, 11:29:30Hast du dich schon mal näher mit manchen Restaurantküchen oder diversen Krankenhaus"innereien" beschäftigt?

Das kommt ein wenig darauf an, was man unter "sich beschäftigen" versteht  ;)

Aber das ist gar nicht der Punkt. Die Frage ist, ob Lourdes-Wasser aus religiösen Gründen noch gefährlicher ist als der sonstige lebensmittelindustrielle Wahnsinn, und das halte ich nicht für ausgemacht.

zimtspinne

Die Frage ist vor allem auch, ob pilgernde Leute mit Sinn für religiöses Heilwasser gesünder sind und schneller gesund werden als nichtpilgernde lebensmittelindustriell verseuchte Couchpotatos.

Meine Antwort: definitiv ja!


Reality is transphobic.

Juliette

Zitat von: Peiresc am 31. Dezember 2023, 21:01:36Die Frage ist, ob Lourdes-Wasser aus religiösen Gründen noch gefährlicher ist als der sonstige lebensmittelindustrielle Wahnsinn, und das halte ich nicht für ausgemacht.

Ach, das mit den religiösen Gründen hatte sich mir so nicht erschlossen. Ich war zwei Mal da, einmal, um mir den Wahnsinn anzusehen und einmal, um es jemandem zu zeigen. Und es ist wirklich ein Wahnsinn: die Menschenmassen, die ungeheuerliche Geldmacherei an allen Ecken und Enden, die Schwerstkranken auf ihren schwarz umhüllten Bahren etc.

Zitat von: zimtspinne am 01. Januar 2024, 10:49:46ob pilgernde Leute mit Sinn für religiöses Heilwasser gesünder sind und schneller gesund werden als

Die Leute, die da hinpilgern, sind ja teilweise krank und deswegen per Definition von vornherein nicht gesünder als Nichtpilgernde. Man sieht auch überall Menschen mit großen Plastikkanistern rumlaufen, um Wasser aus der Quelle mitzunehmen. Ich weiß ja nicht, was religiöse Menschen damit machen, aber ob das nach mehreren Tagen oder Wochen noch Lebensmittelqualität hat?

Peiresc

Zitat von: Juliette am 01. Januar 2024, 12:20:22die ungeheuerliche Geldmacherei an allen Ecken und Enden

Nichts Neues unter der Sonne. Ein Editorial aus dem British Medical Journal von 1910:
ZitatOne feature of Lourdes which cannot fail to make a disagreeable impression on visitors more sympathetic than Zola, is the open and unabashed commercialism of the place. The pilgrim is exploited in every possible way, and the sale of religious objects brings vast sums of money to the town. A particularly revolting example of this is a shop in a conspicuous situation bearing the name of Bernadette's brother. Her name is used in a like manner by others of her family. To such base uses may the seer of heavenly visions come!

Ich denke mir, eine der religiösen Grundannahmen ist: "ja, sicher, aber ... könnte ja sein, nicht?"

zimtspinne

Zitat von: Juliette am 01. Januar 2024, 12:20:22Die Leute, die da hinpilgern, sind ja teilweise krank und deswegen per Definition von vornherein nicht gesünder als Nichtpilgernde. Man sieht auch überall Menschen mit großen Plastikkanistern rumlaufen, um Wasser aus der Quelle mitzunehmen. Ich weiß ja nicht, was religiöse Menschen damit machen, aber ob das nach mehreren Tagen oder Wochen noch Lebensmittelqualität hat?


In Anbetracht des Themas hatte ich das etwas lockerer gefasst.
Man müsste gesunde Pilgerer und kranke Pilgerer mit gesunden und kranken Nichtpilgerern vergleichen. Auch das wäre noch viel zu ungenau.

Aber grundsätzlich pilgern viele Personen aus anderen als religiösen Gründen, und die schätze ich tendenziell als achtsamer und reflektierter (sich und ihrem Leben/Gesundheitheit gegenüber) ein als der durchsschnittliche Nichtpilgerer, wenn ich mir die aktuellen Umfrageergebnisse zu nur mal rausgepickt Bewegung & Sport im Alltag anschaue. Da wird halt meist nichts bis nicht viel getan.
Pilgerer, so vermute ich, pflegen insgesamt einen Lebensstiel, der gesundheits- und wohlbefindeszuträglicher ist.
Das könnte man evtl auch für Menschen sagen, die gerne zur inneren Einkehr in ein Kloster gehen.

Man könnte sich natürlich auch einen beliebigen anderen "Pilger"weg und Ruhe-Ort aussuchen, die die gleichen protektiven Faktoren nähren würden.

Ins Wasser dann halt Wasserstoffperoxid 3% und fertig ist die Maus  :angel:

https://www.spektrum.de/news/pilgern-zu-fuss-zu-innerer-klarheit-finden/2020870
Reality is transphobic.

zimtspinne

Zitat von: Peiresc am 01. Januar 2024, 12:41:03Ich denke mir, eine der religiösen Grundannahmen ist: "ja, sicher, aber ... könnte ja sein, nicht?"

Das ist nicht nur eine der religiösen Grundannahmen. Sondern wohl vollkommen menschlich und normal in einem bestimmten Krankheitsstadium bestimmter Krankheiten.
Wenn ich da nur an das Kapitel der 'esoterischen Krankheitsphase' (oder eher schon Sterbephase) der verehrten Gattin des Autors Martin Bleif denke, die er in einem seiner Bücher beschreibt.

Ich erinnere mich auch an die spirituellen Ausflüge einer verehrten Freundin, die sogar kassenfinanziert waren. Sie hat das Erlebnis Klangschalen (und andere) sehr schön beschrieben. Man kann als Zuhörer (oder Leser) wunderbar mitgehen. Ihre Perspektive war freihlich eher neugierig-galgenhumorvoll als spirituell. Aber Geldmacherei ist auch das. Auf Rezept halt.
Nachtrag: aber immerhin wird kein Schaden angerichtet. Kein größerer zumindest. Spiel mit Hoffnung ist es trotzdem, aber wer es wünscht? Und damit umgehen kann.
Reality is transphobic.

Juliette

Zitat von: Peiresc am 01. Januar 2024, 12:41:03
Zitatdie ungeheuerliche Geldmacherei an allen Ecken und Enden

Nichts Neues unter der Sonne.

Ja, natürlich. Allerdings ist das Ausmaß in Lourdes nicht zu vergleichen zum Beispiel mit dem in Santiago de Compostela. Da habe ich nur eine Erinnerung an eine sagenhaft gute Tapasbar (Grund für einen 2. Besuch dort), aber Läden mit religiösem Krimskrams sind mir nicht sonderlich aufgefallen. Schockierend fand ich da den Anblick einer jungen Frau, die auf den Knien durch die ganze, seeeehr lange Kathedrale bis zum Reliquienschrein gerutscht ist.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Catedral,_Santiago_de_Compostela,_Espa%C3%B1a,_2015-09-22,_DD_13.jpg#/media/Datei:Catedral,_Santiago_de_Compostela,_España,_2015-09-22,_DD_13.jpg

Vielleicht liegt es ja an dem Gesundheitsversprechen, dass in Lourdes mehr Geld für solches Zeug ausgegeben wird. Es ist ja eher eine Light-Pilgertour, die die wenigsten zu Fuß machen.

Zitat von: zimtspinne am 01. Januar 2024, 13:07:28Pilgerer, so vermute ich, pflegen insgesamt einen Lebensstiel, der gesundheits- und wohlbefindeszuträglicher ist.


Dann vermute ich mal: "Zu den geheilten Krankheiten gehören u. a. Multiple Sklerose, Tuberkulose, Infektionskrankheiten, Knochenkrebs." Schreibt die Wikipedia. Dann sind die Chancen recht groß, dass besonders viele Leute (mehr als der Durchschnitt) mit Tuberkulose und Infektionskrankheiten (Heilungen davon sind ja "bewiesen") dorthin pilgern und in dem Gedränge ihre Krankheiten weiter verteilen können.


Peiresc

Zitat von: Juliette am 01. Januar 2024, 14:24:02"Zu den geheilten Krankheiten gehören u. a. Multiple Sklerose, Tuberkulose, Infektionskrankheiten, Knochenkrebs." Schreibt die Wikipedia.

Der Artikel ist fest in der Hand der Gläubigen. Die dt. WP liest sich wie der Flyer der lokalen Pfarrei; sie führt allerlei Erbauungsliteratur bis hin zu Romanen an, aber nicht Zola. Selbst für Carrel (ein katholischer Präfaschist, Stichwortgeber für den islamistischen Fanatiker Sajjid Qutb) ist Platz. In der englischen gibt es wenigstens formal einen Abschnitt "Criticism", aber er ist kaum bequellt und schont die Gefühle der Gläubigen, will heißen den Säckel der Gemeinde.

Suffiziente Fallschilderungen der "Heilungen" habe ich nicht gefunden. Bei allen Heilungen, die ich beschrieben gesehen habe, werden nicht mal die simpelsten klinischen Befunde "vor/nach" mitgeteilt; sie beruhen meist auf den Selbstschilderungen. Außergewöhnliche Berichte erfordern außergewöhnliche Beweise, und hier mangelt es schon an den gewöhnlichen.