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Anna O, Breuer und Freud

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Begonnen von Marvel Stella, 07. Juni 2023, 10:24:09

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Marvel Stella

Vorweg:
Dieser Thread ist eine Folge meines Artikels: https://marvel-stella.de/alle/breuer-und-anna-o-eine-legende
Peiresc sieht einiges von dem, was ich geschrieben habe, anders (diese Formulierung wähle ich ganz bewusst) und darum möchte ich das, was er mir per DM mitgeteilt hat, hier nun einstellen und darauf öffentlich antworten. Natürlich mit seiner Erlaubnis.

___________________


Zitat von: Antwort Nr. 2von Peiresc
Zitat von: Antwort Nr. 1 von Marvel Stella
Zitat von: Bianca HoltschkeSchon zu Lebzeiten Freuds trug die Psychoanalyse nicht zu einer Verbesserung der psychischen Beschwerden seiner Patienten bei." Bianca Holtschke / Timm Bölke im Skeptiker 02/2022 
Anna O, die mit richtigem Namen Bertha Pappenheim (eine Frauenrechtlerin und Sozialpionierin) hieß, war niemals Patientin von Sigmund Freud.
Holtschke/Bölke waren in der Tat mindestens missverständlich. Der naive Leser kommt nicht auf den Gedanken, dass Freud selber an der Behandlung nicht direkt beteiligt gewesen ist. Der zitierte Satz ist dennoch inhaltlich richtig, und Freud selbst feierte die Kasuistik als den ersten erfolgreichen Einsatz seiner späteren Methode.

In dem Absatz war es mir einzig nur wichtig, klarzustellen, dass Anna O niemals Freuds Patientin war. Wenn jemand schreibt: "trug die Psychoanalyse nicht zu einer Verbesserung der psychischen Beschwerden seiner Patienten bei", dann ist das faktisch nicht korrekt. Das Fatale ist, dass sich dieses Gerücht endlos weiter verbreitet, wenn man da nicht für Klarheit sorgt.
Auch Marianne Brentzel findet es überaus ärgerlich, siehe: https://www.mariannebrentzel.de/pappenheim.html

Zitat von: Antwort von Peiresc
Zitat von: Marvel StellaHat Breuer mit seiner Redekur bei Bertha Pappenheim tatsächlich versagt?
Ich glaube eher: Nein.
Das kann man nur sagen, wenn man alles außer dem Suizid der Patientin als einen Erfolg verbuchen will. Vor Beginn der Behandlung hatte sie nur einen (fraglich psychogenen) Husten, und erst im Verlauf der ,,Therapie", in der Interaktion mit Breuer, entwickelte sie die dramatischen Symptome, inklusive einer gefährlichen Morphin- und Chloralhydrat-Sucht, die stationär behandelt werden musste.

Es begann am Sterbebett des Vaters nicht nur der psychogene Husten.
Auch hatte sie da die ersten Lähmungserscheinungen im Arm und die Halluzinationen mit den Schlangen. Im Weiteren versagte in dieser ersten Symptomnacht ihre Sprache. Sie versuchte vor Angst zu beten, doch es gelang ihr einzig nur mit der englischen Sprache, ein Gebet zu formulieren. Seitdem sprach sie - je nachdem welches Bewusstsein übernahm - mit unterschiedlichen Sprachen. Obendrein war sie im wachen Zustand amnestisch für den anderen Zustand und ihrem Bruder gegenüber bekam sie den ersten Sprechkrampf. All das geschah vor der Behandlung mit Breuer. 
(Quelle: unter anderem die Pappenheim-Biografie von Brentzel, Seite 25)

Das bedeutet:
Als Breuer übernahm, zeigte sich bereits das komplette (und sehr typische) Ausmaß ihrer Hysterie. Sie befand sich in einem Zustand - und das ist jetzt meine persönliche Wertung - aus dem sie ohne Hilfe nicht mehr herausgekommen wäre.
Das Sterben ihres Vaters war der Auslöser (natürlich nicht die Ursache) der hysterischen Symptome. Darunter auch das Nichterkennen von Menschen und vieles mehr.

Abgesehen davon war meine Aussage, dass Breuer mit der Redekur (die Anna O selbst als »Talking cure« bezeichnet - dieser Begriff ging in die Geschichte ein) Erfolg hatte, meine ganz persönliche Sichtweise. Ich bin kein Fan der Psychoanalyse. Vor allem diese sogenannte Immunisierungs-Strategie ist sehr kritikwürdig, aber auch die Tatsache, dass die Macht seitens der Analysten korrumpiert.
Trotzdem bin ich mir sicher, dass dieses individuelle "Verhältnis" zwischen Breuer und Pappenheim, so auch die Redekur, sehr wichtige Schritte auf ihrem Heilungsweg waren.

Das bedeutet wiederum nicht, dass ich alles richtig finde, was Breuer tat. Die Behandlung mit Chloralhydrat/Morphium ist nicht wirklich vorteilhaft für ihr Krankheitsbild gewesen. Aber man muss den allgemeinen Gebrauch/Missbrauch  dieser Stoffe im Kontext der damaligen Zeit betrachten. Nicht vergessen darf man auch die sehr starken Schmerzen, die Anna O gehabt hat.   
Was ich in Gänze verurteile, ist, dass Breuer die Behandlung so abrupt abgebrochen hat und dass er ihre Behandlung als einen vollen Erfolg darstellte. 

Zitat von: Antwort von Peiresc
Zitat von: Marvel Stella... brach er die Behandlung im Juni 1882 ab. Nach diesem Abbruch am selben Abend erlebte Bertha Pappenheim eine hysterische Geburt. Breuer wurde zu ihr gerufen und fand sie mit Unterleibskrämpfen vor. Auf die Frage, was mit ihr sei, antwortete sie: »Jetzt kommt das Kind, was ich von Dr. Breuer habe.«. Daraufhin verließ er fluchtartig das Haus.
Du gibst keine Quelle an. Diese Geschichte geht auf den Hagiographen Jones zurück, dem Freud das 10 Jahre post festum persönlich mitgeteilt habe. Tatsächlich aber scheint mir das eine üble persönliche Nachrede Freuds zu sein, der Breuer herabsetzen wollte (ein solches intrigantes Verhalten ist von ihm mehrfach dokumentiert). Ellenberger schreibt:

Der erste, mit dem Freud darüber sprach bzw. schrieb, war nicht Jones. Er schilderte dies in einem Brief 1932 an Stefan Zweig. (Brentzel Seite 50) In Pappenheims Biografie hieß es sogar, dass sich Freud einzig nur Stefan Zweig gegenüber entsprechend geäußert hat. Ich zitiere: ,,1932, in einem Brief an Stefan Zweig – und nur dort – berichtet Freud noch von einer sehr viel eindringlicheren Version der >Übertragungsliebe<"

Trotzdem...
In der Tat habe ich mich in der Schilderung  ungenau ausgedrückt. Vielleicht war es ein Fehler, nach der Rezension noch mal kurz auf den Verlauf der Behandlung bzw. konkret auf den Abbruch der Behandlung einzugehen. Ich möchte aber hinzufügen, dass ich vorhabe, noch viele Artikel zum Thema Anna O zu verfassen und spätestens im zweiten Artikel wäre ich ein wenig konkreter darauf eingegangen.

Was also ist tatsächlich passiert?
Wir werden es niemals mit 100%er Sicherheit erfahren! Wir wissen nicht, ob dieses Geschehen von Freud in die Welt gesetzt wurde, weil er intrigant war, ob er Breuers Worte und Handlungen einfach nur falsch gedeutet hat oder ob es diese hysterische Geburt tatsächlich gab.
Das aber trifft auf ganz viele historische Abläufe zu, nicht nur in Bezug auf Breuer und Pappenheim.
Doch gerade diese Anna O Geschichte ist schwierig zu ermitteln, weil sich viele Freudkritiker, ja, sogar Freud-und Psychoanalyse Feinde darauf gestürzt haben, denen es weniger um Pappenheim ging, als vielmehr darum, Freud zu diskreditieren (das war wohl auch die Motivation von Holtschke/Bölke).

Mir ist Freud relativ egal.
Ich halte diese hysterische Geburt für schlüssig im Zusammenhang mit Pappenheims hysterische Symptomatik. Da ist eine gewisse Logik enthalten, warum ich eher dazu tendiere, diesen Ablauf als "wahr" zu betrachten.
Das Thema Hysterie ist noch mal ein Thema für sich. Es würde hier den Rahmen sprengen. Ich wünschte auch, ich hätte mehr Zeit, denn ich habe so unfassbar viel zu schreiben. Gerade diese Themen hier faszinieren mich nicht nur, sondern inspirieren mich auch.

Ich möchte mit einem Absatz hier in dem Eingangsposting enden, der sich auf die Hysterie bezieht. Als ich diesen das erste Mal las, löste es ein ,,wow" in mir aus,  so grandios ist das formuliert.

_________________

Wie auch immer die Symptome der Hysterie aussehen mögen - sie haben sich auf jeden Fall im Laufe der Jahrhunderte, und insbesondere in den letzten 100 Jahren erheblich verändert.
Aber dies ist allen Symptombildungen gemeinsam: der Patient hat einen aktiven Teil an ihrer Auswahl und Gestaltung, und seine Symptome lassen sich nicht in die Kategorie des automatischen ,,Reflexes" einordnen.
In gewissem Sinne vollbringt der hysterische Patient genau das, was der Therapeut mit seiner ,,Hysterie-Behandlung" an ihm zu erreichen sucht, aber er kehrt den Spieß um.
Während der Therapeut mithilfe der Logik die Macht über den Körper des Hysterikers zu erringen sucht, diesen Körper der Funktionsweise der Maschine anzupassen bemüht ist, eignet sich der Hysteriker die Gesetze der Logik, die Ordnung der Maschine an und macht sie scheinbar zu den seinen.

Aber indem der Hysteriker sich die Gesetze, denen sein Körper unterworfen werden soll, zu eigen macht, hebt er die Fremdbestimmung wieder auf - und mit ihr die Ordnung das Gesetz selbst.
Durch seine Symptombildung offenbart der Hysteriker den Widerspruch, dass weibliche Normalität zugleich weibliche Krankhaftigkeit darstellt.
Er überführt die Logik ihrer Verlogenheit.
Der Hysteriker funktioniert seine Opferrolle um zu der des Agenten einer antagonistischen Kraft.
Die eine der beiden Kräfte, die an dieser Auseinandersetzung beteiligt sind, versucht das Sexualwesen, das ich zu vernichten; die andere aber, die hysterische Symptombildung, lehnt sich gegen diese Vernichtung auf.


(aus: Christina von Braun. Nicht Ich, S. 37)
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Die Aufmerksamkeit des Menschen auszubeuten, ist des Menschen nicht würdig!

Peiresc

Ich antworte mal in Etappen. 1. Symptombeginn und Behandlungsbeginn.

Zitat von: Marvel Stella am 07. Juni 2023, 10:24:09Das bedeutet:
Als Breuer übernahm, zeigte sich bereits das komplette (und sehr typische) Ausmaß ihrer Hysterie. Sie befand sich in einem Zustand - und das ist jetzt meine persönliche Wertung - aus dem sie ohne Hilfe nicht mehr herausgekommen wäre.
Das Sterben ihres Vaters war der Auslöser (natürlich nicht die Ursache) der hysterischen Symptome. Darunter auch das Nichterkennen von Menschen und vieles mehr.

Für den Fall Anna O sollten wir zunächst einfach einen Zeitstrahl erstellen, sonst bleiben wir im Ungefähren. Es stehen vielfache Quellen dafür zur Verfügung (Ellenberger, Borch-Jacobsen, Crews u.a.), die sich natürlich auf Breuer 1895 stützen. Ich referiere zunächst nur nach Ellenberger 1972:

  • 1880 Beginn der Krankheit (mit 21 J).
  • Frühjahr 1880: Gesichtsschmerzen und Muskelzuckungen (aber: ,,All of what he related about her symptoms during that period, he [Breuer] learned later from the hypnotized patient, and the patient herself, in her conscious state, knew only what Breuer told her about it." – Ellenberger)
  • July 1880 to December 10, 1880: ,,latente Inkubation", ,,erste Phase der Krankheit": Erschöpfungsgefühl, Unruhe, Müdigkeit, intensiver Husten. Und ,,latente Symptome", sagt Breuer - etwas, das es nicht geben kann: entweder man hat Symptome, dann sind sie nicht latent, oder man hat keine.
  • Sept. 1880: Rückkehr der Fam. Pappenheim nach Wien (unbekannt woher)
  • November 1880: ,,Breuer saw her for the first time at the end of November on account of an "hysterical cough"; he recognized at once that she was mentally sick- something that had escaped her family's notice – Ellenberger.
  • 11. December 1880 bis 1. April 1881, ,,manifeste Psychose": Bettlägerigkeit, Vielzahl von Symptomen. Am 1. April hat sie erstmals das Bett wieder verlassen.
  • 5. April 1881: Tod des Vaters
  • 5. April 1881-Dezember 1881: ,,wechselnder Somnambulismus"
  • Juni 1881 Suizidale Impulse.
  • [...]

Fazit bis hierher: Die Symptomatik entfaltete sich erst nach Behandlungsbeginn, und man strapaziert die Glaubwürdigkeit nicht, wenn man da einen kausalen Zusammenhang annimmt.
Der Tod des Vaters war nicht der Auslöser, denn da war die Symptomatik da schon in voller Blüte.


Zitat von: Marvel Stella am 07. Juni 2023, 10:24:09Wenn jemand schreibt: "trug die Psychoanalyse nicht zu einer Verbesserung der psychischen Beschwerden seiner Patienten bei", dann ist das faktisch nicht korrekt.
Doch, genau das ist faktisch korrekt. Seine 2 Dutzend Fallgeschichten wurden in extenso in der Literatur aufgeräufelt.

Peiresc

2. Die Scheinschwangerschaft

Zitat von: Marvel Stella am 07. Juni 2023, 10:24:09Der erste, mit dem Freud darüber sprach bzw. schrieb, war nicht Jones. Er schilderte dies in einem Brief 1932 an Stefan Zweig. (Brentzel Seite 50) In Pappenheims Biografie hieß es sogar, dass sich Freud einzig nur Stefan Zweig gegenüber entsprechend geäußert hat. Ich zitiere: ,,1932, in einem Brief an Stefan Zweig – und nur dort – berichtet Freud noch von einer sehr viel eindringlicheren Version der >Übertragungsliebe<"

Jones (Bd. 1 S. 269) erzählt:

ZitatFreud hat die seltsamen Umstände, unter denen diese neuartige Behandlung ein Ende nahm, dem Biographen ausführlicher erzählt, als er sie in seinen Schriften schilderte. Offensichtlich hatte Breuer für seine interessante Patientin das entwickelt, was wir heute eine starke Gegenübertragung  nennen. Auf alle Fälle scheint er von nichts anderem gesprochen zu haben, so daß es seiner Frau lästig zu werden begann und sie schließlich eifersüchtig wurde. Sie zeigte es zwar nicht offen, aber sie wurde mißmutig und reizbar. Als Breuer, der mit seinen Gedanken anderswo weilte, nach langer Zeit endlich den Grund ihres Gemütszustandes erriet, kam es bei ihm zu einer heftigen Reaktion - wahrscheinlich eine Mischung von Liebe und Schuldgefühl—, und er beschloß, mit der Behandlung aufzuhören. Er teilte dies Anna O. mit, der es jetzt viel besser ging, und verabschiedete sich von ihr. Aber noch am selben Abend holte man ihn wieder zu ihr, und er traf sie in einem Zustand höchster Erregung. Die Paientin, die er bisher für ein völlig geschlechtsloses Wesen gehalten, und die während der ganzen Behandlung nie eine Anspielung auf die ses verpönte Thema gemacht hatte, befand sich jetzt in den Wehen einer hysterischen Geburt (Pseudocyesis), dem logischen Abschluß einer Phantomschwangerschaft [9], die sich während Breuers Behandlung als deren Folge unsichtbar entwickelt hatte. Trotz seines Schreckens gelang es ihm, sie durch Hypnose zu beruhigen, bevor er entsetzt das Weite suchte. Tags darauf fuhr er mit seiner Frau nach Venedig auf eine zweite Hochzeitsreise; seine Tochter, die auf dieser Reise gezeugt wurde, sollte sechzig Jahre später Selbstmord begehen, um sich der Deportierung durch die Nazis zu entziehen.

Also: Jones beruft sich auf den persönlichen Bericht durch Freud, nicht auf irgendein Dokument. Wie erwähnt hat Ellenberger eruiert, dass die Chronologie nicht stimmen kann. Der Bericht kann nicht vor 1908 aufgenommen worden sein (Zeitpunkt des allerersten persönlichen Kontakts von Jones mit Freud), sehr wahrscheinlich deutlich später. Die Wege von Breuer und Freud hatten sich da längst getrennt, im Unfrieden.

Borch-Jacobsen (Remembering Anna O. A Century of Mystification 1996, S. 29) sagt:
ZitatIn fact, so little does the whole business appear to have been a secret within Freud's inner circle that Marie Bonaparte, upon returning from Vienna, where Freud had told her "the Breuer story," noted in her diary on December 16, 1927, "The rest is well known: Anna's relapse, her fantasy of pregnancy, Breuer's flight."3
Die ganze Freud-Clique war in Szene gesetzt - von wem, wenn nicht von Freud selbst? Brentzel war offenbar nicht exakt im Bilde, wenn sie glaubt, ein Brief an Stefan Zweig sei die erste und einzige Quelle dieser Geschichte.

Borch-Jacobsen (S. 30) bietet auch eine Deutung an:
ZitatThe subtext of this tale is that Bertha Pappenheim's botched treatment was due to a serious underestimation of the role that sexuality played in her case, as well as to insufficient analysis of the transference and the countertransference. Breuer had failed, for want of courage and determination, where Freud doubtless would have triumphed. The failure belonged to Breuer, not to psychoanalysis.
Q.E.D

Und er fährt fort:
Zitat[...] Mathilde Breuer probably was offended by the intense "rapport" that developed between her husband and his patient, but it simply isn't true that Breuer forsook Bertha for a hasty flight to Venice with his wife. Quite the opposite: Breuer arranged, very professionally, for his patient's transfer to Binswanger's sanatorium and then continued to work normally until he left to spend the summer with his family at Gmunden. Nor is the rest of the story true: Dora Breuer was born on March 11, 1882, three months before her alleged conception in Venice [7]; and Breuer's custom when a patient needed sedation was not to induce hypnosis but to administer injections of morphine or chloral. [8]

In seiner Fußnote führt Borch-Jacobsen noch an:
Zitat[7] Breuer's close relatives immediately pointed this error out to Jones, but apparently he saw no need to correct it in the second edition, despite his promise to do so. [...]
Nebst den entsprechenden Belegen.

Die Scheinschwangerschaft war ein Steckenpferd von Freud. Seine Patientin Ida Bauer, mit der er nicht zurechtkam, beurteilte er so:
ZitatFreud regarded his patient as an antagonist, to be tripped up and scolded wherever he could find an opening to do so. "I let her go on talking," he reported, "and she suddenly recollected that it was [Hans's] birthday ...—a fact which I did not fail to use against her."⁸ Or again, when Ida appeared one day suffering sharp abdominal pains, Freud's immediate response was, "Whom are you copying now?"⁹ And when she reported that she had recently endured an attack of appendicitis and a chronically dragging foot, Freud brushed aside the diagnoses made by the specialists who had examined her.¹⁰ The "appendicitis," he declared, had been a phantom pregnancy, issuing in a hysterical childbirth—the memory of which she must have repressed—and the lameness stood for her "false step" in having failed to protect against the imaginary conception.

Frederick Crews, Freud: The Making of an Illusion Kap. 32, 1.

Peiresc

3. Der Ausgang der Behandlung

Zitat von: Marvel Stella am 07. Juni 2023, 10:24:09Doch gerade diese Anna O Geschichte ist schwierig zu ermitteln, weil sich viele Freudkritiker, ja, sogar Freud-und Psychoanalyse Feinde darauf gestürzt haben, denen es weniger um Pappenheim ging, als vielmehr darum, Freud zu diskreditieren (das war wohl auch die Motivation von Holtschke/Bölke).

Nein, das ist nicht der Grund. Der Grund besteht darin, dass die Kasuistik unvollständig und verfälschend dargestellt wurde und von den Analytikern, voran Sigmund Freud, als Gründungsmythos der Psychoanalyse glorifiziert worden ist.

Nochmals Borch-Jacobsen:
ZitatAs early as 1916, in his book The History and Practice of Psychoanalysis, Poul Bjerre noted almost in passing, "I can add that the patient was to undergo a severe crisis in addition to what was given out in the description of the case. Since then, however, she has lived, and still lives, in the best of health and in widespread activity."! And Carl Jung, in a private seminar of 1925, went even farther. Referring to confidential remarks made by Freud about the "untrustworthiness" of some of his early case histories, Jung stated: "Thus again, the famous first case that he [Freud] had with Breuer, which has been so much spoken about as an example of a brilliant therapeutic success, was in reality nothing of the kind." [2]
Die engere Gefolgschaft Freuds wusste immer, dass es nicht um Realgeschichte, sondern um einen Mythos handelt. Nebenbei: C. G. Jung, ein Insider, spricht hier wie selbstverständlich davon, dass es Freuds und Breuers Fall gewesen sei.

Zitat von: Marvel Stella am 07. Juni 2023, 10:24:09Trotzdem bin ich mir sicher, dass dieses individuelle "Verhältnis" zwischen Breuer und Pappenheim, so auch die Redekur, sehr wichtige Schritte auf ihrem Heilungsweg waren.

Woher nimmst Du diese Sicherheit?
Zitat von: WPSie sprach niemals über diesen Abschnitt ihres Lebens und widersetzte sich mit Vehemenz jedem Vorschlag einer psychoanalytischen Behandlung von Personen, für die sie die Verantwortung trug.
Sie scheint die Therapie in der Rückschau nicht als hilfreich angesehen zu haben.



Dieses berühmte Foto von ihr ist von Dezember 1882, es ist in Konstanz entstanden (Ellenberger 1972). Es zeigt eine selbstbewusste, kerzengerade aufrecht stehende junge Frau im Reitdress, ein halbes Jahr nachdem sie von Breuer als psychisches und körperliches Wrack aufgegeben worden ist. Bei Übernahme der Behandlung durch die Klinik brauchte sie bis 9 dezigramm Morphin am Tag. Man kann das schlecht mit heutigen Dosierungen vergleichen (sicher war das Morphin damals geringer konzentriert), aber es scheint sich um astronomische Mengen gehandelt zu haben.

Und zu diesem Wrack war sie erst in Breuers Therapie geworden. Man kann noch ein wenig zur malignen Interaktion spekulieren, die offenbar stattgefunden hat, wenn man sich ein wenig mit Hysterie auskennt, aber es würde Spekulation bleiben. Ich verkneife mir das.



Marvel Stella

Das ist wirklich schwierig. Ich habe gerade eben hier reingeschaut, weil ich endlich Zeit finde. Ich fühle mich schier erschlagen von Zitaten. Hast du auch eine eigene Meinung dazu?

Zitate sollten eigentlich nur dazu dienen, entsprechend - im Sinne des Zitatrechts - darauf einzugehen. Hier aber überschlagen sich die Zitate, gerad so, als sollten diese aufgrund ihrer schieren Menge die eigene Einordnung ersetzen. Doch gerade eine eigene Beschäftigung mit Quellen sowie deren Einordung sollte doch Kern jeglicher (wissenschaftlichen) Herangehensweise sein?

Ich kann mein Empfinden auch anders formulieren.
Es wirkt fachlich korrekt, wer sich nicht auskennt, ist sicherlich fasziniert und begeistert. Ich aber bin es nicht, denn die bisherigen Antworten (auch per PN) vermitteln mir, dass ich es hier mit einer sogenannten "Holts..... Wissenschaft" zu tun habe.
Wir haben hier exakt das Problem vorliegen (was ich auch aus den PNs entnehme), was ich die ganze Zeit schon beanstande. Es geht hier im Kern um Kritik an Sigmund Freud und seiner Psychoanalyse, Bertha Pappenheim dient nur als Argument, was man anscheinend passend und maßgeschneidert zurechtbiegt. 

Ich werde mich nun trotzdem in Ruhe hinsetzen und versuchen, diese ganzen Zitate entsprechend aufzudröseln. Doch ich gebe jetzt schon mal bekannt, dass es wohl mein letzter Versuch sein wird.

Und wenn ich merke, es macht jetzt mehr Arbeit als ich Zeit zur Verfügung habe, werde ich passen. Dann werde ich zu dem Thema vielleicht irgendwann noch einmal einen Artikel auf meiner Webseite schreiben, keine Ahnung!
 ___________

PS: Kann mich bitte mal privat jemand anschreiben wegen dem Psiram-Wikipedia-Artikel "Psychoanalyse"? Ich habe den Artikel bisher nur überflogen, bin aber bei einer Aussage über Bertha Pappenheim hängengeblieben.
 

   
Die Aufmerksamkeit des Menschen auszubeuten, ist des Menschen nicht würdig!

Peiresc

Zitat von: Marvel Stella am 11. Juni 2023, 12:20:14Hast du auch eine eigene Meinung dazu? [...] Hier aber überschlagen sich die Zitate [...] was man anscheinend passend und maßgeschneidert zurechtbiegt
Da ist man mit dem ,,Maßschneidern und Zurechtbiegen" offenbar krachend gescheitert, wenn meine Meinung nicht erkennbar ist. Asche aufs Haupt.

Zitat von: Marvel Stella am 11. Juni 2023, 12:20:14dass ich es hier mit einer sogenannten "Holts..... Wissenschaft" zu tun habe
Ich habe keine Ahnung, was eine ,,sogenannte Holts...Wissenschaft" ist.

Zitat von: Marvel Stella am 11. Juni 2023, 12:20:14PS: Kann mich bitte mal privat jemand anschreiben wegen dem Psiram-Wikipedia-Artikel "Psychoanalyse"? Ich habe den Artikel bisher nur überflogen, bin aber bei einer Aussage über Bertha Pappenheim hängengeblieben.

Wenn Du im Abschnitt über Anna O sachliche Fehler findest, dann spricht nichts dagegen, sie zu berichtigen. Warum sollten wir ihn nicht öffentlich diskutieren? Wir haben dafür Extra-Bühnen, hier,
https://forum.psiram.com/index.php?board=3.0
oder
https://forum.psiram.com/index.php?board=2.0

Aber was hält Dich davon ab, Deine bessere Formulierung gleich hier einzustellen?

Marvel Stella

Also zuerst einmal - bevor wir ins Detail gehen, muss ich dringend ein Missverständnis auflösen.
Ich schrieb:
Zitat von: Marvel StellaAls Breuer übernahm, zeigte sich bereits das komplette (und sehr typische) Ausmaß ihrer Hysterie. Sie befand sich in einem Zustand - und das ist jetzt meine persönliche Wertung - aus dem sie ohne Hilfe nicht mehr herausgekommen wäre. Das Sterben ihres Vaters war der Auslöser (natürlich nicht die Ursache) der hysterischen Symptome. Darunter auch das Nichterkennen von Menschen und vieles mehr.


Da habe ich mich ggf. für Außenstehende undeutlich ausgedrückt. Ich meine "das Sterben" als Sterbeprozess, nicht den Tod an sich. Breuer übernahm die Behandlung im November 1880. Ihre schweren Hysterie-Symptome sind in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 1880 das erste Mal akut am Krankenbett ihres Vaters ausgebrochen. Ich habe die Symptome bereits im ersten Posting teilweise aufgezählt.
Der Auslöser war in der Nacht, bevor der Chirurg aus Wien erwartet wurde, der bei Sigmund Pappenheim eine OP durchführen sollte. (vgl. Marianne Brentzel: Biographie)

Auch Breuer hat in den "Studien für Hysterie" die Phasen der Erkrankung entsprechend aufgelistet:
Wenn er über eine manifeste Erkrankung spricht, bezieht er sich (nur) auf den Ausbruch der Psychose im Dezember 1880.   

Und selbst Ellenberger (du zitierst ihn) sprach vom Ausbruch der Symptome Mitte Juli 1880. Allerdings befinden sich in dem, was du zitierst, ungenaue Angaben über das komplexe Ausmaß der Symptome. Im Laufe des Tages schaue ich noch einmal bei Ellenberger 1972 rein.

Darum muss/möchte ich mich hier noch einmal wiederholen.
Als Breuer sie im November 1880 übernahm, waren die Symptome der Hysterie im vollen Ausmaß – manifestiert - vorhanden. Danach hat sich die Krankheit in einer Art Wellenform mal gebessert und mal verschlechtert. Die Gründe dafür liegen nicht nur in der Behandlung durch Breuer, doch um das zu erklären benötige ich Zeit. Das geht nicht im Vorbeigehen und das lässt sich auch nicht konkret aus dem entnehmen, was die Freud-Kritiker oder auch Ellenberger publizierten. Um das zu erklären, braucht man sehr viel Hintergrundwissen zum Thema Arzt/Patientbeziehung und Hysterie.

Sei bitte gnädig und gib mir die Zeit ;)
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Marvel Stella

Ach so, zum Wiki-Artikel


Ich empfehle, diese Information in die Tonne zu werfen:

Zitat von: Wikipedia-PsiramBreuer stellte bei ihr eine ,,Hysterie" fest, deren Ursache ein sexueller Missbrauch in der frühen Kindheit sein sollte.

Pappenheim wurde niemals missbraucht.
Dass Pappenheim missbraucht wurde, hat Freud verbreitet, so, wie er insgesamt die These vertrat, dass die Ursache der Hysterie nicht nur in einer frühen traumatischen Erfahrung, sondern auch in einer frühen traumatischen sexuellen Erfahrung lag. (Quelle unter anderem hier)
Das war noch in einer Zeit, BEVOR er damit begann, sich mit der Verführungstheorie zu befassen.

Joseph Breuer hat der These mit dem sexuellen Missbrauch vehement widersprochen.
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Peiresc

Zitat von: Marvel Stella am 11. Juni 2023, 14:22:06Ihre schweren Hysterie-Symptome sind in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 1880 das erste Mal akut am Krankenbett ihres Vaters ausgebrochen.
Sind sie nicht. Es ist verwegen, die bedeutungsschwangere ,,Schlangensichtung" als Symptom einer psychischen Erkrankung aufzufassen. Wenn sie überhaupt vorgekommen ist, dann kann sie nichts als eine Pareidolie oder Illusion, also etwas Spielerisches, Willkürliches z. B. bei Übermüdung, gewesen sein. Visuelle Halluzinationen pathologischer Qualität sind in diesem Setting nicht plausibel. Breuer hat sie im Nachhinein dazu gemacht; am ehesten indem er sie in seine Patientin hineingefragt hat - bzw. Anna O hat gespürt, was er hören wollte (ich hoffe, Du gehst auf den Aspekt der ,,Arzt-Patient-Beziehung" noch ein). Die genaue Genese muss (und kann) offenbleiben. Ellenberger sagt, dass es ein sozusagen retrospektives Symptom ist, das in Echtzeit niemandem aufgefallen ist. Vermutlich ist es das, was du mit ,,ungenau" meinst. Malcolm MacMillan, Freud Evaluated: The Completed Arc (1991) meint, dass es allgemein üblich gewesen ist, die Hysterie auf ein "Trauma", ein "Geheimnis", zurückzuführen, und dass Breuer auf der Suche nach so was gewesen ist.

Die Primärliteratur für diesen Fall ist (1) Breuer 1895, (2) Ellenberger 1972, (3) Hirschmüller, Physiologie und Psychoanalyse in Leben und Werk Josef Breuers 1978. In den Briefen Freuds und seines Kreises scheinen noch ein paar zusätzliche zeitnahe Details aber unsicherer Verlässlichkeit vorzukommen. Ich habe die Brentzel-Biografie nicht gelesen. Schau doch bitte mal nach, ob sie sich auf mehr als (1) stützt.

Zitat von: Marvel Stella am 11. Juni 2023, 14:22:06Darum muss/möchte ich mich hier noch einmal wiederholen.
Als Breuer sie im November 1880 übernahm, waren die Symptome der Hysterie im vollen Ausmaß – manifestiert - vorhanden.

Nein. Die bloße Wiederholung dieser Ansicht macht sie keineswegs plausibler. Breuer persönlich widerspricht Dir:
ZitatDer Krankheitsverlauf zerfällt in mehrere gut getrennte Phasen; es sind:
A) die latente Incubation. Mitte Juli 1880 bis etwa 10. December. In diese Phase, die sich in den meisten Fällen unserer Kenntnis entzieht, gewährte die Eigenart dieses Falles so vollständigen Einblick [...]
Wie kann er von einer ,,latenten Incubation" reden, wenn die ,,Hysterie in vollem Ausmaß – manifestiert – vorhanden" gewesen sein soll?

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Zitat von: Marvel Stella am 11. Juni 2023, 14:29:39Ach so, zum Wiki-Artikel

Ich empfehle, diese Information in die Tonne zu werfen:

Zitat von: Wikipedia-PsiramBreuer stellte bei ihr eine ,,Hysterie" fest, deren Ursache ein sexueller Missbrauch in der frühen Kindheit sein sollte.

Pappenheim wurde niemals missbraucht.
Dass Pappenheim missbraucht wurde, hat Freud verbreitet

Dann wäre doch die Information gar nicht in die Tonne zu treten, sondern müsste eher umformuliert werden, in etwa so:

,,Breuer stellte bei ihr eine ,,Hysterie" fest, deren Ursache nach Freuds Überzeugung ein sexueller Missbrauch in der frühen Kindheit sein sollte."

- vorausgesetzt dafür lässt sich ein Textbeleg finden.
Zitat von: Marvel Stella am 11. Juni 2023, 14:29:39(Quelle unter anderem hier)
Das wäre jetzt keine wirklich für unser Wiki verwendbare Quelle. Vielleicht sind das nur freie Paraphrasen des Blog-Autors.

Marvel Stella

Ich glaube, ich muss passen. Das ist ein Diskussionsstil, dem ich schon seit Jahren ausweiche, da er leicht aggressiv wirkt.

Ich habe heute – obwohl meine Familie zwischendurch wieder zu Besuch kam – so einige Stunden damit verbracht, ganz viel zu schreiben und natürlich Zitate zu überprüfen. Den bisher verfassten Text lege ich nun zur Seite und werde ihn die Tage für einen Artikel auf meiner Seite nutzen.
Das bedeutet nicht, dass ich jetzt gar nicht mehr auf deine Äußerungen eingehe. Ich tue es dieses Mal noch, aber sei Dir sicher, es fällt mir schwer. Meine Konzentration scheint – kaum, dass ich deinen neuen Beitrag gesehen habe – auf null gesunken zu sein. 

Zum Psiram-Artikel:

Zitat von: Marvel StellaDann wäre doch die Information gar nicht in die Tonne zu treten, sondern müsste eher umformuliert werden, in etwa so:
,,Breuer stellte bei ihr eine ,,Hysterie" fest, deren Ursache nach Freuds Überzeugung ein sexueller Missbrauch in der frühen Kindheit sein sollte." 

In die Tonne treten war eine flaxige Redewendung von mir - eher auf freundlich gesinnter Basis.
Deinen Vorschlag finde ich nicht gut. Ihr verbreitet damit Freuds Hirngespinste weiter und dichtet Pappenheim etwas an, was nicht nur falsch, sondern auch sehr fatal ist.
Pappenheims Biografie - und das kann jeder bestätigen, der sich mit ihrer Biografie befasst hat - zeigt nicht ein einziges Mal klitzekleine Ansätze oder auch nur ,,Ahnungen" eines sexuellen Missbrauchs.
Die These ist bei Freud einzig deswegen entstanden, weil er ganz allgemein der Meinung gewesen ist, dass der Ursprung der Hysterie im sexuellen Missbrauch zu suchen sei. Keiner, der sich mit Pappenheim je befasst hat, kann das bestätigen.  Später hat er das sogar noch  abgeändert. Da war seine These plötzlich die, dass in der Hysterie unbewusst inzestuöse Fantasien (à la: Verführungstheorie) zu finden seien. :/

Das ist nicht fair einer Frau gegenüber, die es nicht verdient hat, auf so einer Art zum Opfer gemacht zu werden.
Die Aussage im Wikipedia ist falsch. Aber was solls, es ist Euer Wiki, ich hab es nur gut gemeint.

In einem Thread, den du mir privat empfohlen hast, konnte ich sehen, dass sogar die Informationen eines Users, der Psychotherapiewissenschaft studiert hat, an Dir abzuprallen scheinen. Ich hatte durchaus den Eindruck,  dieser User ist sehr seriös und er schien mir in den erwähnten Bereichen auch fachlich bewandert zu sein.  psyanthro im Forum-Thread "Psychoanalyse"
Vielleicht lest ihr euch das noch einmal in Ruhe durch...

Soweit zum Wiki-Eintrag.

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Du zitierst mich: >> "waren die Symptome der Hysterie im vollen Ausmaß – manifestiert - vorhanden."
und meinst, Breuer widerspricht mir.

ZitatDer Krankheitsverlauf zerfällt in mehrere gut getrennte Phasen; es sind:
A) die latente Incubation. Mitte Juli 1880 bis etwa 10. December. In diese Phase, die sich in den meisten Fällen unserer Kenntnis entzieht, gewährte die Eigenart dieses Falles so vollständigen Einblick [...]

Ja korrekt, ich habe das hier in der Originalausgabe und einer späteren Ausgabe vor mir liegen. Ich weiß was da steht. Und schau, genau DAS unterscheidet uns beide wahrscheinlich.
Weiter oben schrieb ich:

Zitat von: Marvel StellaHier aber überschlagen sich die Zitate, gerad so, als sollten diese aufgrund ihrer schieren Menge die eigene Einordnung ersetzen. Doch gerade eine eigene Beschäftigung mit Quellen sowie deren Einordung sollte doch Kern jeglicher (wissenschaftlichen) Herangehensweise sein?

Wenn ich will, kann ich dich hier auch mit endlos vielen Zitaten erschlagen. Das ist aber ein sehr aggressiver Stil, den ich ablehne, insofern werde ich nun einfach nur versuchen, auf Breuers Angaben einzugehen:

Hast du dich mal mit der Frage beschäftigt, welche Kenntnisse Breuer zur damaligen Zeit über die Hysterie und vor allem auch über die Hysterie-Bewusstseinsspaltung, (heute bekannt als Dissoziative Identitätsstörung) gehabt hat? Per PN hast du mir mitgeteilt, dass du diesbezüglich nicht hinreichend kompetent bist. Und jetzt schreibst du mir, dass das, was ich über Pappenheims Ausmaß der Hysterie Mitte 1880 berichte, falsch sei?
Du hast kürzlich sogar ihre Hysterie ganz und gar in Frage gestellt, wieso macht man das, wenn man sich damit nicht ausreichend auskennt? Ich verstehe es wirklich nicht.

Du erwähnst sehr oft Ellenberger 1972. 
Ellenberger hat Breuers Angaben - so die persönliche Übersetzung - einzig nur wiedergegeben. Nicht nur eine Version (die aus den Studien der Hysterie) sondern auch die Version aus einem Breuer-Bericht 1882, die bis zu diesem Datum (1972) relativ - ggf. sogar gänzlich - unbekannt war.  Zu Ellenberger 1972 komme ich nachher noch.

Ich möchte dir eine Leseprobe von Brentzel zukommen lassen:
HIER
Und natürlich kommt Brentzel in ihrer Pappenheim Biografie (leider nicht in der Leseprobe enthalten) auch auf Ellenberger, vor allem auf den überaus thematisch-interessanten Albrecht Hirschmüller und auf viele andere zu sprechen, die Du erwähnst und die bzw. deren Werke ich teilweise auch kenne. 
Abgesehen von der Leseprobe, die ich dir soeben verlinkt habe, solltest du dich vielleicht einmal mit dem Hysterieforscher bzw. Neurologe Jean-Martin Charcot befassen oder aber mit der neuzeitlichen Wissenschaft über die Hysterie im 19. Jahrhundert. In dem Fall würdest du nämlich Breuers Version von einer "latenten Incubation" etwas skeptischer betrachten. 

Zitat von: PeirescBreuer hat sie im Nachhinein dazu gemacht; am ehesten indem er sie in seine Patientin hineingefragt hat - bzw. Anna O hat gespürt, was er hören wollte

Diese Aussage irritiert mich. Vielleicht ist es die Verwendung der Begriffe, wie u.a. "hineingefragt". Das ist im Heute, Hier und Jetzt eine gern kritisierte Methode (auch von mir) in der suggestiven Traumabehandlung von Patienten. Eine Behandlungsform, die u.a. falsche Erinnerungen fördert.(Mein Steckenpferd) ;-)

Das ist ziemlich weit entfernt von dem, wofür sich Pappenheim selbst entschieden hat. »Talking Cure« und »chimney sweeping« ist nicht Freuds Psychoanalyse, auch nicht Breuers Hypnoseart, sondern letztendlich ihre eigene Entscheidung gewesen. 
Ich könnte auch das nun mit endlos vielen Zitaten und Quellen belegen, aber wo soll das enden? Du müsstest es – wenn du genauso gewissenhaft bist wie ich? – jedes Mal genau prüfen, was manchmal nicht so einfach ist, wenn man die Bücher teilweise in der Universitätsbibliothek ausleiht. Einige Bücher liegen hier bei mir zuhause, da kann ich nachlesen. Andere aber haben wir (Nora und ich) uns nur ausgeliehen, was bedeutet, dass ich den genauen Wortlaut und die Seitenzahl derzeit nicht zur Verfügung habe.

Zitat von: Peiresc(ich hoffe, Du gehst auf den Aspekt der ,,Arzt-Patient-Beziehung" noch ein).

Ja, das tue ich. Sehr umfangreich, - SO umfangreich, dass ich mich fragen muss, ob ich diese Abhandlung wirklich zur freien Verfügung stellen möchte.
Wenn ich es tue, dann geschieht dies auf meiner persönlichen Webseite und nicht in einem Forum, wo der Text irgendwann in den Tiefen der Software verschwindet.

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Jetzt in genau diesem Moment stehe ich vor dem folgenden Problem:
Du hast so viele Zitate rein gesetzt und Aussagen getätigt, auf die ich noch dringend eingehen müsste, was diesen einen Beitrag hier sprengen würde.
Wenn ich diesen Beitrag jetzt allerdings absende, um dann in weiteren Beiträgen auf den Rest (in Ruhe) eingehen zu können, sind wahrscheinlich schon wieder neue Zitate und Aussagen von dir erschienen.

Da muss ich wirklich passen. Ich schaffe das nicht, darauf gewissenhaft (ist ne Macke von mir, um nicht gestresst zu werden) einzugehen. 
Darum werde ich nun das Folgende machen.
Ich gehe jetzt nur noch auf eine einzige Aussage von dir ein, auf die ich u.a. mit Ellenberger 1972 reagiere.
Alles andere zum Thema Bertha Pappenheim wird man künftig auf meiner Webseite lesen können (wer denn Interesse hat).

Du schreibst zu dem Foto von Anna O, was sich auf der Wikipedia-Seite befindet.

Zitat von: PeirescDieses berühmte Foto von ihr ist von Dezember 1882, es ist in Konstanz entstanden (Ellenberger 1972). Es zeigt eine selbstbewusste, kerzengerade aufrecht stehende junge Frau im Reitdress, ein halbes Jahr nachdem sie von Breuer als psychisches und körperliches Wrack aufgegeben worden ist. Bei Übernahme der Behandlung durch die Klinik brauchte sie bis 9 dezigramm Morphin am Tag. Man kann das schlecht mit heutigen Dosierungen vergleichen (sicher war das Morphin damals geringer konzentriert), aber es scheint sich um astronomische Mengen gehandelt zu haben.

Konstanz liegt bei Kreuzlingen und genau da befindet sich das Sanatorium Bellevue (mit dem Direktor Dr. Wolfgang Binswanger ), von dem ich im Anna O Artikel auf meiner Webseite berichtet habe. In diesem Sanatorium war sie zwischen Juli und Oktober 1882. Das von dir gepostete Foto aus Wikipedia enthält die Jahreseinprägung 1882. Ich weiß nicht, woher du die Information hast, es sei im Dezember 1882 aufgenommen worden. Auch Ellenberger, den du als Quelle benennst, sagte nichts dergleichen. Und genau darum überprüfe ich alle Zitate und Quellen, die man verwendet. Das ist richtig viel Arbeit und das funktioniert nicht auf die Schnelle.   
Laut Brentzel stammt das Foto (was in den Krankenunterlagen gefunden wurde) aus der ersten glücklichen Phase des Aufenthalts. Einige Wochen später bekam sie einen weiteren Neuralgie-Schub.

Mit dem Zitat von Ellenberger verabschiede ich mich aus dem Dialog, denn das war nun mein letzter Beitrag zu dem Thema hier im Forum.
Trotzdem danke ich dir für den Austausch.




Um meine Rechtschreibung noch einmal korrekt zu überprüfen, reicht heute Abend meine Konzentration nicht mehr aus.

Gute Nacht!
Die Aufmerksamkeit des Menschen auszubeuten, ist des Menschen nicht würdig!

Marvel Stella

Das eine wollte ich aber unbedingt noch einbringen, dafür habe ich sogar den Rechner noch einmal hochgefahren.
... So viel Zeit muss sein:

Zum Psiram-Wikipedia Artikel

Zitat von: Peiresc
Zitat von: Marvel StellaDass Pappenheim missbraucht wurde, hat Freud verbreitet, so, wie er insgesamt die These vertrat, dass die Ursache der Hysterie nicht nur in einer frühen traumatischen Erfahrung, sondern auch in einer frühen traumatischen sexuellen Erfahrung lag. (Quelle unter anderem hier)

Das wäre jetzt keine wirklich für unser Wiki verwendbare Quelle. Vielleicht sind das nur freie Paraphrasen des Blog-Autors.

Ernsthaft? Magst du das noch einmal überdenken? Klickt man in Eurem eigenen Artikel auf die Fußnote 52

Zitat von: Psiram-WikiBreuer stellte bei ihr eine ,,Hysterie" fest, deren Ursache ein sexueller Missbrauch in der frühen Kindheit sein sollte.[52]

... dann sieht man den Link zur Seite:
https://www.verywellmind.com/who-was-anna-o-2795857
Und genau diese - eure eigene Quelle - bezieht ihre Informationen u.a. von der Seite, die ich verlinkt habe und über die Du jetzt schreibst sie wäre nicht geeignet für Eure Wiki-Seite.
Siehe deren Quelle:
>> 5. Grubin D. Young Dr. Freud . Öffentlicher Rundfunkdienst.

Abgesehen davon:
Auch auf dieser Fußnoten-Seite steht:


>>> Obwohl Freud Pappenheim nie wirklich traf, faszinierte ihn ihre Geschichte und diente als Grundlage für Studien über Hysterie (1895), ein von Breuer und Freud gemeinsam verfasstes Buch. Breuers Beschreibung ihrer Behandlung ließ Freud zu dem Schluss kommen, dass die Hysterie auf sexuellen Missbrauch in der Kindheit zurückzuführen sei.
Freuds Beharren auf der Sexualität als Ursache führte schließlich zu einem Streit mit Breuer, der diese Ansicht über die Entstehung der Hysterie nicht teilte. ,,Das Eintauchen in die Sexualität in Theorie und Praxis entspricht nicht meinem Geschmack", erklärte Breuer. <<<


Und genau diesem Text habt ihr dann entnommen:

ZitatBreuer stellte bei ihr eine ,,Hysterie" fest, deren Ursache ein sexueller Missbrauch in der frühen Kindheit sein sollte.[52]

Ihr habt a) Freud einfach weggelassen, und b) nicht einmal erwähnt, dass sich Breuer gegen Freuds These aufgelehnt hat. 

Das Gelesene SO zu interpretieren oder das Wesentliche einfach auszublenden, finde ich wirklich extrem schwierig... aber gut.
Nun soll es genügen.
Die Aufmerksamkeit des Menschen auszubeuten, ist des Menschen nicht würdig!

Peiresc

Zitat von: Marvel Stella am 11. Juni 2023, 23:32:15Ich weiß nicht, woher du die Information hast, es sei im Dezember 1882 aufgenommen worden
Da hatte ich mich ungenau erinnert; danke für die Klarstellung. Es ist also vermutlich nicht 6, sondern 3 bis 4 Monate nach dem Therapie-Ende bei Breuer entstanden.

Zitat von: Marvel Stella am 12. Juni 2023, 01:38:40Ernsthaft? Magst du das noch einmal überdenken?
Ups, da habe ich Anforderungen an die Korrektur gestellt, die der Wiki-Artikel selber nicht erfüllt. Der Umgang von Freud mit Breuers Ansichten zur Sexualität war widersprüchlich und hat sich nach meiner Kenntnis mehrfach gewandelt, weshalb es nicht einmal genügen würde, ein einzelnes Zitat aufzufinden. Unter diesen Umständen bin ich auch dafür, den kritisierten Satz aus dem Artikel zu nehmen.

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Zitat von: Marvel Stella am 11. Juni 2023, 23:32:15Und jetzt schreibst du mir, dass das, was ich über Pappenheims Ausmaß der Hysterie Mitte 1880 berichte, falsch sei?
Ich habe geschrieben, dass die Angaben Breuers zur Symptomatik, und vor allem ihre Deutung, nicht 1:1 als valide hingenommen werden können – nach allem, was wir heute wissen.

Es ist a) müßig und b) unmöglich, die Kasuistik noch einmal im Detail aufzuarbeiten.

Zur Frage Dr Jekyll/Mr Hyde nur,
ZitatIt is context bounded, goal-directed, social behavior geared to the expectations of significant others, and its characteristics have changed over time to meet changing expectations.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8078970/
Und wenn man sich ernsthaft für dieses Thema interessiert, dann sollte man sich den Volltext dieser Arbeit von Nicholas Spanos [WP] besorgen.

eLender

Hm, will mich hier nicht groß einmischen, da ich da zu wenig Einblick habe. Aber es geht bei unserem* Artikel um die Psychoanalyse, und Berta Pappenheim wurde doch, soweit ich das richtig verstehe, von Freud "mißbraucht", da er ihr allerlei Dinge angedichtet hatte. Das sollte in unserem Artikel auch erwähnt werden. Ich habe heute mal nachgeschaut, es wurde die Aussage bzgl. sexuellen Missbrauchs entfernt (mit Begründung). Wiki-Autoren lesen hier auch mit, aber es kann manchmal etwas dauern, bis das angepasst wird. Wenn da noch weitere Fehler drinne sind (Anna O betreffend), dann kann man das hier erwähnen. Ggf. kann man den Abschnitt auch erweitern oder gar einen eigenen Artikel dazu machen.


*das Wiki wurde und wird von Personen bearbeitet, die nicht unbedingt mit hier im Forum aktiven Leuten identisch sind. Viele sind auch gar nicht mehr aktiv und haben ggf. auch Fehler im Artikel hinterlassen. Hinweise darauf sind immer gut, aber es gibt auch zig Rückmeldungen, dass das alles falsch wäre und der Artikel gelöscht gehört. Das kann man auch diskutieren, aber meistens ist das einfach nur eine pauschale Ablehnung von Kritik am Thema.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Peiresc

Inzwischen habe ich Hirschmüller 1978 in die Hände bekommen. Er schreibt (S. 139) zum Erkrankungsbeginn:
ZitatBerthas Erkrankung begann im Frühjahr 1881. Damals litt sie vorüber gehend an einer Trigeminusneuralgie mit »Facialzuckungen«[100]. Diese Neuralgie sollte später verstärkt wiederkehren, wurde aber von Breuer nicht mit den übrigen Krankheitssymptomen in Zusammenhang gebracht.

100: Kreuzlinger Krankengeschichte
Die ,,Kreuzlinger Krankengeschichte" ist eine Abschrift des Breuerschen Berichts, den er ,,während oder kurz nach der Behandlung niedergeschrieben hatte." Erstens, wenn die Krankheit im Frühjahr 1881 begonnen hat, dann war sie vorher nicht krank. Nebenbei war sie für eine echte Trigeminusneuralgie viel zu jung (,,The average age of onset is 53 years in classical TN"), und die Spontanprognose wäre nicht günstig. Außerdem hätte eine solche Erkrankung (in voller Ausprägung) das klinische Bild völlig beherrscht (WP zu den Symptomen hier). Retrospektiv mindestens plausibel ist also, dass es sich um einen sog. Atypischen Gesichtsschmerz (in heutiger Nomenklatur: idiopathischer Gesichtsschmerz) gehandelt hat. Die Ursache dieser Erkrankung ist umstritten, ein Substrat ist bisher nicht aufgedeckt. Breuer mag also recht haben, wenn er keinen Zusammenhang mit den sonstigen Symptomen sieht – aber er muss nicht. Das nur nebenbei.

Weiter sagt Hirschmüller (S. 139 f):
ZitatIn der Nacht des 17. Juli 1880, als man auf den Chirurgen wartete, hatte Bertha am Bett ihres Vaters jenes Erlebnis, das erstmals zu einer Lähmung ihres rechten Armes führte und damit Ausgangspunkt und Zentrum ihrer Krankheit werden sollte [104] [...] In der Folge entwickelten sich all jene passageren Symptome, die Breuer in seinem Kreuzlinger Bericht [105] beschreibt. Die Familie bemerkte davon zunächst nichts. Auch die Patientin selbst war für ihre Symptome offenbar amnestisch, da diese teilweise in der Absence, teilweise »im Affekt« auftraten. Diese erste Phase der Krankheit vom 17.7. bis etwa 8.-11.12.1880 nennt Breuer die »latente Inkubation« [106]

Erst ein intensiver Husten, der sich vor der Umgebung nicht verbergen ließ, war Anlaß, Breuer Ende November zu konsultieren. (Die Familie war inzwischen in die Stadtwohnung zurückgekehrt.) Breuer diagnostizierte nun eine Tussis hysterica und bezeichnete die Patientin, »ihres sonderbaren Benehmens halber«, als geisteskrank [107]

(Meine Hervorhebung). Die Schlussfolgerungen Ellenbergers werden also von Hirschmüller, einem Psychoanalyse-Historiker mit apologetischen Tendenzen, in vollem Umfang bestätigt und bekräftigt. Es kann keine Rede davon sein, dass sie im Juli 1880 eine Hysterie Charcotschen Ausmaßes geboten hätte. Die hat sich erst in Breuers Behandlung entwickelt, nachdem sie von ihm als geisteskrank erkannt worden war.

Noch ein PS.

Die apologetischen Tendenzen Hirschmüllers werden schon in diesem kurzen Textschnipsel auffällig:
Zitat[...] für ihre Symptome offenbar amnestisch, da diese teilweise in der Absence, teilweise »im Affekt« auftraten.
Es handelt sich hier um eine pathogenetische Deutung, die keiner genaueren Betrachtung stand hält. Ein Affektsturm kann zweifellos zu einer Amnesie führen, aber der könnte dann der Familie nicht verborgen geblieben sein. Eine Absence ist ein definierter Begriff (eine epileptische Anfallsform), die regelhaft mit einer Amnesie einhergeht, aber die intrapsychischen Ereignisse lassen sich dann auch nicht mit einer Hypnose aufdecken. Hirschmüller kann mit seiner unscharfen Terminologie nur dissoziative Zustände gemeint haben – aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie im Beobachtungszeitraum wirklich aufgetreten sind. Sie sind ein Befragungsartefakt, und Hirschmüller übernimmt sie unkritisch.

Marvel Stella

Hi Peiresc

ich habe Hirschmüller auch hier zu Hause, ich schaue mir die Zitate (und den Kontext) am Sonntag mal näher an (vorher Zeitmangel).

Zitatdass sie im Juli 1880 eine Hysterie Charcotschen Ausmaßes geboten hätte

... Hysterie Charcotschen Ausmaßes...
 :anbet:
Das ist geklaut. Zauberhaft Bezeichnung!

Trotzdem sagte ich das so niemals. ;-) Ich sagte, die Konversion/Symptomatik nahm da seinen Anfang. Als sie bei Breuer in Behandlung kam (November), zeigte sie bereits ein ziemlich komplettes Paket an Hysterie-Symptome.
Die Aufmerksamkeit des Menschen auszubeuten, ist des Menschen nicht würdig!