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Windkraftanlagen und Infraschall

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Begonnen von lagopus, 08. Februar 2018, 13:25:44

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lagopus

Bin kürzlich im weitesten Bekanntenkreis auf die Überzeugung gestoßen, ca. 2km entfernt aufgestellte Windräder produzierten einen gesundheitsschädlichen Infraschall, der bei der besagten Familie zu Schlafstörungen, Kopfschmerzen und diversen anderen unspezifischen Symptomen führe.
Da ist bei mir erstmal laut warnend der Bullshit-Detektor angesprungen.
Habe dann etwas gegoogelt und...außer Meinungsmache von jeweils interessierter Seite, nichts handfestes gefunden. Die dänische Regierung habe eine Studie zum Thema in Auftrag gegeben, die bereits 2017 hätte fertig sein sollen? (Nicht gefunden.). Was es an Untersuchungen gab, spricht für Entwarnung.

Weiß jemand mehr bzw. ist evtl. fachlich mit der Thematik (Windkraft, Akustik/Physik) vertraut? Ich weiß noch, dass es wohl auf kurze Distanz (etliche 10m?) wirksame militärische Entwicklungen von Infraschall-Waffen gab, deren Schallenergie vor Ort aber vermutlich in einem drastisch höheren Bereich liegen dürfte.

Ist meine Einschätzung als "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Bullshit" korrekt?
Freue mich auf Eure Beiträge.

lagopus

Entschuldigt, verspreche hoch und heilig, dass ich vorher die SuFu benutzt habe, offenbar aber falscher Terminus. Sehe jetzt, dass das Thema 2013 schon 2x dran war. Bitte ggf. verschieben, falls jemand doch was Neues beizutragen hat.

Daggi

Es gibt dazu reichlich Literatur. Es handelt sich um Phänomene die gut messbar sind. Weltweit gibt es ein Netzwerk von Messstationen, u.a. zum Nachweis von Atombombenexplosionen usw. Die An- Abwesenheit von Infraschall ist also nachweisbar. Eine ganz andere Frage ist die nach gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Mensch und Tier. Ich vermute daß darauf noch eingegangen wird hier.

Etwas "off topic", aber durchaus auf gleicher "Wellenlänge" ist das Brummton Phänomen / Taos hum:

https://www.psiram.com/de/index.php/Brummton-Ph%C3%A4nomen

celsus

Zitat von: lagopus am 08. Februar 2018, 13:44:12
Entschuldigt, verspreche hoch und heilig, dass ich vorher die SuFu benutzt habe

Die Suchfunktion ist etwas launisch, ich hatte das schon öfter, dass ein Begriff über die Site-Suche bei google (site:forum.psiram.com) eher auffindbar ist. Liegt also nicht an dir :)

Das mit dem Infraschall ist tatsächlich ein unscharfes Phänomen. Es ist möglichk, dass gerade bei älteren Anlagen tatsächlich störende Geräusche entstehen. Da kann es aber wieder sein, dass es einen Bewohner stört, während der Nachbar das überhaupt nicht wahrnimmt oder sich daran gewöhnt hat. Es gibt schließlich auch Leute, die neben einer Hauptstraße oder Bahnlinie wohnen und gut schlafen können.

Dass die Betroffenen leiden, bezweifle ich nicht. Die Ursachen können aber vielfältig sein, ebenso wie beim "Elektrosmog". So kann alleine das Gefühl einer Bedrohung dazu führen, dass man sich gestört fühlt und die Symptome treten auch auf, wenn es Windstill ist oder - im Fall von "Elektrosensitivität" - wenn ein Sendemast überhaupt nicht angeschlossen ist.

Infraschall lässt sich problemlos messen. Die Betroffenen müssten eine solche Messung allerdings selbst veranlassen, vom Betreiber des Windparks ist da eher keine Unterstützung zu erwarten. Und dann müsste ja noch der Nachweis geführt werden, dass tatsächlich eine Beeinträchtigung stattfindet.

Und das mit der Gesundheitsschädlichkeit bei 2km Entfernung ... naja, jeder Stadtmensch wird darüber müde lächeln.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

pelbilkolm

Was dem einen ein Graus...
http://www.findarthritistreatment.com/infrasound-treatment-for-arthritis-pain/
Hätte mich fast schon gewundert wenn's dafür nicht schon irgendwelche Anwendungen geben würde.

Auf die schnelle hab ich auch das gefunden: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969716304338

lagopus

Ja, das ist das Problem. Ist eine Kleinstadt. Der hinter dem Viertel liegende Berg reflektiere den Schall ungünstig. Ich wohne im selben Viertel, wir schlafen gut. Wenn ich mal nicht gut schlafe, liegts an Stress, zuviel Alkohol, zuwenig Bewegung usw., also das Übliche. Sowas kommt für die Bekannte natürlich nicht in Frage, nein, es müssen die Windräder sein, denn vorher sei ja alles i.O. gewesen, ausserdem seien nur 25% der Leute empfänglich für die negativen Auswirkungen des Infraschalls. Bei ihr aber die ganze Familie (Eltern, zwei Kinder). Spätestens hier wird's dann entweder "feinstofflich" oder aber Hardcore-genetisch: Das Infraschall-Suszeptibilitäts-Gen.
In diesem Fall zumindest klingt es für mich sehr nach "externaler Attribuierung" einer grundsätzlich anderen Problematik.

lagopus


celsus

Zitat von: lagopus am 08. Februar 2018, 15:05:52"externaler Attribuierung"

Genau das.

Zitat von: lagopus am 08. Februar 2018, 15:22:26https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpubh.2015.00031/full

Sehr interessant.

ZitatConclusion

Data from the current investigation indicate that wind turbines produce noise that is broad-band in nature, which includes energy within the IS and LFN spectrums. Based on the data presented here, the indoor IS component of wind turbine noise measured as dB(G) at distances of 450 and 900 m, was well below the levels of human perception (54), providing further support to previous reports (39, 41–45, 81). IS is produced at levels comparable or greater than those shown here by natural and engineered sources (43, 81). There is no scientific evidence to indicate that exposure at these G-weighted levels of IS can directly impact human health. Recent studies have indicated that psychological factors (12, 13) and the manner in which information is presented from media reports and non-scientific sources may influence the perception and expectations associated with wind turbine sounds (82). These reports suggest that subjective variables may be a more likely etiology for self-reported effects than from exposure to IS associated with normal wind turbine operation.
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Harpo

Eine Windenergieanlage erzeugt bei tiefen Frequenzen ein Linienspektrum, mit Spektrallinien bei Vielfachen der BPF ("blade passing frequency"). Wenn die Anlage beispielsweise eine Drehzahl von 20/min hat, ist die BPF = 1 Hz (bei den üblichen 3 Blättern). Es entsteht also schmalbandig Schall bei 1 Hz, 2 Hz, 3 Hz und so weiter. Die Entstehung hängt wohl damit zusammen, dass die Blätter vor dem Turm jedesmal ziemlich schlagartig einen Bereich mit verringerter Anströmung durchlaufen.

Ein Beispiel kann man in desem Link sehen, anscheinend in 200 m Entfernung von der Anlage gemessen, Abbildung 3:
http://docplayer.org/2473279-Z-dnr-aktualisierung-aktualisierte-grundlagen-laerm_infraschall-vorl-endfassung-infraschall_aktuell-fassung-kl-wpd.html

Die Linien sind nicht sehr schmal, sondern verschmiert, weil die Drehzahl schwankt. Die Pegel sind niedrig, siehe Abbildung 6. Dort sind verschiedene Geräusche als 1/3-Oktav-Pegel aufgetragen - dadurch kann man sie einigermaßen mit der anderen Geräuschen vergleichen, und mit der ebenfalls eingezeichneten Hörschwelle aus DIN 45680 ("Messung und Beurteilung tieffrequenter Geräuschimmissionen").

Jetzt könnte man einwänden, dass das nur ein Beispiel ist und zudem alt, also von einer kleinen WEA stammt (vermutlich Enercon E40, 600 kW oder so). Ich kenne aber zumindest zwei neuere Messungen bei größeren WEA. Bei der einen (2 MW) waren die Pegel eher niedriger als oben, bei der anderen, an einem Windpark und im Haus eines Anwohners, wie es laut DIN 45680 sein soll, ist überhaupt nichts rumgekommen. Während also das "normale" Geräusch von WEA ein Problem sein kann und manchmal auch ist, trifft das für den Infraschall nicht zu.

ajki

Es gibt durchaus einige Publikationen neueren Datums zur Infraschall-Fragestellung auch aus bundesdeutschen Bereichen. Das UBA merkt in einem Übersichtsartikel an, dass eigentlich nur der Bereich Langzeit-Beobachtung derzeit noch schwach ausgeprägt ist (mit Langzeit muss etwas gemeint sein wie deutlich mehr als fünf Jahre).

Von einer Seite der Windlobby aus (die natürlich ein klares Interesse an einer Positiv-Darstellung hat, was aber die zitierten paper keineswegs ungültig macht) kann man zu verschiedenen recht zeitaktuellen Übersichten und Untersuchungergebnissen kommen. Darunter auch Ergebnisse des Landesamtes für Umwelt Baden-Württemberg, aus der eine recht ordentliche Übersichtsgrafik stammt:



Die Messergebnisse des LUBW 2013-2015 mit redaktionellem Stand 02/16 sind direkt abrufbar unter:
http://www4.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/257896/
every time you make a typo, the errorists win

celsus

Das Ding ist bloß: Leute, die davon überzeugt sind, durch Infraschall körperlich zu leiden, kann man natürlich nicht einfach so mit Fakten überzeugen. Da kommen dann ganz schnell Abwehr-Reaktionen, weil sie glauben man wolle sie zu Spinnern erklären und sie bilden sich das ja nicht ein usw. Außerdem weiß die Wissenschaft auch nicht alles und das wirkt halt unterhalb der Wahrnehmungsschwelle direkt auf die Organe, kennt man alles.

Was ganz bestimmt hilft, ist, ihnen Infraschallfilter zu verkaufen. Die hängt man ins Fenster, sie sehen hübsch aus, etwa in Pyramidenform oder aus Glitzerkristall, und schon gehen die Beschwerden weg  :teufel

Oder der Windparkbetreiber eklärt, dass er jetzt ein Softwareupdate installiert hat, mit dem die Infraschall-Emission um 83,74 Prozent verringert wird.

Nein, echt, soll kein Witz sein.
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Daggi

Hatte mir doch gedacht daß hier Experten rumschwirren...

Nachdem ich die Kurve von Ajki gesehen habe, fiel mir der gefährliche Gisolf-Effekt der Autofahrer dazu  ein:

https://www.psiram.com/de/index.php/Gisolf-Effekt

Harpo

Zitat von: celsus am 08. Februar 2018, 17:46:59
Das Ding ist bloß: Leute, die davon überzeugt sind, durch Infraschall körperlich zu leiden, kann man natürlich nicht einfach so mit Fakten überzeugen.

Hmja. Vor gut 20 Jahren, als das Thema en vogue war, habe ich mal eine Diskussionsveranstaltung dazu miterlebt. Eine selbsternannte Wortführerin, Nachbarin eines Windparks, stellte gleich zu Anfang klar: "Wer noch nie erlebt hat, dass seine Kinder nachts von dem Infraschall schreiend aufwachen, darf hier überhaupt nicht mitreden!" Der Moderator war aber zum Glück ein erfahrener Mensch vom NDR, der die Diskussion einigermaßen in der Spur halten konnte.

Also Windenergieanlagen bringens nicht, was Infraschall angeht. Dafür kann man im von ajki verlinkten Bericht des LUBW lesen (S.12):

ZitatBei Messungen an technischen Geräten in einem Wohngebäude wurden die höchsten Infraschallpegel während des Schleudergangs von Waschmaschinen erfasst. In einzelnen Terzen reichen die Pegel an die Wahrnehmungsschwelle nach Tabelle A3-1 heran.

ajki

Ich habe mal wieder den Fehler gemacht und Kommentare gelesen. Zu irgendwas mit "Energiewende" und "Windkraftdingens". Diesmal in der Die Zeit, ist aber eigentlich wie immer egal.

Aufgrund der irgendwas mit "WKA"-Klamotte kommt bei den Kommentaren was? Naklar: Infraschall

Darunter der wissende und aufgewachte Hinweis eines Fachmanns auf eine ganz neue Studie aus Australien von Herrn Prof Cooper, die ganz und gar unabhängig von irgendwelchen bösen 'Churken endlich mal aber so was von endgültig das gewaltige Problem beweist, dass sich keiner mehr freisprechen kann, er habe nichts von nichts gewußt! Ha.

http://www.pacifichydro.com.au/english/our-communities/communities/cape-bridgewater-acoustic-study-report/?language=en

Die "Studie" ist von 2015 und zuvor (veröffentlicht 2015). Das war so ne Mini-kleinteilige Sache vom Land/Küste mit 6 Bauernhöfen im Messgebiet.

Schon in der "Studie" selbst wird klar rumrelativiert im Textteil und von "preliminary" schwadroniert bei gleichzeitigem endlosen Gish Gallop mit Zahlen und Tabellen und Grafiken und was auch immer die Statistiksoftware nur ausspuckt.

In einem Info-Blättchen, das das LUBW im Rahmen ihres oben schon angesprochenen Messprogramms erstellte, findet sich zu dem Stichwort "neue australische Studie beweist" alles was man dazu wissen muss.

Download-Adresse des Faltblättchen, dort dann ab S. 31: https://www4.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/255800/fragen_und_antworten_zu_windenergie_und_schall.pdf?command=downloadContent&filename=fragen_und_antworten_zu_windenergie_und_schall.pdf

ZitatDer umfangreiche Abschlussbericht wurde auf den Internetseiten des Windparkbetreibers veröffentlicht. Ihm ist kein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Beschwerden und dem Schallpegelverlauf zu entnehmen. Die Schallpegel der Umweltgeräusche von Wind und Meer konnten messtechnisch nicht von den Windparkgeräuschen getrennt werden. Eine Abschaltung der Windkraftanlagen war in den Schallpegelverläufen praktisch nicht zu sehen. In keinem Haus wurden Infraschallpegel oberhalb der Hörschwelle erfasst. Im Bereich des Infraschalls zeigte das Schmalbandspektrum teilweise das für Windkraftanlagen typische Muster, also die Blattdurchgangsfrequenz und ihre harmonischen Obertöne. Der Autor vermutet, dass die Ausprägung dieses Musters möglicherweise mit den Beschwerden in Zusammenhang stehen könnte und empfiehlt nähere Untersuchungen hierzu. Diese Vermutung wird durch Untersuchungsergebnisse allerdings nicht gestützt.
Aufgrund von Kritik aus der Fachwelt haben der Autor und sein Auftraggeber eine Bewertung der eigenen Studie vorgenommen (Joint Statement). Darin bezeichnen sie diese als nicht wissenschaftlich. Die Studie habe auch nicht der Untersuchung gesundheitlicher Auswirkungen gedient. Es seien keine Genehmigungsauflagen im Bereich Lärm überprüft worden, die Ergebnisse würden keine Änderung von Regelungen nahelegen oder rechtfertigen. Die Studie stelle einen neuen Ansatz zur Beurteilung der akustischen Umgebung dar und beinhalte eine Reihe ungeprüfter Hypothesen.
every time you make a typo, the errorists win

celsus

ZitatDie Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat sich in ihrer viel zitierten Studie ,,Der unhörbare Lärm von Windkraftanlagen" aus dem Jahr 2005 schlicht verrechnet. Und zwar um mehr als den Faktor 1000. Der Erlanger Physik-Professor Martin Hundhausen nennt es im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk unverständlich, wie ein solch kapitaler Fehler mehr als ein Jahrzehnt lang unbemerkt bleiben konnte: ,,Ich kann es mir nicht erklären. Ich habe da draufgeguckt, und innerhalb von zwei Stunden wusste ich, das ist falsch."

https://www.br.de/nachrichten/wissen/rechenfehler-infraschall-von-windraedern-schwaecher-als-behauptet,SVPJbfO


ZitatTrotz dieser klaren Sachlage gibt es allerdings Berichte über Beschwerden von Menschen, die diese auf in der Nähe gelegene Windenergieanlagen zurückführen. Mittlerweile sind Forscher auch diesem Phänomen auf der Spur. Untersuchungen aus Neuseeland und Australien deuten darauf hin, dass es sich hier um eine Form des  Nocebo-Effektes handelt. Darunter versteht die Medizin eine negative Reaktion auf ein Präparat ohne Wirkung oder auf die gerüchteweise die Gesundheit oder das Wohlbefinden nachhaltig beeinträchtigende Wirkung einer umweltverändernden Maßnahme. Eine an der Universität von Auckland durchgeführte Studie hat im vergangenen Jahr deutliche Hinweise darauf geliefert, dass  vermeintlich durch Infraschall hervorgerufene Symptome Ergebnis einer Erwartungshaltung der Menschen sind. Dass dieser Effekt durch intensive Debatten und Proteste gegen geplante Windenergieanlagen ausgelöst wird, legen wiederum  Untersuchungen des Forscherteams um Professor Simon Chapman von der Universität Sydney nahe. Dieser australischen Studie zufolge werden Beschwerden von Anwohnern erst dann in nennenswertem Umfang geäußert, wenn lokal Anti-Windenergie-Gruppen auf den Plan treten. Im Gefolge der Proteste und der durch sie erst geschürten Ängste treten dann Symptome auf – die Menschen werden im wahrsten Sinne des Wortes krank vor Angst.[/size
https://www.windwaerts.de/de/infothek/geschichten/schreckgespenst-infraschall
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