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Wahlrecht für geistig Behinderte

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Begonnen von RächerDerVerderbten, 24. September 2017, 17:23:15

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RächerDerVerderbten

Was haltet ihr davon?

Ich schätze den durchschnittlichen Down- Syndrom- Betroffenen auf das geistige Niveau eines 6- Jährigen, also müsste man konsequenterweise auch Kinderwahlrecht fordern.

Und wie dann Wahlkampf (auch von Eltern, Erziehern, Lehrern) geführt werden würde, kann man sich lebhaft ausmalen: mit Limo, Lollis, Sonne, Blümchen, Tierlis (mir fällt grad auf, ähnliche Kampagnen gibts längst für zumindest dem Alter nach Erwachsene  :gruebel )

ZitatEs gibt schon viele Projekte in einfacher Sprache, wo einfach Wahlthemen rübergebracht werden und mit einem guten Betreuer an der Hand ist es auch möglich, das so zu vermitteln, dass sie auch ne Entscheidung treffen können."

http://www.deutschlandfunkkultur.de/down-syndrom-und-wahlrecht-julian-peters-will-waehlen-und.1076.de.html?dram%3Aarticle_id=396404

::)

Ich kenn das, daß grade bei älteren Leuten, die zur Wahl chauffiert werden, von allen möglichen "wohlmeinenden" Leuten, auch aus der eigenen Familie, wenig subtiler Druck ausgeübt wird. >:(
If the only thing keeping a person decent is the expectation of divine reward, brother, that person is a piece of shit. Rusty Cohle

celsus

Zitat von: RächerDerVerderbten am 24. September 2017, 17:23:15
Was haltet ihr davon?

Ich schätze den durchschnittlichen Down- Syndrom- Betroffenen auf das geistige Niveau eines 6- Jährigen, also müsste man konsequenterweise auch Kinderwahlrecht fordern.

Erst mal: Ist das wirklich eine relevant große Gruppe, dass es politische Auswirkungen hätte?

Und dann würde ich die Argumentation umgekehrt aufziehen: Aus welchen Gründen kann man einem erwachsenen Menschen das Wahlrecht verweigern? Weil er nicht intelligent genug ist? Ähm, da müsste man sich den Rest der Wahlberechtigten vielleicht auch mal genauer anschauen ...

Ein geistig behinderter Mensch mit vielleicht dem "geistigen Niveau eines 6-jährigen" aber einer Menge Lebenserfahrung, möglicherweise berufstätig, ist eben kein Sechsjähriger.

Grenzen ziehen ist immer schwierig und auch irgendwie immer willkürlich. Ein Blick auf die Auswirkungen scheint mir aufschlussreicher als irgend ein Prinzip oder ein "Isso, haben wir schon immer so gemacht, wokämwerdenndahin".
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

Sauropode

Wenn ein  geistig Behinderter voll geschäftsfähig ist, dann kann er wählen. Fertig aus. Hat er das Niveau eines 6–Jährigen, dann ist er u.U. nicht voll geschäftsfähig, dann hat er einen Betreuer. Ich weiß nicht, ob er dann auch das Wahlrecht hat.

RächerDerVerderbten

Zitat von: celsus am 24. September 2017, 17:33:35
Ist das wirklich eine relevant große Gruppe, dass es politische Auswirkungen hätte?

Da es mir ums demokratische Prinzip geht, ist das Gruppengröße- Argument aber auch nicht relevant.

Abgesehn davon hätte es natürlich massive Auswirkungen beim von mir angesprochenen Kinderwahlrecht.

Daß mit der vollen Geschäftsfähigkeit IST allerdings ein Pro- Argument. :gruebel
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Peiresc

Bevor man sich über ethische Fragen den Kopf zerbricht, sollte man sich vielleicht mit rein praktischen Fragen beschäftigen: z. B. die Betreffenden sollten den Wahlzettel lesen können.

Sicherlich kann man das nicht an einer Diagnose festmachen. Ich greife einfach mal aus einer aktuellen Untersuchung bei Down-Syndrom völlig willkürlich heraus:
ZitatResults of the questionnaire addressed to the students' teachers showed that 20.2% of the students with DS do not read at all, 7.6% read at a logographic stage, 49.4% at an alphabetic and 22.8% at an orthographic level.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24139718

celsus

Zitat von: RächerDerVerderbten am 24. September 2017, 17:58:58
Da es mir ums demokratische Prinzip geht, ist das Gruppengröße- Argument aber auch nicht relevant.

Ein Prinzip ohne praktische Begründung ist halt nur ein Prinzip. Kann man sich dran halten, kann man aber auch hinterfragen.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

RächerDerVerderbten

Zitat von: celsus am 24. September 2017, 18:10:52
Ein Prinzip ohne praktische Begründung ist halt nur ein Prinzip. Kann man sich dran halten, kann man aber auch hinterfragen.

Ein wesentlicher Teil des Prinzips, wie ich es verstehe: die Abstimmenden sind zurechnungsfähig, und zumindest potentiell in der Lage, unabhängige Entscheidungen zu treffen. Und sie bekommen weder Sonderkonditionen, weil sie einer Minderheit, noch weil sie einer Mehrheit angehören.
If the only thing keeping a person decent is the expectation of divine reward, brother, that person is a piece of shit. Rusty Cohle

Conina

Kommt der Vorschlag eigentlich von den gleichen Leuten, die den AfD- und Trump-Wählern sowie Klimaleugnern gerne das Wahlrecht entziehen möchten (zumindest so beim Smalltalk als Gedankenspiel)?

Was machen wir, wenn Nazipfleger dann die Wahlzettel ausfüllen, wenn der betreuende Sozialpädagoge gerade nicht da ist?

(Ich spiel nur etwas Advocatus Diaboli.)
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

Gimpel

Zitat von: RächerDerVerderbten am 25. September 2017, 17:50:57
Ein wesentlicher Teil des Prinzips, wie ich es verstehe: die Abstimmenden sind zurechnungsfähig, und zumindest potentiell in der Lage, unabhängige Entscheidungen zu treffen. Und sie bekommen weder Sonderkonditionen, weil sie einer Minderheit, noch weil sie einer Mehrheit angehören.

Trisomie-21 taugt als Kriterium nicht, es gibt durchaus Betroffene, die trotz ihrer Behinderung zurechnungsfähig und in der Lage sind, unabhängig und verantwortlich Entscheidungen zu treffen. Nur aufgrund der Diagnose Rechte zu verweigern ist eine recht üble Diskriminierung.

Den zweiten Satz versteh ich nicht.


Peiresc

Zitat von: Gimpel am 25. September 2017, 20:30:12
Nur aufgrund der Diagnose Rechte zu verweigern ist eine recht üble Diskriminierung.
Das ist auch nach heutiger Rechtslage nicht so. Das Wahlrecht hängt an der gerichtlich bestellten Betreuung, für die ein Gutachten und ein richterlicher Beschluss erforderlich sind.

Gimpel

Das Fass Betreungrecht wollte ich eigentlich nicht aufmachen, hier (NRW) wird das im Zusammenhang mit dem aktiven Wahlrecht anscheinend nicht oder nur teilweise (regional unterschiedlich) angewendet. Ich kenn mehrere Personen, die einen gerichtlich bestellten Betreuer haben, aber nach wie vor im Wählerverzeichnis stehen. 

Peiresc

Zitat von: Gimpel am 25. September 2017, 21:22:56
Ich kenn mehrere Personen, die einen gerichtlich bestellten Betreuer haben, aber nach wie vor im Wählerverzeichnis stehen.

Das ist ja das Skurrile an der ganzen Angelegenheit. Es scheint keinen Automatismus zu geben, und warum auch. Wer sich in dieser Sache überzeugend verbal äußern kann, den betrifft sie nicht.

RächerDerVerderbten

Zitat von: Gimpel am 25. September 2017, 20:30:12
Zitat von: RächerDerVerderbten am 25. September 2017, 17:50:57
Ein wesentlicher Teil des Prinzips, wie ich es verstehe: die Abstimmenden sind zurechnungsfähig, und zumindest potentiell in der Lage, unabhängige Entscheidungen zu treffen. Und sie bekommen weder Sonderkonditionen, weil sie einer Minderheit, noch weil sie einer Mehrheit angehören.

Trisomie-21 taugt als Kriterium nicht, es gibt durchaus Betroffene, die trotz ihrer Behinderung zurechnungsfähig und in der Lage sind, unabhängig und verantwortlich Entscheidungen zu treffen. Nur aufgrund der Diagnose Rechte zu verweigern ist eine recht üble Diskriminierung.

Den zweiten Satz versteh ich nicht.

Das Wahlalter liegt sinnvollerweise bei 18. Wenn da jemand mit T-21 ansatzweise an die durchnittliche Reife eines geistig nicht Behinderten ranreicht (kann man ja, wie vor Gericht, beurteilen lassen), hab ich kein Problem.

Der 2 Satz bezog sich auf Celsus, der die geringe Anzahl der geistig Behinderten (von wegen fehlender Relevanz fürs Wahlergebnis) erwähnte.
If the only thing keeping a person decent is the expectation of divine reward, brother, that person is a piece of shit. Rusty Cohle

Fool

Hallo, alle zusammen (bin neu hier).
:grins2:

Zum Thema gibt es soviel eigentlich nicht mehr zu sagen.
Nur wer einen Betreuer für "alle Angelegenheiten" hat, der nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt sein darf, ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, wobei dies einerseits immer weniger Menschen betrifft (siehe Link unten), da die Gerichte mangels Erforderlichkeit nur noch sehr zurückhaltend solche Totalbetreuungen anordnen und andererseits die Abschaffung der entsprechenden Regelung seit Jahren diskutiert wird und sinnvollerweise kommen sollte (denn es hängt letztlich von Zufällen, Unwägbarkeiten sowie persönlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Befindlichkeiten ab, ob jemand betroffen ist oder nicht).


http://www.taz.de/!5417942/

http://www.bundesanzeiger-verlag.de/betreuung/wiki/Wahlrecht

Peiresc

Guten Morgen, Fool!

Zitat von: Fool am 26. September 2017, 22:53:25
http://www.bundesanzeiger-verlag.de/betreuung/wiki/Wahlrecht
Danke für diesen Link. Er überzeugt mich endgültig davon, dass es das Problem gar nicht gibt, dessen "Lösung" gefordert wird.

Von den Kämpfern gegen die Diskriminierung erwarte ich, dass sie mir erklären, wie jemand, der in keinem validierten Verfahren der verbalen Hirnleistungsdiagnostik den Testboden verlässt, zu einer politischen Willensbildung in der Lage sein soll.