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Thomas Rau Paracelsus Klinik

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Begonnen von Jaegg, 27. März 2017, 20:15:27

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Jaegg

Im St. Galler Tagblatt sind mehrere Artikel zu Thomas Rau und der Paracelsus-Klinik Lustmühle erschienen
http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/Der-Naturarzt-und-die-Chinesen;art120094,4938963
http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/Illegale-Tabletten-im-Tiefkuehler;art120094,4929909
http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/Heile-dich-selbst;art120094,4938964

Zusammen mit den Seiten zur Paracelsus-Klinik und zu seiner ,,Biologischen Medizin"  könnte man den Artikel überarbeiten und ausbauen.

Thomas Rau bietet in seiner Klinik und seinen Kursen eine ganze Reihe fragwürdiger Behandlungen an:
Aufschlussreich sind auch die Inhaltsangaben seiner Seminare:
zB.
Biologische Krebsmedizin integrativ
ZitatNeben den bewährten Konzepten lernen Sie, wie die SANUM Heilmitteln und ganzheitliche Zahnheilkunde in die biologische Krebsmedizin eingebunden werden

Dr. Rau's Paradigms of Paracelsus Biological Medicine: Module 8: Paracelsus Cancer treatment programs and specific cancer therapies 
ZitatContent
Cancer development and Biologcal Medicine Approach to Cancer
The detection of cancer causes: cancerogenic factor and its test methods: Xenohormones, Heavy metals, organic toxins, Cancer and "live theme", Cancer and dental situation.
The Paracelsus Cancer treatment program:
- The orthomolecular supplements
- The vitamins and Vit. C Infusions and Paracelsus Cancer infusions
- The additional remedies: Vit. B17, Selenium, Curcuma, Vit. D
- Mistletoes treatment – Dr. Rau's specific Iscador application program

MrSpock

Aktueller Beitrag aus der NZZ:

«Mozart der Medizin» in Appenzell: Todesfälle erschüttern die Alternativmedizin-Hochburg der Schweiz
Er ist der Star der Appenzeller Alternativmedizin, nun wird gegen Thomas Rau wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Mehrere Frauen sind nach Behandlungen in seiner Klinik gestorben. Doch die Ausserrhoder Behörden untersuchen nur zögerlich. Und die Klinik ist weiterhin offen.

Simon Pittet
Es ist eine schmale Bergstrasse, die sie an jenem Frühlingsabend hinunterrasen. Über die grünen Appenzeller Hügel, Richtung Spital Herisau. Kathrin Pfister* kämpft im Auto um ihr Leben. Am Steuer sitzt Thomas Rau, international bekannter Alternativmediziner und Direktor seiner eigenen luxuriösen Klinik, des Biomed Center Sonnenberg.

Pfister trat gesund in Raus Klinik ein. Jetzt sitzt sie sterbend in seinem Privatauto.

Drei Tage später ist Kathrin Pfister tot.

Das rechtsmedizinische Gutachten belastet die Klinik schwer. Der von den Experten als am wahrscheinlichsten eingestufte Befund: Pfister wurde ein in der Schweiz damals nicht zugelassenes Medikament gespritzt, dessen Nebenwirkungen sie töteten.

Pfister ist nicht die einzige Frau, die nach einer Behandlung auf dem Sonnenberg ihr Leben verlor, wie Recherchen der «NZZ am Sonntag» aufdecken. In einem zweiten Fall werfen andere Gutachter Rau schwere Pflichtverletzungen vor, die zum Tod einer Patientin geführt hätten.

Gegen Rau und eine weitere Ärztin wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Beschuldigten weisen jede Verantwortung von sich.

Appenzell Ausserrhoden ist die Alternativmedizin-Hochburg der Schweiz. Und Thomas Rau ist sozusagen ihr Burgherr.
Über zwei Jahre blieben die Vorkommnisse der Öffentlichkeit verborgen. Es geht dabei nicht nur um einen Arzt, nicht nur um eine Klinik. Die Vorgänge bergen für Appenzell Ausserrhoden politischen Sprengstoff. Der Kanton ist die Alternativmedizin-Hochburg der Schweiz. Und Thomas Rau ist sozusagen ihr Burgherr.



Die alternativen Ärzte sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Ausserrhoden. Eine frühere Klinik von Rau war lange der grösste Arbeitgeber in der zweitgrössten Ausserrhoder Gemeinde. Auch Raus neue Klinik bietet 25 Arbeitsplätze – in einer 1500-Seelen-Gemeinde. Diese Industrie wird nun im Kern erschüttert. Doch die Kantonsbehörden – das zeigen Recherchen – greifen nur zögerlich ein.

Jetzt, im Herbst 2023, ist hier im Appenzell von den Dramen nichts zu sehen. Auf dem Vorplatz kehrt jemand den Boden. Das Biomed Center Sonnenberg sieht ein bisschen aus wie ein Schloss, thronend über dem Bauerndorf Schwellbrunn. Von den Zimmerbalkonen geht der Blick auf den Säntis. Hierhin fliegen Wohlhabende aus aller Welt für Therapien, über die die meisten Schulmediziner nur den Kopf schütteln. Mehrwöchige Behandlungen mit Hotelaufenthalt kosten fünfstellige Summen.

Die Patienten kommen, weil sie an einen Mann glauben: Thomas Rau.

Der 73-Jährige ist der Star unter den Schweizer Alternativmedizinern. Dreissig Jahre lang leitete er die international bekannte Paracelsus-Klinik Lustmühle in Niederteufen, schrieb Bücher, flog um die Welt und hielt Seminare, an denen er seine «Biologische Medizin» predigte. Besonders bescheiden ist er dabei nicht. Auf dem Klappentext eines seiner Bücher lässt sich Rau als «Mozart der Medizin» bezeichnen.


Selbst in einer Netflix-Doku tauchte er als Experte auf – der Film flog aber wegen Falschinformationen rasch wieder aus dem Programm.


Vegane Kissen, glutenfreie Ernährung, und Todesfälle
Das Biomed Center Sonnenberg ist des «Mozarts» letzter grosser Wurf. Anfang 2021 nimmt Rau, nun 70-jährig, Angestellte der Paracelsus-Klinik mit und zügelt ein paar Kilometer auf den nächsten Hügel. In seine neue Klinik mit Hotel und glutenfrei-veganem Restaurant der Tibits-Kette. Selbst die Federkissen werden durch solche aus Bambus ersetzt. Alles für die von Rau gepriesene «Entgiftung».

Der Sonnenberg soll ein Ort der Erholung sein. Doch bereits Monate nach der Eröffnung ist er auch der Ort, wo ein Masseur eine Heilpraktikerin fragt, warum es hier «so viele Todesfälle» gebe. So wird es die Frau zumindest später der Staatsanwaltschaft erzählen. Sie meldete sich von sich aus bei der Polizei, weil ihr die Vorkommnisse in der Klinik nicht mehr geheuer waren.

Kathrin Pfisters Fall beginnt Mitte April 2021, nur vier Monate nach Eröffnung des Centers Sonnenberg. Sie ist eigentlich gesund und kommt trotzdem zur Kur; wegen etwas Verdauungsbeschwerden und Kopfschmerzen. Aber vor allem, weil sie für einen neuen Lebensabschnitt bereit sein will. Sie soll bald Grossmutter werden.

So beginnen die Therapien. Die der «NZZ am Sonntag» vorliegenden Klinikakten zeigen, dass Pfister Infusionen erhält. Zuerst nur solche mit Vitamin C und homöopathischen Mitteln. Dann eine mit Artesunat, einem Präparat gegen Malaria. Und zum Schluss, an einem Freitag, spritzt man Pfister eine Lösung mit Alpha-Liponsäure in die Blutbahn. Verordnet hatte sie die Ärztin, die Pfister mehrheitlich behandelte. Die Infusion wird in Deutschland bei langjährigen Diabetikern mit Nervenschäden eingesetzt. In der Schweiz ist sie damals nicht als Arzneimittel zugelassen. Es ist diese Substanz, so die Rechtsmediziner, die «letztlich kausal mit dem Todeseintritt in Zusammenhang» stehe.

Wenige Stunden später hat Pfister starke Bauchkrämpfe. Dann Schmerzen im ganzen Körper. Die Zahl der Plättchen in ihrem Blut fällt dramatisch ab. In der Klinik setzt Unruhe ein. Rau und die behandelnde Ärztin tippen immer mehr Ausrufezeichen in ihre Notizen.



Die Intensivmediziner in Herisau und später im Kantonsspital St. Gallen können nichts mehr ausrichten. Pfister hat eine massive Blutgerinnungsstörung. Ihre Leber, ihre Nieren funktionieren nicht mehr.

«Alle Termine gelöscht (...) Patientin ist leider verstorben», steht im letzten Eintrag des Systems des Biomed Center Sonnenberg lapidar.

Mary Anne Hawrylak begegnet Thomas Rau an jenem Wochenende zufällig in der Klinik. Auch sie ist eine Patientin, kürzlich aus den USA eingeflogen. Hawrylak hatte selbst massive Nebenwirkungen nach Infusionen an jenem Freitag. «Als ich ihm davon berichtete, wurde er kreidebleich, wie ein Gespenst», sagt Hawrylak heute. «Doktor Rau sagte mir erschrocken, ich hätte dieselben Infusionen wie ‹Kathrin› erhalten, und er müsse mein Blut testen.» Die Tests hätten gezeigt, dass auch bei ihr die Anzahl der Blutplättchen abgefallen gewesen sei, sagt Hawrylak.

Warum es in diesen Fällen zu so heftigen Auswirkungen kam, ist trotz Gutachten nicht vollständig klar. Das Gutachten konnte weder eine Kontamination noch eine Überdosierung, bei einer solchen waren Todesfälle bisher bekannt, feststellen.

Doch die Rechtsmediziner weisen auf eine zentrale Tatsache hin: Die Alpha-Liponsäure kann Störungen der Blutgerinnung verursachen. Zwar nur in einem von zehntausend Fällen, doch davor wird als Nebenwirkung gewarnt. Die Gutachter kommen zum Schluss: Es handle sich «am ehesten um eine letal verlaufende Arzneimittelnebenwirkung».



Für die Klinik könnte diese Schlussfolgerung zum Problem werden. Denn das Gutachten enthält eine weitere, vielleicht entscheidende Tatsache. Der Einsatz von in der Schweiz nicht zugelassenen Medikamenten ist zwar legal, wenn sie in einem Land mit vergleichbarem Verfahren bewilligt sind. Aber: Es ist kein wirklicher Grund ersichtlich, Gesunden dieses Medikament in die Blutbahn zu jagen. Zugelassen war es in Deutschland für Diabetes-Patienten mit Nervenschäden. Pfister hatte dies aber nicht.

Fachleute sprechen bei solchen Anwendungen von «off label use». Auch dafür gibt es genaue Richtlinien. Laut Gutachten sollten Off-Label-Behandlungen nur auf «Basis von gültigen Leitlinien, allgemein anerkannten Empfehlungen oder wissenschaftlicher Literatur durchgeführt werden». Damit soll wilden Experimenten ein Riegel geschoben werden. Deshalb verlangen die Richtlinien auch, dass die Patienten umfangreich über den Off-Label-Use aufgeklärt werden. Dieses Aufklärungsgespräch sollte schriftlich dokumentiert werden.

Mutmassungen über Covid-Impfungen
In den Akten der Klinik findet sich nichts von alldem. Keine schriftliche Einwilligung, keine dokumentierte Risiken-Nutzen-Abwägung, keine Hinweise auf das Risiko von Blutgerinnungsstörungen. Die Rechtsmediziner stellen fest: «Der knappen Dokumentation des Biomed Centers Sonnenberg lässt sich kein entsprechendes Aufklärungsdokument entnehmen.» Es stelle sich die Frage, «ob die medizinische Behandlung im Biomed Center Sonnenberg mit der notwendigen ärztlichen Sorgfalt erfolgt ist».

Auch die Patientin Hawrylak sagt: «Mir wurde nicht genau gesagt, was in den Infusionen enthalten war. Man hat mir nie gesagt, dass die Medikamente in der Schweiz nicht zugelassen waren oder dass die Anwendung off-label ist.»



In der Klinik spielten sich derweil wenige Tage nach Kathrin Pfisters Tod bizarre Szenen ab. «Ich sprach mit Doktor Rau darüber, was mit ‹Kathrin› passiert ist, weil ich mir Sorgen machte wegen mir selbst», sagt Hawrylak. «Da sagte er zu mir: «Ich glaube nicht, dass es die Infusionen waren. Ich glaube, es waren die Covid-Impfungen.» Dies habe er lediglich mit seiner «Intuition» begründet.


Der Fall Pfister brachte staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in Gang. Doch was damals kaum jemand wusste: Es war nicht der erste fragwürdige Todesfall der Klinik – nicht einmal der erste in einem Monat.

Nur drei Wochen vorher war bereits Ruth Schmid* gestorben, eine 77-jährige Schweizerin. In diesem Fall werfen die Rechtsmediziner Rau vor: Er habe Fehler gemacht, die nicht einmal ein Medizinstudent hätte machen dürfen, und damit Schmids Tod verursacht.



Schmid war ebenfalls zu einer Art Kur in der Klinik. Als sie abreisen wollte, begann sie heftig zu zittern und hatte extreme Bauchschmerzen. Sie habe geschrien «wie ein Tier», sagte ihr Lebenspartner in der Einvernahme. In der Klinik kam es zu Ultraschalluntersuchungen, und Rau verabreichte Schmid Schmerzmittel, darunter Morphin. Gemäss der Aussage des Lebenspartners bei der Staatsanwaltschaft habe er Rau gefragt, ob man Schmid in ein Spital fahren müsse. Rau habe Nein gesagt.

Gutachter: Handlungen von Rau «unbegreiflich»
Schmid blieb über Nacht im Hotelzimmer. Am nächsten Tag – gemäss Aussage von Rau ging es ihr seit dem vorigen Abend besser – reiste sie nach Hause. Laut Raus beschlagnahmten Notizen «sollte sie engmaschig berichten» und in vier Tagen wiederkommen.

Daheim fiel Ruth Schmid über Nacht in einen komaähnlichen Zustand. Notfallmässig ins Unispital Zürich eingeliefert, starb Schmid dort an einem Herz-Kreislauf-Versagen bei septischem Schock.

Die Zürcher Rechtsmediziner obduzierten Schmids Leichnam. Ihr Befund: Schmid habe an einer Darmlähmung gelitten. Bakterien gelangten dadurch in den Körper und vergifteten ihr Blut, was zum Herzinfarkt führte.

Die Irritation der Rechtsmediziner dringt beinahe aus jeder Zeile.
Die Schlussfolgerungen sind für Rau vernichtend: «Aus rechtsmedizinischer Sicht ist es unbegreiflich, warum der behandelnde Arzt Dr. med. Thomas Rau keine geeignete Diagnostik durchführte.»



Die Irritation der Rechtsmediziner dringt beinahe aus jeder Zeile. Es hätten mehrere Warnzeichen für eine Darmlähmung vorgelegen. Es sei auch bekannt, dass es dabei zu einer kurzfristigen Verbesserung kommen könne. Raus Schmerzmedikamente hätten diese trügerische Ruhe nur verstärkt. Eine Bauchschmerztherapie dürfe vor dem Ausschluss einer Darmlähmung nicht durchgeführt werden. Die Rechtsmediziner schreiben: «Dieses Wissen wird im Medizinstudium unterrichtet und gilt als Basiswissen der Humanmedizin.»

Laut den Gutachtern hätte Rau spätestens vor der Entlassung von Schmid aus der Klinik eine Darmlähmung abklären und sie notfallmässig in eine chirurgische Klinik zuweisen müssen. Ein Ultraschall genüge nicht, es hätten zwingend Röntgenaufnahmen gemacht oder ein CT durchgeführt werden müssen.

Raus Verhalten entspreche «einer Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht». Bei rechtzeitiger Behandlung sei die Prognose bei Darmlähmungen ausgezeichnet. Der traurige Schluss: Ruth Schmid hätte nicht sterben müssen.

Auf Anfrage teilt Thomas Raus Anwalt mit, Rau könne innert der angesetzten Frist nicht Stellung zu den Vorwürfen nehmen.

In den Einvernahmen bei der Staatsanwaltschaft wies er jede Schuld von sich. Schmid sei in «gutem Zustand» abgereist. Eine Kausalität zwischen dem, was in der Klinik passierte, und dem Todesfall gebe es nicht. Die Befunde und Schlussfolgerungen der Zürcher Rechtsmediziner seien falsch. Schmid habe keine Darmlähmung und auch keine Sepsis gehabt. Die Darmlähmung habe er ausschliessen können, weil am Morgen Darmgeräusche hörbar gewesen seien. Die Morphin-Dosis sei sehr klein gewesen, so dass sie keinen Einfluss gehabt habe. Für ein ernsthaftes Leiden habe es keine Anhaltspunkte gegeben. Rau sagte aus, er habe fachgerecht gehandelt, wie es von einem internistischen Arzt erwartet werde.



Auch im Fall Kathrin Pfister bestreiten Rau sowie die behandelnde Ärztin jede Schuld und zweifeln das rechtsmedizinische Gutachten an. Der Anwalt der Ärztin schreibt, die Strafuntersuchung werde zeigen, dass keine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht vorliege.

Die Alpha-Liponsäure sei für den Todesfall nicht verantwortlich. Das Gutachten überzeuge weder methodisch noch inhaltlich: «Es enthält bei vertiefter Analyse keine Begründung dafür, dass die Anwendung von Alpha-Liponsäure in irgendeiner Form kausal für den Tod der Patientin war.» Das Gutachten halte fest, dass tödliche Verläufe nur bei Überdosierungen beschrieben seien. Einen Konnex dieser Feststellungen zum vorliegenden Fall stelle das Gutachten aber gerade nicht her. Es halte fest, ein tödlicher Verlauf bei regelhafter Dosierung sei aktuell nicht beschrieben.

Rau sagte in der Einvernahme zum Fall Pfister, die Einschränkung des Einsatzes der Alpha-Liponsäure auf Diabetiker sei «ein Witz» und viel zu eng gefasst. Er behauptete, Pfister habe eine Polyneuropathie gehabt, eine komplexe Nervenerkrankung. In den Akten von Raus Klinik findet sich dazu aber keine Zeile.

Weiter verwiesen die beiden Beschuldigten darauf, dass die Behandlung üblich sei, in der Paracelsus-Klinik Lustmühle werde sie seit vielen Jahren 1200-mal pro Jahr verabreicht. Dort habe auch Pfister früher die Infusion erhalten, und dort habe es einen «Aufklärungszettel» über Off-Label-Use gegeben. Zudem habe Pfister auch davor Tabletten mit Alpha-Liponsäure eingenommen.

In beiden Fällen läuft die Strafuntersuchung. Doch ist auf dem Sonnenberg noch mehr passiert?

Gab es im Biomed Center Sonnenberg noch weitere Vorfälle?
Gab es im Biomed Center Sonnenberg noch weitere Vorfälle?
Simon Pittet
Jene ehemalige Klinik-Angestellte, die sich selbständig bei der Polizei meldete, erzählte der Staatsanwaltschaft von weiteren haarsträubenden Vorkommnissen.



Sie sagte in der Einvernahme aus, sie habe gesehen, wie eine junge Frau nach einer Infusion äusserst schwach aus der Klinik getragen worden sei. Tage später habe sie Teile eines Telefongesprächs von Thomas Rau mit dem aufgebrachten Ehemann der Patientin mitgehört. Daraus sei klar geworden, dass die Frau verstorben sei.

Die ehemalige Angestellte erzählte auch von einem Gespräch mit der Ehefrau von Thomas Rau, die gelernte Krankenschwester ist. Diese habe gesagt, sie habe mit Thomas Rau eine Patientin im Privatauto in ein Spital nach Zürich gefahren, weil Rau sie unbedingt zu einem bestimmten Spezialisten bringen wollte. Der Patientin sei es so schlecht gegangen, dass sie Angst gehabt habe, die Frau würde unterwegs sterben. Trifft das zu, wäre Rau mit einer schwerkranken Patientin an mehreren Spitälern vorbeigefahren.

Da in der Klinik aber auch viele Krebspatienten ein- und ausgehen, wäre ein Todesfall an sich jedoch noch kein Hinweis auf einen Behandlungsfehler. Die Staatsanwaltschaft sagt nichts dazu, ob und wie sie den Aussagen nachgegangen ist.

Kanton beschränkt sich auf «informelle Abklärungen»
Das letzte Kapitel in dieser Geschichte ist das Verhalten der Ausserrhoder Behörden. Der Kanton hätte eigentlich einen kräftigen Hebel, den Sonnenberg unabhängig vom Strafverfahren genau unter die Lupe zu nehmen. Gemäss kantonalem Gesundheitsgesetz entzieht der Kanton Ärzten und Kliniken bei «schweren Verstössen gegen die Berufspflichten» die Bewilligung.

Das Amt für Gesundheit hat gegen die Klinik oder Rau aber nie Massnahmen ergriffen. Auf Anfrage bestätigt die Departementssekretärin, dass man Kenntnis von den Vorfällen habe. Das Amt habe «informelle Abklärungen» dazu getätigt. Ein Verwaltungsverfahren werde «grundsätzlich» nur dann eröffnet, wenn ein Arzt «in einem einschlägigen Strafverfahren rechtskräftig verurteilt» worden sei. Ein Bewilligungsentzug sei rechtlich geprüft worden. «Aktuell» seien die Voraussetzungen dafür aber nicht gegeben, so das Amt.

Bereits Mitte der Nuller-Jahre handelten sich die Ausserrhoder Behörden den Vorwurf ein, Rau und die Alternativmediziner mit Samthandschuhen anzupacken. Damals wurde Rau beschuldigt, den Tod von Prinz Sadruddin Aga Khan – ehemaliger Uno-Hochkommissar und Sohn des verstorbenen Oberhauptes der Ismaeliten – verursacht zu haben. Die Familie des Prinzen warf Rau damals den Einsatz nicht zugelassener Medikamente und Verletzung seiner Aufklärungspflichten vor. Rau wies jede Schuld von sich. Die Anwälte der Angehörigen kämpften auch jahrelang gegen die Ausserrhoder Behörden und warfen ihnen vor, das Verwaltungsverfahren zu verzögern. Der Prinzen-Fall verjährte ohne Urteil.

In den Fällen Pfister und Schmid ermittelt die Staatsanwaltschaft nach wie vor. Aber nicht besonders schnell. Die Ärztin, die sich bei der Polizei meldete, wurde zwei Jahre lang nicht offiziell einvernommen. Schon im Frühling 2021 sprach sie mit dem damals zuständigen Staatsanwalt. Aber erst diesen Frühling konnte sie endlich aussagen.

Und Hawrylak – die Zeugin, die alles miterlebte – konnte ihre Geschichte noch nie offiziell zu Protokoll geben. Auch sie sprach mit dem damaligen Staatsanwalt, sogar über die nötige Übersetzung der Einvernahme diskutierten sie am Telefon schon. Doch der Staatsanwalt wurde pensioniert, und danach hörte Hawrylak nichts mehr. Bis zum Anruf der «NZZ am Sonntag».

Dafür hat sich bei Hawrylak eine letzte Erinnerung an das Appenzell eingebrannt. Die Abreise. Sie verliess gerade die Klinik, als Rau ihr «good luck» wünschte: «Da konnte ich nur noch zu ihm sagen: Ich wünsche Ihnen auch viel Glück, Herr Doktor Rau. Ich glaube, Sie werden es wirklich brauchen.»

*Namen zum Schutz der Verstorbenen geändert.
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.