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Teufelsaustreibung in St. Petersburg

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Begonnen von pelacani, 01. September 2015, 07:03:32

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pelacani

SPIEGEL online und viele andere berichten:

ZitatProteste in St. Petersburg: Orthodoxe Extremisten zerstören Mephistopheles-Relief
http://www.spiegel.de/politik/ausland/orthodoxe-in-st-petersburg-zerstoeren-mephistopheles-relief-a-1050612.html
Mehr als hundert Jahre lang grinste Mephistopheles von einem Gebäude im Zentrum St. Petersburgs auf die Straßen hinunter. Um 1910 wurde das Relief an der Fassade des Hauses angebracht. Es sollte an den Opernsänger Feodor Schaljapin in seiner Rolle als Mephistopheles erinnern. Doch in der vergangenen Woche war das Relief von dem Gebäude entfernt worden.
...
Eine bislang unbekannte ultraorthodoxe Gruppe namens "Kosaken von St. Petersburg" bekannte sich in einem Brief zu der Tat. Sie bezeichnete das Relief als eine "offene Anbetung des Teufels", die im Widerspruch zu den Lehren der Kirche stehe.
...
Die Orthodoxe Kirche verteidigte die Tat hingegen. "Mephistopheles verkörpert das Böse in dieser Welt", sagte ein Kirchen-Sprecher der Tageszeitung "Iswestija".

In der Lokalpresse ist man etwas ausführlicher (ich zitiere aus einer Print-Ausgabe):
Zitat
Petersburger Teufelsaustreibung

"Den Teufel haben wir zerschlagen", schreibt der Kosake Denis Gortschin. "Er ist zur Sehenswürdigkeit geworden. Da hängt seine Fratze gegenüber einer Kirche", beschwert er sich. Es gebe noch andere schmutzige Sehenswürdigkeiten in der Stadt, er rufe alle Gleichgesinnten auf, diesen ein Ende zu machen.
...
Der Kunsthistoriker Andrei Jerofejew unterstellt den Vandalen heidnische Dummheit: "Diese Rowdies sehen keinen Unterschied zwischen Kunst- und Kultgegenständen. sie randalieren, weil sie sich mächtig fühlen." Auch russisch-orthodoxe Geistliche zeigen Unverständnis. "Im rechtgläubigen Russland hätte niemand ein Dämonenbild zerstört", erklärt der Abt Alipi Swetlitschni. "Früher gab es kein Bauernhaus ohne Darstellungen böser Geister."
...
Zwar eröffnete die Polizei ein Strafverfahren. Aber als zuvor die Täter die satanischen Gipsscherben in einen Kleinlaster verfrachteten, stand ein Ordnungshüter tatenlos daneben.
Die "Kosaken Petersburgs" attackieren seit 2013 Kunst und Kultur. So zerschlugen sie  Fensterscheiben des Museums für den Schriftsteller Wladimir Nabokow [...]
...
Die Stadtverwaltung verweigerte den Denkmalschutzdemonstranten nun, am Tatort das Fotoplakat des zerstörten Teufels zu zeigen, angeblich wegen des zu heftigen Windes. Und der rechtspopulistische StadtabgeordneteWitali Milonow bezeichnete die Demonstranten als "geistige Enkel von Mephistopheles", weil sie orthodoxe Gläubige verdächtigten.
In Wirklichkeit leisten sich nicht nur die ,,KosakenPetersburgs"  Übergriffe gegen missliebige Kunst. [es folgen weitere Beispiele]

Es sind einige Umstände beachtenswert.
Die Ansicht der Orthodoxen ist nicht einheitlich. Aber abgelehnt wird die Zerstörung des Reliefs nicht etwa, weil sie ein Kulturfrevel ist, sondern weil der Inhalt rechtgläubig ist. Die Ansicht des Kunsthistorikers scheint sich nur in Nuancen davon zu unterscheiden.
Diese merkwürdigen ,,Kosaken" sind nicht ,,bislang unbekannt", wie es bei SPON heißt.

St. Petersburg ist nicht irgendeine Stadt. Wladimir Putin und alle, die in Russland was zu sagen haben, seien hiermit aufgerufen, sich nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch in ihrer Haltung gegenüber der russischen Tradition am Stadtgründer zu orientieren.

Der Autor des Lokalpresse-Beitrags ist Stefan Scholl. Von ihm gibt es interessante Bemerkungen über die westliche Berichterstattung aus Russland:
http://moritzgathmann.de/wp-content/uploads/2009/10/Raus-aus-Moskau.pdf

Typee

Zitat von: Pelacani am 01. September 2015, 07:03:32
SPIEGEL online und viele andere berichten:

ZitatProteste in St. Petersburg: Orthodoxe Extremisten zerstören Mephistopheles-Relief
http://www.spiegel.de/politik/ausland/orthodoxe-in-st-petersburg-zerstoeren-mephistopheles-relief-a-1050612.html
Mehr als hundert Jahre lang grinste Mephistopheles von einem Gebäude im Zentrum St. Petersburgs auf die Straßen hinunter. Um 1910 wurde das Relief an der Fassade des Hauses angebracht. Es sollte an den Opernsänger Feodor Schaljapin in seiner Rolle als Mephistopheles erinnern. Doch in der vergangenen Woche war das Relief von dem Gebäude entfernt worden.
...
Eine bislang unbekannte ultraorthodoxe Gruppe namens "Kosaken von St. Petersburg" bekannte sich in einem Brief zu der Tat. Sie bezeichnete das Relief als eine "offene Anbetung des Teufels", die im Widerspruch zu den Lehren der Kirche stehe.
...
Die Orthodoxe Kirche verteidigte die Tat hingegen. "Mephistopheles verkörpert das Böse in dieser Welt", sagte ein Kirchen-Sprecher der Tageszeitung "Iswestija".

In der Lokalpresse ist man etwas ausführlicher (ich zitiere aus einer Print-Ausgabe):
Zitat
Petersburger Teufelsaustreibung

"Den Teufel haben wir zerschlagen", schreibt der Kosake Denis Gortschin. "Er ist zur Sehenswürdigkeit geworden. Da hängt seine Fratze gegenüber einer Kirche", beschwert er sich. Es gebe noch andere schmutzige Sehenswürdigkeiten in der Stadt, er rufe alle Gleichgesinnten auf, diesen ein Ende zu machen.
...
Der Kunsthistoriker Andrei Jerofejew unterstellt den Vandalen heidnische Dummheit: "Diese Rowdies sehen keinen Unterschied zwischen Kunst- und Kultgegenständen. sie randalieren, weil sie sich mächtig fühlen." Auch russisch-orthodoxe Geistliche zeigen Unverständnis. "Im rechtgläubigen Russland hätte niemand ein Dämonenbild zerstört", erklärt der Abt Alipi Swetlitschni. "Früher gab es kein Bauernhaus ohne Darstellungen böser Geister."
...
Zwar eröffnete die Polizei ein Strafverfahren. Aber als zuvor die Täter die satanischen Gipsscherben in einen Kleinlaster verfrachteten, stand ein Ordnungshüter tatenlos daneben.
Die "Kosaken Petersburgs" attackieren seit 2013 Kunst und Kultur. So zerschlugen sie  Fensterscheiben des Museums für den Schriftsteller Wladimir Nabokow [...]
...
Die Stadtverwaltung verweigerte den Denkmalschutzdemonstranten nun, am Tatort das Fotoplakat des zerstörten Teufels zu zeigen, angeblich wegen des zu heftigen Windes. Und der rechtspopulistische StadtabgeordneteWitali Milonow bezeichnete die Demonstranten als "geistige Enkel von Mephistopheles", weil sie orthodoxe Gläubige verdächtigten.
In Wirklichkeit leisten sich nicht nur die ,,KosakenPetersburgs"  Übergriffe gegen missliebige Kunst. [es folgen weitere Beispiele]

Es sind einige Umstände beachtenswert.
Die Ansicht der Orthodoxen ist nicht einheitlich. Aber abgelehnt wird die Zerstörung des Reliefs nicht etwa, weil sie ein Kulturfrevel ist, sondern weil der Inhalt rechtgläubig ist. Die Ansicht des Kunsthistorikers scheint sich nur in Nuancen davon zu unterscheiden.
Diese merkwürdigen ,,Kosaken" sind nicht ,,bislang unbekannt", wie es bei SPON heißt.

St. Petersburg ist nicht irgendeine Stadt. Wladimir Putin und alle, die in Russland was zu sagen haben, seien hiermit aufgerufen, sich nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch in ihrer Haltung gegenüber der russischen Tradition am Stadtgründer zu orientieren.

Der Autor des Lokalpresse-Beitrags ist Stefan Scholl. Von ihm gibt es interessante Bemerkungen über die westliche Berichterstattung aus Russland:
http://moritzgathmann.de/wp-content/uploads/2009/10/Raus-aus-Moskau.pdf

Passt zur Meldung über die Zerstörung der archäologischen Stätten in Palmyra wie die Faust aufs Auge.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)