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George Friedman

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Begonnen von Nicht_Peter, 21. Juli 2015, 06:50:47

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Nicht_Peter

Wenn man mit jener verwegenen Spezies der "Putin-Versteher" diskutiert und nach ihren Quellen fragt, kommt kurz über lang dieser Typ: George Friedman und seine Rede (https://www.youtube.com/watch?v=vln_ApfoFgw). Das hört sich dann für´s erste ziemlich bedenklich an: Er ist immerhin Chef des bedeutenden Thinktanks STRATFOR.

Er trifft jedoch schon seit einiger Zeit ziemlich -na ja- wilde Vorhersagen. 1991 hat er einen Krieg zwischen Japan und den USA prophezeit. 2009 war er mit seinem Buch "Die nächsten 100 Jahre" dazu in der Lage, 100 Jahre in die Zukunft zu schauen. Er glaubt, dass bis 2025 Europa, China und Russland allesamt zerbrechen werden und stattdessen die Türkei, Japan und -wen nehmen wir noch dazu, wen hatten wir noch nicht- ach ja, Polen zu neuen Weltmächten werden. Dann kommt es so ungefähr gegen 17:00 am 24.11.2050 zu einem 3. Weltkrieg zwischen den USA, Polen und Japan und der Türkei, der selbstverständlich im Weltraum geführt und von den USA gewonnen wird. Dann gibt´s gegen 2070 einen neuen Krieg der USA gegen -wir wär´s denn mal mit Mexiko, der bis 2200 dauern wird. Sein Meisterwerk ist jetzt auch mal wieder in den Schlagzeilen: http://www.welt.de/debatte/kommentare/article144195693/Spielt-Deutschland-ab-2050-keine-Rolle-mehr.html

Dieser Hobby-Nostradamus will jetzt also weismachen, dass das Hauptziel der USA in den vergangenen 100 Jahren war, ein Bündnis zwischen Deutschland und Russland zu verhindern (wodurch einige "Putin-Versteher" messerscharf darauf schließen, dass man doch bitte genau so ein Bündnis schließen sollte). Aha. Wenn das also das Hauptziel ist, hat man davon furchtbar viel mitbekommen. Als Grund dafür, warum so ein Bündnis so gefährlich wäre, meint Friedman, dass Russlands Ressourcen und Deutschlands Wirtschaftsstärke ein starkes Imperium ergeben. Diese Argumentation erinnert mich so ein bisschen an Autoquartett: "Boah, Russland hat 90 Punkte bei Ressourcen und Deutschland 86 bei Wirtschaft. Eine kombinierte Russland-Deutschland Karte- das wär´s." Dass für ein echtes Imperium (interessant, dass die, die einer angeblichen Weltherrschaft der USA feindlich gegenüberstehen, gerade diese Forderung stellen) mehr benötigt wird, wird geflissentlich ignoriert. Um dieses Ziel zu erreichen, will die USA laut Friedman einen Gürtel aus russlandfeindlichen Staaten aufbauen. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, dass die Bevölkerung in diesen ostdeutschen Staaten solche Regierungen demokratisch gewählt hat. Auch die Rolle der EU und der europäischen Zusammenarbeit fällt elegant unter den Tisch.

Was in diesem Zusammenhang wichtig ist, ist dass George Friedman nicht immer das ausdrückt, was passieren wird, sondern wie er es sich wünscht (wie bereits in dem Artikel genannt). Er ist -was die meisten Russlandfreunde geflissentlich ignorieren- ein strammer Republikaner und stammt aus einer Familie, die die Shoa überlebt hat. Als solcher hat er zwei Feindbilder: Russland und Deutschland. Es liegt recht nahe, dass er den Fokus der US-Außenpolitik auf diese zwei Länder legen will. Das schmälert natürlich keinesfalls die analytische Leistung Friedmans, die abgesehen von ein paar etwas abwegigen Vorhersagen durchaus beachtenswert ist.

Generell kommen mir einige (nicht alle) Zukunftsforscher oder Analysten relativ merkwürdig vor. Geht das nur mir so?

Groucho

Zitat von: Nicht_Peter am 21. Juli 2015, 06:50:47
Generell kommen mir einige (nicht alle) Zukunftsforscher oder Analysten relativ merkwürdig vor. Geht das nur mir so?

Sicher nicht. Als ehemals Geschädigter der Vorhersagen des Clubs of Rome (ich glaubte die Prognosen wirklich - nichts, aber auch gar nichts traf ein, mit Würfeln wären die Aussagen besser gewesen) halte ich es mit dem abgedroschenen Spruch von den Prognosen, die besonders schwierig sind, wenn sie die Zukunft betreffen.

Zukunftsforscher haben es natürlich nicht leicht, denn sinnvoll ist es sicher, sich Szenarien im Vorfeld zu überlegen, andererseits sind die Fehlermöglichkeiten riesig. Ich kenne den Friedman nicht näher, kann mir aber vorstellen, dass da auch einiges an Missverständnissen vorliegt. Leute wie er denken relativ frei in Szenarien, zu denen durchaus auch abwegige gehören können - lieber auch das Abwegige gedacht, als einmal das Offensichtliche übersehen. Man ordnet dann diesen Szenarien Wahrscheinlichkeiten zu. Dass in den Medien flugs aus Szenarien mit geringer Wahrscheinlichkeit plötzlich Gewissheiten entstehen, ist ja fast täglich zu erleben. Dass gerade die "Putin-Freunde" ("Versteher" ist ein blödes Wort, ich meine, Putin auch zu verstehen) sowas in ihrem Sinne missbrauchen, bietet sich förmlich an. Das nur als Einschätzung, ohne Friedmans Aussagen wirklich zu kennen.

Nicht_Peter

Zitat von: Groucho am 21. Juli 2015, 10:21:54
Dass in den Medien flugs aus Szenarien mit geringer Wahrscheinlichkeit plötzlich Gewissheiten entstehen, ist ja fast täglich zu erleben. Dass gerade die "Putin-Freunde" sowas in ihrem Sinne missbrauchen, bietet sich förmlich an.
Das altbewährte Zurechtbiegen der Realität halt.  ;)

Zitat von: Groucho am 21. Juli 2015, 10:21:54
"Putin-Freunde" ("Versteher" ist ein blödes Wort, ich meine, Putin auch zu verstehen)
Find ich auch, "Versteher" trifft es nicht so ganz. Deshalb nur in Anführungszeichen.