Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Wirtschaftsfeindlichkeit der ev. Kirche

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von Wolleren, 13. Juli 2013, 11:20:36

« vorheriges - nächstes »

Wolleren

Karl-Ludwig Kley, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Merck, schreibt in der FAZ-Rubrik "Standpunkt" vom 10.7. über das Verhältnis von evangelischer Kirche zur Wirtschaft unter dem Titel "Siehe, das sind die Gottlosen":

Zitat... Als überzeugter Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft und evangelischer Christ beobachte ich eine besorgniserregende Entwicklung in der evangelischen Kirche, ein Sichverfestigen witschaftsfeindlicher Ressentiments. In Teilen der Kirche - bei Laien ebenso wie bei Amtsträgern - breitet sich eine diffuse und unreflektierte Ablehnungshaltung gegenüber der Wirtschaft aus.
Vorrangig Banker, dann Manager, ja letztlich die gesamte Marktwirtschaft werden quasi mittelalterlich an den Pranger gestellt und in einem Aufwasch für die weltweite Finanzkrise, für Umweltverschmutzung und Klimawandel, für soziales Elend und Hunger, für Wassermangel und Konsumexzesse verantwortlich gemacht.
Besonders deutlich wurde dies jüngst beim Kirchentag in Hamburg.

Nach einer Darstellung des Standes der innerkirchlichen Debatte merkt Kley an:
Zitat
Denn "die Wirtschaft" ist kein nebulöses Gebilde. "Die Wirtschaft", das sind Millionen Menschen, die in Handwerksbetrieben, bei Mittelständlern und in Großkonzernen arbeiten - und für die das Teil ihres Lebensinhalts ist und die damit unsere Gemeinschaft mitgestalten.
Will Kirche wirklich nahe am Menschen sein, muss sie auch die Belange der Menschen im Blick haben, welche die Wirtschaft unseres Landes ausmachen.
...
...
Natürlich liegt es im Auftrag der Kirche, die Marktwirtschaft mitzugestalten. Sie erinnert sich zu Recht daran, dass die Wirtschaft für den Menschen da ist, nicht umgekehrt. Warum allerdings beschneidet sie sich selbst mit der Rolle des moralistischen Mahners? Warum pocht sie bei Unternehmen auf Verantwortung und Nachhaltigkeit, ohne zu würdigen, dass dies in großen Teilen der Wirtschaft gelebte Realität ist? Mehr als 80 Prozent der deutschen Industrieunternehmen sind Familienbetriebe, werden also mit voller Haftung der Eigentümer und mit dem Bestreben nach langfristigem Erfolg geführt. Das ist der Inbegriff von Verantwortung und nachhaltigem Denken.
...

Der "Standpunkt" wurde im Wirtschaftsteil veröffentlicht, so dass sich der lila Halstuch tragende Feuilletonleser nicht gestört fühlen muss.

Groucho

Der Mann hat recht. Die ev. Kirche (in D.) retardiert verkommt schon länger zu einem profillosen infantilisierten Friede-Freude-Eierkuchen-Singkreis mit einem Restprofil, dass sich mit den Grünen zu fast 100% deckt.

Edit: Falsche Wortwahl korrigiert.

sweeper

Zitat von: Groucho am 13. Juli 2013, 12:12:20
Der Mann hat recht. Die ev. Kirche (in D.) retardiert schon länger zu einem profillosen infantilisierten Friede-Freude-Eierkuchen-Singkreis mit einem Restprofil, dass sich mit den Grünen zu fast 100% deckt.

Andererseits fordern bestimmte atheistische Gruppierungen, die Kirchen sollen sich aus jeder Einmischung in öffentliche Belange strikt heraushalten.
Was soll nun gelten?
ZitatNatürlich liegt es im Auftrag der Kirche, die Marktwirtschaft mitzugestalten. Sie erinnert sich zu Recht daran, dass die Wirtschaft für den Menschen da ist, nicht umgekehrt.
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

Groucho

Zitat von: sweeper am 13. Juli 2013, 12:14:49
Andererseits fordern bestimmte atheistische Gruppierungen, die Kirchen sollen sich aus jeder Einmischung in öffentliche Belange strikt heraushalten.
Was soll nun gelten?

Die Forderung ist Quatsch, wenn sie so gemeint ist, dass sich Kirchen nicht zu öffentlichen Themen äussern sollten. Dürfen und sollen sie doch. Aber ev. interpretierst Du zuweit, indem Du "öffentlich" mt "staatlich" gleichsetzt.

sweeper

ZitatAber ev. interpretierst Du zuweit, indem Du "öffentlich" mit "staatlich" gleichsetzt.
Eben das ist mir unklar:

Mitgestaltung der Marktwirtschaft (zu klären wäre, was das im konkreten Fall zu bedeuten hat), wie sie der Autor fordert
Zitat
Natürlich liegt es im Auftrag der Kirche, die Marktwirtschaft mitzugestalten.
hieße doch jedenfalls, die im demokratischen Konsens ("staatlich") gewählte Wirtschaftsform durch aktives Mitwirken (wie auch immer, müsste spezifiziert werden) zu gestalten (damit also auch Einfluss zu nehmen) statt - wie vom Autor bemängelt - sich auf eine Beobachter-(und Mahner-)position zu beschränken:
ZitatWarum allerdings beschneidet sie sich selbst mit der Rolle des moralistischen Mahners?

With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

Groucho

@Sweeper: Ev. kommt man der beabsichtigten Aussage des Autors, dessen Text man schon auch missinterpretieren kann, etwas näher, wenn man z.B. exemplarisch Käsmanns Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" herbeizieht. Es sind Absolutpositionen, die einen gesellschaftlichen Diskurs darstellen sollen, tatsächlich aber eine Distanzierung der Art darstellen, die eben nicht mehr diskutabel sind und sich eben dadurch dem Diskurs entziehen. Es ist der Versuch einer Positionierung, die ähnlich dem katholischen Geschäftsmodell funktionieren soll. Nur gehen das die Katholen deutlich weniger dilletantisch an. Aber ok, die haben etwas längere Erfahrung, Menschen in netten Double-Binds zu fixieren.

Hoffe, habe mich unverständlich genug ausgedrückt.

sweeper

@Groucho:
ZitatHoffe, habe mich unverständlich genug ausgedrückt.

;D

Mich interessiert eigentlich in diesem Forum mehr, wie die Atheisten unterschiedlicher Couleur eine solche Position bewerten bzw ob es womöglich kontroverse Auffassungen dazu gibt.
Die Extremform der Forderung "Religion/Christsein ist Privatsache" bedeutet ja tatsächlich eine Beschränkung auf den völlig privaten Bereich.
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

Groucho

Zitat von: sweeper am 13. Juli 2013, 14:58:45
Mich interessiert eigentlich in diesem Forum mehr, wie die Atheisten unterschiedlicher Couleur eine solche Position bewerten bzw ob es womöglich kontroverse Auffassungen dazu gibt.
Die Extremform der Forderung "Religion/Christsein ist Privatsache" bedeutet ja tatsächlich eine Beschränkung auf den völlig privaten Bereich.

Das ist doch Quatsch. Privat heißt, der Staat soll sich gefälligst raushalten und bedeutet nicht, dass sich private Gruppierungen nicht mehr als Gruppe äußern sollen dürfen. Den Atheisten gehts um die Entkoppelung von Kirche und Staat und nicht darum, religiöse Menschen in Ausübung dieser auf ihr Wohnzimmer zu beschränken.

sweeper

@ Groucho:

OK.
Missverständnis meinerseits und jetzt geklärt. Danke!


With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

Tränchen

ZitatAls überzeugter Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft und evangelischer Christ beobachte ich eine besorgniserregende Entwicklung in der evangelischen Kirche, ein Sichverfestigen witschaftsfeindlicher Ressentiments. I

Also ich weiß nicht, ich beobachte diese Entwicklung jetzt nicht nur bei "evangelischen Christen" - das ist eine Beobachtung die eigentlich so ziemlich jede Religion, Geschlecht, Herkunft, Status etc..

Wobei ich hier eher beobachte, daß eben die gesamte Fraktion der Esoteriker mit ihren diffusen Glaubensansätzen (man sucht sich halt zusammen was einem gerade so Spaß macht und behagt) extrem wirtschaftsfeindlich ist - zumindest wenn es um das Einkommen anderer geht. Selbst zocken sie mit ihrem Plumpaquatsch je gerne die Leute ab.

Man könnte dann noch anmerken, daß es fast keinen asozialeren und mehr auf Profit gepolten Arbeitgeber als die Kirche (sowohl katholisch als evangelisch) gibt - da können die es locker mit jedem bösen "Bankster" aufnehmen.