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wie Medien die Wissenschaftsfeindlichkeit fördern

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Begonnen von Volvox, 29. Juni 2013, 11:49:59

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Volvox

Gestern beim Surfen auf Zeit-Online bin ich auf einen Artikel gestoßen, den ich zum Anlass nehmen möchte diesen Diskussionsfaden zu starten: http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2013-06/grossbritannien-befruchtungsmethode-genetik
In diesem Artikel geht es darum, dass in Großbritanien der Mitochondrientransfer bei künstlichen Befruchtungen künftig erlaubt sein soll, sofern man damit schwere Erkrankungen des zukünftigen Kindes vermeiden kann.
Und was macht Zeit-Online daraus?
ZitatGroßbritannien will eine Technik erlauben, die eine Vererbung defekter Gene verhindert. Kritiker warnen vor Babys, die Erbgut von drei Menschen in sich tragen würden.
ZitatGroßbritannien plant die Einführung einer Befruchtungsmethode, bei der Erbgut von drei verschiedenen Menschen zum Einsatz kommt.
ZitatMit der neuen Technik könnten Ärzte von einer Frau mit einem solchen Gendefekt nur das gesunde Genmaterial aus Eizelle oder Embryo entnehmen. Dieses Material würde dann in eine gespendete, gesunde Eizelle oder einen Embryo, bei dem der entsprechende Teil der DNA entfernt ist, eingefügt. Embryo oder Eizelle würden anschließend wieder in die Gebärmutter eingesetzt werden.
ZitatDie genetische Modifikation würde über Generationen weitergegeben werden. [Anm.: So ausgedrückt, ist das Bullshit.]
Nicht nur, dass man das Gefühl gewinnt, dass hier ohne ein gewisses Grundwissen und ohne es verstanden zu haben von einem teilweise irreführenden aber fachlich korrekteren Artikel von "the guardian" abgeschrieben wurde, nein, es bleibt in dem Artikel völlig unklar wieviel und was genau die dritte Person eigentlich beifügt. Der implizierte O-Ton, der mit irgendwelchen herangezogenen Kritikern erzeugt wird (um die eigene Meinung in den Artikel einfließen zu lassen?), lautet ja wohl hier ganz klar wiedermal: "Der Mensch will mit moderner Technik Gott spielen!"

Dass derartiger Journalismus bei der Wissenschaftskommunikation nicht gerade hilfreich ist, dürfte wohl jedem klar sein. Wäre dies auch nur ein Einzelfall, bräuchte man sich darüber auch nicht weiter zu unterhalten. Natürlich gibt es auch andere Artikel bei Zeit-Online zu dem Thema, die wesentlich besser gelungen sind (Beispiele: 1, 2). Dennoch sollte man solche Anwandlungen in der Medienlandschaft im Auge behalten.
Und um dieses "im Auge behalten" zu erleichtern, soll dieser Diskusionfaden dazu dienen, solche Blüten des Journalismus festzuhalten und zu diskutieren.

Groucho

Wenn Du Zeit und Lust hast, könntest Du was für's Blog dazu schreiben, sprich, den Artikel in ZEIT-Online geraderücken. Haben wir schon öfters gemacht. Und ja, es ist ansich traurig, dass dies von unbezahlten Bloggern und Wikischreibern gemacht wird, gerade, wenn es sich um sogenannte Qualitätsmedien handelt.

Volvox

Also mir ist es ja allgemein lieber, wenn andere nochmal über mein Geschreibsel rüberschauen. Auch bin ich in Sachen "Artikel-Schreiben" nicht unbedingt der Beste hier. Von daher verbleibe ich fürs Erste lieber dabei auf bestimmte Dinge aufmerksam zu machen :D

Auch finde ich diesen einen Artikel von Zeit-Online allein auch noch nicht wirklich ergiebig. Vielleicht sollte man noch etwas abwarten, bis weitere Artikel dieser Art auftauchen (ich hatte ja gehofft, dass man diesen Faden zu einer Art Link-Sammlung machen könnte, um so Material für den Blog zu sammeln). Eine größere Fülle an Fallbeispielen würde zumindest besser verdeutlichen, dass schlechter Journalismus ein Problem darstellt.

Groucho

Zitat von: Volvox am 29. Juni 2013, 16:26:29
Also mir ist es ja allgemein lieber, wenn andere nochmal über mein Geschreibsel rüberschauen.

Also, das wäre kein Problem, da gibt es professionelle Putzkolonnen ;)

Zitat
(ich hatte ja gehofft, dass man diesen Faden zu einer Art Link-Sammlung machen könnte, um so Material für den Blog zu sammeln). Eine größere Fülle an Fallbeispielen würde zumindest besser verdeutlichen, dass schlechter Journalismus ein Problem darstellt.

Dem steht doch nichts im Wege, so einer Sammlung.

Volvox

Soooo, ich werde mich mal bemühen die Sammlung doch noch fortzusetzen :grins2:
Hier ein Beispiel, bei dem ich meine Sprachlosigkeit garnicht in Worte fassen kann:

http://www.t-online.de/eltern/gesundheit/bettnaessen-schlafen/id_58565752/bettnaessen-helfen-medikamente-oder-homoeopathie-.html
ZitatWie Medikamente und Homöopathie bei Bettnässen helfen
[...]
Alternativmedizin erzielt bei Bettnässen gute Erfolge

Das Bettnässen lässt sich in manchen Fällen auch mithilfe der Alternativmedizin therapieren. Mit Bachblüten wurden schon gute Erfolge erzielt. Aber auch die klassische Homöopathie biete verschiedene Ansätze, so die Nürnberger Heilpraktikerin Gudrun Barwig, die sich auf Frauen und Kinder spezialisiert hat. "In der klassischen Homöopathie wird konstitutionell gearbeitet, das heißt, möglichst ganzheitlich. Es werden alle Lebensthemen und alle Ebenen in die Mittelwahl einbezogen. In der Regel lässt das Einnässen parallel zur allgemeinen Stabilisierung nach und verschwindet dann ganz." Besteht der Verdacht, dass das Bettnässen über Veranlagung weitergegeben wurde, prüft man über die Familienanamnese, ob der Auslöser tatsächlich bei früheren Generationen zu finden ist. In einem solchen Fall kann, wie man es nennt, miasmatisch gearbeitet werden.

"Eine rein organische Störung muss medizinisch ausgeschlossen werden", erklärt Barwig. "Doch auch wenn eine solche Störung vorliegt, können wir das Organ homöopathisch unterstützen." Dazu meint die Urologin Marschall-Kehrel "natürlich gilt in erster Linie, wer heilt, hat recht". Aber sie stimmt der Heilpraktikerin zu, dass es Fälle gibt, in denen eine konstitutionelle Behandlung eine sehr sinnvolle Ergänzung zur medizinischen Behandlung sein kann. "Dies gilt vor allem für Kinder, bei denen sich mehrere Auffälligkeiten gleichzeitig zeigen, auch psychische."
:o

Gästin


http://www.t-online.de/eltern/gesundheit/bettnaessen-schlafen/id_58565752/bettnaessen-helfen-medikamente-oder-homoeopathie-.html
ZitatWie Medikamente und Homöopathie bei Bettnässen helfen
[...]
Alternativmedizin erzielt bei Bettnässen gute Erfolge

In der Regel lässt das Einnässen parallel zur allgemeinen Stabilisierung nach und verschwindet dann ganz." Besteht der Verdacht, dass das Bettnässen über Veranlagung weitergegeben wurde, prüft man über die Familienanamnese, ob der Auslöser tatsächlich bei früheren Generationen zu finden ist. In einem solchen Fall kann, wie man es nennt, miasmatisch gearbeitet werden.

Miasmatisch - da kommt dann raus, dass der Großvater mal geimpft wurde und deshalb pinkelt das Kind ins Bett - ich krieg schon wieder Pickel. Mit diesem miasmatischen Geschwafel haben die Homöopathen einen neuen Hype geschaffen, den sie derzeit beliebig ausbauen.

Aber wer davon redet, dass es einen Zusammenhang zwischen genetischer Grundausstattung und auslösenden Faktoren gibt, der ist gleich unten durch. Warum eigentlich?

Ach ja, hab ich vergessen. Nach der Lehre der Geistheiler ist der Mensch ja perfekt und nur der dumme Mensch versucht Krankheiten loszuwerden. Dann kommen Impfungen, obwohl Infektionskrankheiten der reine Segen für das geistige Wohl der Menschen sind und Generationen später muss der Schamane dann die bösen Impffolgen wieder austreiben!

Aber eine Vererbung biologischer Schwachstellen ist nach der Lehre der Geistheiler völlig unsinnig und dämlich!

Zitat von: Volvox am 19. November 2013, 19:53:28"Eine rein organische Störung muss medizinisch ausgeschlossen werden", erklärt Barwig.

Klar, weil Frau Barwig ja jeden Arztbrief lesen kann und genau weiß, was sonst noch so anstehen könnte. Da wird dann erstmal angefangen, dann kommt die Erstverschlimmerung, dann noch ein Kügelchen und noch ein Gespräch und sollten die Eltern dann mal stutzig werden, kommt vielleicht der Hinweis, dass sie es mal beim Arzt versuchen sollten.

Zitat von: Volvox am 19. November 2013, 19:53:28"Doch auch wenn eine solche Störung vorliegt, können wir das Organ homöopathisch unterstützen."

Der immer gleiche Ausspruch, mit dem die Klientel geködert werden soll. Wir unterstützen - womit auch immer! Aber Blasentraining ist ja keine Unterstützung, es muss schon ein Kügelchen sein.

Zitat von: Volvox am 19. November 2013, 19:53:28Dazu meint die Urologin Marschall-Kehrel "natürlich gilt in erster Linie, wer heilt, hat recht". Aber sie stimmt der Heilpraktikerin zu, dass es Fälle gibt, in denen eine konstitutionelle Behandlung eine sehr sinnvolle Ergänzung zur medizinischen Behandlung sein kann.

Die trauen sich schon gar nicht mehr, irgendwas gegen die Homöopathen zu sagen. Gehen lieber diesen Weg mit der Unterstützung - es könnte ja ein Aufschrei folgen, der ihnen nur unnötige Scherereien bringt.

Zitat von: Volvox am 19. November 2013, 19:53:28"Dies gilt vor allem für Kinder, bei denen sich mehrere Auffälligkeiten gleichzeitig zeigen, auch psychische."

So ein Geschwurbel - welches Kind wird keine psychischen Auffälligkeiten entwickeln, wenn es nachts im nassen Bett aufwacht, die Eltern natürlich drüber reden und die Geschwister froh gemut aus dem trockenen Bett aufstehen?
Da sollen Kügelchen helfen? Oder doch lieber Blasentraining, regelmäßig - damit sich die bedingten Reflexe ausbilden können und das Problem mit der Stabilisierung der Reflexe doch noch verschwindet!

Homeboy

weil im faden mein trigger ("wissenschaftsjournalismus") implizit auftaucht:

Alles Schafe hier!
Aufgemerkt junge Pioniere, der artikel ist doch bestimmt von jemand cooles geschrieben worden, die/der einen abschluss in wissenschaftsjournalismus (BA) erworben hat. die sind richtig vom fach, die haben sogar die fächer, über die sie schreiben voll drauf, mindestens 2 semester in ne vorlesung reingesetzt, einige legen sich sogar richtig ins zeug und lesen mal einen artikel dazu in der PM oder GEO, und so ziemlich alle von denen ziehen sich wissenschaftsTV rein. das sind die besten der besten. Basta.

Groucho

Zitat von: Gästin am 22. November 2013, 17:01:24
Klar, weil Frau Barwig ja jeden Arztbrief lesen kann und genau weiß, was sonst noch so anstehen könnte. Da wird dann erstmal angefangen, dann kommt die Erstverschlimmerung, dann noch ein Kügelchen und noch ein Gespräch und sollten die Eltern dann mal stutzig werden, kommt vielleicht der Hinweis, dass sie es mal beim Arzt versuchen sollten.

Desmopressin hilft da eigentlich meistens, wenn man schon Medis einsetzen will. Und beim Bettnässen sind es nun mal meist ganz banale physiologische Unstimmigkeiten, entgegen der psychologisierten Allgemeinmeinung.

editor

Zitat von: Homeboy am 22. November 2013, 17:31:10
weil im faden mein trigger ("wissenschaftsjournalismus") implizit auftaucht:


Aufgemerkt junge Pioniere, der artikel ist doch bestimmt von jemand cooles geschrieben worden, die/der einen abschluss in wissenschaftsjournalismus (BA) erworben hat.

Wenn mir bei einem Medizimjournalisten etwas komisch vorkommt, schau ich immer in der AIDS-Leugner Liste nach - und habe eine gute Trefferquote.

Kann man nach Ländern oder Namen suchen

http://www.virusmyth.org/statement/thegroup

Nogro

Zitat von: editor am 26. November 2013, 09:25:43
Wenn mir bei einem Medizimjournalisten etwas komisch vorkommt, schau ich immer in der AIDS-Leugner Liste nach - und habe eine gute Trefferquote.
Kann man nach Ländern oder Namen suchen
http://www.virusmyth.org/statement/thegroup
Danke für den Link, manchmal muss man eben auch WOT-rot öffnen  :grins2:
Es genügt nicht, keine Ahnung zu haben. Man muss auch dagegen sein (Hermann Hinsch)

Volvox

Da ich vor kurzem auf etwas gestoßen, was hier definitiv hineingehört, grabe ich meinen alten Thread mal wieder aus.

Und zwar habe ich letztens zufällig durch eine Illustrierte geblättert, die ich gewiss nicht super finde (Ausgabe vom 27.03.2014). Was ich dort fand, hat nicht nur meine Vorurteile bestens bestätigt, sondern diese auch übertroffen  :facepalm

Beim ersten Fundstück handelt es sich um eine Zusammenfassung einer Studie, die den Zusammenhang zwischen dem Verhalten von 5-jährigen Kindern und deren Limonadenkonsum untersucht hat:
ZitatStreitsüchtig durch Softdrinks
Studie. Kinder, die oft süße Limonaden trinken, sind besonders streitlustig. Das zeigt eine US-Studie. Dafür werteten Forscher Daten von rund 3 000 Fünfjährigen aus. 43 Prozent von ihnen nahmen täglich Softdrinks zu sich. Sie stritten sich häufiger als Kinder, die keine Limonade tranken. Ob es an Zusatzstoffen oder am Zucker liegt, ist unklar.
Wenngleich die Darstellung der Daten gut gelungen ist, so ist man bei der Überschrift und dem Schlusssatz so richtig mit Anlauf ins Fettnäpfchen getreten. Dass der Limonadenkonsum vielleicht auch nur ein Marker für den eigentlichen ursächlichen Grund sein könnte, scheint sich wohl nicht so gut zu verkaufen. Da interessiert es auch nicht zu welchem bescheidenen Schluss die Autoren in der Originalpuplikation gekommen sind.

Aber hey, who cares? Dann verstehen die Leser halt in keinster Weise, wie Wissenschaft funktioniert. Eine solche Form von Wissen in dem Blatt würde ja wohlmöglich auch den einen oder anderen Partner vertreiben, der im Anzeigen-Teil seine Produkte bewirbt. So zum Beispiel auch Uwe Karstädt mit einem Werbetext, bei dem mir einfach nur die Worte fehlen (siehe Anhang).