Yad Vashem - deutschsprachiges Internetprojekt

[sweeper]

Ganz neu, dieses Infoportal - zumindest die deutsche Version:

http://www1.yadvashem.org/yv/de/

Vielleicht hilft es ein wenig zur Orientierung für die periodisch aufkommenden Holocaust- und Antisemitismusdebatten..

[Belbo zwei]

....nach 35 Jahren in denen ich mich mal mehr mal weniger mal freiwillig mal "gezwungenermassen" mit der Thematik beschäftigt habe, stellen mir sich immer noch die Haare auf und das Wasser schiesst in die Augen......,

[sweeper]

@Belbo:
Ja.... Ich war 23, als ich die Gedenkstätte besuchte.
Noch habe ich mich auf der Webpräsenz nicht umgesehen...

Das nahm vor ca 70 Jahren seinen Anfang mit Worten und Statements, die für viele Menschen wohl ähnlich "harmlos" und unverdächtig klangen wie manches, was wir jetzt wieder lesen müssen

[0Do3n3rium0]

@Belbo:
Ja.... Ich war 23, als ich die Gedenkstätte besuchte.
Noch habe ich mich auf der Webpräsenz nicht umgesehen...

Das nahm vor ca 70 Jahren seinen Anfang mit Worten und Statements, die für viele Menschen wohl ähnlich "harmlos" und unverdächtig klangen wie manches, was wir jetzt wieder lesen müssen

Ähm harmlos? Die größten Antisemiten fingen doch nicht mit harmlosen Sachen an.

,,Die Geschichte beweist, dass Semiten nicht die Harmonie seelischer Kräfte besitzen, die die Arier unterscheidet. Der Semit ist selbstsüchtig und ausschließend. Er besitzt einen scharfen Verstand, der ihn befähigt, Gebrauch von den Gelegenheiten zu machen, die andere schaffen, wie wir es in der Geschichte der Phönizier und später der Araber sehen."

[sweeper]

Das ist ein treffendes Beispiel.
Vor 80 Jahren, im Kontext klischeehaft nationalistischen Denkens ("DER Franzmann",  "DER Ivan" ...) fielen solche Formulierungen vermutlich überhaupt nicht sonderlich auf bzw wurden einfach abgenickt - vor allem, wenn sie in pseudowissenschaftlichem Gewand daher kamen: etwa im Geschichtsunterricht oder im Kulturteil einer Zeitschrift.

So fand allmählich und wohldosiert eine systematische Desensibilisierung des öffentlichen Bewusstseins statt: es wurde normal, in diesen Kategorien zu denken.

Heutzutage lassen die Brandstifter einfach das Unwort "Semiten" weg ( das damals im Kontext einer "anthropologisch" begründeten Rassen-"Theorie" ja "auch nur" einer "notwendigen" Kategorisierung diente...)

Alarmierend ist, dass in unserer Zeit solche und ähnliche Sätze wieder öffentlich möglich sind und die implizite Tendenz offenbar häufig nicht wahr genommen wird.

Insofern: nicht harmlos, sondern unauffällig hätte ich schreiben müssen.

[gesine2]

Weder Rassismus im allgemeinen noch Antisemitismus im Besonderen wurde ja in den zwanziger oder dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erfunden - da steckt schon eine jahrhunderte- bis jahrtausendelange Geschichte hinter. Und im 19.Jhdt startete eine verstärkende, steigernde Entwicklung (wobei imho insbesondere der Okkultismus-Aspekt blog/forum/wiki-interessant ist), die im Dritten Reich kulminierte.

ZB der bekannte gelbe Stern -- wer hat's erfunden? Selbstverständlich die mehr oder weniger organisierten Religionen.

[sweeper]

Scheint lt Wiki unterschiedliche Wurzeln zu haben:

Ähnliche Kleiderordnungen für religiöse Minderheiten waren im Islam schon seit dem frühen 8. Jahrhundert für sogenannte Dhimmis – ,,Schutzbefohlene, Untergebene" – üblich. Sie betrafen Juden und Christen, oft jedoch nur Juden. Ihre Kennzeichnungspflicht begann 717 mit einem Befehl von Kalif Umar II. Die Art des Kennzeichens war anfangs nicht festgelegt und variierte. 807 befahl Kalif Hārūn ar-Raschīd in Persien für Juden einen gelben, für Christen einen blauen Gürtel. In anderen islamischen Ländern waren es Halsketten und verschiedenfarbige Schuhe.
...
Der älteste Beleg einer besonderen Kleidungsordnung für Juden in Europa findet sich auf Sizilien. Bereits wenige Jahre nach Beginn der muslimischen Eroberung der Mittelmeerinsel im Jahr 827 wurden von den neuen muslimischen Machthabern entsprechende Verordnungen erlassen (die sich damals auch gegen die Christen richteten).
...
1294: In Erfurt wird der Gelbe Fleck erstmals in Deutschland erwähnt.

Der Davidsstern ist ja infamer Weise auch noch ein wichtiges religiöses Symbol des Judentums - also eine doppelte Verhöhnung.

Nachtrag:
Ohne die frühen geschichtlichen Wurzeln zu vernachlässigen - die Sache mit dem Judenstern im Nationalsozialismus war noch von anderer, üblerer "Qualität":

https://de.wikipedia.org/wiki/Judenstern

Zwischen 1600 und 1800 wurden solche Kennzeichen in regional verschiedenen Schritten in Europa abgeschafft. Seit der jüdischen Emanzipation forderten manche Antisemiten ihre Wiedereinführung, so etwa Friedrich Rühs 1815[3] und Jakob Friedrich Fries 1816.[4] Fries, der den Aufsatz von Rühs herausgab und in seinem Aufsatz zitierte, forderte unter anderem ein Verbot jüdischer Religionsausübung und die Ausweisung von Juden, solange sie nicht zum Christentum konvertierten. Solange diese ihre erzwungene völlige Assimilation nicht akzeptierten, wäre es ,,sehr gut [...], daß man ihnen, wie auch Rühs anräth, nach alter Sitte wieder ein Abzeichen in der Kleidung aufnöthigte." Erklärtes Ziel dieser Maßnahmen war die ,,Ausrottung" dieser ,,Händlerkaste", das heißt eines behaupteten jüdischen Kollektivs, das er als ökonomisch und kulturell übermächtig und ,,zersetzendes" ,,Gewürm" beschrieb.[5]

[gesine2]

unterschiedliche Wurzeln

Öhm, sweeper, wo sind in dem Zitat die Unterschiede zu "die mehr oder weniger organisierten Religionen"?

war noch von anderer, üblerer "Qualität"

as said: 'kulminiert'.

[sweeper]

unterschiedliche Wurzeln

Öhm, sweeper, wo sind in dem Zitat die Unterschiede zu "die mehr oder weniger organisierten Religionen"?

Nun, gesine2, ich gedachte nicht, einen Gegensatz zu deiner Anmerkung zu konstruieren.
Und du hast natürlich Recht, wenn du darauf hinweist, dass die Religionen, egal welcher Couleur, die eigentliche Wurzel dieses nationalsozialistischen Übels darstellen:

a) Ohne eine religiöse Begründung fällt es Machthabern einfach schwerer, ihren Machtmissbrauch "anständig" zu legitimieren - sogar die Nazis benötigten wenigstens ihre nordischen Mythologien und okkulte Einflüsse

b) Ohne die jahrhundertelange religiöse Vorarbeit wäre der nationalsozialistische Antisemitismus völlig undenkbar gewesen - man könnte fast davon sprechen, die Religiösen haben die Post-Aufklärungs-Antisemiten überhaupt erst auf die Idee gebracht

c) und last, not least:
Sind die Juden, als ihrem Ursprung nach religiöse Ethnie, nicht selbst Schuld an diesem Durcheinander? - Würden sie sich nicht von ihren Ursprüngen her religiös definieren, käme doch kein aufgeklärter Mensch auf die Idee, sie zu diskriminieren!

So in etwa, gesine2? 
Ist ja politisch korrekt, das angesichts von Yad Vashem auch mal zu sagen.

[gesine2]

gedachte nicht, einen Gegensatz zu deiner Anmerkung zu konstruieren

Tja, sweeper, manchmal interpretiere ich wohl etwas merkwürdig. Wenn ich mich recht entsinne, war der Ablauf etwa so: Unterschiedlich? Wo sind denn im wiki-Zitat die Varianten? Seh ich nicht. Wo sind denn Unterschiede wiki-MeinKram? Seh ich nicht. Frag mal.

die eigentliche Wurzel dieses nationalsozialistischen Übels

hmmm, jein. Sowohl für die über die Zeiten wohl eher gleichmäßigen Unterordnungs- und Brutalisierungs-Tendenz¹ als auch die Neigung zu Religionen² ist unser Denken im Mittel anfällig. Da wird wohl kaum eine Person oder Institution die entscheidende Wurzel darstellen. Kristallisationskeim für im Zusammentreffen mehrerer Strömungen entstehende monströse Strudel, das ja.
Bevor irgendjemand auf die Idee kommt: Das soll nicht heißen, daß keiner schuldig gewesen wäre. Ein verständliches Agieren ist nicht automatisch akzeptabel.
Mir ging es mehr um die Dreistigkeit, einerseits den GroßenFriedlichen™ raushängen zu lassen, andererseits brutalst auf dem nächstliegenden Schwachen herumzuhacken - das haben leider schon viele Religionen jahrhundertelang zelebriert. Dadurch blieb das Süppchen immer hübsch warm, bedurfte es keines allzu großen Einsatzes zum Hochkochen.

zu a) Das rückwärtsgewandte, religiöse diente wohl eher der Bodenhaftung, heutzutage vielleicht zu hören als 'so weit der Welt entfremdet, zurück zu unseren Wurzeln' und der Gruppenbildung, dem klassischen wir=gut/die=schlecht. Wenn letzteres erst mal drin ist, ist Machtmißbrauch einfach...

zu b) weder "undenkbar" noch "erst auf die Idee", geschicktes wir/die-Management funktioniert immer - doch klar: Dieses eine Feindbild hatte im europäischen Raume schon Tradition, damit war es deutlich einfacher.

zu c) unverschämt, ne? werden dauernd verfolgt und sind immer noch da... Selbstverständlich nicht. Da wir Menschen nun mal nicht einheitlich sind (kannst zur Not auch nach Größe diskriminieren) gibt es immer auseinandersortierbare Gruppierungen, dient die Behauptung 'und zwar, weil...' schlicht nur dem Erhalt des eigenen Weltbildes, muß in keiner Weise rational begründbar sein. Auf 'verfolgt' haben -bei allem Respekt- Juden kein Patent, die aktuelle Outsiderquote liegt so bei 12..13%.

_____
¹ links wahlfrei austauschbar
² trotz der berechtigten Kritik, zu schöne Idee, offensichtlich ist ja auch 'mem' ein gutes mem. Diesen, ich sag mal 'Drang zu einfachen Erklärungen und klaren Strukturen', haben wir imho einer im Zuge der Bewußtseinsbildung {entstehenden und} mehr oder weniger offen gelassenen backdoor zu verdanken, nicht nur fürs Religiöse, aber auch. Diese ermöglicht einen exploit von -bei der Einfachheit- der falsch positiv ausgelegten (Korrelation, Kausalität)-Korrelation (=unsere Aberglaubenmaschine) und -bei der Klarheit- dem sauberen Trennen zwischen Innen- und Außenwelt. Mit viel Training kann dieses Einfallstor recht dicht zugedrückt werden, bei einem Befall sogar oft noch zügig gesäubert werden. Doch sicher? Sicher ist anders.
Auf welch fragilen chemischen Gleichgewicht, welch wackligem Grat beim Denken der 'Normalfall' daherkraxelt, können einem in punkto des eben erwähnten sauberen Trennens die klassischen 50-150µg zeigen.