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Auf der falschen Seite der Evolution?

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Begonnen von celsus, 22. Februar 2013, 12:51:57

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celsus

Alex ist ein spanischer Videokünstler, Atheist und Skeptiker, den ich schon ein paar Jahre aus entsprechenden Foren kenne. Er hat eine Frage an Richard Dawkins gerichtet, die ich recht interessant finde.

Bevorzugt die Evolution Irrationalität?

"What if being wrong is an evolutionary advantage? "
http://www.richarddawkins.net/letters/1922

ZitatWhat if the average educated atheist is never going to outgrow the believers because we, by nature, consider freedom during our lifetimes as something more important than whatever happens next, and we don't feel the need to follow some superior orders to produce more of us, with a few notable exceptions, say parents with lots of kids or educators like you.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

Hildegard

Eine interessante Frage. Möglicherweise lässt sie sich sogar noch einfacher formulieren.
Nämlich: Gibt es einen Grenzwert für die optimale Intelligenz?
[url="http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com"]http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com[/url]

bayle

ZitatWhat if the average educated atheist is never going to outgrow the believers because we, by nature, consider freedom during our lifetimes as something more important than whatever happens next, and we don't feel the need to follow some superior orders to produce more of us, with a few notable exceptions, say parents with lots of kids or educators like you.
If that's the case, it also explains why only religious civilizations have proliferated, and why atheists have always been a small part of any given society ...

Nein, das halte ich nicht für plausibel. Die Geburtenrate ist von der Religion unbeeinflusst und hängt allein vom Niveau der Wirtschaftsentwicklung ab. Und wenn die materielle Not zurückgeht, das Bildungsniveau ansteigt, dann sind mehr säkulare Tendenzen die Folge. Die konfundierende Variable ist die Ökonomie.

Es gab mal bei uns einen sehr schönen Blog-Beitrag mit einem Vortrag, in dem gezeigt wurde, dass der Abfall der Geburtenrate ein globales Phänomen ist und die Erdbevölkerung nicht infinit wachsen, sondern sich bei 12 Mrd. stabilisieren wird.

schnüffelchen

ZitatEs gab mal bei uns einen sehr schönen Blog-Beitrag mit einem Vortrag, in dem gezeigt wurde, dass der Abfall der Geburtenrate ein globales Phänomen ist und die Erdbevölkerung nicht infinit wachsen, sondern sich bei 12 Mrd. stabilisieren wird.

Du meinst bestimmt den hier: Hans Rosling - Religion and Babies http://youtu.be/ezVk1ahRF78

Ein toller Vortrag, eine Viertelstunde, die sich echt lohnt.

Aber zur Frage:
ZitatBevorzugt die Evolution Irrationalität?

Vielleicht macht es evolutionär gesehen einfach keinen genügend großen Unterschied? Ich meine, rationales bzw. irrationales Verhalten hat sich geschichtlich gesehen vielleicht weder als besonders vorteilhaft noch als nachteilig erwiesen.

Andererseits: rationales Denken muss man sich in gewisser Weise erst antrainieren, da es doch gegen unsere verschiedenen biases geht (z.B. immer Kausalitäten zu entdecken, auch da, wo gar keine sind, Belege für die Bestätigung unserer Hypothesen zu bevorzugen etc.).

Aber wie lange kann man denn schon davon sprechen, dass ein bedeutsamer Anteil der Bevölkerung überhaupt die Möglichkeit hatte, sich so etwas wie rationales Denken anzueignen, wenn man an das allgemeine Bildungsniveau denkt? Nur ein paar Generationen, bestenfalls, und die nur in Gesellschaften mit allgemeiner Schulpflicht. Vielleicht ist das einfach nicht genug, damit sich herauskristallisieren kann, ob eine Neigung zu mehr oder weniger Irrationalität einen evolutionären Vorteil bringt.

Finde ich jedenfalls eine interessante Frage.
Ich hasse es, wenn ich Kettenbriefe nicht weiterleite und am nächsten Tag sterbe. - Gefährliche Bohnen

bayle


celsus

Zitat von: schnüffelchen am 22. Februar 2013, 15:08:56Aber wie lange kann man denn schon davon sprechen, dass ein bedeutsamer Anteil der Bevölkerung überhaupt die Möglichkeit hatte, sich so etwas wie rationales Denken anzueignen, wenn man an das allgemeine Bildungsniveau denkt? Nur ein paar Generationen, bestenfalls, und die nur in Gesellschaften mit allgemeiner Schulpflicht. Vielleicht ist das einfach nicht genug, damit sich herauskristallisieren kann, ob eine Neigung zu mehr oder weniger Irrationalität einen evolutionären Vorteil bringt.

Ja, denke ich auch. Kritisches Denken ist jetzt noch nicht so lange in Mode und so weit wir wissen auch bei anderen Lebenwesen nicht sehr verbreitet. Da müsste man in ein paar tausend Jahren noch mal nachschauen, ob sich das durchgesetzt hat.

Aber einen evolutionären Vorteil des Skeptizismus kann ich zur Zeit noch nicht erkennen.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

71hAhmed

Zitat von: celsus am 22. Februar 2013, 16:20:43
Zitat von: schnüffelchen am 22. Februar 2013, 15:08:56Aber wie lange kann man denn schon davon sprechen, dass ein bedeutsamer Anteil der Bevölkerung überhaupt die Möglichkeit hatte, sich so etwas wie rationales Denken anzueignen, wenn man an das allgemeine Bildungsniveau denkt?

Zitat von: celsus am 22. Februar 2013, 16:20:43
Ja, denke ich auch. Kritisches Denken ist jetzt noch nicht so lange in Mode und so weit wir wissen auch bei anderen Lebenwesen nicht sehr verbreitet.

Kritisches bzw. rationales Denken nur am Bildungsniveau festzumachen, greift meiner Ansicht nach zu kurz. Ob die aus der Auseinandersetzung mit einem Problen und der Beobachtung der Phänomene entstehenden Erklärungen immer dem entsprechen, was unserem heutigen Kenntnisstand entspricht, hat damit erst mal nichts zu tun.
Als Beispiel:
jeder Teetrinker weiss wohl, daß sowohl Geschmack als auch die Konzentration (und damit die Wirkung) bestimmter Stoffe von der Zeit abhängt, die man das Gebräu ziehen lässt. Dies gilt entsprechend auch für die Zubereitung pflanzlicher Heilmittel.
Heute haben wir Uhren, früher musste die Zeit anders bestimmt werden, z.B. durch das Rezitieren des entsprechend formulierten Rezeptes oder entsprechend langer "Zaubersprüche", gegebenenfalls auch bei längeren Zeiträumen durch Verwendung astronomischer/astrologischer Angaben.
Wenn diese Sprüche lange genug in Gebrauch sind, werden sie dem Normalbürger unverständlich (falls sie jemals einen anderen Sinn hatten, als eine Zeitspanne zu definieren).
Da ein Zusammenhang zwischen der korrekten Anwendung des Spruches und der Wirksamkeit des Mittels besteht, der eigentlich wirksame Mechanismus aber nicht bekannt ist, wird eine Kausalkette als Erklärung konstruiert, die irrational ist, aber ein rationales Vorgehen beschreibt.
Dazu dürfte eine gewisse Kodierung der Rezepte/Vorgehensweisen kommen, um "Wirtschaftsspionage" zu verhindern.

edit: quotes repariert

Dr. Ici Wenn

Meine, die Fragestellung ist falsch, und das Ganze wieder ein Beispiel für die Tücken unserer Sprache.
Zum einen gibt es keine Bevorzugung (was damit gemeint ist, ist natürlich trotzdem erkennbar),  zum Anderen schafft diese Benennung zwangsläufig sprachbedingt einen Widerspruch, der so gar nicht da ist. Es gibt keine Menschen, die entweder rational oder irrational sind.

Es sind Zustände, in denen wir uns befinden, sie flackern hin und her zwischen Beidem, die Ausprägung mag verschieden stark sein, die Interpretation dieser wiederum durch andere kann auch völlig verschieden sein. Ein "Verrückter" handelt innerhalb seines Rahmens völlig rational, ein vordergründig "Vernünftiger" benutzt u.U. Rationalität, um seine Irrationalität zu rationalisieren.

Es geht letztlich um Bezugssysteme, wie wir Rationalität überhaupt definieren.

Soweit die Spaltung der Haare.

bayle

Zitat von: 71hAhmed am 22. Februar 2013, 21:01:33
Kritisches bzw. rationales Denken nur am Bildungsniveau festzumachen, greift meiner Ansicht nach zu kurz.

So verkürzt ist es sicher falsch, aber rationales Denken und Bildungsniveau sind auch nicht voneinander unabhängig.

Im antiken Rom konnten auch einfache Leute lesen und schreiben, wie zum Beispiel an den Grafitti von Pompeii erkennbar ist. Die Einstellung zur Religion war überwiegend gelassen und jedenfalls, gemessen an späteren Zeiten, tolerant. Auch wenn natürlich die alten Römer ein abergläubisches Volk waren, wurde der Aberglaube doch skrupellos im politischen Tagesgeschäft ausgenutzt. Das spricht für eine gewisse Distanz zumindest der herrschenden Schicht.

In der europäischen Geschichte hat es keine Zeit gegeben, in der die Gedankenwelt stärker auf das Jenseits ausgerichtet gewesen wäre als im Mittelalter. Das war die Zeit, in der man auch als Analphabet Kaiser werden konnte (Karl I).

schnüffelchen

Rationales Denken erfordert mMn ein gewisses Abstraktionsvermögen, und genau das wird durch Schule/Bildung ganz wesentlich gefördert. Lesen, Schreiben und Rechnen zu können, erleichtert das Denken in abstrakten Konzepten, und das wiederum ist notwendig für rationales Denken.

ZitatEs gibt keine Menschen, die entweder rational oder irrational sind.

Das ist natürlich richtig. Passender müsste man vielleicht davon sprechen, dass manche Menschen in bestimmten Situationen häufiger zu einer rationalen Erklärung/Denkweise neigen, andere dagegen in der gleichen Situation eher zu irrationalen Erklärungen/Denkweisen.

Vielleicht wird sich in ein paar hundert Generationen ja noch ein Vorteil der Rationalität herauskristallisieren. Wenn die ganzen Impfgegner, Homöofreunde, Geistheilerkunden und Aurachirurgiepatienten sich selbst und ihre Gene darwinawardmäßig aus dem Genpool entfernt haben.
:muel

Ich hasse es, wenn ich Kettenbriefe nicht weiterleite und am nächsten Tag sterbe. - Gefährliche Bohnen

71hAhmed

Zitat von: schnüffelchen am 23. Februar 2013, 09:47:53
Vielleicht wird sich in ein paar hundert Generationen ja noch ein Vorteil der Rationalität herauskristallisieren. Wenn die ganzen Impfgegner, Homöofreunde, Geistheilerkunden und Aurachirurgiepatienten sich selbst und ihre Gene darwinawardmäßig aus dem Genpool entfernt haben.
:muel
Das halte ich für unwahrscheinlich, da ein nicht unbeträchtlicher Anteil der genannten seine Ideale schnell vergisst, wenn es an die eigene Substanz geht. Dann sitzen die genauso beim bösen Schulmediziner wie die Unwissenden und lassen sich mit künstlicher Chemie vollpumpen, anstatt auf die Weisheit der Natur zu vertrauen und einen karmaentsprechenden Abgang zu machen.

Dr. Ici Wenn

Woanders im Forum wurde ein Link auf das Rabeneltern-Forum gesetzt:

http://community.rabeneltern.biz/index.php?page=Thread&threadID=11024

Aus einem Kommentar dort, der gut zum Thema hier passt:

ZitatIst ja toll das du Naturwissenschaftlich so bewandert bist, aber ich sehe mich auf den Weg homöopathisch sehr bewandert zu werden (auf dem Weg zur Heilpraktikerin) und kann dieses wettern nicht verstehen. Ich finde Hirte absolut nachvollziehbar, da brauche ich kein Studium oder wochenlange Internetrecherche, da reicht mir schon mein Bauchgefühl!

Das beschreibt eigentlich recht gut den Unterschied zwischen Ir- und Rationalität, wenigstens für den Hausgebrauch: Irrationalität ist im Wesentlichen der Mangel des Abstaktionsvermögens in die Einsicht, selber Fehlschlüsse zu begehen - stimmt das Gefühl, muss die Realität so sein.

Unter dieser Prämisse würde ich schon meinen, dass die Fähigkeit zu rationalem Beurteilen und Handeln ein evolutionärer Vorteil ist, zumal wir als Menschen nicht die Strategie der schnellen und großen Reproduktion fahren.


Binky

Irrationalität scheint ein Produkt der menschlichen Intelligenzentwicklung zu sein - einerseits Zusammenhänge erkennen, abdererseits möglichst schnell und effektiv Schlußfolgerungen, Verallgemeinerungen und Handlungsweisen ableiten. Das scheint sehr anfällig für Fehlschlüsse zu sein. Irrationalität hat eine in sich geschlossene Logik hat und Rationaltät beruht oftmals nicht auf einfachen, linearen Assoziationen.