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Deutsch => Allgemeine Diskussionen => Skeptisches Denken => Thema gestartet von: Sir David Attenborough am 09. Dezember 2014, 17:45:46

Titel: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: Sir David Attenborough am 09. Dezember 2014, 17:45:46
Hallo zusammen,

ich bin zufällig bei der Achse darüber gestolpert.

Laut einem Artikel in der Times war das vorläufige Verbot Neonikotinoide nicht nur, sagen wir mal dubios begründet, sondern gezielte Propaganda von NGOs war, und zwar im richtig großen Maßstab.

Quelle: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/wir_basteln_uns_ein_forschungsergebnis

Allerdings verstehe ich 1) nicht allzu viel von der Biochemie dieser Stoffe und 2) Ist der Artikel irgendwie nicht mehr abrufbar.

Wenn sich einer von euch besser damit auskennt, dann bitte ich mal um eure Meinung dazu.


Schönen Gruß

Sir David Attenborough
Titel: Re: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: eLender am 10. Dezember 2014, 00:04:03
Ich kann den Link komischerweise auch nur auf dem Tablet öffnen, deswegen hier mal der (kurze) Text:

ZitatWir basteln uns ein Forschungsergebnis

Ludger Weß

Werden Bienen durch Neonikotinoide geschädigt? Die EU hat 2013 ein vorläufiges Verbot erlassen, gestützt auf Studien, die jetzt in Zweifel gezogen werden müssen. Wie Ben Webster in der Times berichtet, trafen die Autoren - u. a. Maarten Bijleveld van Lexmond, Vorsitzender der Task Force on Systemic Pesticides und Mitgründer des WWF in den Niederlanden sowie Piet Wit, Vorsitzender der Ecosystems Management Commission der International Union for Conservation of Nature (IUCN - die älteste und größte Umweltschutzorganisation der Welt mit über 1000 Angestellten in 45 Büros und hunderten von Partnern in Behörden und NGOs) Absprachen, um die Ergebnisse "kampagnenfähig" zu machen und ein Verbot zu erreichen.

Zahlreiche Wissenschaftler waren schon immer skeptisch, weil a) Neonikotinoide vorwiegend als Beizmittel für Saatgut oder zur Bodenbehandlung eingesetzt und nicht auf blühende Pflanzen versprüht werden und b) hunderte von Studien keinen alleinigen Kausalzusammenhang zwischen der Nutzung von Neonicotinoiden und dem Bienensterben herstellen konnten.

"Research blaming pesticides for the decline in honeybees has been called into question by a leaked note suggesting that scientists had decided in advance to seek evidence supporting a ban on the chemicals.
The private note records a discussion in 2010 between four scientists about how to persuade regulators to ban neonicotinoid pesticides."

https://www.thetimes.co.uk/tto/environment/article4286838.html

Weitere Einzelheiten zur PR-Strategie der IUCN und einige Dokumente finden sich im Blog des Wissenschaftsjournalisten Hank Campbell

http://www.science20.com/science_20/when_it_comes_to_neonics_activists_understand_pr_better_than_chemical_companies_do-150299

Sowie hier:
http://www.boerenlandvogels.nl/sites/default/files/Resumé%20INTERNATIONAL%20WORKSHOP%20ON%20NEONICOTINOIDS%20Comments%20Henk%20Tennekes.pdf

Ludger Wess ist Mitinhaber der Agentur akampion. Seine Texte auf achgut.com geben seine persönliche Meinung wieder.

Ich halte das aktuelle Verbot (Moratorium) auch für sehr schlecht begründet. Soweit ich mich entsinne, gibt es nur gewisse Verdachtsmomente, dass Neonikotinoide irgend etwas mit dem "Bienensterben" zu tun haben könnten. Da haben die Panikmacher und Industriegegner ganze Arbeit geleistet.
Titel: Re: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: uran am 10. Dezember 2014, 12:46:01
Meine Befürchtung ist, dass sich keiner mehr traut das Verbot wieder aufzuheben, denn es wäre politischer Selbstmord.
Die Auswirkungen des Verbotes durften die Bauern und die Natur bereits spüren.
Durch die Erdföhe wurde Raps deutlich geschädigt und es wurde versucht mit mehr Pyrethroiden diesen zu bekämpfen. Pyrethroide sind ein Kontaktgift,  was somit alle Insekten betrifft, die sich auf den Raps niederlassen, wohingegen die Neonics nur die getötet hätte, die wirklich daran gefressen hätten. Pyrethroide in ihrer natürlichen Form (Pyrethrum) werden übrigends auch im Biolandbau eingesetzt. So viel zu dem Märchen Bio ist ungespritzt.

Interessant ist ja sowieso schon mal, wenn ein Insektizid das seit c.a. 20 Jahren eingesetzt wird herhalten muss um ein Symptom zu erklären, dass es bereits Jahrzehnte länger gibt. In Australien gibt es übrigends kein CCD (Collony Collaps Disorder), obwohl dort Neonics eingesetzt werden, aber dort gibt es auch (noch) keine Varroa Milbe.
Titel: Re: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: Sir David Attenborough am 12. Dezember 2014, 00:19:26
@eLender

Ich hatte damit eigentlich den Artikel in der Times gemeint und nicht der kurzen Verweis in der Achse, der auf ihn weiterverlinkt.



Schönen Gruß

Sir David Attenborough

Titel: Re: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: eLender am 12. Dezember 2014, 19:57:53
Leider ist der Times-Artikel kostenpflichtig. Das Stichwort lautet "BeeGate", Tante Google spuckt dazu z.B. auch sowas aus:

http://www.forbes.com/sites/paulrodgers/2014/12/04/leaked-memo-raises-questions-about-pesticide-ban/

Ob der Skandal in der Form wirklich einer ist, muss man sehen. Dass das Moratorium aber ziemlich an den Haaren herbeigezogen sein muss, kann man ganz gut am WP-Artikel zum Lemma sehen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Neonicotinoide

Ziemlich sachlich, finde ich. Und beim Thema Bienensterben werden mehrere Übersichtsarbeiten genannt, die keinen Zusammenhang mit den Neonics finden wollen. Wie die Efsa (die Behörde, die das Verbot begründet hat) also auf ihre scheinbar eindeutigen Schlussfolgerungen kommt, bleibt ein Rätsel. Uran hat mit dem fehlenden geographischen Zusammenhang ja schon einen Hinweis gegeben, scheinbar gibt es aber auch keinen zeitlichen Zusammenhang. Das Bienensterben gab es wohl schon, bevor man Neonics eingesetzt hat. Dabei bleibt aber noch zu klären, ob es das Bienensterben überhaupt gibt.
Titel: Re: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: zerodivide am 10. April 2015, 09:42:59
Moin.

Vorhin gesehen " EU-Wissenschaftler: Pestizide als Ursache für Bienensterben bestätigt" auf Spiegel.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/bienensterben-eu-studie-sieht-pestizid-einsatz-als-grund-a-1027661.html#js-article-comments-box-pager (http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/bienensterben-eu-studie-sieht-pestizid-einsatz-als-grund-a-1027661.html#js-article-comments-box-pager)

Mir scheint aber, der Teil der Studie über die Bienen (A4.3.4 Evaluating toxicological risk to honey bees) gibt die Spiegel Überschrift nicht so ganz wieder.
http://www.easac.eu/fileadmin/Reports/Easac_15_ES_web_complete.pdf (http://www.easac.eu/fileadmin/Reports/Easac_15_ES_web_complete.pdf)
Titel: Re: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: Sauropode am 10. April 2015, 10:37:37
Wenn es um Wissenschaft geht, sollte man den Spiegel meiden.
Titel: Re: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: Patches O Houlihan am 10. April 2015, 11:59:03
Zitat von: Sauropode am 10. April 2015, 10:37:37
Wenn es um Wissenschaft geht, sollte man den Spiegel meiden.
das gilt auch für Politik- und Wirtschaftsanalysen.
Titel: Re: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: Typee am 03. Juli 2015, 19:42:36
http://euleev.de/lebensmittel-und-ernaehrung/website/602-neonicotinoide-apokalypse-im-bienenstock

Ein dickes Stück Lesestoff Was meinen die Experten?
Titel: Re: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: eLender am 06. Juli 2015, 21:28:46
So, jetzt bin ich endlich mal dazu gekommen, den Artikel ganz zu lesen. Bin jetzt zwar kein Experte, aber einen besser recherchierten und umfangreicheren Artikel zum Thema habe ich bisher noch nicht gelesen (es werden über 300 Artikel zitiert!). Die Dame hat enormen Sachverstand und hat alle wesentlichen Studien auf ihre Stichhaltigkeit geprüft. Z.B. die berühmte Studie aus Berlin, in der angeblich nachgewiesen wurde, dass Neonics in kleinsten Dosen das Orientierungsvermögen der Immen stören soll. Das Design der Studie ist aber so schrottig, dass diese Aussage garnicht belegt ist.  Wie die Efsa auf ihre Empfehlung (das Verbot) gekommen ist, wird plausibel erklärt, auch wenn es etwas spekulativ ist. Demnach war es eher politisch motiviert, der französische Landwirtschaftsminister wollte einfach den Wettbewerbsnachteil seines nationalen Verbots überwinden.

Einen Fehler im Artikel habe ich dennoch gefunden: es wird behauptet, Glyphosat wäre nicht wasserlöslich und deshalb setze man Tallowamine als Lösungsvermittler ein. Glyphosat ist aber recht gut wasserlöslich, Tallowamine dienen nur der besseren Penetration der Zellwände.

Hinweis: den Artikel kann man auch als PDF runterladen. Im Onlineartikel fehlt mindestens ein Teil, also besser das PDF lesen.
Titel: Re: Neonikotinoide - Wir machen uns die Welt...
Beitrag von: celsus am 24. August 2016, 15:14:07
http://www.n-tv.de/wissen/Ursache-fuer-Sterben-der-Wildbienen-geklaert-article18429956.html

ZitatVerheerende Auswirkungen

Nach Ansicht des Neurobiologen Randolf Menzel, der zu den führenden Bienenforschern Deutschlands zählt, zeigt die Studie, wie groß der Einfluss der Neonikotinoide wirklich ist - und das über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum. "Bei experimentellen Studien wird oft bezweifelt, wie aussagekräftig diese für das gesamte Ökosystem sind", so Menzel. Jene Zweifel würden nun widerlegt. Er sieht sich in seiner Grundannahme über die Wirkweise der Nervengifte bestätigt.

Der Neurobiologe hatte in seiner Forschung an der Freien Universität Berlin bereits belegt, dass Bienen schon nach kleinsten Dosen der Insektizide ihre Orientierung und ihr Gedächtnis verlieren. Für die britische Studie hätte er sich eine genauere Aufschlüsselung der verwendeten Neonikotinoide gewünscht: So seien etwa Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam in Großbritannien seit vergangenem Jahr wieder zugelassen. "Bei eben jenen drei ist sehr wahrscheinlich, dass sie großen Schaden anrichten", erklärt Menzel.
Pflanzengift schädigt Bienenlarven

Andere Experten betonen, dass auch andere Gründe für den Rückgang von Bienen-Populationen gibt, darunter die Varroamilbe. Mainzer und Frankfurter Wissenschaftler hatten kürzlich entdeckt, dass Neonikotinoide selbst in geringen Konzentrationen den im Futtersaft von Ammenbienen enthaltenen Botenstoff Acetylcholin vermindern. Das Signalmolekül ist für die Larvenaufzucht von Honigbienen wichtig. "Unsere Forschungsergebnisse bestätigen das von Neonikotinoiden ausgehende Risiko für die Brutentwicklung von Honigbienen", sagte Professor Ignatz Wessler vom Institut für Pathologie an der Universitätsmedizin Mainz. Die Ergebnisse ihrer Forschung veröffentlichten die Wissenschaftler aus Mainz und der Frankfurter Universität in der Fachzeitschrift "Plos One".