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Selbstbestimmtes vs Fremdbestimmtes Lernen

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Begonnen von G5, 02. August 2012, 21:10:12

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Dr. Ici Wenn

@Bloedmann: Montessori wird ja gerne in einem Atemzug mit Waldorf genannt, was aber grundfalsch ist. Ich kenne Montessori-Schüler, die mochten ihre Schule und haben vor allem was gelernt. Das Grundprinzip "Ich helfe Dir, es selber zu tun" halte ich für durchaus nicht verkehrt und ist im Gegensatz zur haltlosen Steinerschen Absurd-"Pädagogik" ein relativ moderner Ansatz, der Menschen eben als Individuum und nicht als zu formende Masse sieht.

http://de.wikipedia.org/wiki/Montessorip%C3%A4dagogik

Es gibt natürlich wie immer auch Kritik, aber die gibt es für staatliche Schulen auch dicke. Im konkreten Fall würde ich mir die in Frage kommende Schule einfach anschauen. Ansonsten muss man das einfach ausprobieren. Es gibt Kinder, die mit der vergleichsweise großen Selbstverantwortung erstmal nicht zurechtkommen.

G5

Bei der Piratenpartei gibt es eine AG Bildungspiraten, die aktuell dabei ist, ein neues Schulkonzept namens Gemeinschaftsschule zu entwickeln ( http://bildungspiraten.de/wiki/index.php?title=Gemeinschaftsschule ). Diese Schulen sollen Ganztag-Angebots-Schulen mit einer Anwesenheitspflicht von 9:00 bis 15:00, jedoch einer Öffnungszeit von 7:00 bis 18:00 sein. Ich glaube, dass hier zumindest selbstgesteuertes mit fremdbestimmten Lernen kombiniert wird. Dieser Schultyp ist in vier Module aufgeteilt und soll dabei verschiedene Lernmethoden, auch außerhalb des klassichen Frontalunterrichts durch LehrerInnen umfassen, so dass jeder die Möglichkeit haben könnte, die Lernmethoden zu wählen, mit denen er am besten lernen kann. Außerdem stehen bei diesem Schultyp eher Lernziele im Mittelpunkt, statt strikt vorgegebene Lernpläne, wie sie in Regelschulen zu finden sind.

Wie man auch sehen kann, ist die Entwicklung dieses Konzeptes noch relativ am Anfang. Solltet ihr selber weitere Ideen dazu haben, könnt ihr diese gerne noch miteinbringen, indem ihr darüber im Forum der AG Bildungspiraten diskutiert.

Was haltet ihr von diesem Konzept? Stellt diese Idee eine mögliche gute Kombination aus fremdbestimmten und selbstgesteuerten oder vielleicht sogar selbstbestimmten Lernen dar?

P.Stibbons

@ G5:

Das erinnert mich ein bisschen an die Laborschule Bielefeld

http://www.uni-bielefeld.de/LS/laborschule_neu/dieschule_stufen.html

...wobei mir deren "Module" noch nicht ganz klar sind.
Gibts da überhaupt "fremdbestimmt"?

edit:

hier 3 pdfs mit konzeptuellen und gesellschaftspolitischen Überlegungen:

http://www.blickueberdenzaun.de/publikationen/112-bensbergererklaerung.html

http://www.blickueberdenzaun.de/images/stories/buez.bensberg.broschuere.2010.pdf

http://www.uni-bielefeld.de/LS/laborschule_neu/docs/hofgeismar.pdf


Bei "Neuen Schulformen" kommt leider auch immer wieder Gerald Hüther ins Spiel, dessen zweifellos vorhandene ideologische Rückbindung völlig unklar ist - so taucht er auch bei den "Blick-über-den Zaun"-Leuten auf.

Nicht alles ist verkehrt, was Hüther sagt... aber es braucht nicht einen Hüther, um auf dessen Ideen zu kommen - da gibt es ganz andere Kaliber in der Entwicklungs-und Lernpsychologie (+ entsprechende Forschung)

Alles Gerede vom "Gehirngerechten Lernen" oder gar "Lernen mit Begeisterung" aus Hüthers Munde ist mit Skepsis zu lesen, da er nur neuropsychologische Worthülsen verwendet, die nicht durch eigene seriöse  Forschung abgedeckt sind

http://www.deutscher-schulleiterkongress.de/dslk-2012/videos-dslk-2012/hauptvortrag-prof-dr-gerald-huether.html

Siehe dazu auch (bitte mit kritischer Distanz lesen! - Was die "Sinn-Stiftung" wirklich will, ist völlig unklar; jedoch aquiriert sie offenbar viele Ressourcen...):

http://www.sinn-stiftung.eu/wissen/themen--beitraege/lernen--schule/index.html

P.Stibbons

Nachtrag zur Veranschaulichung:

Aus einem Vortrags-pdf von Hüther:

ZitatDiejenige Hirnregion in der unsere Erfahrungen strukturell verankert werden und die wir als Grundlage für unsere Bewertungen aktivieren, können die Hirnforscher inzwischen recht gut in der jüngsten und komplexesten Region unseres Gehirns, dem präfrontalen Cortex, lokalisieren

Das ist kompletter Bullshit!

Hört sich nach den "Engrammen" aus Scientology an... leider!

Es gibt in dem Sinn keine "strukturelle" Verankerung  - als ob es kleine fix verbundene "Einheiten" gäbe, in denen "Erfahrung" abgespeichert ist.

Hingegen gibt es sehr komplex gesteuerte Loops, neuronale Netzwerke und Regelkreise zwischen sehr unterschiedlichen Gehirnregionen.
Es lassen sich also keine festen "Orte" für Erfahrungen oder gar "Meta-Kompetenzen" (O-Ton Hüther) finden.

Die affektive Tönung, die "Bewertung" von Erfahrungen, findet gar nicht im Frontalhirn statt, sondern in viel älteren Gehirnteilen - Limbisches System genannt - statt; zwischen dem Frontalhirn und diesen letztgenannten älteren Regionen sind vermittelnde Regler geschaltet.
Die Emotionsregulation findet im so genannten Papez-Kreis statt

Hüther und die Testung von ihm postulierter Meta-Kompetenzen:

http://www.psychophysik.com/html/ak-064-gerald-huether.html

Zitat...Der WuK-Test (Wissens-unabhängiger Kompetenz-Test, www-Wuk-Test.de) konfrontiert jeden Teilnehmer fünfzehn Minuten lang mit wechselnden Hindernisfeldern auf einem Monitor, durch die es per Mausklick einen optimalen Weg zu finden gilt. Arbeitstempo, Vor- und Nachbereitungszeit, Strategie und Richtigkeit der Lösungen sowie Veränderungen des Arbeitsverhaltens im zeitlichen Verlauf und die Reaktionen auf eigene Fehler stehen dabei unter Beobachtung. Die Qualität der Bearbeitung wird anschließend in einer detaillierten Auswertung geprüft und zu einem Gesamtergebnis psychoemotionaler und komplexer kognitiver Kompetenzen zusammengefasst. Dabei wird auf mehrere Teilkomponenten des Gesamtergebnisses, die sich aus der Art des Umgangs mit den einzelnen Problemstellungen erschließen lassen, separat eingegangen.

Die digitalisierte Auswertung des WuK-Tests erlaubt aufgrund ihrer Reliabilität nicht nur eine Betrachtung aktueller Ressourcen und Ressourcennutzung, sondern auch eine Kontrolle der Fortschritte nach der Intervention durch gezielte Förderungsmaßnahmen einzelner Teilkompetenzen. Wurden festgestellte Defizite ausgeglichen, lassen sich die Testergebnisse erheblich verbessern...

...Der WuK-Test ermöglicht einen völlig neuen Umgang mit diesen ,,Schlüsselqualifikationen von morgen", indem er sie durchsichtig und statistisch erfassbar macht. Die Lehrmethoden derjenigen vorbildlichen deutschen Schulen, die darauf abzielen, Lernlust und Selbstvertrauen junger Heranwachsender zu erhalten und zu fördern, könnten durch den Einsatz des WuK-Tests künftig überprüft und gestärkt werden, um eine kommende Generation sozialkompetenter und leistungsfähiger Menschen zu unterstützen. Und die braucht unsere Gesellschaft dringender als noch mehr ,,Wissensspezialisten" oder gar ,,Fachidioten".

Kritisch zum WUK-Test - und amüsant zu lesen:

http://www.storyal.de/story2005/wuk-test.htm

edit:

Und noch mal Hüther und neue Schulformen:

http://www.schulen-der-zukunft.org/

Bloedmann

Zitat von: Dr. Ici Wenn am 03. August 2012, 09:32:54
@Bloedmann: Montessori wird ja gerne in einem Atemzug mit Waldorf genannt, was aber grundfalsch ist. Ich kenne Montessori-Schüler, die mochten ihre Schule und haben vor allem was gelernt. Das Grundprinzip "Ich helfe Dir, es selber zu tun" halte ich für durchaus nicht verkehrt und ist im Gegensatz zur haltlosen Steinerschen Absurd-"Pädagogik" ein relativ moderner Ansatz, der Menschen eben als Individuum und nicht als zu formende Masse sieht.

http://de.wikipedia.org/wiki/Montessorip%C3%A4dagogik

Es gibt natürlich wie immer auch Kritik, aber die gibt es für staatliche Schulen auch dicke. Im konkreten Fall würde ich mir die in Frage kommende Schule einfach anschauen. Ansonsten muss man das einfach ausprobieren. Es gibt Kinder, die mit der vergleichsweise großen Selbstverantwortung erstmal nicht zurechtkommen.

Auch wir haben Freunde mit Kindern auf der Montessori-Schule. Die schwören drauf und deren mittlerweile pubertierenden Zöglinge sind nicht verstrahlt, auch wenn die Familie alternativ angehaucht ist. Desweiteren hat uns mal eine Kindergärtnerin aus'm Montessori-KiGa das Konzept ausführlich erläutert. Das klingt schon gut und Teile davon haben es inzwischen sogar in unsere alte Ost-KiTa geschafft - die Zwerge fahren da voll drauf ab.

Was mich an den Schulen allerdings ein bischen abstößt, ist der katholische Hintergrund. Auch wenn er wohl nicht offensiv zutage getreten wird. Aus dem Grund kommen stand jetzt z.B. keine der evangelischen Schulen die hier wie Pilze aus den Boden schießen infrage. Aber der wahrscheinlichste k.o.-Punkt für Montessori wird eh die Entfernung sein, die Belastung fürs Familienleben wäre zu hoch. Und nicht vergessen, die Warteliste ist lang, da hätte ich wohl in der Vergangenheit mal öfter Brot für die Welt backen müssen um da überhaupt Chancen zu haben. :anbeten:

Und Dr. Du hast natürlich auch vollkommen recht - ums Anschauen kommen wir die nächsten 1-2 Jahre nicht drum rum. Deswegen habe ich u.a. auch mehrer Guugl-Alerts mit "Tag der offenen Tür" + Schulen im Umkreis laufen. ;)
Es gibt so viele Dinge im Leben, die wichtiger sind als Geld... aber sie kosten so viel! Groucho Marx

Dr. Ici Wenn

Zitat von: Bloedmann am 06. August 2012, 12:46:09
Was mich an den Schulen allerdings ein bischen abstößt, ist der katholische Hintergrund. Auch wenn er wohl nicht offensiv zutage getreten wird.

Würde ich tolerieren. In Bayern ist ja Religionsunterricht ein Vorrückungsfach, also gleichbedeutend mit Deutsch, Mathe etc. ...

Zitat
Aus dem Grund kommen stand jetzt z.B. keine der evangelischen Schulen die hier wie Pilze aus den Boden schießen infrage. Aber der wahrscheinlichste k.o.-Punkt für Montessori wird eh die Entfernung sein, die Belastung fürs Familienleben wäre zu hoch. Und nicht vergessen, die Warteliste ist lang, da hätte ich wohl in der Vergangenheit mal öfter Brot für die Welt backen müssen um da überhaupt Chancen zu haben. :anbeten:

Ganz billig ist es auch nicht, und von den Eltern werden Arbeitsstunden erwartet - ok, warum nicht :)

Zitat
Und Dr. Du hast natürlich auch vollkommen recht - ums Anschauen kommen wir die nächsten 1-2 Jahre nicht drum rum. Deswegen habe ich u.a. auch mehrer Guugl-Alerts mit "Tag der offenen Tür" + Schulen im Umkreis laufen. ;)

Auch staatliche Schulen sind trotz relativ strenger Vorgaben sehr unterschiedlich - angucken eben, wie gesagt. Kommt halt auch sehr auf das Kind an. Wenn man das Glück hat, und der Entwicklungsstand (nicht verzögert, aber auch nicht zu weit) der Lütten exakt dem entspricht, was sich da so Pädagogen vorgestellt haben, können die auch relativ locker durch die staatliche Grundschule flutschen, was danach kommt, darüber ist es eh zu früh, sich Gedanken zu machen.