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ADHS und die Kritik am Ritalin

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Begonnen von Kartoffelbrei mit Ei, 23. Juli 2012, 23:51:04

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Kartoffelbrei mit Ei

Zitat von: Onkel Heinz am 31. Juli 2012, 21:58:53
Zitat1960 begann, lt. Damasch (ich will das nicht bestätigen), die Vermarktung von Ritalin. 1962 wurde die MCD in die Diagnosekritieren in DSM-II aufgenommen.
P.Stibbons hat mittlerweile Anmerkungen dazu geschrieben. Sehe ich ähnlich.


Kannst Du ja auch? Was möchtest Du Dammasch denn nun unterstellen? Man muss bedenken, dass ist keine wiss. Veröffentlichung, sondern höchst wahrscheinlich ein Zeitungsartikel. Und eine klare Diagnose gab es erst ab den 60ern.
Zitat
ZitatEs bleibt festzuhalten, daß die über die Jahrhunderte unterschiedlichen Verhaltensbeschreibungen und wechselnden Erklärungsmodelle der kindlichen Unruhe zeitgleich mit der Entwicklung und Vermarktung von Ritalin zu einer Diagnosekategorie zusammengefasst wurden.
Was soll denn so eine Aussage? Mit dieser Rhetorik kann man alles mögliche in einen Zusammenhang bringen und bleibt unangreifbar? Ich denke, hier will niemand in Texte etwas rein interpretieren. Für mich riecht das nach Verschwörungstheorie.

Tja, er drückt sich halt vorsichtig aus. Nicht gerade eine Eigenschaft, die man für gewöhnlich Verschwörungstheoretikern vorwirft. Aber der Zusammenhang ist für mich auch nicht recht ersichtlich.

Aber ich sage Dir mal einige Zusammenhänge, die mir spontan in den Sinn kommen. 1. Die Psychiatrie interessierte sich erst dafür, als sie eine Pille dagegen hatten. 2. Es handelt sich um Disease-Mongering (kann eigentlich nicht sein, da er die Krankheit ja akzeptiert).

Sind das für dich Verschwörungstheorien?
Zitat
ZitatWenn man KJP ist, weiß man, was man alles an Werbegeschenken bekommt:
Was hat das denn nun wieder mit der Diskussion zu tun?

Das an dem Thema "Vermarktung" durchaus etwas dran ist. Wenn Du KJPler wärest, oder sonst wie etwas mit der KJP zu tun hättest, wüsstest Du das auch.

Aber Du hast Recht. Lass uns beim Thema bleiben.

Kartoffelbrei mit Ei

Zitat von: PaulPanter am 31. Juli 2012, 22:05:08
ZitatAber das wiederum wirft er doch gar nicht vor! Er sagt nicht, man habe ADHS "erfunden". Er sagt, ich wiederhole das gerne nochmal, dass es nur viel zu biologisch-medizinisch gesehen wird. Vielleicht meint er auch, dass es zu "biologisch" gesehen wird, um MPH zu vermarkten oder dass die biologische Sicht die Vermarktung begünstigt hat. Ich bin mir nicht sicher, was er eigentlich meint.

Dafür gibt es eine 1 in Schwurbeln. Gut gemacht.

Sorry, diese Zeile ist eindeutig und nicht "geschwurbelt". Dennoch kann man von ihm auch nicht erwarten, in einem Zeitungsartikel in wiss. Fachterminologie zu sprechen.

Zitat
Sicher Herr Dammasch.
ZitatMit der Entdeckung der paradox beruhigenden Wirkung des Stimulanz Methylphenidat auf Kinder vor der Pubertät in den 40-er Jahren und dessen Synthetisierung und Vermarktung als Ritalin, wird schließlich die kindliche Verhaltensstörung alleine auf eine hirnorganische Erkrankung zurückgeführt.
http://www.psychoanalyse-aktuell.de/kinder/adhs.html

Ja, darum geht es ihm doch offensichtlich. die kindliche Verhaltensstörung alleine auf eine hirnorganische Erkrankung zurückgeführt.

Um nichts anderes dreht sich doch der gesamte Artikel.

PaulPanter

ZitatJa, darum geht es ihm doch offensichtlich. die kindliche Verhaltensstörung alleine auf eine hirnorganische Erkrankung zurückgeführt.
Du wurdest schon auf Seite 1 von Bobbele darauf aufmerksam gemacht.
ZitatÜbrigens ist hyperaktives Verhalten nicht dasselbe wie ADHS, so wie Kopfschmerz auch nicht dasselbe wie ein Hirntumor ist.
Dammasch malt sich da seine Welt, wie sie ihm gefällt.

Kartoffelbrei mit Ei

Zitat von: PaulPanter am 31. Juli 2012, 22:30:56
ZitatJa, darum geht es ihm doch offensichtlich. die kindliche Verhaltensstörung alleine auf eine hirnorganische Erkrankung zurückgeführt.
Du wurdest schon auf Seite 1 von Bobbele darauf aufmerksam gemacht.

Auf was wurde ich, freundlicherweise Aufmerksam gemacht?

ZitatÜbrigens ist hyperaktives Verhalten nicht dasselbe wie ADHS, so wie Kopfschmerz auch nicht dasselbe wie ein Hirntumor ist.
Dammasch malt sich da seine Welt, wie sie ihm gefällt.
Was hat das jetzt damit zu tun?

PaulPanter

@KmE
ZitatWas hat das jetzt damit zu tun?
Man kann ADHS zuverlässig diagnostizieren. Dammasch versucht aber mit seinem Textgeschwafel da eine für seine Bedürfnisse passende Storry draus zumachen.
Für mich, ich bin nur Laie der sich in das Thema auch nur halbwegs eingelesen hat, ist der Kerl nicht nur ein Ritalin-Kritiker sondern ein ADHS-Leugner.
Echt zu süß wie er da die Geschichte mit "Elvira - Immer vorwärts, nie zurück" eingebaut hat.
Auch egal der hat seinen Platz im Wiki sicher verdient.

Kartoffelbrei mit Ei

Zitat von: PaulPanter am 31. Juli 2012, 22:58:09
Man kann ADHS zuverlässig diagnostizieren.

Ach, kann mann das? Warst Du es nicht, der neulich sagte, dass Hyperaktiviät für Kliniker gar kein Kritierium mehr sei? Doch die Hyperaktivität ist grundlegende Voraussetzung sowohl im DSM als auch im ICD. Nein, dies war P.Stibbons

Die gestörten exekutiven Funktionen sind bspw. auch bei Asperger-Autismus gestört. Und es sind nur Ansätze zu versuchen die Störung zu operationalisieren. Hyperaktivität gehört immer noch zu den klaren Diagnosekriterien.


Vergiss was ich gesagt habe: Man kann ADHS nicht sicher diagnostizieren.
Zitat
Dammasch versucht aber mit seinem Textgeschwafel da eine für seine Bedürfnisse passende Storry draus zumachen.
Für mich, ich bin nur Laie der sich in das Thema auch nur halbwegs eingelesen hat, ist der Kerl nicht nur ein Ritalin-Kritiker sondern ein ADHS-Leugner.
Das ist Deine persönliche Ansicht. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Woraus schließt Du das? Wo schreibt er, dass ADHS nicht existiert? Das ist eine sehr weit hergeholte Spekulation!
Zitat
Echt zu süß wie er da die Geschichte mit "Elvira - Immer vorwärts, nie zurück" eingebaut hat.
Auch egal der hat seinen Platz im Wiki sicher verdient.
Mag sein, dass er seinen Platz verdient hat. Aber deswegen muss man keine Falschaussagen und völlig unhaltbaren Anschuldigungen treffen. Das ist dann halt unseriös.

Und wer derartige http://forum.psiram.com/index.php?topic=9141.msg103957#msg103957 Dinge behauptet, sollte auch ansatzweise beweisen können, dass sie überhaupt so gesagt wurden.

PaulPanter

Ja, ist schon spät KmE.  8) Gutes Nächtle mein Freund.

Wenn ich was falsch verstanden habe, wird Ponder mich bestimmt korrigieren und ich ich bin ein wenig Schlauer als vorher.

Kartoffelbrei mit Ei


P.Stibbons

ZitatZitat K&E:   
ZitatAllerdings ist gerade dieser Vorwurf das beliebteste Argument der scientologischen Ritalinkritik:

Tut mir leid, ich kenne mich mit den Scientologen nicht aus. Willst Du damit behaupten, dass Dammasch ein Scientologe ist?

Nein, das will ich damit nicht behaupten.
Es ist Dammasch aber anzulasten, dass er diese Scio-Argumentation nicht nur ohne jede kritische Abwägung übernimmt, sondern ihr durch sein selektives Zitieren (inclusive Unterschlagung mehrerer Jahrzehnte wissenschaftlicher Beschreibung zu ADHS-vergleichbaren Störungsbildern und Falschbehauptungen zu Bradley) sogar neue Nahrung schafft - gewissermaßen mit seiner akademischen Reputation legitimiert.
Wissenschaftlich sauber wäre hingegen, dem sattsam bekannten Fakt, dass die scientologische Ritalinktitik genau diese Argumentationslinie vertritt, in seinen "kritischen" Diskurs mit aufzunehmen und sich entsprechend deutlich dagegen abzugrenzen.

Das ist übrigens ein wesentlicher Grund, warum Hochschullehrer wie er ins Psiram-Wiki aufgenommen wurden:

die Unterwanderung akademischer Einrichtungen durch Personen, die pseudowissenschaftliches Gedankengut vertreten und als Multiplikatoren verbreiten und die noch dazu häufig mit wissenschaftlich höchst fragwürdigen Mitteln arbeiten.
Zitat
Dennoch kann man von ihm auch nicht erwarten, in einem Zeitungsartikel in wiss. Fachterminologie zu sprechen.

Dammaschs Artikel ist nicht in "irgendeiner Zeitung" erschienen, sondern in der Online- Zeitschrift der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung, also eine Art Fachjournal:

http://www.psychoanalyse-aktuell.de/edit.html

P.Stibbons

ZitatK&E: Vergiss was ich gesagt habe: Man kann ADHS nicht sicher diagnostizieren.

Ich hoffe, du hebst jetzt nicht auf den Hoax mit einer angeblich von Frau Lehmkuhl getätigten Behauptung ab (von der sie selbst sagt, man habe ihr das schlicht verdreht in den Mund gelegt...); die  Sensationsmeldungen über die "Studie" mit versendeten Fallvignetten haben wir hier neulich schon mal abgehandelt.

Ansonsten ist das einfach eine naive Behauptung deinerseits, der jegliche Substanz fehlt.

ZitatK&E: Mag sein, dass er seinen Platz verdient hat. Aber deswegen muss man keine Falschaussagen und völlig unhaltbaren Anschuldigungen treffen. Das ist dann halt unseriös.

Welches sind nun die verbleibenden "Falschaussagen"?

ZitatK&E:
Ja, darum geht es ihm doch offensichtlich. die kindliche Verhaltensstörung alleine auf eine hirnorganische Erkrankung zurückgeführt.

Um nichts anderes dreht sich doch der gesamte Artikel.

Es sollte deutlich geworden sein (siehe dazu die entsprechenden Info-Seiten im Web, die ich eingangs nannte), dass ADHS eben nicht eine "Kindliche Verhaltensstörung" ist, sondern dass sich die ADHDS-typischen Verhaltens-Eigentümlichkeiten auf dem Boden einer speziellen angeborenen Neurobiologie entwickeln - und dies je nach umgebendem System mehr oder auch weniger schädigend.

Weder die Hyperaktivität noch Verhaltensstörungen stehen dabei zwingend notwendig im Vordergrund.
Es handelt sich auch primär nicht um eine hirnorganische "Erkrankung", sondern gewissermaßen um ein anderes "Betriebssystem".



Warum fällt es Psychoanalytikern, Konstruktivisten und Systemikern eigentlich so schwer, diese wissenschaftlich gesicherte Tatsache einfach mal zu akzeptieren?
Es wäre doch allen geholfen, wenn auf dem Boden dieser validen Erkenntnisse die o.g. Protagonisten nun entsprechend ihrer Expertise forschen würden, was dieses "andere" Betriebssystem für Auswirkungen auf Bindungsverhalten, soziale Interaktionen etc pp nach sich zieht.

Stattdessen gefällt man sich in einer vertrotzten Verweigerungshaltung, trägt den versäumten wissenschaftlichen Diskurs lieber in die Boulevard-Medien und ist noch dazu verstimmt, wenn man nicht mehr Ernst genommen wird.

P.Stibbons

ZitatK&E:  Vergiss was ich gesagt habe: Man kann ADHS nicht sicher diagnostizieren.

ZitatPaule Panter:  Dammasch versucht aber mit seinem Textgeschwafel da eine für seine Bedürfnisse passende Storry draus zumachen.
    Für mich, ich bin nur Laie der sich in das Thema auch nur halbwegs eingelesen hat, ist der Kerl nicht nur ein Ritalin-Kritiker sondern ein ADHS-Leugner.

Das ist Deine persönliche Ansicht. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Woraus schließt Du das? Wo schreibt er, dass ADHS nicht existiert? Das ist eine sehr weit hergeholte Spekulation!

Das ist keine Spekulation, sondern ergibt sich aus der Tatsache, dass Dammasch Kuratoriumsmitglied der "Konferenz ADHS" ist und die Anti-Konsensus-Erklärung von Hans-Reinhard Schmidt mit unterzeichnet hat.
Diese besagt, dass jede ADHS-Diagnose grundsätzlich anzuzweifeln sei, da es sich bei ADHS um ein "Gesellschaftspolitisches Konstrukt" handele und nicht um eine valide eigenständige Störung:

http://psiram.com/ge/index.php/Konferenz_ADHS

O-Ton Schmidt:

ADHS ist keine objektivierbare medizinische Krankheit, sondern ein Kulturprodukt. Sie wird im Rahmen von interessen- und industriegeleiteten Konsens-Konferenzen per Beschluss definiert. Teilnehmer solcher Konferenzen waren bisher als Befürworter einer medikamentösen Behandlung von ADHS bekannt, ohne ihre finanziellen Verbindungen zur Pharmaindustrie offen zu legen. Mehr als die Hälfte der 28 Autoren, die am DSM V arbeiten, mussten inzwischen Einkünfte aus der Pharmaindustrie offenlegen, der Leitautor der Konferenz sogar von 13 verschiedenen Firmen.

Das Konstrukt ADHS entspringt dem gegenwärtig immer noch anhaltenden Trend zur Biologisierung der menschlichen Kultur. Unter einer naturwissenschaftlichen Ausrichtung sollen im Rahmen einer Synthese auch die Sozialwissenschaften "biologisiert" werden (Soziobiologie). Obwohl diese Vereinheitlichung heute bereits als gescheitert gelten kann, wird sie bei ADHS weiter realisiert. Ein genetischer Determinismus bzw. Purismus, der Milieueinflüsse auf Entwicklung und Verhalten weitgehend leugnet, beherrscht unverändert einseitig die Szene. Die Herstellung eindimensionaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge beim Krankheitsmodell ADHS bleibt hinter den aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung zurück. Dies ist antidialogisch und antipädagogisch.

Die scheinbar psychiatrische Diagnose "ADHS" und ihre pseudowissenschaftliche Verbrämung sollen Eltern, Lehrer, Ärzte, Psychologen, Erzieherinnen etc. dabei unterstützen, bedrohliches kindliches Verhalten verdrängen zu können, die je ganz eigene dialogische Verantwortlichkeit zu leugnen. Man hat sozusagen lieber kranke als unglückliche Kinder.

Dieser alltägliche Biologismus, demzufolge Lehrer, Eltern und Ärzte schnell bereit sind, auffälliges kindliches Verhalten auf ein "biochemisches Ungleichgewicht" zurückzuführen, anstatt über ihre eigene Beteiligung und Möglichkeiten zur Einflussnahme nachzudenken, bedarf einer dringenden und kritischen Reflexion. Es wird nicht mehr nach dem "Warum" eines Verhaltens, nach seinem Sinn in einer phänomenalen, subjektrelativen Welt gefragt. Statt eines therapeutischen Dialogs zwischen Erwachsenem und Kind wird das Kind zum bloßen Diagnose- und Medikationsobjekt.


Abgesehen von diesen dreisten und haltlosen, pauschal Psychiater und Eltern beschuldigenden Unterstellungen erliegt auch Schmidt dem Irrtum, dass ADHS ein Phänomen ausschließlich des Kindesalters sei und reduziert die neurobiologische Besonderheit auf Verhaltensstörungen und systemische Konflikte.

Das ist Reduktionismus auf eine konstruktivistische Sichtweise - ausgehend von einer "blank slate" - Ideologie (siehe dazu Steven Pinker)
Schmidt beweist damit, dass er selbst keine Ahnung von der Thematik hat.



Kartoffelbrei mit Ei

Zitat von: P.Stibbons am 01. August 2012, 08:59:30

Das ist keine Spekulation, sondern ergibt sich aus der Tatsache, dass Dammasch Kuratoriumsmitglied der "Konferenz ADHS" ist und die Anti-Konsensus-Erklärung von Hans-Reinhard Schmidt mit unterzeichnet hat.
Diese besagt, dass jede ADHS-Diagnose grundsätzlich anzuzweifeln sei, da es sich bei ADHS um ein "Gesellschaftspolitisches Konstrukt" handele und nicht um eine valide eigenständige Störung:

http://psiram.com/ge/index.php/Konferenz_ADHS


Das ist nicht richtig, was Du sagst. S.u.
Zitat
O-Ton Schmidt:

ADHS ist keine objektivierbare medizinische Krankheit, sondern ein Kulturprodukt. Sie wird im Rahmen von interessen- und industriegeleiteten Konsens-Konferenzen per Beschluss definiert. Teilnehmer solcher Konferenzen waren bisher als Befürworter einer medikamentösen Behandlung von ADHS bekannt, ohne ihre finanziellen Verbindungen zur Pharmaindustrie offen zu legen. Mehr als die Hälfte der 28 Autoren, die am DSM V arbeiten, mussten inzwischen Einkünfte aus der Pharmaindustrie offenlegen, der Leitautor der Konferenz sogar von 13 verschiedenen Firmen.

Das Konstrukt ADHS entspringt dem gegenwärtig immer noch anhaltenden Trend zur Biologisierung der menschlichen Kultur. Unter einer naturwissenschaftlichen Ausrichtung sollen im Rahmen einer Synthese auch die Sozialwissenschaften "biologisiert" werden (Soziobiologie). Obwohl diese Vereinheitlichung heute bereits als gescheitert gelten kann, wird sie bei ADHS weiter realisiert. Ein genetischer Determinismus bzw. Purismus, der Milieueinflüsse auf Entwicklung und Verhalten weitgehend leugnet, beherrscht unverändert einseitig die Szene. Die Herstellung eindimensionaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge beim Krankheitsmodell ADHS bleibt hinter den aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung zurück. Dies ist antidialogisch und antipädagogisch.

Die scheinbar psychiatrische Diagnose "ADHS" und ihre pseudowissenschaftliche Verbrämung sollen Eltern, Lehrer, Ärzte, Psychologen, Erzieherinnen etc. dabei unterstützen, bedrohliches kindliches Verhalten verdrängen zu können, die je ganz eigene dialogische Verantwortlichkeit zu leugnen. Man hat sozusagen lieber kranke als unglückliche Kinder.

Dieser alltägliche Biologismus, demzufolge Lehrer, Eltern und Ärzte schnell bereit sind, auffälliges kindliches Verhalten auf ein "biochemisches Ungleichgewicht" zurückzuführen, anstatt über ihre eigene Beteiligung und Möglichkeiten zur Einflussnahme nachzudenken, bedarf einer dringenden und kritischen Reflexion. Es wird nicht mehr nach dem "Warum" eines Verhaltens, nach seinem Sinn in einer phänomenalen, subjektrelativen Welt gefragt. Statt eines therapeutischen Dialogs zwischen Erwachsenem und Kind wird das Kind zum bloßen Diagnose- und Medikationsobjekt.


Abgesehen von diesen dreisten und haltlosen, pauschal Psychiater und Eltern beschuldigenden Unterstellungen erliegt auch Schmidt dem Irrtum, dass ADHS ein Phänomen ausschließlich des Kindesalters sei und reduziert die neurobiologische Besonderheit auf Verhaltensstörungen und systemische Konflikte.
Das ist Reduktionismus auf eine konstruktivistische Sichtweise.
Er beweist damit, dass er selbst keine Ahnung von der Thematik hat.

Du erliegst, m.M.n. mehreren Irrtümern.

1. Ist es so, dass das Kuratorium-ADHS eine rein "medizinische Krankheit" ablehnt. Die Verhaltensstörungen werden nicht geleugnet.

2. "Sie wird im Rahmen von interessen- und industriegeleiteten Konsens-Konferenzen per Beschluss definiert." Das sehe ich ein bisschen anders, aber ich bin besorgt darüber, dass ich das ebenfalls als unwissenschaftliche Praxis bemängelt habe. Gelte ich bei euch nun auch als "ADHS-Leugner"?

Ich sehe diese Konsens-Beschlüsse als Antwort auf die "Ritalin-Kritik", die in der Öffentlichkeit eine große Aufmerksamkeit erlangt. Es werden Minimalkonsense entworfen, um dieser Kritik von psychiatrischer Seite entgegentreten zu können. Mit Wissenschaft hat das freilich nichts zu tun. Meist entsprechen diese Konsense auch nicht dem aktuellen "state of the art". Du hast ja auch angemerkt, dass die Diagnose nicht notwendigerweise die Hyperaktivität enthalten muss. Das ist so nicht ganz richtig, aber Du hast richtig erkannt, dass es da durchaus andere Ansichten gibt, die in den Konsensbeschlüssen nicht erfasst werden.

3.
Zitat von: P.Stibbons am 01. August 2012, 08:59:30
dass ADHS ein Phänomen ausschließlich des Kindesalters sei und reduziert die neurobiologische Besonderheit auf Verhaltensstörungen und systemische Konflikte.
Das wird überhaupt gar nicht gesagt.

4.
Zitat von: P.Stibbons am 01. August 2012, 08:59:30
Das ist Reduktionismus auf eine konstruktivistische Sichtweise.
Er beweist damit, dass er selbst keine Ahnung von der Thematik hat.
Das Kuratorium-ADHS bemängelt:

"Die Herstellung eindimensionaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge beim Krankheitsmodell ADHS bleibt hinter den aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung zurück. Dies ist antidialogisch und antipädagogisch."

Somit halten sie dem biologischen Paradigma vor, eben eine eindimensional biologische Sichtweise zu verfolgen und Erkenntnisse, bspw. der Bindungsforschung, auszublenden. Und dabei besagen sie sogar noch mal ausdrücklich, dass das biologische Paradigma hinter der aktuellen Hirnforschung zurückhängt. Das ist natürlich eine harsche, aber völlig richtige Kritik.

Insofern bewertest Du die Aussagen dieses Kuratoriums-ADHS aufgrund falscher Annahmen. Und versteh mich nicht falsch, man kann diese Aussagen durchaus bemängeln. Aber dann bitteschön aufgrund dessen, was sie wirklich gesagt haben. Nicht auf Annahmen, die die Autoren des Psiram-Wikis dort hineininterpretieren.

P.Stibbons

Das halte ich für schönfärberische Wortklauberei deinerseits, denn:

ZitatHans-Reinhard Schmidt:
ADHS ist keine objektivierbare medizinische Krankheit, sondern ein Kulturprodukt. Sie wird im Rahmen von interessen- und industriegeleiteten Konsens-Konferenzen per Beschluss definiert. Teilnehmer solcher Konferenzen waren bisher als Befürworter einer medikamentösen Behandlung von ADHS bekannt, ohne ihre finanziellen Verbindungen zur Pharmaindustrie offen zu legen.

M.a. W.:

Würden nicht "interessen-und industriegeleitete Konsens-Konferenzen (!!) "per Beschluss" diese "Krankheit" "definieren", gäbe es sie lt Hans-Reinhard Schmidt nicht.

In diesem Satz allein stecken mindestens 4 unbelegte Unterstellungen, die im nächsten Satz noch weiter eskalieren, indem unterstellt wird, dass die "Befürworter solcher Konferenzen" auf der Payroll der Pharmaindustrie stehen und diesen COI nicht offen legen.

Die gesamte weltweite neurowissenschaftliche Forschung der vergangenen 10 Jahre wird mit dieser dreisten Rhetorik mir nichts- dir nichts quasi auf eine Handvoll pharmahöriger Verschwörer reduziert.

Welchen versteckten COI haben denn die Vertreter der Konferenz ADHS?

* Stehen sie auf der Payroll der Tabakkonzerne?

* Machen sie PR für Scio oder rechtsextreme Ideologien?

* Versuchen sie nur, ihre eigene Pfründe zu sichern, da sie befürchten, aufgrund gelungener medikamentöser Einstellung von ADHS-Betroffenen (ein kleinerer Anteil von ca 10- 20 % sind Nonresponder..) Patienten zu verlieren, die sie bislang in langwierigen Sitzungen, z.T. unter Einbeziehung des umgebenden Systems, erfolglos behandeln?

Warum arbeiten die ADHS-Kritiker nicht wissenschaftlich seriös?

Warum dokumentieren sie die Ergebnisse ihrer Arbeit nicht (bitte nicht so naiv-stümperhaft wie die von Dammasch beschriebene Kasuistik! ) - Dazu würden auch Langzeit-Surveys gehören, was in der Folge mit ihren vordergründig "erfolgreich" stabilisierten Patienten geschieht.

Dazu gehört vor allem, dass sie sich selbst dazu herablassen, überhaupt die gängigen Diagnosekriterien zu akzeptieren, um sie ihren Studien zugrunde zu legen - unabhängig davon, ob man von diesen Kriterien überzeugt ist oder nicht, sollte man vermeiden, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

All das geschieht aber nicht, sondern es werden abenteuerliche argumentative Konstruktionen bemüht, mit Dreck geworfen und über Zitierseilschaften ein krampfhafter Binnenkonsens hergestellt.

Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe mir seitenweise Veröffentlichungen von v. Lüpke, Voß etc ausgedruckt und als erstes die Literaturverzeichnisse studiert.
Das ist alles ein Trauerspiel!

Die Referenzen auf Gerald Hüther als "Hirnforscher" und "Neurowissenschaftler" setzen dem Ganzen die Krone auf.
Unseriöser und peinlicher kann es nicht mehr werden - sieht man von dem beleidigten und herablassenden Gehabe der Schmidt-Clique mal ab.

Und das alles im Namen des Kindeswohls...  :o

P.Stibbons

ZitatK&E: Das Kuratorium-ADHS bemängelt:

"Die Herstellung eindimensionaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge beim Krankheitsmodell ADHS bleibt hinter den aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung zurück. Dies ist antidialogisch und antipädagogisch."

ZitatK&E: Und dabei besagen sie sogar noch mal ausdrücklich, dass das biologische Paradigma hinter der aktuellen Hirnforschung zurückhängt. Das ist natürlich eine harsche, aber völlig richtige Kritik.

Na, da bin ich aber mal gespannt! Welche "aktuellen Erkenntnisse der Hirnforschung" wären das denn, hinter denen zurück geblieben wird?

Und wo ist an der derzeitigen Auffassung des Störungsbildes gemäß DSM IV und demnächst V etwas "eindimensional", nachdem doch der DSM V (in Fortführung erster Ansätze des DSM IV) mit zusätzlich eingeführten Achsen gerade die einseitig "kategorische" Sicht auf Störungsbilder zu einer mehr dimensionalen Sichtweise erweitert?

Auch das von Döpfner et al entwickelte biopsychosoziale Entstehungsmodell für ADHS ist alles andere als eindimensional, und wenn Sie die gängige Fachliteratur nur mal lesen würden statt wild zu spekulieren und generell erst mal  Inkompetenz zu unterstellen, dann könnten Sie erkennen, dass die Behauptungen von Schmidt et al absurd sind.
Ich sehe es jedoch nicht als meine Aufgabe an, Ihnen dies hier auch noch häppchenweise vorzukauen - es ist Ihre Verpflichtung, sich fortzubilden.

Sie wissen offenbar gar nicht, wovon Sie sprechen, sondern vertrauen darauf, dass die Ihnen vorgesetzten Argumente der ADHS-Denialisten schon Hand und Fuß haben werden.

Nudelsalat

Aus dem Institut für Geschichte der Medizin der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.



Zitat2.2. Das Emma Pendleton Bradley Hospital


George Lathrop Bradley war der Begründer des Emma Pendleton Bradley Hospitals. Seine einzige Tochter Emma (geb. 1880) erkrankte mit sieben Jahren an

einer Encephalitis, die schwere Schäden, darunter Wesenveränderungen, Epilepsie und cerebrale Lähmungen hinterließ. Die Familie Bradley suchte nun für

ihre Tochter die beste Behandlung, fand sie aber nicht, da zu dieser Zeit die Neuropsychiatrie kaum
entwickelt war und Behandlungsmöglichkeiten für in dieser Art erkrankter Kinder vollkommen fehlten.
Aus diesem Grunde beschlossen sie, ein kleines Krankenhaus in ihrem Haus mit einem Arzt und mehreren Krankenschwestern zu gründen. 1906 starb George

Lathrop Bradley, ein Jahr später seine Tochter, deren Zustand sich seit der damaligen Erkrankung nicht wesentlich verbessert hatte. Aufgrund ihrer

Erfahrungen hatten die Bradleys beschlossen, nach ihren Tod ihr Vermögen für ein Krankenhaus zu verwenden, um dort Kindern mit ähnlichen Erkrankungen

wie die ihre Tochter eine medizinische Versorgung und vor allem, um weitere Forschung zu ermöglichen. Nach dem Tod von Frau Bradley 1919 wurde mit der

Umsetzung dieses Wunsches begonnen.
1931 wurde das Emma Pendleton Bradley Hospital in Rhode Island, East Providence eröffnet.


2.3. Erster Einsatz von Amphetamin in der Behandlung verhaltensauffälliger Kinder

Das Emma Pendleton Bradley Hospital unterstand seit Mitte der 30er Jahre Charles Bradley, M.D., einem entfernten Cousin von George Lathrop Bradley.

Charles Bradley war Kinderarzt, hatte Neurologie in Philadelphia studiert und betrieb sehr interessiert Hirnforschung an dieser Klinik.
Da viele Kinder dieses Krankenhauses unter Schmerzen litten, verabreichte ihnen Bradley Benzedrin, um ihre Stimmung aufzuhellen. Dabei machte er eine

überraschende Entdeckung. Benzedrin, ein zentrales Stimulans, das seinen Einsatz bei Erwachsenen fand und dessen stimmungsaufhellende Wirkung bekannt

war, erzeugte bei den behandelten Kindern eine Konzentrationssteigerung, und hyperaktive Kinder schienen ruhiger zu werden. Es schien eine paradoxe

Wirkung zu sein: Ein antriebssteigerndes Medikament für Erwachsene wirkte bei Kindern beruhigend. Pharmakotherapeutische Erfahrungen bei Kindern gab es

zu dieser Zeit kaum, sodass Bradley die Wirkung des Benzendrins daraufhin an 30 verhaltensauffälligen Kindern mit normaler Intelligenz zwischen 5 und 14

Jahren, die stationär im Krankenhaus waren, untersuchte. Die Versuchsdauer betrug eine Woche. Die Dosis von Benzedrin lag zwischen 10 und 20mg.

Beurteilt wurde die Wirkung der Substanz auf die Kinder von Ärzten, Krankenschwestern und Lehrern der Kinder. Seine Befunde veröffentlichte er 1937 im

angesehenen American Journal of Psychiatry unter dem Titel ,,The Behavior of children receiving Benzedrine". Für

Bradley die erstaunlichste Veränderung waren die schulischen Leistungen. Die von ihm behandelten Kinder zeigten deutliche Veränderung im Bezug auf ihre

Aufmerksamkeit und Konzentration. Er beschrieb seine Entdeckung folgendermaßen:
"Possibly the most striking change in behavior during the week of benzedrine therapy occurred in the school activities of many of these patients.

Fourteen children responded in a spectacular fashion. [...]. Speed of comprehension and accuracy of performance were increased in most cases. [...]. The

improvement was noted in all school subjects. It appeared promptly the first day Benzedrine was given and disappeared on the first day it was

discontinued."31
Zusammenfassend schloss Bradley aus dieser Studie, dass 50 % der Patienten positiv auf die Substanz reagiert hatten, 47% keine Veränderungen zeigten und

nur bei 3% hatte sich unter der Einnahme von Benzedrin die Symptomatik verschlechtert. Aufgrund dieses vielversprechenden Behandlungsversuchs hoffte

Bradley auf eine Diskussion in der Fachwelt und weitergehenden Forschungen. Dies drückte er in seiner Arbeit wie folgt aus: "In spite of the attractive

results obtained in this small group of patients, and the apparent low toxicity of the drug as evidenced by its prolonged use in the hands of other

observers, it seems wise to await more complete knowledge of the action of Benzedrine before recommending its clinical use in the behavior problem

children."32 Doch zu dieser Zeit erregte die Studie nicht allzu viel Aufsehen. Es scheint so als hätte lediglich die paradoxe Wirkung des Benzedrins
verwundert, ohne dass die grundlegende Bedeutung von Bradleys Beobachtungen ernsthaft diskutiert worden wäre.


http://www.aerzteblatt.de/archiv/40288

http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/1654/pdf/probe.pdf