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FAZ zum Zusammenhang Mumps und Eierstockkrebs

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Begonnen von Wolleren, 24. November 2010, 21:17:05

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Wolleren

Anstatt wie Impfgegner Kinderkrankheiten zu bejubeln, kann man auch seriöse Forschung betreiben und z.B. den Schluss ziehen, dass die Verbesserung von Impfungen eine ständige Aufgabe ist.

Die FAZ schreibt in der heutigen Ausgabe (24.11.2010, auf Seite N2, Autor "mls". Hervorhebungen von [mir]):

Mumps schützt wirklich vor Eierstockkrebs
Der Zusammenhang ist jetzt endlich aufgeklärt worden.

Wenn sich das Abwehrsystem bei einer Infektion mit Erregern auseinandersetzt, bleibt ein Engramm im Immungedächtnis zurück, das bei einem späteren Zusammentreffen von großem Vorteil ist: Man kennt den Gegner und kann ihn rasch unschädlich machen. Auf diese hauptsächliche Leistung der Immunantwort zielen Impfungen ab. Darüber hinaus werden jedoch zusätzlich Immunvorgänge angestoßen, die gemeinhin weder auffallen noch interessieren. Impfkritiker berufen sich indes mit Vorliebe auf eine schützende Wirkung dieser wenig greifbaren Phänomene, die mit der Impfung verlorengehe. Allerdings bleibt es oft bei der vagen Behauptung, die Abwehr würde schlicht fitter. Konkrete Belege hierfür, die wissenschaftlich stichhaltig sind, findet man selten. Eine ausnahme ist die jüngste Arbeit amerikanischer, britischer und kanadischer Forscher, die von Daniel Cramer an der Harvard-Universitätsklinik in Boston koordiniert wurde,. Sie liefern eine elegante Beweisführung, die die schützende Wirkung einer durchstandenenen Mumpserkrankung von Eierstockkrebs erklärt.

   Die Wissenschaftler haben hierfür 161 Mumpskranke untersucht [Anm.: ich gehe davon aus, dass die Stichprobe nicht zensiert ist dadurch, dass man an Mumps Verstorbene nicht in die Erhebung aufnehmen konnte], die alle während einer Mumpsinfektion eine Entzündung der Ohrspeicheldrüse, der Parotis, aufwiesen. Gemessen wurde die Konzentration sogenannter anti-MUC1-Antikörper. Diesen Marker wählte man aus, weil er ein theoretisches Bindeglied zwischen der Speicheldrüse einerseits und den Eierstöcken andererseits darstellt. Das Eiweiß MUC1 zirkuliert normalerweise nur in geringen Mengen im Blut, meist liegt es in einer Form vor, die viele Zuckerverbindungen aufweist. Es stammt aus Oberflächenzellen der Genitalorgane, den Gängen der Brustdrüse, aber auch aus dem Magen-Darm-Trakt. Von bestimmten Tumoren hingegen wird eine Variante mit wenigen Zuckerverbindungen in größeren Mengen produziert. Sie tritt etwa in Eierstöcken, aber auch bei Brustkrebs auf.

   Manche entzündlichen Veränderungen in jenen Geweben, die MUC1 in geringen Mengen und vielfach an Zucker gebunden herstellen, bewirken offenbar [oh FAZ! wirklich "offenbar"? Schande!], dass bei Entzündungen oder Infektionen ebenjene Variante, die sonst bevorzugt aus Krebszellen stammt, vermehrt produziert wird. Das hatte man zuvor in Harvard zum Beispiel nach Operationen an den Eileitern oder bei Entwündungen der Brustdrüse beobachtet und als mögliche Erklärung für den dann ebenfalls größeren Schutz vor Eierstockkrebs gedeutet. Das heißt nämlich, dass den Abwehrzellen bereits durch solche vergleichsweise harmlosen Entzündungen exakt jene Proteine präsentiert werden, die später auch den Tumor kennzeichnen - sie sind gleichsam vorgewarnt.

   Speicheldrüsen zählen nun ebenfalls zu jenen Organen, die normalerweise MUC1 in geringen Mengen und in jener Form abgeben, die nicht für Karzinomzellen kennzeichnend ist. Anhand der Proben von den Mumpskranken konnte man jetzt nachweisen, dass während der Entzündung der Ohrspeicheldrüse oder kurz danach deutlich höhere Antikörper gegen die tumorähnliche Form des MUC1 im Blut zu finden sind ("Cancer Causes Control", Bd. 21, S. 1193). Eine Mumpsimpfung erzeugt lediglich Antikörper gegen die Mumpsviren, Antikörper gegen MUC1 entstehen nur, wenn die Ohrspeicheldrüse tatsächlich entzündet ist. Damit bietet sich erstmals eine Erklärung für einen bereits lange beobachteten Zusammenhang. Vor der Masern-Mumps-Röteln-Impfära hatten Frauen, die an Eierstockkrebs erkrankt waren, häufiger als durch Zufall erklärbar als Kind keine Mumpsinfektion durchgemacht. Daraus hatte man errechnet, dass eine Mumpserkrankung das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, um etwa ein Fünftel senkt. Die neue Studie holt mithin die Erklärung für ein altbekanntes Phänomen mit Verspätung nach.

Federvieh

Das hieße aber auch, daß man möglicherweise einen angriffspunkt für eine präventionsimpfung für eierstockkrebs gefunden hat, oder?

Conni

@Eule, dran habe ich auch gedacht.


Aaber, warum nur gefällt mir der Begriff "Engramm" nicht..... ?

http://www.ingo-heinemann.de/Engramm.htm


Conni

Ich weiß. Andererseits ist der Begriff untypisch für die Bezeichnung des immunologischen Gedächtnisses, dass er mir gleich auffiel.

Federvieh

Guck mal, die Autoren haben dieselbe idee:

ZitatUnderstanding the scope of and basis for the potential benefits of childhood infections may allow immunologists to duplicate the beneficial effects at the same time that vaccination provides the means for avoiding a natural infection and its possible immediate consequences. Further study of individuals going through a mumps infection, especially with a focus on mucin immunity, may provide clues to mechanisms for duplicating the beneficial effects of mumps parotitis suggested by this study.

Engram wird jedenfalls in der Studie selbst nicht verwendet.  Sagt dann wohl eher etwas über den Autor der FAZ aus. Vielleicht wollte er sie es auch nur schlau wirken?

Schwierig wird es natürlich auch mit der Abwägung: Mumpsinfektion kann zur Sterilität führen, bei Frauen durch Eileiterverklebungen und -entzündungen, andereseits scheint es Eierstockkrebs vorzubeugen. Hm, also, ich würde impfen, Kinderbekommen und im Krebsfall nach abgeschlossener Familienplanung mir die Reproduktionsorgane entfernen lassen. Wäre mir lieber, als keine Kinder zu bekommen, aber dafür auch keinen Krebs.

Wäre ich eine Frau, wäre das vermutlich meine Abwägung. Als Mann jedoch, ziehe ich die Impfung sowieso vor. Eierstockkrebs ist da kein Problem, Unfruchtbarkeit jedoch schon ;)

Wirsing

Das ist mal wieder eine schöne Form des unwissenschaftlichen Journalismus. Wenn diese Studie tatsächlich einen entsprechenden Kausalzusammenhang belegen sollte (ich werd mir diese gerne und sehr genau durchlesen), dann ist die Aussage, daß Mumpsinfektionen gegen einen bestimmten Krebs schützen zwar berechtigt, hat jedoch mit Impfungen nur insoweit zu tun, daß man sich überlegen sollte, ob man einem Impfstoff entspechende Antigene zusetzen sollte und wie genau diese konzipiert sein müßten. Ein Gegenargument für eine Impfung ist diese Beobachtung jedenfalls nicht.

Federvieh

Interessant in diesem Zusammenhang:

Zitat20.

Am J Obstet Gynecol. 1983 Sep 1;147(1):1-6.
Mumps, menarche, menopause, and ovarian cancer.

Cramer DW, Welch WR, Cassells S, Scully RE.
Abstract

Clinical history of mumps during childhood, age at menarche, and age at natural menopause were obtained in 119 postmenopausal women with ovarian cancer and 109 postmenopausal control subjects from the general population. Case subjects differed significantly from control subjects in being less certain whether they had had mumps and in being less likely to recall the age at infection. In both groups, a significant inverse correlation was observed between age at menarche and menopause in subjects with a positive clinical history for mumps but not in subjects with a negative clinical history for mumps. The correlation was strongest in case subjects who said they had had mumps, especially those who were nulliparous. [Ohne Schwangerschaft] We speculate that the mumps virus may be a determinant of reproductive span and, through its potential to cause a depletion of oocytes, increase the risk for ovarian cancer.

PMID: 6614075 [PubMed - indexed for MEDLINE]

Oder auch in diesem Fallbericht:

ZitatFertil Steril. 1981 Mar;35(3):317-20.
Familial 46,XX gonadal dysgenesis.

Aleem FA.
Abstract

Two sisters, ages 16 and 17, presented with secondary amenorrhea [Unfruchtbarkeit]. In addition, primary ovarian failure, gonadal dysgenesis, and normal karyotypes were demonstrated. The most significant finding was a history of mumps, which they caught at the same time, 10 years before the onset of the amenorrhea. This disorder suggests that etiologic and environmental factors could prevail either in utero or during childhood. These patients are presented to emphasize the importance of considering gonadal dysgenesis as a differential diagnosis in patients with secondary amenorrhea, especially when the menstrual life has been a short one.

PMID: 7202756 [PubMed - indexed for MEDLINE]


@Kohl
ZitatEin Gegenargument für eine Impfung ist diese Beobachtung jedenfalls nicht.

Das geht auch aus der Publikation m.E. nicht hervor. Wie ich schon oben zitierte, ist das Ergebnis eher als Anstoß zu sehen, inwiefern man diese Erkenntnis sich zur Vorbeugung zu Nutze machen kann. In Anbetracht der Nachteile einer durchlebten Mumpsinfektion für Männlein wie Weiblein, was die Familienplanung angeht, ist an der Impfung auch nicht zu rütteln.

Wolleren

Zitat von: nachteule am 24. November 2010, 22:45:02
@Kohl
ZitatEin Gegenargument für eine Impfung ist diese Beobachtung jedenfalls nicht.

Das geht auch aus der Publikation m.E. nicht hervor. Wie ich schon oben zitierte, ist das Ergebnis eher als Anstoß zu sehen, inwiefern man diese Erkenntnis sich zur Vorbeugung zu Nutze machen kann. In Anbetracht der Nachteile einer durchlebten Mumpsinfektion für Männlein wie Weiblein, was die Familienplanung angeht, ist an der Impfung auch nicht zu rütteln.
Psst, nachteule, der Kohl meinte wohl nur die reißerische Überschrift in der FAZ, die nicht einmal durch den Artikel gerechtfertigt ist. Aber immerhin meine Aufmerksamkeit erregt hatte.

Federvieh

Ah ja, und ich danke Dir, daß Du den Artikel uns zur Kenntnis gebracht hast. Ist ja nicht jeder FAZ Leser. Und reißerisch ist das in der Tat.

Wolleren

Zitat von: nachteule am 25. November 2010, 10:47:49
Ah ja, und ich danke Dir, daß Du den Artikel uns zur Kenntnis gebracht hast. Ist ja nicht jeder FAZ Leser. Und reißerisch ist das in der Tat.
Bei sowas geht es auch um Themenherrschaft. Jetzt können Tolzin und GNMler, Brunnenvergifter und echte Mörder nicht mehr unwidersprochen behaupten, mit Mumps könne man Krebs heilen oder Mumpskinder kriegten keinen Krebs - und wie gerne sie das tun würden, wissen wir. Nicht dass sich die Irren redlich informieren würden, aber in 2-3 Jahren würde es so ein Gerücht  selbst bis zu ihnen schaffen.

Oda

ZitatDie Wissenschaftler haben hierfür 161 Mumpskranke untersucht


Vielleicht waren das alles Männer.. :o

Federvieh



Wolleren

Zitat von: nachteule am 02. Dezember 2010, 11:41:19
Ah ja,

es macht die runde unter den anthros:

Ja, und zwar genauso wie gedacht: Die können nicht mal bis zum Ende lesen, sondern kommen nur bis zur Überschrift. (So gut der FAZ-Artikel ist, so anthro-gefällig war die Überschrift)
Bin ja gespannt, mit welchen Argumenten die Anthros die Röteln-Infektionen von Schwangeren verteidigen werden, Karma wahrscheinlich.