Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Medien (tv, radio, dvd, kino usw...)

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von nihil jie, 01. Oktober 2008, 17:25:22

« vorheriges - nächstes »

bayle

Zitat von: sweeper am 16. Januar 2013, 19:34:20
@ bayle:
Wenn ein Patient Zeichen eines Verschlusses einer Hirnarterie zeigt ( und dazu kann auch Schwindel gehören - der wäre für sich genommen aber unspezifisch), dann würde man versuchen, diesen Verschluß zu beseitigen.
Das ist so pauschal schlicht falsch. Verschlüsse von hirnzuführenden Arterien sind je nach Lokalisation und Zeitpunkt völlig unterschiedlich zu behandeln. Der "Schwindel", z. B. i. R. einer Angst-Attacke, also mit Palpitation, steht hier als Beispiel für eine unspezifische Symptomatik, die mit völliger Überdehnung der eigentlichen klinischen Bedeutung auch als Angina pectoris (miss-)deutet werden kann und dann als "Alibi" für eine gut bezahlte invasive Diagnostik herhalten muss. War das jetzt deutlicher?

sweeper

@ bayle:

Naja, es gibt bestimmte diagnostische Routinen, die ablaufen.
Man würde bei einem Notfall - also bei einem solchen Patienten, der in die Notaufnahme gebracht wird, wie du es konstruiert hast - natürlich erst mal was Organisches ausschließen, bevor man an einen Angstanfall denkt. Die Palpitationen hast du noch flugs hinzugedichtet. Die lassen sich natürlich durch ein EKG schnell von gefährlichen Rhythmusstörungen abgrenzen.

Schwindel und Palpitationen reichen schlicht nicht als Begründung für eine invasive Diagnostik.


Mir ist immer noch nicht klar, was du eigentlich sagen willst mit deinem Beispiel.
Ich halte es für an den Haaren herbeigezogen.


With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

bayle

Halte es für was Du willst. Es ist realistisch. Und das Thema ist "Invasive / Gefährliche / Teure Überdiagnostik infolge ökonomischen Drucks".

Binky

http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin/ueberfluessige-gefaessstuetzen-zuviel-hilfe-fuers-herz-11682949-b2.html

ZitatDass verengte Herzkranzarterien oft unnötigerweise mit Herzgefäßstützen, sogenannten Stents, versehen werden, ist in medizinischen Fachkreisen ein offenes Geheimnis. Was indes viele nicht ahnen: Das Ausmaß der Überversorgung liegt vermutlich noch weitaus höher als vermutet. Denn Stent-Implantationen scheinen, zusätzlich zu der ohnehin erforderlichen Arzneimitteltherapie, einem erheblichen Anteil der Betroffenen überhaupt keinen Nutzen zu bringen.

Was schon früher gelegentlich beobachtet wurde, zeigen nun auch die Ergebnisse einer von amerikanischen Forschern vorgenommenen Analyse. Eingegangen sind darin die Daten von acht Studien, an denen zusammen 7229 ältere Männer und Frauen mit stabiler koronarer Herzkrankheit beteiligt gewesen waren. Bei ihnen besteht keine unmittelbare Gefahr, dass einer der Gefäßablagerungen aufbricht und einen Infarkt auslöst. Was das Protokoll der acht Studien betrifft, waren alle Studienteilnehmer mit den gängigen Arzneimitteln behandelt worden. Eine Hälfte von ihnen hatten die Ärzte darüber hinaus mit Gefäßstützen versorgt. Wie die Kardiologin Kathleen Stergiopoulos vom University Medical Center in Stony Brooks  in New York und ihr Kollege David Brown in den ,,Archives of Internal Medicine" (Bd. 172, S. 312) schreiben, erlagen im Verlauf von etwas mehr als vier Jahren neun Prozent aller Patienten einem schweren Leiden - und das unabhängig davon, ob sie lediglich Medikamente eingenommen oder sich obendrein einer Stent-Implantation unterzogen hatten.

Auch erlitten in beiden Gruppen ähnlich viele Probanden einen Herzinfarkt. Keinen nennenswerten Unterschied gab es zwischen den Kollektiven ferner, was die Häufigkeit schmerzhafter Durchblutungsstörungen des Herzmuskels am Ende der Beobachtungszeit angeht. So klagten jeweils rund 30 Prozent der Teilnehmer weiterhin über Anfälle von Brustenge, eine Angina pectoris. Indes zählt die Beseitigung derartiger Beschwerden zu den wichtigsten Gründen für die Implantation von Herzgefäßstützen.

Grundsätzlich verbessert die Aufweitung verengter Herzadern mit einem Stent oft die Brustenge sofort, während die einschlägigen Medikamente erst nach einiger Zeit wirken. Allerdings sei eine sachgerechte Arzneimitteltherapie oft in der Lage, die Entstehung einer Angina pectoris von vorneherein zu verhindern, sagt Martin Middeke vom Hypertoniezentrum München. Viele Patienten erhielten gleichwohl nicht die nötigen Medikamente. Auch andere Maßnahmen würden zu wenig berücksichtigt. Hierzu zählen etwa mehr körperliche Bewegung und das Abspecken. Wie Middeke hinzufügt, können auch zu hohe Blutdruckwerte eine Angina pectoris hervorrufen. In dem Fall beruhten die Beschwerden auf dem Unvermögen der Kranzarterien, den krankhaft verdickten Herzmuskel - eine Folge des ständigen Überdrucks - ausreichend zu ernähren. Mit einer konsequenten Hochdrucktherapie ließen sich die Beschwerden wirkungsvoll angehen.

Wie William Boden vom Department of Medicine am Veterans Affairs Medical Center in Albany/New York in einem Editorial anmerkt, ist es an der Zeit, die koronaren Stents gezielter einzusetzen. Nachweislich von Vorteil seien diese lediglich für Patienten mit akuter Herzattacke. Demgegenüber kommen sie Personen mit stabiler koronarer Herzkrankheit kaum zugute. Schon früher hätten einige Forscher einschlägige Bedenken geäußert, doch seien ihre kritischen Stimmen ungehört verhallt. Zu den Gründen hierfür dürfte laut Boden die verbreitete Neigung zählen, an persönlichen Überzeugungen und liebgewonnenen Praktiken festzuhalten. Zudem gibt es immer noch falsche finanzielle Anreize. So begünstigt das derzeitige Vergütungssystem die Tendenz, Maßnahmen wie die Implantation von Stents eher häufiger als seltener vorzunehmen.

und

http://extranet.medical-tribune.de/volltext/PDF/2005/MTD_Kolloquium_Fortbildung/07/Kollo_07_S10_11.pdf

ZitatÜber 600 000 Patienten absolvieren jährlich eine Herzkatheter- untersuchung. Doch bei jedem Fünften bringt die invasive Untersuchung keinen therapeutischen Nutzen.

Dr. Ici Wenn

Zitat von: sweeper am 16. Januar 2013, 19:12:26
also muss immer die Frage nach den Alternativen besprochen werden, bevor man pauschal über zu häufige Stents klagt.

Jane, klar, dass ev. zuviel gestentet wird, kann man erst mit den Fragen nach den Alternativen beantworten. So argumentieren Homöopathen auch.

Ok, hast gewonnen, mir wird es zu blöd, nimm Dir ein Bonbon.

bayle

Zitat von: Binky am 16. Januar 2013, 20:00:53
http://extranet.medical-tribune.de/volltext/PDF/2005/MTD_Kolloquium_Fortbildung/07/Kollo_07_S10_11.pdf
ZitatÜber 600 000 Patienten absolvieren jährlich eine Herzkatheter- untersuchung. Doch bei jedem Fünften bringt die invasive Untersuchung keinen therapeutischen Nutzen.
Binky, die Dinge liegen aber doch noch komplizierter. Wenn es gar keine negativen Befunde gibt, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass die Indikationsstellung zu eng war, denn dann ist die Untersuchung mit Sicherheit bei etlichen unterlassen worden, bei denen sie sinnvoll gewesen wäre. Schließlich stehen Sensitivität und Spezifität einer Untersuchung in einem gewissen Gegensatz. Für manche Interventionen kann man diese Zusammenhänge auch mathematisch darstellen; das nennt man ,,receiver operating characteristic (ROC) curves".

Binky

...womit wir beim Thema Qualitätsmanagement und Evaluation wären.

sweeper

Zitat von: Dr. Ici Wenn am 16. Januar 2013, 20:02:41
Zitat von: sweeper am 16. Januar 2013, 19:12:26
also muss immer die Frage nach den Alternativen besprochen werden, bevor man pauschal über zu häufige Stents klagt.

Jane, klar, dass ev. zuviel gestentet wird, kann man erst mit den Fragen nach den Alternativen beantworten. So argumentieren Homöopathen auch.

Ok, hast gewonnen, mir wird es zu blöd, nimm Dir ein Bonbon.

"Alternativen" meint bei AVK und/ oder KHK:
Kriegt man noch ausreichende Durchblutung/ O2 - Versorgung in den bedrohten Arealen hin mit den üblichen konservativen Mitteln  ( was einen sehr motivierten und disziplinierten Patienten voraussetzt) oder muss man die vorhandene Stenose anderweitig überbrücken?
"Anderweitig" heißt dann eben Rekanalisierung, Stent oder Bypass.

Auch hier wieder gibt es eine Risiko- Nutzenabwägung.
In der Praxis heißt das für die AVK u.U., die Offenhaltezeit gegenüber einem Amputationsrisiko  abzuwägen. Wenn das in der Sendung auch so vermittelt wurde, ist doch alles ok.
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

bayle

Zitat von: Binky am 16. Januar 2013, 20:24:09
...womit wir beim Thema Qualitätsmanagement und Evaluation wären.
Trocken aber wichtig. Und man muss aufpassen: "Qualitätsmanagement" kann auch sinnlos sein. Im ambulanten Sektor in Deutschland ruht da gerade still der See, nachdem zwei, drei Jahre lang Hektik war und ganze Industriezweige entstanden sind. Aber pssst ...

Dr. Ici Wenn

Zitat von: bayle am 16. Januar 2013, 20:45:03
Trocken aber wichtig. Und man muss aufpassen: "Qualitätsmanagement" kann auch sinnlos sein.

Qualitätsmanagement ist im Übrigen einer der am meisten missverstandenen Begriffe. Qualität bezieht sich hier auf die Stabilität und Sicherheit von Abläufen. Ob diese Abläufe an sich sinnvoll sind, besondere Qualität etc. haben, ist nicht das Thema.

bayle

Zitat von: Dr. Ici Wenn am 16. Januar 2013, 21:56:13
Zitat von: bayle am 16. Januar 2013, 20:45:03
Trocken aber wichtig. Und man muss aufpassen: "Qualitätsmanagement" kann auch sinnlos sein.
Qualitätsmanagement ist im Übrigen einer der am meisten missverstandenen Begriffe. Qualität bezieht sich hier auf die Stabilität und Sicherheit von Abläufen. Ob diese Abläufe an sich sinnvoll sind, besondere Qualität etc. haben, ist nicht das Thema.
Genau. Deswegen sag ich ja: "Psst, keine schlafenden Hunde wecken!". Im Ernst: als ich mich mal mit den gesetzlichen Grundlagen befasst habe, ist der G-BA sehr in meiner Achtung gestiegen. Er hat es klug verhindert, dass es ernsthaft hätte lästig werden können. Die Ärztekammer z. B. wollte so eine Art Industrie-Norm einführen, aber der G-BA hat das geblockt mit dem Argument: Nutzen nicht empirisch belegt. Außerdem ist die Nicht-Erbringung nicht mit Sanktionen belegt. Danke, G-BA!

Nogro

Es genügt nicht, keine Ahnung zu haben. Man muss auch dagegen sein (Hermann Hinsch)

Dr. Ici Wenn

Zitat von: Nogro am 18. Januar 2013, 12:35:00
Klimalügner auf Spon?
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/stillstand-der-temperatur-erklaerungen-fuer-pause-der-klimaerwaermung-a-877941.html

Öhm, ich sehe jetzt nicht, dass da wer leugnet, dass es ein Klima gibt. Die Daten der NASA, auf die sich alle berufen, und die wohl am zuverlässigsten sind, zeigen nun mal, dass es seit 15 Jahren nicht wärmer geworden ist. Dies haben die Klimamodelle nicht vorhergesehen. Was bei Modellen, die so ultrakomplexe Abläufe simulieren, auch nicht weiter verwunderlich ist. Die ganze Sache zeigt nur den alten Hut, dass Prognosen schwierig sind, speziell, wenn sie die Zukunft betreffen.


bayle

ZitatIm Zusammenhang mit diesem Verfahren [kathetergestützte Aortenklappenimplantation] gibt es aber zurzeit auch ökonomische Anreize für die anwendenden Zentren. Gerade deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass die neue Methode mit einer systematischen, unabhängigen (!), akademischen Forschung nach der Zulassung evaluiert wird, um herauszufinden, welche Patientengruppen wirklich davon profitieren und welche strukturellen Voraussetzungen die Einrichtungen haben müssen, die ein solches Verfahren anwenden.
...
Ein ähnliches Vorgehen wäre insbesondere auch für viele neue, oft teure Therapieverfahren in der Onkologie nach der Zulassung dringend geboten.
...
Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin wird in den kommenden Monaten verstärkt darauf einwirken, dass Strategien entwickelt werden, welche die Versorgungsforschung und Therapieoptimierungsstudien fördern, um eine unabhängige Bewertung neuer Verfahren in der Medizin zu erlauben.
...
[Hallek M: Große Bedeutung einer unabhängigen klinischen Forschung für die Evaluation neuer Therapieverfahren. DOI 10.1055/s-0032-1332863. Dtsch Med Wochenschr  2013;1380:167]