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Gottesfurcht hinterm Deich: Die Calvinisten in den Niederlanden

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Begonnen von cohen, 05. Oktober 2009, 09:52:37

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cohen

Das war ganz interessant am Samstag:
ZitatGottesfurcht hinterm Deich
Die Calvinisten in den Niederlanden
Von Kerstin Schweighöfer

Sie lassen ihre Kinder nicht impfen und brauchen sich auch nicht versichern zu lassen. Krankheiten, Unfälle und Naturkatastrophen sind eine Strafe Gottes. Gegen die Einführung verkaufsoffener Sonntage haben sie vergeblich gebetet, denn der Sonntag ist der Tag des Herrn. Auch Radiohören oder Fernsehen sind tabu. Und wenn die Deiche halten, ist das weniger der Kunst der Wasserbauingenieure zu verdanken, sondern der Gnade Gottes.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/gesichtereuropas/1035397/

Da war alles dabei.:

"Die orthodoxen Christen finden Radiohören schädlich, Fernsehen erst recht, und sonntags
darf weder Rasen gemäht noch das Auto gewaschen werden. Parteiämter für Frauen sind
tabu, Glückspiel und Krematorien auch. Das streng calvinistische Städtchen Staphorst
würden manche als fundamentalistisch bezeichnen. Die Einheimischen, sogenannte
Schwarzstrümpfler, sprechen lieber von Pflicht und Ordnung: "


Sogar Poliinfektion durch Impfverweigerung mit schlimmen Folgen:

"Rund 30.000 Niederländer sind nicht geimpft. Deshalb brechen immer wieder Krankheiten
aus. Beim letzten Ausbruch von Kinderlähmung 1993 erlitten 59 Menschen Lähmungen,
darunter Elisabeth Knöps' beste Freundin: 

"Sie erwartete damals gerade ihr achtes Kind! Sie musste ins Krankenhaus und sitzt seitdem
im Rollstuhl. Aber sie hat noch vier Kinder gekriegt, und heute sind sie alle glücklich, Mutter,
Vater und Kinder!"


Dass ihre Freundin nicht mehr laufen kann, sei nicht so schlimm – im Gegenteil: Sie wolle es
gar nicht mehr anders: 

"Es hat ihr gut getan, das hat sie gebraucht!  Wenn es uns zu gut geht, vergessen wir den
Herrn!"

Ihr Ehemann Pieter erkrankte als Kind an Kinderlähmung, aber er hatte Glück - er hinkt
seitdem nur ein bisschen. Dass er jetzt seine eigenen Kinder ganz bewusst diesem Risiko
aussetzt, nimmt die ganze Familie in Kauf. Wer älter ist als 16, hat in den Niederlanden zwar
seit 1998 das Recht, sich auch gegen den Willen seiner Eltern impfen zu lassen. ,,Aber warum
sollten wir?" fragt Cornelis, der zweitälteste Sohn. Er ist 19 und studiert Agrarwissenschaften:   

"Gott bestimmt unser Leben. Wenn er uns an Kinderlähmung erkranken lässt, sollten wir das
akzeptieren und uns besser fragen, warum - nämlich, um uns in unserem Glauben noch zu
bestärken!"
"

http://www.dradio.de/download/110905/

Schau-ma-amoi

Eigentlich fehlen mir über so viel Wahnsinn die Worte und meine Erfahrung beruhigt mich, dass solch Dünnschiss nicht mehrheitsfähig ist.

Wie kann doch Glaube und Ideologie verblenden. Man erkennt, wie inhuman und lebensverachtend solche "ideellen" Gebilde sind.

Roland K.

"Gott bestimmt unser Leben. Wenn er uns an Kinderlähmung erkranken lässt, sollten wir das
akzeptieren und uns besser fragen, warum - nämlich, um uns in unserem Glauben noch zu
bestärken!"

Grübel stutz, und was muss passieren, dass sich diese Menschen durch ein Ereignis belehren lassen und anfangen, an ihrem Glauben zu zweifeln?

Wie auch immer, meiner Ansicht nach sind die politischen Parteien dazu aufgefordert, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die Kinder dieser Gläubigen in staatliche Obhut zu nehmen.

mfg
Roland K.

Elke

Und so wird der Calvinismus verklärt:



ZitatRede des Chefs des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Thomas de Maizière, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Calvinismus. Die Reformierten in Deutschland und Europa" im Deutschen Historischen Museum


Di, 31.03.2009

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Exzellenzen,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Niederlande zählen zu unseren wichtigsten Partnern in der Europäischen Union. Die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern sind eng und freundschaftlich. Die Menschen in beiden Ländern sind – bis auf einen einzigen ganz kleinen Punkt, den Fußball – eng und freundschaftlich verbunden. In der Vergangenheit sind sich Deutschland und die Niederlande in allen wichtigen außen- und europapolitischen Fragen einig gewesen. Ich bin sicher und vertraue darauf, dass wir diese gute Zusammenarbeit auch in den kommenden Jahren fortführen werden.

Die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise stellt uns alle vor große Herausforderungen. Die Bundeskanzlerin und Sie, Herr Ministerpräsident, haben dies in Ihrem gemeinsamen Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits deutlich gemacht: Die Krise birgt auch die Chance, die Dinge zum Besseren zu wenden. Dieser Gedanke sollte uns demnach auch auf dem Londoner G20-Gipfel am 2. April 2009 leiten, der sich intensiv mit der Wirtschafts- und Finanzkrise befassen wird. Das Klima für die internationale Zusammenarbeit wird durch den Geist einer gemeinsamen Verantwortung begünstigt. Wir glauben fest daran, dass der Londoner Gipfel uns ermöglichen kann, die Gefahren der Krise anzugehen, aber auch die Chancen zu ergreifen, die die Wirtschafts- und Finanzkrise mit sich bringt.

Was hat das alles mit Calvin und der Ausstellung zu tun, die wir heute eröffnen?

Mir drängen sich als Politiker und auch als evangelischer Christ fünfhundert Jahre nach der Geburt des Genfer Reformators zwei Fragen auf: Welche nachhaltigen Wirkungen auf das politische und geistige Leben entfaltet Calvins Lehre? Und vielleicht noch vordringlicher: Was können wir im 21. Jahrhundert mitten in der Krise von seinen Überzeugungen lernen?

Calvin wird auch heute noch häufig in erster Linie als fanatischer Tyrann von Genf beschrieben. Die fortschrittlichen Grundsätze, die der äußerst streng anmutenden calvinistischen Kirchenzucht zugrunde liegen, sprechen eine andere Sprache: Die Lehre von der nötigen Aufteilung der kirchenleitenden Ämter nach verschiedenen Funktionen bereitete den für die Demokratie unentbehrlichen Gedanken der Gewaltenteilung vor. Zu Recht gilt die presbyterial-synodale Kirchenverfassung als eine der Wurzeln westeuropäischer Demokratie.

Die Überzeugung Calvins, dass legitime Herrschaft sich am allgemeinen Wohl auszurichten und für Freiheit und Gerechtigkeit einzutreten hat, ist fundamental und aktuell.

Nach dem Terror der Bartholomäusnacht im Jahr 1572 entwickelten die Calvinisten diese einklagbare Pflicht der Regierenden weiter: Das bislang allgemeingültige Prinzip des Untertanentums wurde erstmals aufgehoben. Theodor Beza, Calvins Schüler und Rektor der Genfer Akademie, erklärte: "Völker sind älter als ihre Magistrate, folglich ist kein Volk für den Magistrat geschaffen, sondern der Magistrat für das Volk".

Dies ist eine einfache Wahrheit von bestechender Logik, deren Respektierung man sich auch heute noch vergebens in zahlreichen Ländern dieser Welt wünscht. Die Calvinisten legten mit dieser Grundüberlegung das, wenn auch vorerst theoretische, Fundament für Volkssouveränität und für die gesetzliche Bindung der Regierenden. Sie schoben damit eine Bewegung weiter an, die - letztlich gegen Calvins Intention - zu einer Trennung von Kirche und weltanschaulich neutralem Staat führen sollte.

Den Weg in die Moderne wies Calvin auch durch die bislang unbekannte Wertschätzung des Profanen. Das ganze Leben der Menschen in Familie, Schule, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sollte ein Gottesdienst sein. Die Überzeugung, dass Arbeit der von Gott vorgeschriebene Lebenszweck sei, schuf eine neue Arbeitsethik, die Max Weber als eine der Grundlagen des wirtschaftlichen Fortschritts bis hin zum zunächst endlos erfolgreich scheinenden Kapitalismus beschrieben hat.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise und der zweifelhaften Rolle, die Mancher durch Maßlosigkeit dabei gespielt hat, sei jedoch eines klar gestellt: Calvin sah in der Arbeit die Bestimmung des Menschen, weil der Einzelne mit ihr Gott und dem Nächsten diene. Wirtschaftlicher Erfolg galt als Beweis für den Fleiß des Einzelnen und als äußerer Hinweis auf seine innere Errettung. Der damit verbundene materielle Gewinn war jedoch untrennbar mit sozialer Verpflichtung verbunden, mit Mildtätigkeit und Fürsorge für das Gemeinwohl.

Die Offenheit gegenüber Neuerungen, die im starken Kontrast zu der sehr reglementierten Lebensweise der sog. calvinistischen Sittenzucht zu stehen schien, spiegelt sich in den Entwicklungen, die die Anhänger des Calvinismus bei ihren Migrationen in fast allen Teilen der Welt vollzogen. Nicht umsonst bezeichnen sich diese Gemeinden als Reformierte. Diese Fähigkeit zur gemeinschaftlichen Reform in Auseinandersetzung mit einer veränderten Umwelt ist eine Qualität, eine Gabe und ein Auftrag, vor die wir in Staat, Gesellschaft und Kirche auch heute gestellt sind.

Doch worin liegt das Geheimnis dieser Erneuerungsfähigkeit? Auch und vielleicht gerade hier können die Lehren Calvin uns heute einen Weg weisen: Sicherlich ist es das wichtige Vertrauen auf Gott und das Wissen um solidarische Verbundenheit mit anderen. Vor allem ist es jedoch die Gewissheit um die unbedingte Eigenverantwortlichkeit des Menschen, die das Fundament zur positiven Veränderung der Welt liefert. Anders ausgedrückt liegt der Motor für Veränderung im persönlichen Bedürfnis des Einzelnen, an der Gestaltung seiner Gemeinschaft und seines Umfelds teilzuhaben. In einer modernen Terminologie könnte man dies auch als Primat des bewussten bürgerschaftlichen Engagements und der umfassenden gesellschaftlichen Teilnahme bezeichnen.

Ohne im geringsten die politische Verantwortung von den Regierenden abwälzen zu wollen, halte ich diesen Aspekt des gelebten Calvinismus für besonders bedeutsam: Das Prinzip der "solidarischen Eigenverantwortung des Individuums", das hat gerade in unserer pluralen, demokratischen Gesellschaft ungeahnte Entwicklungspotentiale und erst Recht angesichts der Folgen maximaler Entgrenzung durch Maßlosigkeit.

In diesem Sinne hoffe ich, dass die Ausstellung »Calvinismus. Die Reformierten in Deutschland und Europa« vielen Besuchern Einblicke in Unbekanntes, in unerhört Aktuelles und damit vielleicht auch so manchen Denkanstoß gibt.
Ich freue mich, hiermit offiziell zu erklären: die Ausstellung ist eröffnet.


http://www.bundesregierung.de/nn_470970/Content/DE/Rede/2009/03/2009-03-31-chefbk--calvinismus.html

Roland K.

Danke für die Info, Vogelspinne. Es ist für mich immer auf´s neue überraschend, von was für Knallköppen die BRD regiert wird. Aber das Volk wählt stur weg ...

amphibol

ZitatGott bestimmt unser Leben. Wenn er uns an Kinderlähmung erkranken lässt, sollten wir das
akzeptieren und uns besser fragen, warum - nämlich, um uns in unserem Glauben noch zu
bestärken!" "

Au weia! Und wozu hat seine Nudeligkeit denen eigentlich die graue Masse zwischen den Ohren gegeben?

moredhel

Zitat von: Roland K. am 05. Oktober 2009, 11:51:14
"Gott bestimmt unser Leben. Wenn er uns an Kinderlähmung erkranken lässt, sollten wir das
akzeptieren und uns besser fragen, warum - nämlich, um uns in unserem Glauben noch zu
bestärken!"

Grübel stutz, und was muss passieren, dass sich diese Menschen durch ein Ereignis belehren lassen und anfangen, an ihrem Glauben zu zweifeln?

So deprimierend das auch ist ich fürchte das geht bei einigen nicht.

Zitat von: Roland K. am 05. Oktober 2009, 11:51:14
Wie auch immer, meiner Ansicht nach sind die politischen Parteien dazu aufgefordert, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die Kinder dieser Gläubigen in staatliche Obhut zu nehmen.

Gute Idee, aber ist sowas durchsetzbar?

Roland K.

Hi moredhel,

Zitat von: moredhel am 05. Oktober 2009, 23:41:37

Zitat von: Roland K. am 05. Oktober 2009, 11:51:14
Wie auch immer, meiner Ansicht nach sind die politischen Parteien dazu aufgefordert, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die Kinder dieser Gläubigen in staatliche Obhut zu nehmen.

Gute Idee, aber ist sowas durchsetzbar?

Ich denke ja. In fast allen Parteien sind die Extremspinner in der Minderheit. Deshalb sollten entsprechend fast alle Parteien, die sich mit dem Thema auseinander gesetzt haben, die Dringlichkeit eines staatlichen Eingreifens sehen. Schließlich kommen auch Kinder, die von ihren Eltern körperlich misshandelt werden, in staatliche Obhut. Religiosität in der hier diskutierten Absolutheit missbildet Charakter und Verstand lebenslang. Es gibt keinen anderen Weg, als die Parteien auf die Problematik aufmerksam zu machen. Diese sind dann dazu aufgerufen, tragfähige und konsensfähige Gesetzesvorlagen zu formulieren. Diese moralische Pflicht sollte jeder vernunftbegabte Mensch gegenüber den Kindern, die sich nicht wehren können, empfinden.

mfg
Roland K.

amphibol

Ich stimme Nachteule voll zu. Abgesehen davon dürfte eine Zwangsadoption unter diesen Voraussetzungen zumindest in Deutschland juristisch ohne Grundlage sein.

Aufklärung und Bildung dagegen setzen, absolut, das ist der weg. Von Zwangsbeglückungen jeglicher Art sollte man aber weiten Abstand nehmen. Freiheit , auch die Freiheit, ein esoterisches oder irrationales Weltbild zu haben, sollte nicht leichtfertig aufgegeben werden. Eine "ideologische Überprüfung" von Eltern sollte uns auch aus historischen Gründen aufstoßen.

rincewind

Zitat von: amphibol am 07. Oktober 2009, 13:26:30
Aufklärung und Bildung dagegen setzen, absolut, das ist der weg.

Das ist es. Deswegen auch wenigstens Schulpflicht.

amphibol

Ja, Schulpflicht. Einer der Gründe, warum ich gegen das so genannte Homeschooling bin.

Roland K.

O.k. Impfpflicht und Schulpflicht können schon viel Leid vermindern. Gerechtigkeit ist immer ein Abwägungsprozess zwischen verschiedenen moralischen Verpflichtungen und ethischen Ansichten. 

hic fuit

Bei Misshandlungen können Kinder von den Eltern losgeeist werden. Psychische Misshandlungen aufgrund der weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern gibt es bestimmt nicht selten, doch leider kann ich mir nicht vorstellen, wie ein liberaler Staat das regelmäßig ermitteln und belegen will.

- Wenn mir die Kinder aus dem WDR-Beitrag zum amerikanischen Jesus-Camp einfallen, packt mich die kalte Wut. Da werden die Kinder wirklich deformiert - doch können dafür irgendwie die Eltern juristisch haftbar gemacht werden? Kaum.

- Kindern einzureden, sie seien schuldig oder sündig oder rein oder irgendwie verantwortlich für das Böse in der Welt, halte ich für nicht nur für niederträchtig, sondern für richtig böse. Doch in einem Staat, der solche Misshandlung innerhalb der eigentlich unverletzlichen Wohnung ermitteln kann und will, möchte ich eigentlich auch nicht leben.

Schulpflicht hat leider auch den Zweck, häusliche Misshandlungen entdecken zu können, so grausig dieser Zweck auch ist.


Shrike

Calvinismus ist das Wurzelholz des Neoliberalismus. Ob nun Milton Friedman und seine Chicago Boys oder von Hayek oder Henry Kissinger, die haben alle mehr Tote auf dem Gewissen als bei den Fundi-Christen, wegen Nichtimpfung, Kinder sterben.