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Auf dem Weg in die Symbiose mit KI?

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Begonnen von Typee, 22. November 2023, 09:34:49

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Typee

Das hier schreibt nicht irgend ein Windei oder eine durchgeknallte größenwahnsinnige Melone mit Problemen, eine Rakete hochzukriegen, sondern der Direktor des MPI für Evolutionsbiologie:

https://www.mpg.de/20900866/W001_Zur-Sache_014-019.pdf

Ich verstehe das so, dass höchstens noch drei oder vier Generationen ins Land gehen, bis wir symbiotisch mit KI werden leben müssen. Ich habe mich etwas erschrocken, gebe ich zu.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

Max P

Kommt mir alles sehr abstrakt und definitionsbedürftig vor. Was meint er z.B. mit "Bewusstsein"? Will er im Ernst sagen, dass eine KI eine ihrer selbst bewusste Entität sei oder ist das irgendwie im übertragenen Sinne gemeint? Spricht er von einer globalen, einzigen KI-Entität oder von vielen KI-en? Und was ist überhaupt Intelligenz? Mir sind das zu viele Schlagwörter, bei denen ich nicht weiß, welche genauen Bedeutungen sie haben sollen. Wenn sie diese denn haben.

Typee

Na, so einfach lässt sich das nicht abtun. Der das schrieb, ist kein Neurowissenschaftler, sondern Evolutionsbiologe und denkt hier über die Möglichkeiten von Evolutionsprozessen nach – um was genau es da geht, ist da grundsätzlich gar nicht so wichtig, vor allem nicht, was Intelligenz nun ist oder nicht ist. Ihn interessiert ein Vorgang, in dem zwei Beteiligte so zu interagieren beginnen, dass sie aufeinander angewiesen sind und dadurch einen evolutionären Vorteil erkämpfen. Sein Beispiel war ja auch das Verwachsen von eukaryotischen Zellen und urtümlichen Bakterien, die in einer höheren Organisationsform arbeitsteilig in einer komplexen Zelle zusammenwirken.

Richtig interessant wird das in Bezug auf KI, wenn man in demselben Heft den unmittelbar folgenden Artikel aus den Neurowissenschaften liest, in dem es um zwei unterschiedliche Systeme räumlicher Orientierung geht und was da alles dranhängt – Gedächtnisleistungen und ihre Organisation zum Beispiel. Als Kleinkinder wechseln wir von einer egozentrischen Orientierung – wo bin ich, und wo ist ein Gegenstand im Verhältnis zu mir? – zu einer landkartenähnlichen allozentrischen: wo ist ein Gegenstand im räumlichen Gitternetz? Im Greisenalter beginnt der Prozess sich umzukehren, und weil die Gedächtnisleistungen mit diesem räumlichen Gitternetz verknüpft sind, verschwimmt diese Orientierungsleistung wieder – besonders stark, wenn bei Erkrankungen des Alzheimertyps auftreten: Orientierung und Gedächtnis schwinden parallel zueinander.

Schon der Gebrauch von Navisystemen auf Mobiltelefonen, im Prinzip eine egozentrische Orientierung, ersetzt vermehrt das Kartenlesen in fremden Städten. Der MPI-Neurowissenschaftler Doeller, um dessen Arbeit es da geht, hält Beeinträchtigungen des Orientierungssinns hierdurch durchaus für möglich, was dann aber auch mit Auswirkungen auf Gedächtnisleistungen haben könnte. Und da kommen die Aspekte zusammen:

Das Navi ist noch keine KI, wie auch immer ,,Intelligenz" verstanden wird. Aber nehmen wir an, es wird üblich, die eigenständige räumliche Orientierung durch das Tragen von 3D-Datenbrillen zu ersetzen (wir ersetzen ja auch den Fußweg durch die Stadt durch beknackte E-Scooter), dann haben wir ein Einfallstor für Technik, die Orientierung und Gedächtnis beeinflussen könnte. Auch das ist noch nicht KI; aber aus dem evolutionsbiologischen Aufsatz habe ich gelernt, dass KI tatsächlich auch lernt, wie sie sich Kontroll- und Steuerungsvorkehrungen entziehen kann. Nehmen wir das hinzu, könnte es schon dazu kommen, dass die Wahrnehmung unserer Umwelt und die Abbildung, die wir von ihr abspeichern, von Dingen abhängt, die wir nicht kontrollieren. Es entsteht eine Art Symbiose, die sich dann durchsetzt, wenn sie als Symbiose leistungsfähiger ist, als vorhandene Systeme.
Ganz klar ein evolutionärer Prozess.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)