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Die Klimakatastrophe ist in vollem Gang...

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Begonnen von Yadgar, 18. August 2022, 17:26:44

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RPGNo1

ZitatIm September 2018 stand Hubert Aiwanger  auf einer Bühne in einem halb vollen Bierzelt und tat, was er im liebsten tut: Er brüllte. Er versprach »einen Stopp dieser Stromtrassen, ein Verhindern dieses Polders«. Einen Flutpolder in Regensburg, also eine Fläche, auf die man bei Bedarf Hochwasser umlenken kann, werde es »mit den Freien Wählern als Regierungspartner in München« nicht geben. Und so kam es dann auch. Das Resultat steht jetzt in Regensburger Kellern.
[...]
Dass Aiwanger die Flutpolder und die Stromtrassen buchstäblich in einem Atemzug nannte, ist so symptomatisch wie entlarvend. Es ging natürlich um die bitter nötigen, immer noch nicht fertigen, wegen populistischer Entscheidungen sündteuren Trassen, die Windstrom von Nord- nach Süddeutschland bringen sollen. Mit Blick auf die Stromtrassen hat Aiwanger seine Meinung mittlerweile geändert , denn weil der billige Windstrom nicht in Süddeutschland ankommt, drohen dort höhere Strompreise. Markus Söder ist deshalb natürlich ganz erbost.

Stromtrassen und Flutpolder haben zwei Dinge gemeinsam.
- Sie sind in Zeiten der galoppierenden Klimakrise unausweichlich, wichtiger denn je.
- Sie sind bevorzugte Hassobjekte von Nimbys (not in my backyard), also Leuten, die in ihrer Umgebung auch notwendige Veränderungen strikt ablehnen.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/hubert-aiwanger-und-die-flutkatastrophe-was-populismus-anrichtet-kolumne-a-5fb6b3fd-3258-47cb-ab89-42cd9a0da44d

eLender

Zitat von: RPGNo1 am 09. Juni 2024, 13:30:56Das Resultat steht jetzt in Regensburger Kellern.
Das stimmt so nicht. Den Polder Wörthhof hat man bisher nicht gebaut, und die Verzögerung hängt mit Aiwanger bzw. dessen Ehefrau (Landrätin Regensburg) zusammen. Der Polder liegt aber unterhalb von Regensburg, kann also gar keine Hochwasser in Regensburg verhindern (das kann er sowieso nie, er kann nur eine Spitze kappen, also die (extreme) Lage etwas entschärfen). Das ist insgesamt eine sehr komplexe Sache mit dem Hochwasserschutz, Polder sind kein Wunderding und entziehen ggf. anderen Maßnahmen das Geld (sie sind nicht gerade billig). Der Kommentar im Spiegel ist mir da zu platt – auch, weil die Fakten nicht richtig dargelegt werden. Man sollte schon wissen, worüber man schreibt.

Auch etwas unterkomplex: https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%B6rthhof#Flutpolder_W%C3%B6rthhof
Wollte ich nur mal gesagt haben!

RPGNo1


eLender

Zitat von: RPGNo1 am 10. Juni 2024, 07:35:12Danke für den Hinweis.

Bitteschön :grins2:  Das ist keine so einfache Sache, wie es der Spiegel-Typ darstellt (der ist ja noch nicht mal Fachmensch). Polder sind immer eine schwierige Sache, die man noch schwerer durchgesetzt bekommt, was nicht nur an den Aigners liegt (die ja auch nur gewissen "Bürgerstimmen" aufgreifen, die nicht nur aus der Luft gegriffen sein müssen). Gegen Polder gibt es meist großen Widerstand, bei sehr großen Poldern (wie dem, um den es 2018 ging), ist der Widerstand astronomisch. Man kann das auch nicht so einfach mit "not in my backyard" abtun. Man lese mal eine Stellungnahme des BUND zu dem Rückhaltebecken (die finden das auch nicht dufte, und viele Argumente halte ich für valide): https://regensburg.bund-naturschutz.de/aktuelles/artikel/stellungnahme-und-einwendungen-des-bund-naturschutz-in-bayern-ev-zu-vollzug-des-bayerischen-landesplanungsgesetztes-baylplg-raumordnungsverfahren-fuer-das-vorhaben-flutpolder-woerthhof-im-land-kreis-regensburg

Wie komplex das mit dem Hochwasserschutz - und den Investitionen darin - ist (man muss gut überlegen, wofür man das Geld und sonstige Kapazitäten verwendet), zeigt ein Bericht des KIT zu dem Ereignis. Die Polder hätten in dem Fall so gut wie keine Wirkung gehabt, da hat sogar Söder nicht gelogen.

ZitatBedingt durch die gefallenen Niederschläge kam es in Süddeutschland verbreitet zu sehr großem,
teils extremem Hochwasser (Abb. 11 und Abb. 12). Das Hochwassergebiet erstreckte sich vom
Bodensee im Südwesten bis Hohenlohe im Nordosten, der Schwerpunkt lag auf dem Alpenvorland
südlich der Donau zwischen Iller und Isar an den Gewässern Roth, Günz, Kammel, Mindel, Zusam,
Schmutter, Paar, Ilm und Glonn (Abb. 11). Die Abflussscheitelwerte wurden dort zumeist am ersten
und zweiten Juni erreicht. An vielen Pegeln in der Schwerpunktregion überstiegen die
Abflussscheitelwerte die bisher beobachteten Spitzenabflüsse um ein Vielfaches, ebenso die
Spitzenabflüsse, die statistisch nur einmal in hundert Jahren überschritten werden (HQ100; siehe
Tabelle 5). Im Mittel über alle betrachteten Pegel in der Schwerpunktregion (Tabelle 5) wurde das
HQ100 um den Faktor 1,7 überschritten, der jeweils am Pegel bisher beobachtete Spitzenabfluss
um den Faktor 1,8. Die Messdauer an den Pegeln beträgt im Mittel 61,1 Jahre, was als robuste Basis
für die Berechnung der HQ100-Werte angesehen werden kann. In der Schwerpunktregion kann
CEDIM – Hochwasser Juni 2024 | Süddeutschland – Bericht Nr. 1 12
daher von einem extremen Hochwasserereignis gesprochen werden, das weit über den üblichen
Schutzgrad vor Hochwasser für bebaute Gebiete hinausgeht (HQ100).
Bedingt durch die großen Zuflüsse aus der Schwerpunktregion kam es in der Folge an der Donau
ab der Illermündung bei Ulm ebenfalls zu einem Hochwasser in der Größenordnung HQ10 bis HQ50.
Hier handelt es sich um ein großes, aber nicht um ein extremes Hochwasser
, was vor allem damit
erklärbar ist, dass – im Unterschied zu früheren Pfingst-Hochwasserereignissen in der Region – in
den alpinen Einzugsgebieten von Iller, Lech und Isar vergleichsweise wenig Niederschlag fiel, und
dieser teilweise als Schnee.
Weitere sehr große Hochwasserereignisse bis zu HQ100 ereigneten sich an mehreren
Bodenseezuflüssen in Oberschwaben (Schussen, Argen, Riß) und an mehreren Neckarzuflüssen
nördlich der Schwäbischen Alb (Erms, Lauter, Fils). Am Neckar selbst kam es vereinzelt zu einem
großen Hochwasser bis HQ50 (Pegel Plochingen). Am nordöstlichen Rand des Hochwasser-
gebietes, in Hohenlohe und auf der Ostalb kam es zu Hochwasserereignissen in der Größenordnung
HQ10, vereinzelt bis zu HQ50 (Pegel Schwäbisch Gmünd/Rems).
Zusammenfassend ist das Hochwasser 2024 dadurch charakterisiert, dass in einer relativ kleinen
Region im donaunahen Alpenvorland zwischen Iller und Isar extremes Hochwasser in kleinen
Einzugsgebieten (bis 1.000 km²) auftrat mit Scheitelabflüssen, die weit über die bislang gemessenen
Ereignisse und die HQ100-Abflüsse hinausgingen. Zusätzlich kam es in den umliegenden Regionen
und an den größeren Unterliegerflüssen zu einem großen, vereinzelt sehr großen Hochwasser in
der Größenordnung von HQ50 bis HQ100. Es ist zu beachten, dass diese Analyse auf ungeprüften
Rohdaten beruht, und Abflusswerte insbesondere bei Hochwasser große Unsicherheiten beinhalten.
Die Ergebnisse sollten daher als erste und grobe Einschätzung verstanden werden
https://www.cedim.kit.edu/download/FDA_Hochwasser2024_SD_final.pdf
(Grünung von mir: die Poldr wären hier ohne Bedeutung gewesen)

Man wird das auch mit Poldern kaum bis gar nicht verhindern können, zumal es auch nur bei bestimmten Gerinnen überhaupt nur möglich und sinnvoll ist. Man wird wahrscheinlich eher viel Geld in andere technische Maßnahmen (Deicherhöhungen, mobile Wehre etc.) stecken müssen. Ich finde die Idee der Deichrückverlegung ganz charmant, das gäbe dem Gewässer insgesamt wieder mehr (natürlichen) Spielraum. Aber auch das ist eine komplexe Angelegenheit, und auch das gibt es (teils) berechtigte Widerstände. Brutalerweise muss man sagen, dass bestimmte Gebiete wahrscheinlich auf Dauer nicht mehr zu besiedeln sein werden. Solche Niederschlagsereignisse sind extrem und häufen sich. Man wähle seine Heimstätte mit Bedacht, möglichst mit weitem Talblick.
Wollte ich nur mal gesagt haben!