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Russland: Wirtschaft

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Begonnen von Peiresc, 16. Mai 2022, 19:48:57

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PeterPan

Ich vergleiche das gerne mit toxischer Männlichkeit. Der Arbeiter ist nur ein Arbeiter wenn er nicht Bourgeoisie ist. Konsum gibt es nicht (auch Stress nicht). Harde Orbeit macht den/die Mann/Frau. Eine statische Gesellschaft die Militär- und Prestigeinfrastruktur lebt, aber sich angeblich mit Grundbedürfnissen zufriedengibt.

Daher kommt ja auch die immer noch bestehende Korruption. Abzweigung. Kamil Galeev hat glaube auch darüber geschrieben. Du bist an einer Fabrik für Ziegel vorbeigekommen und hast deinen Selbstgebrannten getauscht um dein Häusschen zu bauen. Solange der Kommi-Vorsteher auch etwas abbekam war da schon was zu machen.

Deswegen waren auch die Kommunisten auch so unvorbereitet auf den Babyboom. In ihren 5-Jahresplänen vollkommen eingetaucht um es auch ja kommunistisch-arbeiterisch korrekt zu gestalten. Dann musste es doch schnell gehen mit den Plattenbauten.

Es wurde sogar aus allen Teilen der GUS und Sowjetrepubliken Ressourcen abgezogen um Sibirien irgendwie zu "industrialisieren". Den erfolgreichen Orten wurden die Möglichkeiten genommen um sich zu verbessern.

sailor

Nein, nicht wirklich. Du wirfst da einiges durcheinander.

Die Korruption entsteht aus einer nicht ausgewogenen Ressourcenverteilung. In der SU war der Plan eben nicht perfekt und es gab einen riesigen Anteil an nicht erfasster "Schattenwirtschaft", die natürlich Auswirkungen auf den geplanten Teil hatte. Luxus- und Konsumgüter wurden bspw. nie entlang der Bedarfe geplant, gleichzeitig war das Geld praktisch nutzlos (Grundbedürfnisse wurden quasi gratis bedient, Luxus gabs für Rubel nicht zu kaufen, warum also Rubel?).

Plattenbauten waren im Ostblock eine Antwort auf den Wohnungsmangel durch den Weltkrieg UND die sich rasant nachholende Entwicklung der Landflucht. Gerade in der SU wurde durch die Industrialisierung der 5-Jahrespläne, der Kollektivierung der Landwirtschaft und die Bevorzugung industrieller Zentren bei der Verfügbarkeit von Waren eine enorme Migrationsbewegung vom Land in die Städte ausgelöst. D.h. bereits vor dem 2. Weltkrieg hatten die Industriestädte der SU ein Problem, nach dem Krieg erst recht.

Die Industrialisierung Sibiriens hatte mehrere Gründe. Einer war die Evakuierung von Industrie aus dem Westen des Landes nach dem Überfall der Nazis. Bereits davor wurde begonnen, die wichtigen Rohstoffvorkommen zu erschließen. Magnitogorsk ist das Paradebeispiel für so einen Entwicklungscluster. Das Besondere der sowjetischen Industrialisierung war ihre Schwerindustriefokussierung. Einerseits wurde im rasanten Tempo die landesweiten Defizite bei der Grundstoffherstellung angegangen, zweitens war da der militärische Fokus und drittens gab es zunächst keinerlei Interesse (und keine Ressourcen) an Leicht- und Kosumgüterindustrieentwicklung. Dies rächte sich zwar tlw. im Weltkrieg, wurde aber durch Lend/lease ausgeglichen: Die Westalliierten haben viele Lücken der sowj. Produktion im Weltkrieg gestopft: LKWs wurden zu hunderttausenden geliefert, Schuhe, Stoff, Chemie, Elektronik, ganze Loks/Güterzüge, Schienen... Der Anteil der Dual-use-Güter an den L/L-Lieferungen wird sehr gern ignoriert. Nach dem Krieg hat man dann auch sehr gern auf die Konsumgüterindustrien der RGW-Länder zurückgegriffen.

PeterPan

Plattenbauten waren auch die Antwort auf den Babyboom in den Sowjetrepubliken. Die Bevölkerung ist nachdem Zusammenbruch im 2.WK von 170 Millionen auf etwa 240 Millionen im Jahr 1970 angestiegen. Der Bedarf an Wohnraum war groß und ja auch Landflucht spielte eine Rolle. Auch Menschen die Richtung Sibirien und Kasachstan gebracht wurden konnten nach der Lockerung der Personenfreizügigkeit wieder Richtung "Heimat".

Die Industrialisierung ging auch nachdem 2.WK weiter. Ressourcen wurden gebunden um den rohstoffreichen Osten zu erschließen. Städte wurde ausgehoben. Ukrainer, Weißrussen und Russen haben ihre "Ausbildung" in Sibirien gemacht. Eine meiner Tanten hat Buchhalterin in Irkutsk gelernt, obwohl sie aus der Ukraine kam.

Auf die schnelle diesen Artikel zum gleichnamigen Buch gefunden. Vor 2-3 Jahren einen ausführlicheren Artikel der Bezug auf das Buch nahm gelesen. Leider finde ich es nicht mehr.
https://www.brookings.edu/articles/the-siberian-curse-does-russias-geography-doom-its-chances-for-market-reform/

sailor

Alles klar. Das Problem des Sozialismus im gesamten RGW war aber, dass es die Entwicklung nicht nachhaltig gestaltet hat. Im Fall der SU hiess das, dass die "Neusiedlungsgebiete" weniger attraktiv waren für die Menschen als die "traditionellen" Zentren... und die SU bzw. russland hat diese Gebiete "falsch" kolonisiert. Das Buch/der Artikel von dir beschreibt das ja. Ein ähnliches Problem hat auch Kanada und die USA. Beide Länder haben riesige Gebiete, die extrem dünn besiedelt sind, aber Rohstoffe in allen möglichen Formen bieten. In russland wurde aber nach den verschiedenen Formen der Umsiedelung unter Zar und Kommunismus nicht darüber nachgedacht, wie man mit diesen "Altlasten" umgeht. Gleichzeitig hat man die Rohstoffvorkommen als reine Geldquellen betrachtet, welche die Kommunisten erschlossen hatten und die nun nur noch gemolken werden...

RPGNo1

ZitatRussland verbrennt derzeit offenbar große Mengen an Erdgas nahe der im Moment wenig befüllten Ostseepipeline Nord Stream 1. Wie der britische Sender BBC berichtet, ist vom benachbarten Finnland aus bereits seit einigen Wochen eine ungewöhnlich große Flamme zu sehen, die in Portowaja nordwestlich von Sankt Petersburg brennt. Auch auf Satellitenbildern ist sie demnach deutlich zu erkennen.
[...]
Das Abfackeln von Gas im Verarbeitungsprozess ist nichts Ungewöhnliches. Erstaunt zeigten sich Experten jedoch über die enormen Mengen. Auch wenn die genaue Dimension der abgefackelten Gasmengen schwer zu beziffern seien, geht der Energie-Branchendienst Rystad davon aus, dass in Portowaja täglich etwa 4,34 Millionen Kubikmeter Gas in Rauch aufgehen. Dies sei Gas im Wert von umgerechnet rund zehn Millionen Euro am Tag. Rystad schätzt die in der Atmosphäre abgefackelte Gasmenge auf etwa 0,5 Prozent des Tagesbedarfs der EU. Der Branchendienst bezeichnete das Verbrennen solch großer Mengen Erdgas als Umweltkatastrophe. Es würden täglich rund 9000 Tonnen CO2 freigesetzt.

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/nord-stream-gas-verbrennen-russland-sanktionen-flamme-gaspreis-gazprom-bbc-101.html
(At Bhaal Temple)
Karlach: What a pesthole! Can't wait to clear this place out.
Minsc: There will be much trading of threats and insults, no doubt. But Minsc will be ready when it is time for boot to meet butt.
Karlach: You and me both, pal.

RPGNo1

Etwas OT: Gorbatschow ist verstorben.

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/gorbatschow-nachruf-101.html

Vermutung: Im Kreml knallen die Krimsektkorken.
(At Bhaal Temple)
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Max P

Gerade wollte ich es im Ukraine-Thread schreiben. Aber dass im Kreml die Sektkorken knallen, glaube ich nicht. Eher wird die Reaktion sein "ach, der lebte noch?". Jedenfalls, er war ein Staatsmann umgeben von Dilemmata. Was er wohl von den aktuellen Entwicklungen hielt?

sailor

Nix wird er gehalten haben... denn er hat auf dem Bosssessel erlebt, was passiert, wenn die Ethno-Shice hochkocht: Die Auseinandersetzungen zwischen den Sowjetvölkern waren ein gewichtiger Grund für das Ende der SU. Und der Ukrainekrieg ist ein ethnischer Krieg. Die russen haben nie verstanden, warum bspw. der Kaukasus so ein Pulverfass ist oder warum die Ukrainer, Belarussen, Balten, Finnen und Polen nie begeistert über die Herrschaft moskaus waren. Gorbatschow hat das begriffen und deswegen auch die Nationalitäten ziehen lassen: Hätte er sie mit Gewalt halten wollen, hätte das tote russen bedeutet, was die russen eigentlich nicht wollten. Die hatten damals genug von dem kleinen Krieg in Afghanistan... und dann kochte ja schon Tschetschenien hoch. Darüber hinaus war Gorbatschow klar, dass die Armee auch wegen Afghanistan und der Konzentration auf Technologie "hohl" war, kein wirklich schlagkräftiges Werkzeug, weshalb der Abzug der Sowjets aus der DDR auch wichtig war: Damit kam die beste Gruppe der RA wieder zurück und konnte kurzzeitig als strategische Reserve dienen.

Sektkorken werden nicht knallen. Gorbatschow war seit 25 Jahren politisch tot, nur noch ein Aushängeschild und Märchenonkel. Wurde "benutzt" für die Lügen des Kreml zur Nato, mehr aber auch nicht. Jelzin war wichtiger für den Kreml, weil unter ihm die Wirtschaft und damit die Futtertröge umgekrempelt wurden. Tschubai kriecht da ja auch noch irgendwo rum...

RPGNo1

Gorbatschow wurde der Untergang der SU angelastet, deshalb war er ja in Russland auch so extrem unbeliebt, ganz im Gegensatz zum Westen. Deshalb denke ich schon, dass in manchen Kremlkreisen eine klammheimliche Freude darüber herrscht, dass der Totengräber der SU endlich selber unter der Erde verschwindet.
(At Bhaal Temple)
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Max P

Putin kommt nicht zu Gobatschows Beerdigung. Hat keine Zeit. Na ja, wäre dem Verblichenen vielleicht sogar ganz Recht.

https://web.de/magazine/politik/russlands-praesident-putin-bleibt-trauerfeier-gorbatschow-fern-37250116

HAL9000

Passt auch in den Ukraine-Thread:
https://orf.at/stories/3283408/
Fenster sind in Russland(s Krankenhäusern) sehr gefährlich, wie man wieder einmal sieht.
Lukoil hat sich offen für die Beendigung des Krieges ausgesprochen. Jetzt ist also schon
der zweite Lukoil-Manager unter "myteriösen" Umständen ums Leben gekommen.

Max P

Anscheinend klemmt es allmählich auch bei den russischen Eisenbahnen.


RPGNo1

Die Versorgung der russischen Armee erfolgt in hohem Maß über die Bahn. Wenn jetzt also die Lokomotiven und Wagons wegen Defekten und Schäden ausfallen, dann wird deren Operationsradius in der Ukraine noch mehr eingeschränkt. Das ist gut für die Ukraine.
(At Bhaal Temple)
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Scipio 2.0

Ich hab Mal versucht herauszufinden, wie hoch der Anteil am Gütertransport auf der Schiene ist:

ZitatIm Jahr 2018 beförderten die Russischen Eisenbahnen 1,4 Milliarden Tonnen Güter, wie der Pressedienst mitteilt. Das entspricht einem Anteil von 17 Prozent an der Gesamtmenge im Land. Zieht man die zurückgelegte Strecke mit ein, so liegt der Anteil bei etwa 45 Prozent.

Quelle: https://mdz-moskau.eu/gueterverkehr-bahn-russlands-eiserne-lebensadern/

Leider sind das die einzigen Zahlen die ich gefunden habe. Nichts desto trotz das Behinderungen im Schienengüterverkehr der russischen Wirtschaft ziemlich weh tun werden, besonders was den Transport von Gütern über große Distanzen angeht.

Allerdings ist Bahntechnik nicht notwendigerweise Highend Technik von daher rechne ich nicht mit einem Zusammenbruch des russischen Schienenverkehrs wohl aber mit Einschränkungen.

Max P

Mich wundert sowieso, dass sie in Sachen Bahn auch so stark von Importen abhängig sein sollen.