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Cannabis auf Rezept

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Begonnen von Spielkind, 09. Mai 2017, 12:21:55

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sailor

Wahrscheinlich wird in den USA mittlerweile Cannabis unter den Ärzten als weniger nebenwirkungsbehaftet angesehen. Die Fetanyl-Krise dort hat viele Menschen aufgeschreckt und ich denke, dass man mit Cannabis bestimmte Schmerzsympthome/-syndrome genauso gut in den Griff bekommt wie mit Opioiden...

Wenn man dann mal etwas tiefer schaut, bspw. in den Bergbaugebieten, dann erkennt man aber auch, dass "Drogen" dort nur Sympthome, nicht jedoch die Ursachen bekämpfen (körperliche Gebrechen aufgrund schwerster Arbeit bei wenig Arbeitsschutz und arbeitsmedizinischer Begleitung).

Peiresc

Zitat von: sailor am 05. Oktober 2022, 12:25:50ich denke, dass man mit Cannabis bestimmte Schmerzsympthome/-syndrome genauso gut in den Griff bekommt wie mit Opioiden...
Ich nicht, denn in den Studien war die analgetische Wirkung von Cannabis, äh, moderat. Die Opioidkrise in den USA hat komplexe Gründe, und Cannabis ist eben kein Ausweg.

Eine Ursache ist beispielsweise, dass bei der (verglichen z. B. mit ... jedem anderen Industrieland) relativen Unterversicherung/Überteuerung Patienten solange mit einer Behandlung warten, bis es nicht mehr geht und sie die Notaufnahmen bevölkern, wo sie mit Opioiden eine schnelle und effektive Schmerzlinderung erfahren - und der Notarzt sie schnell wieder los wird. Das ruft nach Wiederholung, und so schafft man den Einstieg in die Abhängigkeit. Cannabis kann diese Analgesie nicht leisten.

sailor

Da habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich meinte nicht die absolut bewiesene Wirkung sondern eine angenommene...

Dass Cannabinole und Opiate verschiedene Gruppen und unterschiedliche Wirkungen haben ist mir bekannt. Für jemanden, der "nur" die beruhigende/entspannende Wirkung sieht, drängt sich eine solcher "Ersatz" vieleicht auf. Ich meine auch nicht, dass Cannabis dort eine Lösung ist, sondern die Probleme eben in der sehr überschaubaren Versorgung der Ursachen liegen.

RPGNo1

(At Bhaal Temple)
Karlach: What a pesthole! Can't wait to clear this place out.
Minsc: There will be much trading of threats and insults, no doubt. But Minsc will be ready when it is time for boot to meet butt.
Karlach: You and me both, pal.

eLender

"Apotheke Adhok", die gelegentlich gute Artikel zur Aufklärung über angebliche Wundermittelchen (aka NEMs) machen, sind natürlich auch Verticker von Schlangenöl Mittelchen mit ggf. fragwürdigem Nutzen. Oder haben die nur ganz nüchtern Pubmed rezitiert?

ZitatStress- und Angst-Geplagte profitieren vor allem bei schlechtem Schlaf und innerer Unruhe von dem natürlichen Extrakt*. Zudem wenden viele Sportler:innen CBD in Form von Ölen und Gelen an, um schneller zu regenerieren und nach außergewöhnlichen Belastungen Schmerzzustände zu lindern. Arthritis-Patient:innen, die einen langen Medikationsweg und viele Nebenwirkungen hinter sich haben, können mit CBD-Produkten die ärztliche Therapie unterstützen und Schmerzen lindern.

Ein zusätzlicher Pluspunkt: Cannabidiol ist gut verträglich, macht nicht abhängig und ruft kaum Nebenwirkungen hervor.
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/apothekenpraxis/cbd-was-steckt-hinter-dem-cannabis-trend/

Oder haben die das nur mit den Schüssler-Salzen verwechselt? Kann passieren, wird ja auch in Apotheken vertickt und die Beschreibung ist beinahe identisch.


*es gibt ja immer den (teilweise bestätigten) Verdacht, das Zeugs würde auch geringe Spuren an THC enthalten. Das ist das Zeugs, das wirklich dröhnt :crazy
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Peiresc

Zitat von: eLender am 23. Januar 2023, 22:51:56Oder haben die nur ganz nüchtern Pubmed rezitiert?

Ich habe keine Quellenangabe erkannt, und für
Zitatkann CBD auch das Wohlempfinden durch Linderung und Harmonisierung von körperlichen und seelischen Beschwerden steigern.
würde ich auch keine erwarten. "Harmonisierung von körperlichen und seelischen Beschwerden" scheint mir ein bisher nicht validierter Endpunkt von klinischen Studien zu sein.

 ;)

eLender

Das klingt so ähnlich wie: "der Leberkäs hat Werte im hochnormalen Bereich" :skeptisch:
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Max P

Früher war alles besser einfacher.



Peiresc

Ärztlich verordnetes Cannabis und Fahrtauglichkeit, ein ungeklärtes Problem, um das vornehm auszudrücken. Wir hatten dazu mal einen Blog-Beitrag.
https://blog.psiram.com/2018/01/cannabis-und-strassenverkehr/

Die aktuelle Lage allgemein zu Cannabis z. B. hier,
https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/cannabiskonsum-kiffen-autofahren-recht-regelungen-v2/
Einmal aufm Kieker der Behörde, aus welchem Grund auch immer, und du musst wenigstens 750 EUR für die MPU abdrücken. Und Cannabis als Medizin ist dort mit keiner Silbe berührt.

Problem erkannt, Problem gelöst. In den Tageszeitungen (Lokalpresse) findet sich gestern eine halbe Seite, die sich damit befasst. Es heißt da:
ZitatNur Cannabis-Patienten dürfen den aktuellen THC-Grenzwert am Steuer überschreiten, müssen aber eine verkehrsmedizinische Begutachtung durchlaufen. Sie müssten im Vorfeld die Führerscheinstelle darüber informieren, dass sie aus medizinischen Gründen Cannabis einnehmen, erklärt Senebald. ,,Die Führerscheinstelle fordert dann zunächst eine fachärztliche Untersuchung ein. Im Rahmen dieser wird untersucht, ob der Patient wirklich Cannabis benötigt und ob er zuvor bereits andere Medikamente getestet hat", sagt er. Sobald der Patient die Untersuchung bestanden habe, ,,erstellt die Führerscheinstelle ein Gutachten, das Betroffene berechtigt, am Verkehr teilzunehmen."

Ohne das auf eigene Kosten beizubringende Gutachten müsse der Patient mit dem Führerscheinentzug rechnen, sobald er sich ans Steuer setzt. Darüber würde bei Ärzten und Patienten Unwissenheit herrschen. Denn nirgends werde darauf hingewiesen, dass der Führerscheininhaber die Einnahme von Cannabis der Führerscheinstelle melden muss, beklagt Senebald. Der Staat habe hier nur halbe Informationen weitergegeben - ,,so entsteht ein Teufelskreis."

Der verordnende Arzt wird also zum Rapport bei der Führerscheinstelle antreten, und wehe die stellt fest, dass er vorher ,,keine anderen Medikamente getestet" habe ... das ist, offen gesagt, absurd. Mit der Indikation – von der man halten mag, was man will – hatte sich ja vorher schon der Medizinische Dienst der Krankenkassen befasst, und es deuten sich hier völlig willkürliche, nicht dokumentierte ,,Prüfkriterien" an. Ein Arzt, der zu solchen Berichten aufgefordert wird, wird dem Amt einen Vogel zeigen (d. h. gar nicht reagieren) oder den Interessenten erzürnt finanziell bluten lassen.

Aber einen Verdacht will ich noch äußern. Der Wissende, der hier zu Wort kommt, ist ein Herr Senebald, ,,Gründer und Geschäftsführer der Sedura Consulting GmbH aus Düsseldorf. Seine Firma hat sich darauf spezialisiert, Menschen zu helfen, die um ihren Führerschein fürchten." Beraterfirmen sind strukturell darauf angewiesen, die Folgen fehlender Beratung in den düstersten Farben auszumalen, und sie machen es gerne. Dankbar springen sie in jede vom Gesetzgeber gelassene Lücke, auch wenn ihre Auskünfte eher fantasievoll als verbindlich sind. So kann man die Binnenwirtschaft auch ankurbeln.

Peiresc

PS: die eigentliche Widersinnigkeit (die Fahrtauglichkeit unter Cannabis kann nicht vom Einnahmezweck abhängig sein) wurde auch in dem Lokalpresse-Artikel vollständig ignoriert. Aber das wollen wir ihr gar nicht anlasten.

Und noch, fällt mir nachträglich auf:
Zitat von: Peiresc am 02. November 2023, 20:49:28
Zitat"[...] Die Führerscheinstelle fordert dann zunächst eine fachärztliche Untersuchung ein. Im Rahmen dieser wird untersucht, ob der Patient wirklich Cannabis benötigt und ob er zuvor bereits andere Medikamente getestet hat", sagt er. Sobald der Patient die Untersuchung bestanden habe, ,,erstellt die Führerscheinstelle ein Gutachten, das Betroffene berechtigt, am Verkehr teilzunehmen."

Ohne das auf eigene Kosten beizubringende Gutachten müsse der Patient mit dem Führerscheinentzug rechnen, [...]
Hier ist bei genauem Hinsehen von zwei Gutachten die Rede, eines vom Facharzt, eines von der Führerscheinstelle. Das vom Facharzt könnte gut ein Einzeiler des verordnenden Arztes sein, ,,ich bestätige, dass Herr/Frau X von mir Cannabis aus medizinischen Gründen bekommt", und von der Führerscheinstelle bekommt er dann einen Wisch, dass er bekifft fahren darf. Das mit der "Prüfung auf vorherige Medikamente" klingt ganz so, als wäre es ad hoc dazuerfunden. Es sind also eher Bescheinigungen als Gutachten. Womit die Fa. Senebald eigentlich ihr Geld verdienen will, bleibt ein bisschen unklar.

Typee

Zitat von: Peiresc am 03. November 2023, 06:42:21PS: die eigentliche Widersinnigkeit (die Fahrtauglichkeit unter Cannabis kann nicht vom Einnahmezweck abhängig sein) wurde auch in dem Lokalpresse-Artikel vollständig ignoriert. Aber das wollen wir ihr gar nicht anlasten.

Völlig richtig. Die einzige im Straßenverkehr sinnvolle Konsequenz wäre doch: wer Cannabis braucht, kann eben nicht ein Fahrzeug führen.

Ich frage mich, ob im Luftverkehr so etwas auch nur in Erwägung gezogen werden könnte. Aber es geht ja nur um Verkehrsmittel mit einer relativ viel höheren Unfallwahrscheinlichkeit.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

eLender

Zitat von: Peiresc am 02. November 2023, 20:49:28das ist, offen gesagt, absurd
Der ganze Umgang mit dem Thema ist an Absurdität kaum zu übertreffen. Ich kenne eine Verordnung aus meinem beruflichem Umfeld (nein, nicht Bubatzbusiness ;D ) einen ähnlichen Vorgang. Da wurde über Jahrzehnte (!) an einer Verordnung gebastelt, die kaum einer verstehen noch praktikable umsetzen kann. Dabei wollte man doch alles vereinfachen. Man sieht nur noch Leute, die mit den Achseln zucken, wie jetzt in den betreffenden Fällen vorzugehen ist.

Beim Bubatz ist ja schon die "Legalisierung" voller unpraktikabler Verordnungen und Regelungen. Aber das Thema Straßenverkehr setzt da echt noch mal einen oben drauf. Man erkennt die Absurdität tatsächlich erst, wenn man den Ansatz einfach mal mit dem vergleicht, was eigentlich genauso geregelt werden müßte. Wer das dann (evtl.) bald legal zu Genusszwecken therapeutisch einsetzen will, der muss sich also erst mal mehrere Gutachten einholen, dass er das auch wirklich darf. Oder soll der gleich seinen Führerschein abgeben?
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Peiresc

Heute aufgeschnappt:
ZitatDer Bund der Deutschen Cannabis-Patienten stört sich an den verpflichtenden Abstandsregeln für den Konsum in der Nähe von Schulen oder Kitas: ,,Wer sich Insulin spritzen muss, wird vom Gesetz auch nicht wie ein vermeintlicher ,Insulin-Junkie' behandelt, sondern darf dies an jedem Ort vornehmen."
Mir fällt auf, dass mir bisher nichts von vergleichbaren Bundesbestrebungen, z. B. Bund der Insulinpatienten oder Bund der Antibiotika-Patienten, bekannt geworden ist.

Das Grundproblem ist haargenau dasselbe wie bei den Gender-Fuzzis. Sie wollen einerseits als völlig normal und gleichberechtigt behandelt werden und andererseits was Besonderes bleiben.

Peiresc

Ich war gerade auf dem jährlichen Haupt- und Staatskongress der deutschen Psychiater. Die blanke Wissenschaft, sollte man vermuten; die richtige Gelegenheit sich mal upzudaten.

Die zitierten kontrollierten Doppelblind-Studien hörten ca 2019 auf, m. a. W. die Fachwelt hat das Interesse verloren (wenn sie je eines hatte). Aber es gibt unverdrossene Enthusiasten, denn sonst hätte es gar keine Sitzung gegeben. Da hörte man denn Sachen wie ,,Cannabis war bei Psychosen schlechter als Placebo" – die einzig korrekte Formulierung wäre: Cannabis macht Psychosen erwiesenermaßen schlechter. Auch bei Tic-Störungen (eines der wenigen einst aussichtsreichen Einsatzgebiete, wir hatten das früher mal als Thema) lässt sich ein Nutzen nicht belegen.
In einer anderen Sitzung lässt die Expertin Müller-Vahl (für Tics wie für Cannabis) in einem Nebensatz fallen, dass sie Tics mit Aripiprazol – einem Antipsychoticum – behandelt, wenn eine medikamentöse Therapie nötig ist.

Es wird ein Cochrane-Fazit zitiert
ZitatIn Anbetracht des Mangels an Beweisen, des Fehlens qualitativ hochwertiger Belege und der bekannten Risiken (...) ist die Verwendung von Cannabinoiden zur Behandlung psychischer Störungen derzeit nicht zu rechtfertigen."
Black et al. 2019
Aber es wird abgeschmettert mit der Bemerkung, das wäre zu krass ausgedrückt.

Skrupellos habe ich das Verbot ignoriert mitzufotografieren.

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Das kommentiert sich selbst. Es ist nicht das, was man unter ,,Wissenschaftlichkeit" verstehen sollte.

PS: das sieht ja aus wie eine Todesanzeige ... ist es denn wohl auch.