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Religiöses Denken...

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Begonnen von Navigator2, 17. April 2017, 01:12:44

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Navigator2

Hallo,
... der folgende Beitrag soll eine Art Erkenntnis bringen über die Mechanismen, die einen Menschen in seinem Denken und seinen Ansichten formen... von daher komme ich aber nicht drum herum, die eine oder andere "persönliche" Frage zu stellen. Als "Gegenleistung" bin ich bereit, die gleichen Fragen zu meiner Person zu beantworten... ansonsten wäre das sehr einseitig.

Ok - wie komme ich zu dem Thema, und um was geht es überhaupt... nun, ich "streite" mich auf YouTube mit allerlei komischen Leuten herum, die meiner Ansicht nach sehr komische Ansichten vertreten, die sich im weitesten (oder auch näheren Sinne) als Verschwörungstheoretiker. Im konkreten und den aktuellen Fällen handelt es sich zum einem um Leute, die behaupten, die Erde sei flach.... ich weiß, es ist lächerlich, aber solche Leute gibt es zuhauf, und es ist unglaublich, wieviele es von diesen Typen gibt. Die Anderen, mit denen ich mich herumärgere, erklären sofort jeden terroristischen Anschlag zu einer "False Flagoperation" - oder noch viel verückter für einen Fake, also nur eine Inszenierung für die Medien gewesen sein. Es ist total verrückt, aber mittlerweile haben uns die "sozialen Medien" ein ganze Kompanie voller Vollidioten beschert....

... ok, sei es darum ... nun halte ich diese Art des Deppentums für ziemlich extrem. Aber außer diesem Deppentum des Verschwörungsglaubens gibt es ja auch noch die Religion(en).

In Anbetracht der Tatsache, dass ich mich mit geschätzt 3/4 der Menschheit anlegen würde, wenn ich Religionen auf die gleiche Stufe wie die anderen Verschwörungstheoretiker stelle, und sie als Deppentum bezeichne, werde ich versuchen, mich in der Form etwas konzilianter ausdrücken, allerdings halte ich ich Religion  für genau so absurd wie auch viele der gängigen Verschwörungstheorien.

Wie ihr also aus meinem "Duktus" (Merkelspeech) entnehmen könnt, bin ich so etwas wie ein Atheist, oder ein Agnostiker, oder irgend etwas dazwischen. Ich will jetzt mit euch aber auch keine religiöse Diskussion führen, und vor allem will ich niemanden von etwas überzeugen, weil das ja ohnehin nicht funktioniert.

Viel mehr dacht ich so beim Sinnieren über mich selbst, wie es kommt, dass ich so ein "gottloser" Geselle bin.

Nun - in meinem Falle war das leicht zu erklären, bereits mein Vater war Atheist - während meine Mutter ein extrem religiöses Weltbild hat, was ich für total lächerlich halte. Da ich meinem Vater eine rationalere Weltsicht zutraue, und er im vergleichleich zu meiner Mutter auch eine sehr viel dominantere Persönlichkeit ist, blieb ich von einer religiösen Indoktrination in meiner Kindheit verschont, und bedingt durch die schwache Persönlichkeit meiner Mutter sowie die sehr schlechte Beziehung, die ich zu meiner Mutter hatte, blieb ich von jeder wirksamen religiösen Indoktrination verschont. Das Ergebnis ist, dass ich mit Religion und Gottesglauben nix am Hut hab, und ich auch ansonsten eine kritisch-skeptisch-rationalbetonte Weltsicht hab.

Aber ich frage mich, ob ich auch so wäre, wenn ich in einem religiösen Zuhause aufgewachsen wäre? Wer wäre ich, wenn ich in anderen Verhältnissen aufgewachsen wäre? Wie ist das bei euch? Ist jemand unter euch, der in religiösen evtl. sogar streng religiösen Verhältnissen aufgewachsen ist, der sich heute als Atheist (o.ä.) sieht, und wann und wie hat euer "Abfall" vom Glauben stattgefunden?

Vor allem frage ich mich, wie religiöse Menschen mit ihren kognitiven Dissonanzen umgehen, denn wenn man sich mit den kognitiven Dissonanzen beschäftigt, die bei rationaler gedanklicher Behandlung von Glaubensthemen - egal ob es jetzt um religiöses geht, oder ob es sich um diverse Verschwörungstheorien geht, so muss man zwangsläufig auf starke Zweifel kommen, die den Glauben ins Absurde führen.

Warum können die meisten Menschen, die einer Religion angehören diesen gedanklichen Schritt der Erkenntnis der Absurdität ihrer Religion nicht realisieren? 

Groucho

Zitat von: Navigator2 am 17. April 2017, 01:12:44
Ok - wie komme ich zu dem Thema, und um was geht es überhaupt... nun, ich "streite" mich auf YouTube mit allerlei komischen Leuten herum, die meiner Ansicht nach sehr komische Ansichten vertreten, die sich im weitesten (oder auch näheren Sinne) als Verschwörungstheoretiker. Im konkreten und den aktuellen Fällen handelt es sich zum einem um Leute, die behaupten, die Erde sei flach.... ich weiß, es ist lächerlich, aber solche Leute gibt es zuhauf, und es ist unglaublich, wieviele es von diesen Typen gibt.

Das ist einfach nur eine Blase, die sich da versammelt aufgrund der Möglichkeiten der weltweiten Vernetzung für fast alle. Das Netz ist quasi ein psychologischer Feinstaubfilter, der lediglich Dinge zum Vorschein bringt, die schon immer da waren.

Zitat
In Anbetracht der Tatsache, dass ich mich mit geschätzt 3/4 der Menschheit anlegen würde, wenn ich Religionen auf die gleiche Stufe wie die anderen Verschwörungstheoretiker stelle, und sie als Deppentum bezeichne, werde ich versuchen, mich in der Form etwas konzilianter ausdrücken, allerdings halte ich ich Religion  für genau so absurd wie auch viele der gängigen Verschwörungstheorien.

Ich denke schon, dass man das unterscheiden muss. Die Funktionalitäten sind anders. VT geben einfache Antworten auf komplexe Ereignisse der realen Welt. Religionen versuchen Antworten zu geben auf Fragen, für die es keine Antworten geben kann.

Beides hat aber vermutlich die gleiche oder eine ähnliche Basis, die man mit "Denkökonomie" umschreiben könnte. Der Mensch lebt ungern mit offenen Fragen, bei den VT ist es die Einfachheit der Antworten, die verlockt, während Religionen das Kreisen um den Sinn und die Endlichkeit des eigenen Daseins in praktische Bahnen lenken kann, die das Kreisen stoppen.

Man muss sich immer vor Augen halten, welche Aufgaben unser Hirn hat aus evolutionärer Sicht. Es ist keine "Wahrheitssuchmaschine", es dient erstmal dem Überleben, indem es Muster, Strukturen und Zusammenhänge möglichst blitzschnell erkennt. Lücken in der Erkenntnis sind schwer erträglich, weil sie Angst machen. Insofern ist für Viele auch die bescheuertste und unwahrscheinlichste Erklärung immer noch besser als gar keine. Die Fähigkeit, Fragen offen zu lassen, bevor man einen Fallback auf allzu Simples macht, ist die berühmte Ambiguitätstoleranz. Sie scheint nicht vielen gegeben. 

Zitat
Aber ich frage mich, ob ich auch so wäre, wenn ich in einem religiösen Zuhause aufgewachsen wäre? Wer wäre ich, wenn ich in anderen Verhältnissen aufgewachsen wäre? Wie ist das bei euch? Ist jemand unter euch, der in religiösen evtl. sogar streng religiösen Verhältnissen aufgewachsen ist, der sich heute als Atheist (o.ä.) sieht, und wann und wie hat euer "Abfall" vom Glauben stattgefunden?

Wer unter religiösen Bedingungen aufwächst, assimiliert diese natürlich als Kind, ob dann irgendwann eigenes Nachdenken einsetzt, die nötige Selbstreflektion vorhanden ist -  das ist sicherlich persönlich völlig verschieden. Ich kenne genug Fälle, in denen ein stark religiöses Elternhaus dann auch zu starker Ablehnung und zum Nicht-Glauben führte, aber umgekehrt auch welche, wo erwachsene Menschen aus einem völlig atheistischen Haus plötzlich zu Jesusfans und religiös wurden.


Zitat
Vor allem frage ich mich, wie religiöse Menschen mit ihren kognitiven Dissonanzen umgehen, denn wenn man sich mit den kognitiven Dissonanzen beschäftigt, die bei rationaler gedanklicher Behandlung von Glaubensthemen - egal ob es jetzt um religiöses geht, oder ob es sich um diverse Verschwörungstheorien geht, so muss man zwangsläufig auf starke Zweifel kommen, die den Glauben ins Absurde führen.

Sowas kann man bei bedarf ziemlich gut abspalten. Die Kirchen haben dazu sehr gute Instrumente entwickelt, speziell die katholische. Z.B. dass nur der ein wahrer Gläubiger sei, der das Unglaubliche eben glauben kann.

Zitat
Warum können die meisten Menschen, die einer Religion angehören diesen gedanklichen Schritt der Erkenntnis der Absurdität ihrer Religion nicht realisieren?

Vermutlich, weil die meisten dazu keine Lust haben. Religionen mit ihren Riten schaffen Geborgenheit, und die ist für viele allemal wichtiger, als irgendeine Erkenntnis. Aus der Psychologie weiß man, dass Menschen lieber dem Gruppenkonsens zustimmen (auch wenn sie ihn insgeheim für Unsinn halten) als zu riskieren, aus der Gruppe zu fliegen.

Wie gesagt, man muss unseren Denkapparat evolutionär sehen. 

eLender

Zitat von: Navigator2 am 17. April 2017, 01:12:44
Aber ich frage mich, ob ich auch so wäre, wenn ich in einem religiösen Zuhause aufgewachsen wäre? Wer wäre ich, wenn ich in anderen Verhältnissen aufgewachsen wäre? Wie ist das bei euch? Ist jemand unter euch, der in religiösen evtl. sogar streng religiösen Verhältnissen aufgewachsen ist, der sich heute als Atheist (o.ä.) sieht, und wann und wie hat euer "Abfall" vom Glauben stattgefunden?

Ich wurde schon als Atheist geboren :angel:

Im Ernst: ich glaube schon, dass es ein Persönlichkeitsmerkmal ist, ob man zu irrationalem Glauben tendiert und eher autoritätsgläubig (!) ist. Ein paar (markante) Beispiele zeigen das ganz gut:

https://www.profil.at/wissenschaft/sekten-verschwoerungstheorien-giulia-silberberger-interview-6226189

http://www.stern.de/familie/leben/-goodbye-jehova---wie-misha-anouk-die-zeugen-jehovas-verliess-5949344.html
Wollte ich nur mal gesagt haben!

ZKLP

Zitat von: Navigator2 am 17. April 2017, 01:12:44wenn ich Religionen auf die gleiche Stufe wie die anderen Verschwörungstheoretiker stelle

Als nicht praktizierendes, aber steuerpflichtiges Mitglied einer der beiden großen Kirchen in Deutschland halte ich den unbedingten Vergleich zwischen Verschwörungstheorie und Religion für unpassend.

Mir ist von keinem mir bekannten Religionsgläubigen bewusst, dass er das, was gepredigt wird, wörtlich nähme. Die stehen in der Regel eigentlich so weit in der Realität, dass sie sich der Symbolik dessen bewusst sind.

Bei Anhängern z.B. des Mondlandgshoaxes dürfte diese Erkenntnis wesentlich weniger ausgeprägt sein. Was womöglich auch bei aktiven Zeugen Jehovas oder gar bei irgendwelchen militanten Kämpfern im Namen irgendeines Glaubens gelten mag.


Und falls schon der alleinige Glaube an ein "höheres" Irgendwas außerhalb unseres wissenschaftlich beschreibbaren Weltbilds (eine Option, die ich schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb nicht ausschließen möchte) als VT gelten sollte, sei die Frage erlaubt: Wogegen verschwört man sich hier? Gegen das NICHTS?  ;D


Btw. kenne ich ein paar Atheisten, die ich eher mit VTs in Zusammenhang bringen würde als den Durschschnittsevangelen oder -katholen. In ihrem Missionierungsdrang, einem von der Nichtexistenz eines Gotteswesens zu überzeugen, sind die nerviger als so manche Veganer...

Peiresc

Zitat von: ZKLP am 17. April 2017, 18:09:49
der alleinige Glaube an ein "höheres" Irgendwas außerhalb unseres wissenschaftlich beschreibbaren Weltbilds (eine Option, die ich schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb nicht ausschließen möchte)
Das klingt ein wenig nach Pascalscher Wette. (Zum übrigen Post Zustimmung).

RächerDerVerderbten

Zitat von: Peiresc am 17. April 2017, 18:28:51
Das klingt ein wenig nach Pascalscher Wette.

Die coolsten Götter sind sowieso die gleichgültigen, die gar keine Notiz davon nehmen, ob man an sie glaubt. Die zermalmen einen zwar mal nebenbei, aber eben nicht aus erzieherischen Gründen.

Leider kann man die auch gar nicht anderen auf den Hals hetzen. :(
If the only thing keeping a person decent is the expectation of divine reward, brother, that person is a piece of shit. Rusty Cohle

ZKLP

Zitat von: Peiresc am 17. April 2017, 18:28:51Das klingt ein wenig nach Pascalscher Wette.
In gewisser Weise. Wobei ich das Wort "Gott" als Personifizierung von etwas Anbetungswürdigem/-pflichtigen nicht mag.

Sauropode

Wenn es einen Schöpfer gäbe, der sich den ganzen Stress gemacht hat, ein Universum inklusive des winzigkleinen Dreckklumpens namens Erde und seiner Bewohner geschaffen hat, dem wäre es sehr scheißegal, ob eine völlig unbedeudende Kreatur der Spezies Homo sapiens an ihn glaubt, Rituale zu seiner Besänftigung oder für seine gute Laune durchführt oder ihn gar leugnet oder verflucht. Angesichts der Riesengröße des Weltalls ist das sowas von unbedeutend und scheißegal.

Im Gegenteil, das kleine Menschlein, das nun igrendwelche seltsamane Verhaltensweisen an den Tag legt, damit ihm dieser Gott seine Aufmerksamkeit schenkt oder ihm zum Wohlgefallen andere überzeugt oder sogar mit Gewalt zwingt, ebensolches zu tun, ist absurd und größenwahnsinnig.

Peiresc

Zitat von: ZKLP am 17. April 2017, 18:51:49
Zitat von: Peiresc am 17. April 2017, 18:28:51Das klingt ein wenig nach Pascalscher Wette.
In gewisser Weise. Wobei ich das Wort "Gott" als Personifizierung von etwas Anbetungswürdigem/-pflichtigen nicht mag.
Oh Du Höheres Wesen, das wir verehren ...

SCNR.

Sauropode

Zitat von: ZKLP am 17. April 2017, 18:09:49
Mir ist von keinem mir bekannten Religionsgläubigen bewusst, dass er das, was gepredigt wird, wörtlich nähme. Die stehen in der Regel eigentlich so weit in der Realität, dass sie sich der Symbolik dessen bewusst sind.

Oh doch, bzw. oh nein, es gibt genug. Weiche in einem stark religiös geprägten Umfeld nur mal von den üblichen Gepflogenheiten ab, dann wirst Du sehen....

Mache als Jude zu Sabbath einen Grillfete mit schweinernen Würsten, mit Käse überbacken, flambiere als Moslem ein Buch, wo Koran vorne drauf steht, mache als Christ zu Karfreitag eine Tanzveranstaltung. Du wirst sehen, keine erzürnste Gottheit wird Dich strafen, sondern Dein Glaubensgenosse.

ZKLP

Rituale und Konventionen sind in jeder Gesellschaft üblich. Weiche davon ab, dann wirst Du sehen...

Sauropode

Zitat von: ZKLP am 17. April 2017, 19:32:08
Rituale und Konventionen sind in jeder Gesellschaft üblich. Weiche davon ab, dann wirst Du sehen...

Ja, aber besonders dann, wenn Religion ins Spiel kommt. Und besonders in ländlicher Gegend oder in Großsippen. Deswegen liebe ich Großstädte, da inteessiert es keine Sau.

ZKLP

Zitat von: Sauropode am 17. April 2017, 19:42:46Deswegen liebe ich Großstädte, da inteessiert es keine Sau.

Ein Bekannter hatte einmal gewagt, in urban geprägter geselliger Runde die völlige rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare in Frage zu stellen...  :teufel

Sauropode

Ja und? Die Reaktionen, wenn Du in einer solchen Runde ähm, einen Maximalpigmentierten mit dem N-Wort bezeichnest, werden in diesem Umfeld auch entsprechend ausfallen. Das hat aber nichts mit Religion zu tun, sondern geht, wie auch das mit den Gleichgeschlechtlichen, in Richtung Diskriminierung.

Und komme mir jetzt bitte nicht mit Genderzeug an!  Das ist dann schon wieder religiotisch oder so!  :schlaeger

ZKLP

Zitat von: Sauropode am 17. April 2017, 20:04:59geht, wie auch das mit den Gleichgeschlechtlichen, in Richtung Diskriminierung.
Unsere Vorstellungen von Diskriminierung scheinen auseinanderzugehen. Ich halte die Aussage, dass gewisse Beziehungsformen privilegiert sein sollen, für eine völlig legitime Meinungsäußerung. Ganz unabhängig von meiner persönlichen Meinung, die hier nichts zur Sache tut. Die Reaktionen darauf unterschieden sich aber nicht wesentlich von denen auf eine mittelprächtige Gotteslästerung.

Es ist auch nur ein Glaube, dass man es allen (ge-)recht machen könne. Das Evangelium der völligen Gleichberechtigung. Wer dem widerspricht, ist ein Ketzer ein Diskriminerender! Oder einx Diskriminierendx (am Wortlaut des Evangeliums wird derzeit noch gefeilt)!   ;)