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Bedingungsloses Grundeinkommen

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Begonnen von Groucho, 09. Dezember 2015, 20:17:39

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Groucho

Eine Schnappsidee, denke ich bisher.

Allerdings:

http://pixeloekonom.de/2015/12/08/regierung-plant-grundeinkommen-revolutioniert-finnland-den-sozialstaat/

Da sind ein paar Parameter dabei, die das Ganze gar nicht so irre ausschauen lassen. Man kann gespannt sein, wenn sie das tun.

Omikronn

Schnapsidee ist, so denke ich, der richtige Begriff. Aus meiner Sicht machen die Parameter das ganze nicht viel weniger utopisch.

Das Modell soll z.B. durch den Wegfall aller anderen Sozialleistungen finanziert werden. Die Durchschnittsrechung scheint simpel: Gesamtsozialausgaben des Staates dividiert durch die Anzahl Köpfe. Da frage ich mich gleich wie z.B.  dem Umstand Rechnung getragen wird, dass gewisse Bevölkerungsgruppen viel höhere Ausgaben als andere haben und dass dies auch noch u.U wild fluktuieren kann. Die einen brauchen ein Mehrfaches vom Staat – die andern brauchen jedoch wenig bis nichts, und das kann sich von Person zu Person schnell ändern.

Wie soll in diesem Modell mit Armutsrisiken umgegangen werden die jeden plötzlich treffen können? z.B. der (finanzielle) Fall einer durch Unfall schwer Pflegebedürftigen Person welche soeben Invalide geworden ist? Der Grossteil der Pflegekosten wird in solchen Fällen doch von den Krankenversicherungen und vom Staat finanziert und die Beträge gehen dann doch schnell in die Hunderttausende/Person. Wie soll solch ein Fall mit 800 EUR Monatsrente abgegolten werden?



Don't try to argue with idiots, first they tear you down to their level, then they beat you with their experience.

celsus

Falls wirklich jemand auf die Idee gekommen ist, dass Krankenkassenleistungen als Sozialausgaben kalkuliert und zur Bereichnung des BGE herangezogen werden, wäre das enorm unschlau. Kann ich mir nicht so recht vorstellen. Natürlich dürfen in die Rechnung nur Lohnersatzleistungen (Kindergeld, ALG, Rente) und deren direkte Folgekosten (z.B. Verwaltung) rein.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

Omikronn

@Celsus, das Modell von Dieter Althaus habe ich zumindest so verstanden, ob das finnische Modell so aussieht weiss ich allerdings nicht...
Zitat
Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wäre auch die Einführung einer Gesundheitsprämie (,,Kopfpauschale") als Krankenkassenbeitrag verbunden. Sie wird vom Bürgergeldanspruch gleich abgezogen und als Gutschein ausgegeben - unabhängig von Alter und Einkommen.[4] Das bedeutet, dass die Finanzierung über das Steuersystem erfolgt und die davon vollständig getrennte Einzahlung in das Krankenversicherungssystem über Pauschalprämien geschieht. Steigen die Gesundheitskosten, muss die Gesundheitsprämie erhöht werden. Ob die Höhe des Netto-Bürgergeldes infolgedessen sinkt, ist bisher nicht festgelegt, es soll sich jedoch generell am soziokulturellen Existenzminimum ausrichten.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Solidarisches_B%C3%BCrgergeld
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duester

Zitat von: Omikronn am 10. Dezember 2015, 12:39:37
Wie soll in diesem Modell mit Armutsrisiken umgegangen werden die jeden plötzlich treffen können? z.B. der (finanzielle) Fall einer durch Unfall schwer Pflegebedürftigen Person welche soeben Invalide geworden ist? Der Grossteil der Pflegekosten wird in solchen Fällen doch von den Krankenversicherungen und vom Staat finanziert und die Beträge gehen dann doch schnell in die Hunderttausende/Person. Wie soll solch ein Fall mit 800 EUR Monatsrente abgegolten werden?

Nicht ganz: Sozialversicherungssystem =/ Steuersystem.  Die Auszahlungen der Krankenversicherungen sind unabhängig von den Einzahlungen und die Pflegeversicherung zahlt sowieso nur Pauschalen aus. Bei einem BGE könnten also z.B. 250 bis 300 Euro als pauschale Beiträge in die GKV und SPV fließen. Im Schadensfall würden die Leistungen wie bisher aus den gesammelten Versicherungsbeiträgen bezahlt. Selbst wenn das Gesundheitssystem ein staatliches System wäre (wie z.B. der NHS in Groß-Britannien) würde das funktionieren: Jeder Bürger zahlt mit den Steuern seinen Anteil am NHS und erhält Leistungen nach Bedarf. Verwaltungsausgaben spart es aber sicher nicht: Die liegen in der GKV bei sowieso <5% des Umsatzes und fallen vor allem für die Entscheidungen über Leistungen an.

Es könnte vielleicht für die Arbeitslosen- und Rentenversicherung funktionieren: Dann zahlt zwar jeder abhängig vom Einkommen ein, erhält aber im Bedarfsfall "nur" weiter sein BGE. Die Lücke müsste/könnte dann durch private Versicherungen geschlossen werden. Wo es vielleicht auch Sinn machen könnte, wäre als Ersatz des Kindergelds: Das ist eigentlich nur die Vorauszahlung auf steuerliche Erleichterungen. Wenn jeder Familienangehörige das BGE erhält, fallen die Regelungen zu Ehegattensplitting (wenn es das in Finnland gibt ...) und Kinderfreibeträgen weg. BAFöG könnte wegfallen. Aber ob das 800 € für jeden ausmacht? Und die Fehlanreize für die Familienplanung, die entstehen, wenn jedes weitere Kind 800 € in Kasse spült, will ich mir noch nicht mal vorstellen ... .

ajki

Ich gehe mal davon aus, dass die meisten am Thema Interessierten spätestens zwischenzeitlich mitbekommen haben werden, dass die Schlagzeilen, die diesen thread wohl evozierten, .. sagen wir mal "verfrüht" waren (um es auf der höflichen Seite zu belassen). Was in "Finnland" (und seit geraumer Zeit auch anderswo, z.B. in der Schweiz) ansteht ist eine Art lokale Versuchsanordnung unter wissenschaftlicher Leitung, in der verschiedene Formen von möglichen "Grundsicherungssystemen" möglichst "wirklichkeitsnah" getestet und evaluiert werden sollen. Im "finnischen" Vorhaben fehlt bislang sogar noch jedwede Form eines Testmodells - das Einzige, was bislang vorliegt ist die Entscheidung, den "Test" durchzuführen (noch nicht mal die beteiligten Institutionen, geschweige denn der oder die Ort/e oder sonstige Modalitäten des Tests sind bislang auch nur annähernd ausformuliert/festgelegt). Wenn man Daumen mal Pi davon ausgeht, dass die diversesten Präliminarien in ungefähr zwei Jahren abgeschlossen sein würden (was schnell wäre) und nur ein oder bestenfalls zwei Modelle getestet werden, dann könnte man darauf schliessen, dass erste mögliche Ergebnisse in vielleicht fünf bis acht Jahren von heute an gerechnet vorliegen könnten. In anderen Ländern mit Testabsichten sieht es ähnlich aus. Dabei wird es aber in jedem Fall nicht zu einem Ergebnis kommen, auf das man allgemein als aussagekräftig und valide abstellen könnte (für eine irgendwann/-wie tatsächliche "Einführung"). Im Gegenteil darf davon ausgegangen werden, dass der wirkliche, echte, ernsthafte Streit auf der Grundlage der dann vorliegenden Daten erst richtig losgeht - es wird dann sozusagen anstatt Wattebäuschchen-Bewerfen mit theoretischen, abstrakten Modellen mit scharfer, interpretierter "Daten"-Munition geschossen.

Die nicht hintergehbare Künstlichkeit eines Test-Ensembles (selbst dann, wenn die Umsetzung "so gut wie möglich" erfolgt) wird zwangsläufig ganz fundamentale Fragen unbeantwortbar belassen, die aber schon bei der rein theoretischen Modellierung der vielen verschiedenen Ansätze (alleine in Dtschl. gab/gibt es Stand 2012 mindestens 24 verschiedene Modelle, von denen rund die Hälfte das Attribut "bedingungslos" erfüllen) schon im Grundsatz für starke pro- und contra-Blöcke sorgen. Es wird dabei nie einfacher werden durch Testate, denn erst eine Real-Einführung in einem konkret vergleichsfähigen Staatsgebilde (*) würde die ökonomischen, politischen, sozialen und sonstigen Folgen zeitigen (die im Vorhinein in Teilen schlechthin unbestimmbar sind).

Im Falle der "finnländischen" Absichten wird es sinnvoll sein mit jedweder Diskussion abzuwarten, bis zumindest die Testmodelle definiert sein werden.

(*: wenn in Tansania eine Form von Grundsicherung eingeführt wird, dann wäre das Modell und die Effekte nicht übertragbar auf einen zentraleuropäischen Staat; selbst wenn die "Schweiz" so etwas durchzieht, wäre es hoch fraglich, ob irgendein anderer EU-Staat die Erfahrungsbasis zu Eigeneinführung übernehmen könnte)
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