Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Virtuelle Kommunikation

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von TV, 29. Juli 2015, 12:11:17

« vorheriges - nächstes »

TV

Fortsetzung einer Teildiskussion aus dem Thread: "Wie ich gerade noch..."

Zitat von: Groucho am 27. Juli 2015, 12:49:50
Zitat von: TV am 26. Juli 2015, 17:19:06
"In welcher Weise erlauben die Kommunikationsmittel des Internets einen Wechsel der Ebenen, wie er in der pers. Kommunikation möglich ist? Und falls sie es gar nicht erlauben: Was für mittelfristige Konsequenzen hat das, wenn das soziale Miteinander irgendwann noch stärker vom Netz dominiert wird, als es aktuell der Fall ist?" [/i]

Ich hab zwar genörgelt, aber mir fällt auch nix besseres ein, die Frage ist schon ok, und mich interessiert's. Meine These: Eine Kommunikation über das Netz ist nahezu gleichwertig möglich wie in einem persönlichen Gespräch, dort, wo sie nicht ganz ran kommt, bietet sie zusätzliche Möglichkeiten, so dass am Schluss eine mehr oder weniger gleichwertige Situation vorhanden ist.

Mir kam gestern Watzlawick in den Sinn, und ich habe mir nochmal den Wikipedia Artikel zu u.a. seinen metakommunikativen Axiomen durchgelesen. Ich finde, das gibt eine ganz gute Basisstruktur, um herauszukristallisieren, worin sich Netzkommunikation von persönlicher Kommunikation unterscheidet.

Zitat von: Groucho
Soweit die Theorie, die Praxis bietet gar viele Fehlermöglichkeiten, und es fehlt allerorten (ich schließe mich nicht aus) an Kompetenz, damit umzugehen. Zudem gibt es viele Kanäle, Chat, Mail, Mailinglisten, Newsgroups, Foren, Kommentarspalten, für die jeweils andere Regeln gelten, und, nicht zu vergessen, sich je nach Community zusätzlich unterscheiden.

Im Grunde sind die Menschen vielleicht noch gar nicht so weit, wirklich klar sagen zu können, was "kommunikative Kompetenz im Netz" bedeutet. Das ganze ist ein äußerst dynamischer Prozess. Innerhalb der beruflichen Netzkommunikation ist es meist einfach: da hat sich in jedem Umfeld eine vergleichsweise einheitliche Kommunikationskultur entwickelt, die dann auch zu weniger Missverständnissen führt.

Gesamtgesellschaftlich ist es zudem so, dass aktuell noch Gruppen aufeinanderstoßen, die ein völlig unterschiedliches Maß an Netzerfahrungen haben: Alte Hasen mit 15 bis 20 Jahren Internetten auf dem Buckel stoßen auf Leute, die noch nie im Netz diskutiert haben und jetzt gerade damit anfangen, weil sie sich ein Smartphone gekauft haben und - da alle WhatsApp haben - das jetzt auch machen wollen.

Hinzu kommen die Leute, die sich komplett ausklinken: entweder weil sie sich überfordert fühlen (meist ältere Leute), oder weil sie z.B. beruflich schon so viel am Rechner sind, dass sie privat schlicht nichts mehr damit zu tun haben wollen. Oder auch, weil sie zwar passiv im Netz aktiv sind, aber die Rolle des "ewig vorsichtigen Beobachters" spielen und aus dieser Position heraus, ohne eigene Diskussionserfahrung, ihren kritischen Senf zu dieser Entwicklung abgeben (und evtl. sogar diejenigen in ihrem Umfeld belehren oder beschützen wollen, welche sich hier und da  öffentlich kommunizierend in diesen allgemeinen Veränderungsprozess begeben haben.) Usw. usf..

Will sagen: in der jetzigen Phase, die ich ebenfalls für eine Art Übergangsphase halte, erzeugen die kommunikativen Probleme des Netzes zusätzlich kommunikative Probleme im persönlichen Bereich. In meinem privaten Umfeld bin ich beispielsweise ständig damit beschäftigt zu kalibrieren, wieviel Netzerfahrung mein Gegenüber hat. Da gibt es durchaus diejenigen, welche eine Kommunikation im Netz gefühlsmäßig ungefähr so bewerten, wie das Sprechen über eine unübliche Sexualpraxis in den 50er Jahren bewertet worden wäre. ;) ...und entsprechend verschweige ich ihnen gegenüber "schamhaft" :-[ (besser: kalibrierend) derlei Aktivitäten wie z.B. diese Diskussion hier.

Zitat von: GrouchoWenn es also kommunikative Probleme gibt, liegt das einfach meist an einer falschen "Kalibrierung" der Gesprächspartner.

Soweit es die rein netzinterne Kommunikation betrifft, geht es glaube ich um etwas mehr als Kalibrierung. Ausgehend von den oben erwähnten metakommunikativen Annahmen, kann man glaube ich sagen: die Missverständnisse oder falsch gelaufenen Kommunikationsprozesse liegen selten an der Sachebene, sondern fast immer an der Beziehungsebene der Kommunikation. Und diese lässt sich rein technologisch (noch?) nicht hinreichend gut mit den verfügbaren Mitteln übersetzen: die sinnliche Wahrnehmungsebene fehlt. Skype und Videokonferenzen dürften ein daraus resultierender Schritt sein. Emoticons waren und sind der erste Behelf. (Sie stoßen allerdings bei distinguierten Intellektuellen auf eine "Äh bäh!"-Reaktion: das ist ja sowas wie Comicstrips. :grins )

Zitat von: GrouchoNur ein Beispiel: E-Mail. Inzwischen hat sich eine Art Standard gebildet, aber noch vor kurzer Zeit war das schwierig, weil es wohl völlig verschiedene Ansichten gab, wie dieses Medium zu betrachten sei. Ich sah sie immer als Äquivalent zum klassischen Brief, manche eher wie einen Notzizzettel. Die Komplikationsmöglichkeiten sind dann oft lustiger oder auch schlimmer Art  :grins2: Man kann einen Schreiber für einen respektlosen Rotzlöffel oder einen überkandidelten Schnösel halten, obwohl letztlich in Wirklichkeit nichts davon stimmt. Oder wenn jemand mit MfG sich verabschiedet, empfinde ich das als unhöflich (Wer in Zeiten von Textbausteinen nicht die Zeit hat, einen einzufügen und für seine Freundlichkeit gerade mal drei Buchstaben übrig hat, zeigt eigentlich das Gegenteil.). Ich weiß aber, Vielen ist sowas völlig unklar und sie halten das für üblich und normal. Mich stört es auch nicht mehr.

Mich stört es immer noch, aber ich trenne dies Unbehagen von meiner Wertung der Person. Aber alles in allem finde ich es schon ärgerlich, dass sich einzig wegen technologischer Beschränkungen (subjektiver oder objektiver Art wie Handytippseln) die formal respektlose Art durchsetzt. Es wird einem außerdem die Möglichkeit genommen zu differenzieren: manchmal möchte ich bewusst harsch sein, manchmal möchte ich explizit freundlich sein, manchmal möchte ich besonders höflich sein. Aber ich kann das nicht mehr differenzieren, wenn Freunde schlicht mit "Gruß,..." unterschreiben, irgendwelche Geschäftsbriefe von mir unbekannten Stellen aber mit "Liebe Grüße" signiert werden. Aktuell sieht es bei mir so aus, dass meine Grußformeln nur selten noch etwas mit der realen Beziehungsebene zu tun haben, sondern vielmehr eine reine Anpassung an die jeweilige Gepflogenheit darstellen. Das finde ich ziemlich bescheuert, um es mal klar auszudrücken.

Zitat von: GrouchoInnerhalb einer Forengemeinschaft kann sich so ein gegenseitiges Verständnis entwickeln, wenn man die Teilnehmer länger kennt. Man muss dann z.B. Ironie nicht mehr allzu deutlich kennzeichnen, man weiß, wie es gemeint ist. Dieses Niveau ist sicher dann Voraussetzung, um unfallfrei die Ebenen wechseln zu können.

Ja, das sehe ich eigentlich auch so. Tatsächlich habe ich aber auch schon erlebt, dass Netzkommunikation - eben wegen der fehlenden sinnlichen Komponente - extrem anfällig für Projektionen ist. Es ist völlig natürlich, dass man sich in jeder Kommunikation ein spontanes inneres Bild des Gegenübers macht und darauf (mit) reagiert, statt auf das konkrete Gegenüber. In der face-to-face-Situation kann dies Bild sehr schnell immer wieder korrigiert werden. In einer Forenkommunikation, erst recht in einer Blogdiskussion, ist diese notwendige Korrektur des inneren Bildes vom anderen viel schwieriger und verlangt m.E. ein höheres Maß an Selbstreflektion, als man gemeinhin als gegeben annehmen kann. Deswegen fände ich es gut, wenn "Kommunikation" als solche in einem ganz anderen Umfang als bisher zum Bestandteil der Bildung und Ausbildung von Menschen gemacht wird.

Tatsächlich halte ich das für ein lösbares Problem, auch wenn es derzeit im Netz noch immer wieder Entgleisungen der Art gibt, dass statt zwei Kommunikationspartnern vier involviert sind: die beiden Menschen und ihre beiden inneren Bilder. ;) Schlimmstenfalls sogar sechs: wenn jeder der Beteiligten zusätzlich eine gespielte Rolle einnimmt.

Wenn ich nochmal auf die Unterscheidung von Sach- (Inhalts-) und Beziehungsebene der Kommunikation zurückgehe, sehe ich außerdem folgendes:

Die technologische Entwicklung scheint mir den Inhaltsanteil der (öffentlichen) Kommunikation zurückzudrängen. Es wird zwar versucht, für den Ausdruck der Beziehungsebene immer neue Tools zu schaffen (akustisch, visuell, da geht sicher noch mehr). Aber wenn ich beispielsweise via Tablet eine Forenantwort schreibe, dann wird schon die Zitatfunktion schwierig, ganz zu schweigen von Smartphones. Oft wird dann das, was inhaltlich gesagt werden soll, durch einen externen Link ersetzt. D.h. es gibt womöglich irgendwann im Netz eine Trennung zwischen dem großen Container an Inhalten und dem Bereich der Kommunikation, wo nur noch in der Größenordnung von Twitter und Chat geplaudert oder auf externe Inhalte verlinkt wird.

Vermutung:
Erkenntnisgewinn und persönliche Entwicklung durch Gespräch und Diskussion geht dadurch verloren. Und dahinter steht die fatale Einstellung "Es ist eh alles schon mal gesagt worden."

Bei konkreter Kommunikation geht es aber um mehr, als darum, ob etwas schon irgendwo bekannt ist. Vielmehr gehört sie zu den Prozessen, in denen man sich die irgendwo vielleicht schon verfügbare Information tatsächlich erarbeitet, aneignet, anstatt sie nur unreflektiert "aufzusaugen".

...ich fürchte, der Inhaltsanteil meines Beitrags ist mal wieder unverschämt lang geworden... ;D

Groucho

Zitat von: TV am 29. Juli 2015, 12:11:17
Mir kam gestern Watzlawick in den Sinn, und ich habe mir nochmal den Wikipedia Artikel zu u.a. seinen metakommunikativen Axiomen durchgelesen. Ich finde, das gibt eine ganz gute Basisstruktur, um herauszukristallisieren, worin sich Netzkommunikation von persönlicher Kommunikation unterscheidet.

Es ist eine schöne Grundlage zur Begriffsdefinition, stimmt. Aber dem letzten Teil stimme ich nicht so zu, denn persönliche Kommunikation leidet doch letztlich unter genau den selben Problemen, Stichwort forensische Kommunikation  ;D

Zitat
Im Grunde sind die Menschen vielleicht noch gar nicht so weit, wirklich klar sagen zu können, was "kommunikative Kompetenz im Netz" bedeutet.

Naja, ne freischwebende Entität, die jetzt auf Erklärung durch Menschen wartet, ist das nun auch nicht.
(Metakommunikation: Ich habe verstanden, was Du gemeint hast, mir aber nicht verkneifen können, an dem Satz Haarzuspalten, weil es sich anbot.  :grins2: )
Denke schon, dass man das halbwegs definieren kann, wenigstens dann, wenn einem Teilnehmer klar ist, was er mit der Kommunikation erreichen will. Insofern können auch Trolle hervorragende Kommunikatoren sein. Vielleicht sollte man das mehr am Zweck aufhängen: Verfolgt die Kommunikation ein einseitiges Ziel oder allgemeinen Erkenntnisgewinn für beide Parteien?

Zitat
Das ganze ist ein äußerst dynamischer Prozess. Innerhalb der beruflichen Netzkommunikation ist es meist einfach: da hat sich in jedem Umfeld eine vergleichsweise einheitliche Kommunikationskultur entwickelt, die dann auch zu weniger Missverständnissen führt.

Gesamtgesellschaftlich ist es zudem so, dass aktuell noch Gruppen aufeinanderstoßen, die ein völlig unterschiedliches Maß an Netzerfahrungen haben: Alte Hasen mit 15 bis 20 Jahren Internetten auf dem Buckel stoßen auf Leute, die noch nie im Netz diskutiert haben und jetzt gerade damit anfangen, weil sie sich ein Smartphone gekauft haben und - da alle WhatsApp haben - das jetzt auch machen wollen.

AOL!
(kennt wer den Scherz noch?)

Zitat
Hinzu kommen die Leute, die sich komplett ausklinken: entweder weil sie sich überfordert fühlen (meist ältere Leute), oder weil sie z.B. beruflich schon so viel am Rechner sind, dass sie privat schlicht nichts mehr damit zu tun haben wollen. Oder auch, weil sie zwar passiv im Netz aktiv sind, aber die Rolle des "ewig vorsichtigen Beobachters" spielen und aus dieser Position heraus, ohne eigene Diskussionserfahrung, ihren kritischen Senf zu dieser Entwicklung abgeben (und evtl. sogar diejenigen in ihrem Umfeld belehren oder beschützen wollen, welche sich hier und da  öffentlich kommunizierend in diesen allgemeinen Veränderungsprozess begeben haben.) Usw. usf..

Will sagen: in der jetzigen Phase, die ich ebenfalls für eine Art Übergangsphase halte, erzeugen die kommunikativen Probleme des Netzes zusätzlich kommunikative Probleme im persönlichen Bereich. In meinem privaten Umfeld bin ich beispielsweise ständig damit beschäftigt zu kalibrieren, wieviel Netzerfahrung mein Gegenüber hat. Da gibt es durchaus diejenigen, welche eine Kommunikation im Netz gefühlsmäßig ungefähr so bewerten, wie das Sprechen über eine unübliche Sexualpraxis in den 50er Jahren bewertet worden wäre. ;) ...und entsprechend verschweige ich ihnen gegenüber "schamhaft" :-[ (besser: kalibrierend) derlei Aktivitäten wie z.B. diese Diskussion hier.

Das sind doch letztlich genau die kommunikativen Verhaltensweisen, wie sie "schon immer" bestehen. man kann für jeden geschilderten Fall problemlos ein Beispiel im RL finden. Das Netz macht alles nur viel deutlicher, schwieriger, umfangreicher. Die Gefahr der Irrtumswahrscheinlichkeit steigt. Aber nicht die Zahl der möglichen Irrtümer. Sag ich mal einfach so.

Zitat
Soweit es die rein netzinterne Kommunikation betrifft, geht es glaube ich um etwas mehr als Kalibrierung. Ausgehend von den oben erwähnten metakommunikativen Annahmen, kann man glaube ich sagen: die Missverständnisse oder falsch gelaufenen Kommunikationsprozesse liegen selten an der Sachebene, sondern fast immer an der Beziehungsebene der Kommunikation. Und diese lässt sich rein technologisch (noch?) nicht hinreichend gut mit den verfügbaren Mitteln übersetzen: die sinnliche Wahrnehmungsebene fehlt. Skype und Videokonferenzen dürften ein daraus resultierender Schritt sein. Emoticons waren und sind der erste Behelf. (Sie stoßen allerdings bei distinguierten Intellektuellen auf eine "Äh bäh!"-Reaktion: das ist ja sowas wie Comicstrips. :grins )

Emoticos hab ich auch mal hochnäsig verachtet, bis mir auffiel, dass ich schlechter schreibe als Thomas Mann, vor allem nicht so ausführlich, da ist das dann doch eine hilfreiche Erfindung  :angel:


Zitat
Mich stört es immer noch, aber ich trenne dies Unbehagen von meiner Wertung der Person. Aber alles in allem finde ich es schon ärgerlich, dass sich einzig wegen technologischer Beschränkungen (subjektiver oder objektiver Art wie Handytippseln) die formal respektlose Art durchsetzt. Es wird einem außerdem die Möglichkeit genommen zu differenzieren: manchmal möchte ich bewusst harsch sein, manchmal möchte ich explizit freundlich sein, manchmal möchte ich besonders höflich sein. Aber ich kann das nicht mehr differenzieren, wenn Freunde schlicht mit "Gruß,..." unterschreiben, irgendwelche Geschäftsbriefe von mir unbekannten Stellen aber mit "Liebe Grüße" signiert werden. Aktuell sieht es bei mir so aus, dass meine Grußformeln nur selten noch etwas mit der realen Beziehungsebene zu tun haben, sondern vielmehr eine reine Anpassung an die jeweilige Gepflogenheit darstellen. Das finde ich ziemlich bescheuert, um es mal klar auszudrücken.

Ja. Aber vermutlich gibt es auch hier eine Entwicklung, die in erster Stufe darin besteht, dass die meisten Netzteilnehmer überhaupt mal merken, dass es hier unterschiedliche Formen gibt. Ein wunderbares Beispiel war mal Zettels Raum, wo im Forum hohen Wert auf Anrede und Grußformel neben allgemeiner Höflichkeit gelegt wurde. Fand ich ziemlich gut, aber auch interessant, wie sich das seit seinem Tod verändert hat: Die Teilnehmer blieben im Wesentlichen die selben, aber die Umgangsformen haben sich verändert. Nicht schlechter, nicht besser, anders halt.

Zitat
Ja, das sehe ich eigentlich auch so. Tatsächlich habe ich aber auch schon erlebt, dass Netzkommunikation - eben wegen der fehlenden sinnlichen Komponente - extrem anfällig für Projektionen ist. Es ist völlig natürlich, dass man sich in jeder Kommunikation ein spontanes inneres Bild des Gegenübers macht und darauf (mit) reagiert, statt auf das konkrete Gegenüber. In der face-to-face-Situation kann dies Bild sehr schnell immer wieder korrigiert werden. In einer Forenkommunikation, erst recht in einer Blogdiskussion, ist diese notwendige Korrektur des inneren Bildes vom anderen viel schwieriger und verlangt m.E. ein höheres Maß an Selbstreflektion, als man gemeinhin als gegeben annehmen kann. Deswegen fände ich es gut, wenn "Kommunikation" als solche in einem ganz anderen Umfang als bisher zum Bestandteil der Bildung und Ausbildung von Menschen gemacht wird.

Zu Letzerem ein uneingeschränktes Ja. Ich glaube aber nicht, dass es hauptsächlich an technischen Unfertigkeiten/Einschränkungen liegt. Die Netzkommunikation ist etwas ganz Anderes, eine Demokratisierung der Kommunikation: Was früher durch Clubs, Vereine, Türsteher, Kleidung etc. die Teilnehmer vorselektiert wurde, fällt hier größtenteils weg. Natürlich hat das auch negative Auswirkungen, so wie eben diese Vorselektion auch positive Aspekte hatte. Die u.a. beachtenswerten Kommunikationsmotivatoren der Menschen, nämlich Tarnen und Täuschen, hat aber weder das Eine noch das Andere je größer behindert  :grins2:

Zitat
Tatsächlich halte ich das für ein lösbares Problem, auch wenn es derzeit im Netz noch immer wieder Entgleisungen der Art gibt, dass statt zwei Kommunikationspartnern vier involviert sind: die beiden Menschen und ihre beiden inneren Bilder. ;) Schlimmstenfalls sogar sechs: wenn jeder der Beteiligten zusätzlich eine gespielte Rolle einnimmt.

Ist es wirklich so? Kürzlich gab es einen Link hier, wo man aufgrund von Portraits ankreuzen sollte ob Professor oder Penner. Mit desaströser Erfolgsrate natürlich. Vielleicht ist das Bild, das wir uns vom Anderen machen aufgrund der Kommunikation realer als das reale Erscheinungsbild. Ich weiß jedenfalls aus einigen Begegnungen, die sich aufgrund von Netzkontakten im RL ergeben haben, dass ich mit diesen Personen, wären sie mir im RL so begegnet, niemals in diesen wertvollen Kontakt getreten wäre -  vermutlich einfach aufgrund der üblichen Vorurteile. Und umgekehrt ist es genauso: Leute, die im RL oft als aufgeschlossen, progressiv, intelligent etc.aufgrund ihrer Erscheinung wirken, entpuppen sich bei einem Gespräch dann als völlig einfältig.



Zitat
Die technologische Entwicklung scheint mir den Inhaltsanteil der (öffentlichen) Kommunikation zurückzudrängen. Es wird zwar versucht, für den Ausdruck der Beziehungsebene immer neue Tools zu schaffen (akustisch, visuell, da geht sicher noch mehr). Aber wenn ich beispielsweise via Tablet eine Forenantwort schreibe, dann wird schon die Zitatfunktion schwierig, ganz zu schweigen von Smartphones. Oft wird dann das, was inhaltlich gesagt werden soll, durch einen externen Link ersetzt. D.h. es gibt womöglich irgendwann im Netz eine Trennung zwischen dem großen Container an Inhalten und dem Bereich der Kommunikation, wo nur noch in der Größenordnung von Twitter und Chat geplaudert oder auf externe Inhalte verlinkt wird.

Auch diese Konstellationen lassen sich im RL nachstellen. Es gibt für jede Art der Kommunikation eher passende oder unpassende Momente. Ich frage meinen Partner nicht unbedingt beim Wocheneinkauf im Supermarkt, ob er mich heiraten möchte, außer man steht auf eine spezielle Art von Humor  :grins2:

Ich sehe das alles eher positiv. Was Menschen gut finden und woraus sie einen Nutzen ziehen, das setzt sich durch. Und ich glaube, die Mehrheit der Menschen ist eigentlich recht vernünftig. Ok, diese Sichtweise hängt von meiner Stimmungslage ab, gebe ich zu ;)

Zitat
Vermutung:
Erkenntnisgewinn und persönliche Entwicklung durch Gespräch und Diskussion geht dadurch verloren. Und dahinter steht die fatale Einstellung "Es ist eh alles schon mal gesagt worden."

Dem widerspreche ich vorsichtshalber. Die Personen im RL, die einem zu persönlichem Erkenntnisgewinn und zur eigenen Entwicklung beitragen, muss man erstmal haben und finden. Alles andere sind Feinheiten.

Zitat
Bei konkreter Kommunikation geht es aber um mehr, als darum, ob etwas schon irgendwo bekannt ist. Vielmehr gehört sie zu den Prozessen, in denen man sich die irgendwo vielleicht schon verfügbare Information tatsächlich erarbeitet, aneignet, anstatt sie nur unreflektiert "aufzusaugen".

Da geht es dann Richtung Medienkompetenz. Etwas, das mir viel mehr Sorgen macht.

Zitat
...ich fürchte, der Inhaltsanteil meines Beitrags ist mal wieder unverschämt lang geworden... ;D

Das müsste man jetzt erstmal analysieren  8)

TV

Zitat von: Groucho am 29. Juli 2015, 18:18:40
Zitat von: TV am 29. Juli 2015, 12:11:17
Mir kam gestern Watzlawick in den Sinn, und ich habe mir nochmal den Wikipedia Artikel zu u.a. seinen metakommunikativen Axiomen durchgelesen. Ich finde, das gibt eine ganz gute Basisstruktur, um herauszukristallisieren, worin sich Netzkommunikation von persönlicher Kommunikation unterscheidet.

Es ist eine schöne Grundlage zur Begriffsdefinition, stimmt. Aber dem letzten Teil stimme ich nicht so zu, denn persönliche Kommunikation leidet doch letztlich unter genau den selben Problemen, Stichwort forensische Kommunikation  ;D

Möglicherweise reden wir aneinander vorbei: ich wollte dies Grundgerüst von Kommunikation nur erwähnt haben, weil man anhand dessen evtl. genauer benennen kann, worin die Unterschiede zwischen RL-Kommunikation und VL-Kommunikation bestehen. Wenn sie denn existieren. Und erst danach würde ich mich dazu äußern wollen, ob die Probleme dieselben oder andere, weniger oder mehr sind.

Konkret und beispielhaft (ich zitiere nach o.g. Wikipedia-Link, setze das kursiv):
1. Annahme
,,Man kann nicht nicht kommunizieren!"

Gilt unabhängig von dem Medium.

2. Annahme
,,Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt."

Der Inhaltsaspekt bleibt gleich, der Beziehungsaspekt ändert sich durch die Technik, indem er öffentlicher wird. Es gibt häufiger als im RL Zuschauer/Zuhörer, die nicht wirklich für die Kommunikation benötigt, aber berücksichtigt werden müssen. Die Kommunikation wird dadurch sehr viel "empfindlicher" (mir fällt gerade keine bessere Charakterisierung ein).

3. Annahme
,,Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktionen der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt."

Die Interpunktion ("womit haben wir angefangen? wer hat angefangen? ...") ist im schriftlichen Medium leichter zu versachlichen, insbesondere bei fortlaufenden Diskussionsfäden. Also ein tendenzieller Vorteil bei inhaltsbezogenem Austausch. Ein tendenzielles Nachteil für spontan-assoziative Leute, die gerne zwischen Themen springen.

4. Annahme
,,Menschliche Kommunikation ist digital und analog."

Hier dürfte der Hauptunterschied zwischen RL und VL liegen. Die analoge Kommunikation (Gestik, Mimik, ggf. Berührungen) muss vollständig in digitale Symbole übersetzt werde. Dabei fällt alles heraus, was der jeweilige Kommunikationspartner an unbewussten, spontanen analogen Signalen sendet. Kann es sein, dass diese "Lücke" im Kommunikationsprozess vom Adressaten (ebenfalls unbewusst) mit seinen Projektionen gefüllt wird? Ich vermute das.

5. Annahme
,,Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär."

Auch da dürfte sich wenig ändern.

Zitat von: Groucho
..., mir aber nicht verkneifen können, an dem Satz Haarzuspalten, weil es sich anbot.  :grins2:

Die Versuchung musste entstehen wegen meiner Formulierung "...sind noch nicht so weit...". Sie lag mir selber quer, aber ich hatte beim Formulieren gerade eine temporäre Denkblockade. ;)

Zitat von: GrouchoVerfolgt die Kommunikation ein einseitiges Ziel oder allgemeinen Erkenntnisgewinn für beide Parteien?

Das ist für den Aufbau konstruktiver Gespräche o.ä. mit Sicherheit eine wichtige Frage, die vorab zwischen den Kommunikationspartner - offen oder indirekt - geklärt sein sollte. Wobei ich ganz allgemein noch mehr mögliche Ziele sehen würde, denkt man z.B. an die reine Chat-Funktion, die ja technisch über verschiedene Medien bedient werden kann. (In Foren schleicht sie sich oft gegen Ende eines Threads ein und bildet so eine Art Ausklang.) Geplaudert wird im Netz in vielen Zusammenhängen, und das Ziel dahinter ist im Netz schwieriger zu beurteilen, als im RL. (Beispiel: Macht das jemand, der sonst niemanden zum Rumquatschen hat oder jemand, der in allen Kontexten eine Plaudertasche ist?)

Zitat von: Groucho
AOL!
(kennt wer den Scherz noch?)

Wegen des Scherzes war ich unsicher, meine aber, ihn korrekt ergooglet zu haben. ;)

Zitat von: Groucho
Zitat von: TV
Will sagen: in der jetzigen Phase, die ich ebenfalls für eine Art Übergangsphase halte, erzeugen die kommunikativen Probleme des Netzes zusätzlich kommunikative Probleme im persönlichen Bereich.

Das sind doch letztlich genau die kommunikativen Verhaltensweisen, wie sie "schon immer" bestehen. man kann für jeden geschilderten Fall problemlos ein Beispiel im RL finden. Das Netz macht alles nur viel deutlicher, schwieriger, umfangreicher. Die Gefahr der Irrtumswahrscheinlichkeit steigt. Aber nicht die Zahl der möglichen Irrtümer. Sag ich mal einfach so.

Es ist eine Frage der gedanklichen Abstraktion: grundsätzlich bzw. abstrakt betrachtet geht es um dieselben kommunikativen Verhaltensweisen. Das dürfte sogar gelten, wenn man die Kommunikation und ihre Probleme mit derjenigen der Urzeit-Menschen vergleicht. 8) Für mich wird es aber erst auf der etwas konkreteren Ebene interessant, bei welcher die jeweils verfügbaren und verwendeten Kommunikationsmittel mit berücksichtigt werden und wie sie mit den sozialen Verhältnissen im Kleinen und Großen wechselwirken. (Historisch: Nur Sprache, Gestik, Mimik -> plus Schreiben/Lesen -> plus Vervielfältigungsmöglichkeiten -> plus Elektronik -> plus Internet: man müsste das wahrscheinlich sorgfältiger unterscheiden.) Diese durch das "->" markierten Übergangszeiten haben wohl auch nicht nur ein "Plus", sondern auch ein "Minus" (nicht wertend) in Bezug auf Dinge, die aufgegeben werden. (Private Snailmail-Briefe z.B..) Und - nicht zuletzt darum ging es mir - aus der individuellen Nähe oder Ferne zu den neuen Techniken leiten sich aktuell (noch) gesellschaftliche Teilgruppen ab, die potentiell in Konfrontation zueinander stehen. Ich vermag aber nicht zu sagen, ob dieses Konfliktpotential durch das jeweilige Maß der Technikverwendung einfach nur deutlicher zu Tage tritt, oder ob es durch die Technik neu geschaffen wird.

Ich hör hier erst einmal auf, sonst wird's zu viel. Später vielleicht zu dem Rest deines Postings noch mehr, mal sehen.

Wolleren

- Gestern in der SZ ein Interview: Eine erfolgreiche Cookie-Bäckerin, die auch Backkurse anbietet, wünscht sich, dass ihre Schüler erst das Rezept komplett lesen, bevor sie mit dem Backen beginnen. Selbst nach anfänglicher eindringlicher Ermahnung, dieses unbedingt zu tun, schaffen es nach ihrer Wahrnehmung 99% nicht.

- Dann die Erkenntnis (auch via SZ, mit einigen Belegen zum Thema), dass alle möglichen Proteste (seien es shitstorms oder bloccupy oder Gezi-Park oder oder oder) weniger bewirken als die Teilnahme am demokratischen Prozess. Der eben nicht allein aus Meinungsmache besteht, wie uns Gläubige der Narrativallmacht weismachen wollen, sondern auch aus früher einmal revolutionären Tätigkeiten wie Plakate kleben, um für die eigene Partei Werbung zu machen.
Überdies noch die (einen selbst beschämende) Erkenntnis, dass der überwiegende Teil der Netzteilnehmer sich "in der Nähe von zu Hause" herumtreibt, d.h. zum Kuscheln mit bereits vorhandenen "Freunden" oder  zur Hobbypflege auf sites in der Muttersprache. Dabei wäre es so einfach, täglich eine andere Tageszeitung aus anderen Kontinenten im Netz aufzuschlagen.

- Es ist tatsächlich schon so vieles gesagt worden: Man muss lediglich zwei Jahre (ach was, 2 Monate!) regelmäßig eine Stammkneipe besucht haben, um alle Themen, die dort behandelt werden, aus dem eff-eff zu kennen. Inklusive Sachebene & Beziehungsebene & Gesprächsablaufleitfäden - wenn man die Personen nicht kennt, wirkt das wie reinste soap opera. In virtueller Kommunikation ist es nicht unähnlich - das wenige, was zum Erkenntnisgewinn beiträgt, muss man sich teuer erlesen.

Zusamengefasst: die Technologie leistet zwar ihren Anteil, den Inhalt aus Texten zu verdrängen. Das tut aber nur deswegen weh, weil eh schon so wenig da ist, mit dem wir (naja: ich) etwas anfangen können und wollen.

Groucho

Zitat von: TV am 31. Juli 2015, 16:01:51
Möglicherweise reden wir aneinander vorbei: ich wollte dies Grundgerüst von Kommunikation nur erwähnt haben, weil man anhand dessen evtl. genauer benennen kann, worin die Unterschiede zwischen RL-Kommunikation und VL-Kommunikation bestehen. Wenn sie denn existieren. Und erst danach würde ich mich dazu äußern wollen, ob die Probleme dieselben oder andere, weniger oder mehr sind.

Hm. Das Grundgerüst ist zu grob, meine ich. Lästerlicher weise muss ich jetzt fragen, wo man denn die Unterschiede am Besten diskutiert, im VL oder RL? Könnte man bei der Diskussion im RL oder VL zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen? Z.B. der Frage, ob sie überhaupt existieren?

Die Fragestellung passt nicht. Wir eiern gerade grandios rum, incl. einem kleinen Hahnenkampf  :grins2:

Ich kürze jetzt mal alles weg, weil ich meine, für mich erstmal eine Antwort gefunden zu haben. Ich sah gestern Abend einen wirklich schönen Film, wenn man auf französische Filme steht: "Verstehen sie die Béliers?" In einer Familie taubstummer Eltern wächst ein Kind auf, das hören kann. Und nicht nur das, sondern auch noch eine Begabung für Gesang hat. Die taubstummen, lieben Eltern können nicht verstehen, warum das Kind in Paris zu einer Aufnahmeprüfung für ein Gesangsstudium will. Der ganze Film ist neben anderen witzigen Sachen eine einzige Darstellung von Kommunikationsproblemen, und die Essenz ist eigentlich - ich sehe das genau so - es mag aufgrund verschiedener Techniken schwierig sein, sich zu verständigen, aber wenn man es will, geht es.

Der Wille dazu ist entscheidend. Die Technik ist entweder hilfreich oder hinderlich, aber nicht ausschlaggebend. Wenn man noch hinzunimmt, wie wir artübergreifend kommunizieren können - unsere Katze z.B. teilt mir sehr exakt mit, was sie gerade will - kann es gar nicht sein, dass wir innerhalb unserer Art nicht Wege finden, kommunikative Defizite durch Technik nicht ausgleichen zu können. Ich glaube nicht an ein grundsätzliches Problem. Nur ein lerntechnisches, wie eine Sprache halt.


Für meine persönliche Sicht reicht mir das. Soziologisch habe ich da wenig Ahnung, will sie eigentlich auch gar nicht haben, denn was mich an ihr nervt ist, dass sie immer nur feststellt. Und man dann mit einem wunderbaren "Aha" dasteht. 

Groucho

Sorry, nochmal abgetrennt und auch vergessen.

Zitat von: TV am 31. Juli 2015, 16:01:51
Hier dürfte der Hauptunterschied zwischen RL und VL liegen. Die analoge Kommunikation (Gestik, Mimik, ggf. Berührungen) muss vollständig in digitale Symbole übersetzt werde. Dabei fällt alles heraus, was der jeweilige Kommunikationspartner an unbewussten, spontanen analogen Signalen sendet. Kann es sein, dass diese "Lücke" im Kommunikationsprozess vom Adressaten (ebenfalls unbewusst) mit seinen Projektionen gefüllt wird? Ich vermute das.

Das Rumreiten auf digital vs. analog ist Quatsch, das ist nur eine unnütze Wiederbelebung des Dualismus. mit "muss vollständig übersetzt werden" kommen wir doch schon in esoterische Bereiche jener, die CD-Klang mit der einer LP vergleichen.

Unbewusste spontane Signale kann man auch digital senden. Z.B. indem die Rechtschreibung entgleist - das kann auch ganz subtil sein. Weil ich gerade von Dualismus sprach: das Problem, was ich mit Deinen Aussagen habe, ist dieses Versteifen auf entweder oder. In allen Arten der Kommunikation gibt es Vor- und Nachteile, aber das weiß doch jeder.

Zur Projektion: Wieviele Ehen werden denn wieder geschieden? Vorher Kommunikation jeglicher und internsivster Art. Hat auch nichts genützt. Komme deswegen drauf, weil ich inzwischen Einige kenne, die sich per Netz gefunden haben, und genau das die stabilsten Beziehungen wurden. 

Es ist einfach die falsche Frage.

TV

Wegen Tabletverwendung verzichte ich mal aufs Zitieren. ;) Für mich ist das Thema hier eigentlich auch erledigt. Isaacs Beitrag hätte ich gut als Schlusswort stehen lassen können.

Ein paar Sachen aus deinen, Grouchos, letzten beiden Beiträgen finde ich aber schon korrekturbedürftig:

"Analog vs. digital" war nicht im technischen Sinne ("LP vs. CD") zu verstehen. Sondern vielmehr ein Zitieren von Watzlawicks Kommunikationsmodell, wo diese Begriffe dann genauer beschrieben werden. Wenn du das für esoterisch hältst, sollte man hier vielleicht einen Wiki-Eintrag für den Herrn und seine Theorien anlegen. Er ist immerhin ziemlich einflussreich. :grins

"Dualismus" ist ebenfalls keine Erfindung der Esoterik, sondern dasjenige, womit sich die Philosophie immer wieder durchaus vernunftbezogen herumgeschlagen hat. Esoterisch ist vielmehr der Versuch, Dualitäten zu leugnen, als Illusionen zu betrachten und auf ein "Ist alles das Eine" hinzusteuern. Insofern finde ich deine Argumentation der Esoterik deutlich näher, als meine, bin aber recht sicher, dass du das nicht meinst.

Meine persönliche Meinung zu den Widersprüchen i.a. ist keinesfalls das "Entweder-Oder", welches du wahrgenommen hast. Sondern vielmehr die Überzeugung, dass sie Motoren der Bewegung, des Fortschritts sind. Zugegeben, ich interessiere mich hier und da dafür, wie diese Motoren im Einzelfall funktionieren. Z.B. bei der Kommunikation. Insofern würde ich mir den Vorwurf "Korinthenkackerin" durchaus gefallen lassen. Aber man wird doch wohl mal genauer hinschauen dürfen, oder? Die Frage ist nicht "falsch", sondern allenfalls für dich und ggf. andere uninteressant.

Womit ich beim Hahnenkampf bin: in dieser tierischen Analogie bestehe ich darauf, gemäß meiner genetischen Kennung als Henne wahrgenommen zu werden. Ein Hahnenkampf zwischen dir und mir ist nicht möglich.

Du sagst: "Technik ist entweder hilfreich oder hinderlich, aber nicht ausschlaggebend." Ich sage: "Technik wirkt immer auch gestaltend auf die jeweilige menschliche Entwicklung ein." Ich glaube nämlich eben nicht an ein ein metaphysisches, übergeordnetes Wesen des Menschen, welches unabhängig von den Werkzeugen und Mitteln existiert, die sich der Mensch bastelt. ("Die biologischen Evolutionsbedingungen hängen von der Umgebung ab. Und diese wird mit zunehmendem Fortschritt auch menschenabhängig.")

Weil ich weiß, dass die Technik auf mich selbst und meine sozialen Beziehungen zurückwirkt, will ich diesen Prozess (für mich jedenfalls) durchschauen. Wenn du das als lerntheoretisch bezeichnen möchtest: meinetwegen. Aber bitte unterstelle mir keine "Technikfeindlichkeit" oder "Esoterik" an falscher Stelle.  :grins2: Sonst müsste ich doch glatt bei der "artübergreifenden Kommunikation" einhaken. (Pieks, nicht bös gemeint. :grins2: )

pelacani

Zitat von: TV am 03. August 2015, 16:17:17
"Analog vs. digital" war nicht im technischen Sinne ("LP vs. CD") zu verstehen. Sondern vielmehr ein Zitieren von Watzlawicks Kommunikationsmodell, wo diese Begriffe dann genauer beschrieben werden. Wenn du das für esoterisch hältst, sollte man hier vielleicht einen Wiki-Eintrag für den Herrn und seine Theorien anlegen. Er ist immerhin ziemlich einflussreich. :grins

Moment mal. Soweit ich aus dem Gedächtnis rekapituliere, meint Watzlawik mit "analog" den nonverbalen Anteil der Kommunikation. Ich sehe nicht, dass das in der Antwort missverstanden worden ist. Auch ansonsten kann ich nicht erkennen, warum sich allmählich ein gereizter Tonfall einstellt.

TV

Pelacani, ich bin nicht wirklich gereizt. Aber mein Eindruck war schon, in einigen Punkten etwas arg etikettiert worden zu sein. Mein letzter Beitrag waren bildlich gesprochen ein paar Grenzmarkierungen in Sachen Etikettierung.  :grins2:

ajki

Zitat von: TV am 03. August 2015, 16:17:17
Ich sage: "Technik wirkt immer auch gestaltend auf die jeweilige menschliche Entwicklung ein."

Dem Satz stimme ich zu - auch hinsichtlich der darin enthaltenen Ratlosigkeit, was genau da wen wie und warum gestaltet.

Wer "heute" rund zwei Generationen (gerechnet mit ca. 30 Jahren) alt ist, der hat die rund 150 Jahre "Technische/Industrielle Revolution" in vielen Facetten auch am eigenen Leibe direkt zu spüren bekommen. Und bedenkend, was man von der Großeltern-Generation (also den etwa "1900ern") noch mehr oder weniger live und in Farbe mitbekommen hat, wird der schier ungeheuerliche Wandel von Gesellschaften noch krasser. Von den tausenden von möglichen Facetten will ich hier nur auf ein winziges, aber in der Tiefe deutlich sprechendes Detail hinweisen: seit einigen Jahren gibt es in Deutschland mit klaren Zahlen und Trends zum Beispiel eine (mittelgroße) Stadt, in der Single-Haushalte weit mehr als die Hälfte der Haushalte ausmachen (Würzburg). Andere, eigentlich alle Städte ziehen nach. Warum? Weil es geht. "Jetzt".

Und die oben erwähnten rund 60-jährigen erleben in ihrer zweiten Lebenshälfte entweder das "next level" der andauernden "Revolution" oder - wie viele meinen - schon die "nächste" Revolution (also die "nachrichtentechnische" oder "elektronische" oder "intellektronische" oder sonstwas). Das ist in den realen Auswirkungen buchstäbliches #neuland - auch wenn etliche Effekte schon (live und in HD) betrachtet werden können. Wikipedia gibt es "erst" seit 2001... die kleinen Schächtelchen, die mit den Händen der 5-jährigen verwachsen... Simulation sozialer Prozesse ist offensichtlich wirksam "genug" um live-Zeug zu anstrengend werden zu lassen... die DauertelefoniererINNEN (stimmt eigentlich gar nicht, als male bildet man sich das nur gern ein)... und so weiter und so fort. Wohin da die Reise gehen mag auf individuellen, Gruppen- und Gesellschaftsleveln - das kann glaube ich niemand wissen.
every time you make a typo, the errorists win

Hildegard

Zitat von: ajki am 03. August 2015, 18:05:54

ein winziges, aber in der Tiefe deutlich sprechendes Detail
[...]
Andere, eigentlich alle Städte ziehen nach. Warum? Weil es geht. "Jetzt".
[...]
entweder das "next level" der andauernden "Revolution" oder - wie viele meinen - schon die "nächste" Revolution (also die "nachrichtentechnische" oder "elektronische" oder "intellektronische" oder sonstwas).
[...]
...
[...]
...
[...]
...
[...]
und so weiter und so fort.
[...]
...
[url="http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com"]http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com[/url]

Groucho

Zitat von: TV am 03. August 2015, 16:17:17
Ein paar Sachen aus deinen, Grouchos, letzten beiden Beiträgen finde ich aber schon korrekturbedürftig:

Ja, schließen wir hier ab, aber paar Sachen noch:

Zitat
"Analog vs. digital" war nicht im technischen Sinne ("LP vs. CD") zu verstehen. Sondern vielmehr ein Zitieren von Watzlawicks Kommunikationsmodell, wo diese Begriffe dann genauer beschrieben werden. Wenn du das für esoterisch hältst, sollte man hier vielleicht einen Wiki-Eintrag für den Herrn und seine Theorien anlegen. Er ist immerhin ziemlich einflussreich. :grins

Das habe ich tatsächlich so verstanden, dass Du mit "digital" die Netzkommunikation, und mit "analog" die RL-Kommunikation meinst. Was man sogar im Sinne Watzlawicks auslegen könnte.  Er hat es sicher nicht so gemeint.

Zitat
"Dualismus" ist ebenfalls keine Erfindung der Esoterik, sondern dasjenige, womit sich die Philosophie immer wieder durchaus vernunftbezogen herumgeschlagen hat. Esoterisch ist vielmehr der Versuch, Dualitäten zu leugnen, als Illusionen zu betrachten und auf ein "Ist alles das Eine" hinzusteuern. Insofern finde ich deine Argumentation der Esoterik deutlich näher, als meine, bin aber recht sicher, dass du das nicht meinst.

Stimmt. Meine ich nicht so. Dualismus ist mir auch über die wörtliche Bedeutung, so historisch etc. einigermaßen bekannt und vor allem seine vielseitige Verwendung in unterschiedlicher Verwendung.

Zitat
Meine persönliche Meinung zu den Widersprüchen i.a. ist keinesfalls das "Entweder-Oder", welches du wahrgenommen hast. Sondern vielmehr die Überzeugung, dass sie Motoren der Bewegung, des Fortschritts sind.

Kann sein, dass ich von dieser Denke zu weit weg bin, und mich zu locker ausgedrückt habe. Natürlich ist "entweder-oder" meist ein "sowohl-als auch" und das im jeweiligen Kontext.

Zitat
Zugegeben, ich interessiere mich hier und da dafür, wie diese Motoren im Einzelfall funktionieren. Z.B. bei der Kommunikation. Insofern würde ich mir den Vorwurf "Korinthenkackerin" durchaus gefallen lassen. Aber man wird doch wohl mal genauer hinschauen dürfen, oder? Die Frage ist nicht "falsch", sondern allenfalls für dich und ggf. andere uninteressant.

Das "falsch" war doch nur eine Erkenntnis aus dieser Diskussion. Ich "wurde gezwungen" darüber nachzudenken. Und dann kam ich darauf, dass es womöglich eine falsche Frage ist. Ich habe dabei was gelernt, warum soll das jetzt schlecht sein? so gehen doch gute Diskussionen. Vielleicht liege ich mit meinem "falsch" auch wieder daneben. Auf einem nächsten Level. Muss man doch locker sehen.

Zitat
Womit ich beim Hahnenkampf bin: in dieser tierischen Analogie bestehe ich darauf, gemäß meiner genetischen Kennung als Henne wahrgenommen zu werden. Ein Hahnenkampf zwischen dir und mir ist nicht möglich.

Warum werde ich hier genetisch festgelegt? Das ist diskriminierend!! Gack.

Zitat
Du sagst: "Technik ist entweder hilfreich oder hinderlich, aber nicht ausschlaggebend." Ich sage: "Technik wirkt immer auch gestaltend auf die jeweilige menschliche Entwicklung ein."

Beides stimmt. Himmel. Kaum fasse ich mich kurz, in der Annahme, dass man mich schon versteht, ist es auch wieder nicht recht  :grins2:
Ich meine: Bessere Technik setzt sich gegen schlechtere durch, die gute beeinflusst freilich unser Verhalten. Ich schreib schließlich keine Faxe mehr. Aber: Innerhalb dessen, was uns zur Verfügung steht, geht es auch immer irgendwie. Ddie Technik hat das Primat, aber ob ich mit jemandem hinreichend kommunizieren kann, ist nicht von der Technik abhängig.

Meinst Du denn, mit dem ekligen wischen auf Bildschirmen, die wir eigentlich schön sauber haben wollen, wäre die Endstufe? Trotzdem können wir überaus romantische Gedichte, Links oder sonstwas austauschen.

Zitat
Ich glaube nämlich eben nicht an ein ein metaphysisches, übergeordnetes Wesen des Menschen, welches unabhängig von den Werkzeugen und Mitteln existiert, die sich der Mensch bastelt. ("Die biologischen Evolutionsbedingungen hängen von der Umgebung ab. Und diese wird mit zunehmendem Fortschritt auch menschenabhängig.")

Jetzt bin ich beleidigt. Fast. Sowas überhaupt nur zu erwähnen. Nene.  :grins2:

Zitat
Weil ich weiß, dass die Technik auf mich selbst und meine sozialen Beziehungen zurückwirkt, will ich diesen Prozess (für mich jedenfalls) durchschauen. Wenn du das als lerntheoretisch bezeichnen möchtest: meinetwegen. Aber bitte unterstelle mir keine "Technikfeindlichkeit" oder "Esoterik" an falscher Stelle.  :grins2: Sonst müsste ich doch glatt bei der "artübergreifenden Kommunikation" einhaken. (Pieks, nicht bös gemeint. :grins2: )

Naschau, da hammwer doch ein super Beispiel, wie Du auf virtuelle Kommunikation reagierst. Ich habe bisschen forsch formuliert, Du bist sofort darauf mit einigen - naja, Unterstellungen ist jetzt zu kräftig, aber so ähnlich - darauf eingestiegen.

Aber: Meine These: Im RL, unvorbereitet zusammensitzend, ohne sich zu kennen wie hier, wäre das exakt genau so geschehen. Fast. Also ein plakativer Versuch: Nicht wo, sondern wie wir kommunizieren ist die Frage.

TV

An dieser Stelle hätte ich jetzt gerne ein Smiley gehabt, mit dem man sich respektvoll freundlich für eine Diskussion bedanken kann. Etwas in der Art. (Schild? Verbeugung?) Also eine Anregung an die Administratoren, die Smiley-Galerie noch eiin wenig aufzupeppen. ;)




Groucho

Zitat von: TV am 07. August 2015, 08:38:19
An dieser Stelle hätte ich jetzt gerne ein Smiley gehabt, mit dem man sich respektvoll freundlich für eine Diskussion bedanken kann. Etwas in der Art. (Schild? Verbeugung?) Also eine Anregung an die Administratoren, die Smiley-Galerie noch eiin wenig aufzupeppen. ;)

Also zum Streiten haben wir welche:

:Sandkasten:   :fechtel:

Der gewünschte würde vermutlich Staub ansetzen, nehme statt dessen mal den:

:prosit