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Flüchtlinge

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Begonnen von MrSpock, 07. Juli 2015, 13:56:45

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Belbo

Zitat von: mossmann am 02. September 2015, 17:36:58
Zitat von: Belbo am 02. September 2015, 17:31:22
Was ich ja auch nicht behauptet habe und was nichts daran ändert dass es ein Stueck undurchdachter., Populistischer Schnellschusspolitik war.

Interessant wäre mal ein Vergleich Schnellschusspolitik vs Langsamschusspolitik ...

...man könnte ja erstmal eine These aufstellen indem man entsprechende  Entscheidungen aus dem eigenen Leben miteinander vergleicht.

Nun gut es gab auch gute "Bauchentscheidungen".......

ajki

In diesem thread habe ich bislang keinen Sachbeitrag erbracht (muß/brauche ich ja auch nicht). Unter anderem, weil es wie einige andere schon akkurat darstellten ein schwieriges Gebiet ist - angefangen bei Legaldefinitionen über tausende von praktischen Fragen bis hin zum ohnehin unlösbaren Feld der "Empfindungen". Weil ich aber wie Millionen von anderen Bunzreplikern auch bestimmte Realerfahrungen gemacht habe, die über das rein Anekdotische hinausreichen, möchte ich im Zusammenhang eine bestimmte Perspektive auf ein Detailproblem im Zusammenhang herausstellen (zur Beachtung: Detailproblem!). Dabei dreht es sich um die Schwierigkeiten der Verwaltungsbehörde/untere politische Verantwortungsebene "Kommune".

Jedes Staatsgebiet der Erde ist von Zu-/Abwanderungsbewegungen betroffen - die einen mehr, die anderen weniger, aber prinzipiell kommt das einfach immer und jederzeit vor. Es ist von daher etwas, mit dem jedes Staatswesen umgehen können muss ob es will oder nicht. In Zentraleuropa gab es für den Zeitraum der zweiten Hälfte des 20. Jhdt. eine durchaus besondere Situation durch die real existierenden politischen Verhältnisse - ein Gutteil der Welt war sehr handgreiflich abgetrennt vom Rest, was neben vielem anderem sehr praktisch dazu führte, dass ein Gutteil von Wanderbewegungen sich gar nicht erst auf den Weg machen konnte. Trotzdem gab es im Verlauf dieser Jahrzehnte auch in die kleine BRD hinein Wanderungsbewegungen, jeweils mit sehr spezifischem Charakter. Ein paar davon wurden schon in ihrer speziellen Charakteristik angesprochen, also etwa die Flüchtlingsströme (meist Ost->West) der unmittelbaren Nachkriegswirren bis in die 60er hinein, "Gastarbeiter"-Ströme vor allem ab den 70ern, eine bzw. mehrere "Kurden"-Welle/n (inkl. "Naher Osten") in den End-70ern/80ern, "Spät-Aussiedler"-Ströme in den 80ern, etliche kleinere/größere Wellen im Gefolge der Wirren der Anfang-90er (auch wieder oft "Aussiedler") und dann erste kleinere Wellen unter "globalisierten Bedingungen" ab den Nullerjahren. Bislang war es immer so, dass neben dem "Alltags"-Zu-/Wegzug im Hunderter-/Tausenderbereich pro Region (ein Kreis z.B.) es alle paar Jahre immer mal "Wellen" gab. Es waren speziell die Anstiege der Wellen und die Wellenkämme, die auf kommunaler Ebene zu Problemen führten/führen. (Nebenaspekt: ein gewisser Teil der aktuellen Sorgen von Amtsträgern aller Art und politischen Vertretern stammt aus der pessimistischen, wenn auch nicht unbedingt unrealistischen Sorge, dass sich derzeit und fortdauernd ein erheblicher Zuwachs bei den Zuzügen verstetigt und auf diesen höheren Plafond obendrauf noch zeitaktuelle Wellen aufsetzen)

Diejenige Gebietskörperschaft, die schlussendlich die Arbeit mit Zuzug am Hals hat, ist *zwangsläufig* die Kommune - also der reale Ort, an dem zuziehende Menschen aufgenommen, behaust, bekleidet, verköstigt, verwaltungstechnisch bearbeitet, geschult, verwaltet, erkennungsdienstlich/polizeilich behandelt, betreut, medizinisch / psychologisch / religiös versorgt und ganz allgemein behandelt werden müssen. Einerseits als untere Verwaltungsbehörde und andererseits als politische Verantwortungsebene. Bekanntermaßen sind Kommunen extem heterogen in ihren Ausformungen - von der Großstadt (zugleich Bundesland) angefangen bis runter zu ländlichen Kommunen, die gar nicht als Siedlungsgemeinschaft erkennbar sind. Die Bedingungen in den Kommunen sind daher zwangsläufig extrem unterschiedlich - angefangen bei den Unterschieden reich/arm, gute/ausreichende/mangelhafte infrastrukturelle/r/s Ausstattung / Besitz / Verfügungsrecht, große / mittlere / kleine / gar keine Verwaltungsbehörde mit eigenständiger Kompetenz, Sozial-Dienstleister vor Ort / kaum vor Ort / gar nicht vor Ort und so weiter bis ins Hundertste und Tausendste. In ständigen Arbeitsgemeinschaften auf Kreis-, Land- und Bundesebene wird versucht, diese Heterogenität in Kennzahlen umzusetzen, die ihrerseits wieder die Grundlage bilden für haushalterische Zuweisungen, Stellenpläne, mittelfristige Finanzplanungen und - vor allem derzeit ein Thema während eines Wellenanstiegs - Zuweisungsquotierungen. Schon der Versuch, diesen fortwährenden Verwaltungsansatz in einem knappen Satz zu formulieren, sollte einiges unmißverständlich (und eigentlich "selbstverständlich") klarmachen: die Kennzahlen sind *immer* grob (sie können nicht vollständig "zutreffen"), sie hinken *zwangsläufig* Aufwärtsbewegungen im Wellenfall immer hinterher - und zwar um durchaus "gewaltige" Zeiträume von mehreren Jahren und sie sind *immer* geglättet und immer mit Korrekturfaktoren versehen und immer nach "unten". Das Letztere muß vielleicht noch genauer formuliert werden: bei der Kennzahl-Bestimmung geht es immer darum (aufgrund prinzipieller Verwaltungsbestimmung, die schon mehrfach auch höchstrichterlich zementiert wurde), fiktive Normalisierungsgrade zu erfassen und *zwingend* Wellen-Noise herauszurechnen.

An dieser Stelle müßten schon mehrere unmittelbare Folgen klar ersichtlich sein (bzw.: sie sollten jedem mittelgereiften Schulkind schon aus "Gemeinschafts-" oder "Sozialkunde" her mindestens theoretisch bewußt sein - ansonsten muß man wohl zu extremen Mitteln greifen und es AfDlern, Pegidisten und sonstigem Gschwerl auf die harte Methode beibringen, indem man diese Leute in Bezirksvertretungen oder Stadt-/Gemeinderäte hineinwählt oder sie in kommunale Haushaltsplan-Aufstellungen hineinzwingt):

1. Die Mittel auf kommunaler Ebene sind nie ausreichend - das gilt vor allem für die Wellenanstiege und -kämme, aber auch durchaus in prinzipieller Form für die Grundlast für eine große Zahl an Kommunen. Das Grundlast-Problem entsteht für eine große Anzahl von Kommunen durch das letztlich nicht behebbare oder auflösbare Problem der Konkurrenzbeziehung im jeweiligen Topf - die bissigeren Hai-Kommunen kriegen größere Brocken ab von der Beute (oder: es gibt nun mal das nichthintergehbare Problem der Unterschiedlichkeit von Amtsträgern in den Verteilungskommissionen).

2. Speziell bei Wellenanstiegen und den daraus folgenden Quotierungen kommt es notwendig zu erheblichen Mangelsituationen im infrastrukturellen Bereich bei "vielen" Kommunen (der Deutsche Städtetag hatte z.B. schon in den 80er Jahren anläßlich der "Spätaussiedler"-Welle minutiös und detailliert dargelegt, dass ca. 70% aller [d.s. vor allem ländliche] Kommunen auf ihrem Verwaltungsgebiet überhaupt keine infrastrukturellen Verfügungsrechte [mehr] haben bzw. keine "Reserven" [mehr] vorhanden sind und insofern *jede* Welle infrastrukturell neufinanziert werden muss - und daraus die gewichtige und fortdauernde Forderung der *schnellen* Refinanzierung durch Landes- und vor allem Bundesmittel unmittelbar abgeleitet; seither gibt es ununterbrochen einen beständigen, auch wissenschaftlich begleiteten Grabenkrieg über die Mengen der erforderlichen Refinanzierungen und vor allem der haushalterischen "Geschwindigkeit" der Übertragungen und Zuweisungen inklusive der Zins/Zinseszins-Übernahmen der Fremdfinanzierungen - die vielfältigen Probleme im Zusammenhang füllen mittlerweile ganze Säle von Staatsbibliotheken [wieder mal so etwas, wohin man etliche Simpel hineinzwingen sollte zu beaufsichtigtem Lesen mit anschließendem Bürgerverständnistest - aber nicht für Einwanderer/Zuzügler, sondern für "besorgte Bürger"])

3. Das "größte" und "unlösbarste" Problem ist die personelle Ausstattung. Erstens sind es in der Masse der Kommunen zwangsläufig (s.o. "Kennzahlen") zu wenig "echte" Stellen (ich kann hier nicht auf die vielfältigen Feinheiten der öffentlichen Personalplanung/-ausstattung eingehen, ich verweise wieder auf den Sozialkundeunterricht). Zweitens sind es "wellenbezogen" nahezu immer nicht-optimale Stelleninhaber. Das heißt *nicht*, dass die Beamten/Angestellten/Dienstleister einen schlechten Job machen - es heißt einfach nur, dass es keine Möglichkeit gibt, pro Welle "passende" Stelleninhaber zu besetzen (und nach drei Jahren wieder rauszuschmeissen). Mal ganz davon abgesehen, dass es so etwas wie "passende Besetzung zur Bearbeitung der syrischen Flüchtlingswelle im Jahr 2015" schlicht nicht gibt/geben kann.

4. .... es gäbe noch bis zu fünf zentral benennbare Probleme mehr (z.B. die mangelhafte Ausgestaltung der Strukturen von Bund über Land über Gebietskörperschaft über Gemeinschaftsaufgaben über Drittleister bis zur Kommune oder andere), aber ich lasse es einfach mal bei diesen drei bisherigen.

Es gibt eine Art Schlussfolgerung für die hier angerissene Perspektive - die lautet: jedwede Zuzugswelle ist *notwendig* ein überforderndes Kuddelmuddel für die betroffenen Kommunen. Für die einen mehr, für die anderen auch mehr, aber etwas weniger mehr. Das war so, ist so und wird immer so sein.

Sowohl die Verwaltungsprofis als auch die politische Verantwortungskaste (wenn sie die ersten fünf Jahre in der Tretmühle auf dem Buckel hat) wissen das. Seit jeher. Und es ist eine der Realbedingungen ihrer *täglichen* Arbeit.

Wer sich offenbar beständig weigert, diesen simplen Sachstand akzeptierend zur Kenntnis und von jeder Aufregerei Abstand zu nehmen ist ein guter Teil der Wohnbevölkerung. Es würde natürlich auch helfen, wenn die allgemeine Berichterstattung und mediale Begleitung vor allem auf die Alltäglichkeit seit vielen, vielen Jahrzehnten abstellen würde.

Vielleicht könnte man dann auch in dieser Detailproblematik gesamtgesellschaftlich zu Verbesserungen kommen (auch wenn die Problematik an sich erhalten bleiben wird). Beispielsweise wäre eine organisierte bürgerliche Aktivität (z.B. bundesweite Vereine) nach ordentlichen Standards eine brauchbare und hilfreiche Unterstützung und Abmilderung auf Problemfeldern, für die öffentliche Verwaltungsstrukturen schlicht nicht auslegbar sind.
every time you make a typo, the errorists win



mossmann

Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Nicht_Peter

Broder rutscht schon seit längerem weiter nach Rechtsaußen ab. Würde mich wundern, wenn der Text nicht auf pi-news oder anderen zwielichtigen Seiten geteilt wurde...

Belbo

Zitat von: Nicht_Peter am 04. September 2015, 12:34:54
Broder rutscht schon seit längerem weiter nach Rechtsaußen ab. Würde mich wundern, wenn der Text nicht auf pi-news oder anderen zwielichtigen Seiten geteilt wurde...

Immerhin spricht er noch von Lumpenproletariat und  nicht von Untermenschen.

mossmann

Zitat von: Nicht_Peter am 04. September 2015, 12:34:54
Broder rutscht schon seit längerem weiter nach Rechtsaußen ab. Würde mich wundern, wenn der Text nicht auf pi-news oder anderen zwielichtigen Seiten geteilt wurde...

Broder hatte neulich auch so ein Essay in der Welt Online von wegen: "Ich habe ja Mitleid, aber ..."

Edit: Ach, die Sachsen Depesche beruft sich auf den Artikel.

Apropos: Was ist das überhaupt für eine komische Seite?

http://www.sachsen-depesche.de/politik/npd-fordert-sachsens-ausl%C3%A4nderbeauftragten-geert-mackenroth-cdu-zur-unterlassung-auf.html

NPD-Werbung als Artikel getarnt ... krass
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Scipio

Zitat von: Nicht_Peter am 04. September 2015, 12:34:54
Broder rutscht schon seit längerem weiter nach Rechtsaußen ab. Würde mich wundern, wenn der Text nicht auf pi-news oder anderen zwielichtigen Seiten geteilt wurde...
Ist mir auch schon aufgefallen.

ajki

Weiter oben hatte ich einen Detailaspekt hinsichtlich der realen Probleme eingebracht, die sich vor allem bei Anstiegen von Zuzugs-"Wellen" ergeben und speziell die praktische Abarbeitung in Kommunen betrifft. Dabei hatte ich etwas nonchalant - man kann auch "feige" sagen - ein paar Erläuterungspunkte ausgelassen, die die Gründe betreffen, warum die politische und verwaltungstechnische Seite der Kommunen bei diesen Tätigkeiten oftmals "suboptimal" wirken. Bei einem speziellen und langwirkenden Problembereich, über den nach meinem Wissen "niemand spricht", weil es nur sehr schlecht kommunizierbar bzw. äußerst mißverständlich ist, habe ich dieser Tage mit Freunden palavert (die ebenfalls kommunalpolitische Wahlämter innehatten oder haben) und daraus folgend mich entschlossen, diesen Punkt doch noch zu ergänzen. Obwohl ich nicht weiß, wie man es ausdrücken kann, ohne blitzartig mißverstanden werden zu können und es hierzu keinerlei belastbare Daten gibt (geben kann, wie sich wohl aus der Darstellung leicht erschließen lassen wird). Ebenfalls vorab anmerken möchte ich, dass meine eigenen näheren Erfahrungen auf kommunalpolitischer Ebene "veraltet" sind - sie stammen aus Perioden der End-90er/Anfang Nullerjahre und den 80ern (und aus differenten kommunalen Strukturen). Es könnte sich mithin in der Breite durchaus etwas geändert haben in der Zwischenzeit (obwohl zumindest Einzelmeinungen noch aktiver kommunal- und landespolitischer Amtsinhaber nicht darauf hindeuten).

Nach dem Herumgedruckse haue ich einfach mal einen plakativen Spruch raus und versuche dann, den realen Bedeutungsinhalt knapp darzustellen:

Spruch: "Auf kommunaler Ebene verläuft die Bearbeitung von Zuzugswellen (i.e. alle Formen von Asylantrags-, Aussiedler-, Katastrophenflüchtlings-, Bürgerkriegsflüchtlings-, Nachzugs- oder Immigrationswellen) gewollt und beabsichtigt nachrangig."

Woaaaah! Eine lupenreine VT. ;-)

Also erstmal einschränken: in der Breite, Einzelfälle nicht betroffen; betrifft nicht den einzelnen "Stelleninhaber" in einer Verwaltung mit konkreter Aufgabe oder direktem Bezug, sondern die politische Steuerung bzw. die Verwaltungsorganisation; bedeutet selbstverständlich nicht, dass "nichts" geschieht oder die Aufgaben nicht abgearbeitet werden, sondern dass es im Durchschnitt gesehen auf diese Aufgaben hin (insulär) betrachtet "besser" laufen könnte (nicht in der Form, dass jeder beliebige Prozess optimierbar ist, sondern dass, gäbe es den "Spruch" nicht, die Gesamtbewältigung der Aufgabe hinderungsfreier abliefe)

Und nun der Versuch der Einordnung und Erklärung - also der leichtestens mißverständliche Teil.

Aus Sicht einer (beliebigen) Verwaltungsgemeinde "hat" man von der Aufgabe der Erstaufnahme von Zuzüglern nicht nur "nichts", sondern es ergibt sich praktisch immer und in jedem Fall ein Negativsaldo. Man hat eine Menge Arbeit, direkte und indirekte Kosten und - wenn es ganz schlecht läuft - sehr negative öffentliche Reaktionen - und man "bekommt" praktisch und real nahezu nie einen langfristigen positiven Effekt. Der positive "Effekt" wäre natürlich die Ansiedlung von produktiven, steuerzahlenden und gemeinlastentragenden (Gemeinde-) Bürgern auf Langfrist hin gesehen aus dem Reservoir des bearbeiteten Zuzugs. Bei normalen Zuzügen bekommt eine Gemeinde auf (sagen wir mal) 100 Zuzüge zum Beispiel vielleicht einen halben Arzt, ein/zwei öffentlich Bedienstete mit abgeschlossener Ausbildung, ein/zwei politisch engagierte Leutchen, die sich nach einer gewissen Zeit z.B. im Rat wiederfinden, mehrere Vereinsmeier für diverse Vereine (Sportverein, Feuerwehr, Musik...), etliche arbeitende und konsumierende Verbraucher, Mieter, Grundstückskäufer, Häuslebauer, Geschäftseröffner und so weiter und so fort.

Bei den "Wellen" läuft das so nicht. Im regulären Fall verliert man alle bearbeiteten Fälle innerhalb von wenigen Wochen/Monaten bis hin zu 24 bis 36 Monaten - die meisten Fälle allerdings schon in den ersten 6 Monaten nach Aufnahme (wenn eben die Erstbearbeitung abgeschlossen und irgendein Status erreicht ist). Der längerfristige Rest besteht zu allermeist aus kostenträchtigen Problemfällen ohne Perspektive. Das ist ganz und gar nicht abschätzig gemeint, sondern beleuchtet im Gegenteil die Notwendigkeit der zu leistenden Aufgaben. Die Gründe für den "Verlust" sind völlig banal und selbstverständlich - die quotierte Verteilung auf Gemeinden entsprach/entspricht Verwaltungs- und Organisationserfordernissen der Aufnehmerstaaten, allerdings praktisch und real nie den Wünschen, Vorstellungen oder Notwendigkeiten der Aufzunehmenden. Die wollen und müssen (vielleicht) nach dem Tohuwabohu der Fluchtwochen und Erstaufnahme schlicht "zurück" in ihre diversen Netzwerke und Regionen, die sie offen oder insgeheim im Blick hatten vor ihrer Einreise - also dahin, wo Familien- oder Clan-Unterstützung besteht oder wenigstens eine Massierung von landsmannschaftlichen oder sprachgleichen Einwohnern. Auf EU-Ebene gesehen ist auch das Erstaufnahmeland sehr häufig überhaupt nicht das Land der "besten" Wahl aus Sicht des Zuzüglers. Es bringt einem syrischen Flüchtling logischerweise nicht das Geringste, wenn er sich irgendwo in der thüringischen Steppe wiederfindet, während Teile seiner Familie sich seit Jahr und Tag irgendwo in der Dordogne oder in Kanada herumtreiben.

Schlussendlich bleibt es beim Eingangssatz: konkrete Gemeinden haben im Allgemeinen von den durchaus anspruchsvollen Aufgaben der Erstaufnahme gar nichts. Aus diesem (im Grunde) Allerweltsgrund gibt es durchaus so etwas wie einen prinzipiellen Ansatz auf politischer/verwaltungstechnischer Ebene, andere gemeindliche Aufgaben gegenüber der Aufnahmebearbeitung zu priorisieren.
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Sauropode

Der Irrtum an Deiner Annahme ist der, dass die Gemeinden nicht für die Erstaufnahme zuständig sind, sondern die Länder. Die Gemeinden haben manchmal nicht einmal Einfluss darauf, wer wo untergebracht wird. Erst nach der Anerkennung als Asylant dürfen sich die Gemeinden der Sache in eigener Zuständigkeit widmen.

Groucho

Zitat von: Sauropode am 12. September 2015, 12:59:04
Der Irrtum an Deiner Annahme ist der, dass die Gemeinden nicht für die Erstaufnahme zuständig sind, sondern die Länder. Die Gemeinden haben manchmal nicht einmal Einfluss darauf, wer wo untergebracht wird. Erst nach der Anerkennung als Asylant dürfen sich die Gemeinden der Sache in eigener Zuständigkeit widmen.

Ob das was an dem Geschilderten ändert? Gemacht/verwaltet wird es ja. Und dreimal darf man raten, was Gemeinden blüht, die sich durch besondere Effizienz und Schnelligkeit die Aufmerksamkeit der übergeordneten Behörde auf sich zieht.

ajki

Zitat von: Sauropode am 12. September 2015, 12:59:04
Der Irrtum an Deiner Annahme...

Ich irre mich auch in vielen anderen Dingen. Allerdings absichtlich im gegebenen Zusammenhang. Siehe Ansatz des eigentlichen Beitrags (zu dem der zweite nur eine Punktauffüllung ist).

Aber wenn wir schon dabei sind: "Zuständig" ist mittlerweile (also "nach Schengen") für Migrationsströme die "EU" (die sich herzlich bedankt), danach nach sabotiertem und nicht existierendem "Verteilungsschlüssel" die Mitgliedsstaaten (im Sinne von gesamten Staatswesen, also im Falle BRD Bund, Land, Gebietskörperschaften, Kreise, Gemeinden), danach vom Organisationsprinzip her ein Bundesministerium als Leithammel für zentrale Aufgaben und diverse ständige Kommissionen, darunter die Landesministerien als erste Personalsteller für überregionale Aufgaben, Kommissionsbeschickung und Strukturplanung und darunter verteilt sich das dann auf Körperschaften, Kreise und (Verbands-) Gemeinden.

Im derzeitigen Zusammenhang war/ist für mich nur und ausschließlich relevant gewesen, wo der Ort der tatsächlichen Leistung erfolgt. Zusätzlich könnte man noch die diversen existierenden, halb existierenden oder theoretischen "zentralen Auffanglager" in den Blick nehmen - aber dazu reicht es mittlerweile aus darauf hinzudeuten, dass es dort zumeist nur noch um Kanalisierungsleistungen geht (zumindest derzeit - manche Länder überlegen im Rahmen derzeitiger [diverser] Problemstellungen eine Reaktivierung der "zentralen Sammellager"; das ist aber wieder ein ganz eigener und sehr diffiziler Problemkomplex).
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Sauropode

Zitat von: Groucho am 12. September 2015, 13:21:09
Und dreimal darf man raten, was Gemeinden blüht, die sich durch besondere Effizienz und Schnelligkeit die Aufmerksamkeit der übergeordneten Behörde auf sich zieht.

Die Gemeinden sind raus. Die müssen/ brauchen in der ersten Instanz weder schnell noch irgendwas  anderes sein.

Das Chaos entsteht durch viele Umstände und einer ist manglnde Kommunikation zwischen den Akteuren. Weiterhin ist schlicht zu wenig Personal für die Erstaufnahme vorhanden. Man sollte bedenken, dass die derzeitigen Fallzahlen eine Vervielfachung des Aufwandes bedeutet und das eh schon zusammengestrichene Personal für einen Bedarf kalkuliert wurde, der vielleicht vor fünf Jahren den Tatsachen entsprach. Es werden nun hektisch Leute aus anderen Abteilungen zusammengekratzt und abgestellt. Dass der Job nicht sonderlich beliebt ist, weil man in kurzer Zeit völlig überarbeitet ist, sorgt nicht unbedingt dafür, dass es da  bald Entlastung gibt.

Das weitere Problem ist die Unterbringung. Einer der Jobs in den Behörden ist die Aquise von Unterbringungsmöglichkeiten. Man muss schnell reagieren und Turnhallen etc. vorbereiten (Betten besorgen und aufstellen, Sanitäranlagen usw.), manchmal von einem Tag zum anderen. Da wird - wirklich - manchmal vergessen, dem Bürgermeister Bescheid zu sagen, ab wann denn die Belegung erfolgt. Es passiert auch, dass man einfach nicht alle Leute registrieren KANN, weil die es zeitlich einfach nicht schaffen.

Hans Wurst

Broder hat mit Rechts oder Links nichts zu tun, er driftet nicht. Er hat beim Spiegel gelernt, wie man einen Artikel abfaßt, damit dieser nicht in der Flut der irrelevanten Beiträge zum Thema untergeht. Broder ist ein liberaler Skeptiker.

Und den Gutmenschen hier möchte ich den Artikel von Held bei der Achse des Guten empfehlen, wenigstens denen, die lesen können.