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esoterischer Zahnarzt vor Gericht

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Begonnen von Sauropode, 16. April 2015, 16:28:48

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Patches O Houlihan


duester

Zitat von: Pelacani am 17. April 2015, 13:56:14
... und dass überhaupt keinen Grund für die Vermutung gibt, diese Störung wäre mit einer Amputation beseitigt.
Ganz im Ernst: Sei dir da mal nicht zu sicher. Es gibt dutzende Beispiele von Menschen, die nach einer geschlechtsangleichenden OP deutlich glücklicher waren. Es gibt Beispiele von Menschen, die nach einer Nasenkorrektur oder nach einer anderen plastischen OP deutlich glücklicher waren. Und natürlich gibt es auch gegenteilige Beispiele: Menschen, die sich nach einer entsprechenden OP nur leer gefühlt haben und den Fehler bereut haben. Auch wenn du und ich das nicht nachvollziehen können: Es gibt Menschen, für die fühlt sich das Vorhandensein aller Gliedmaße so falsch an, dass eine OP Erleichterung bringt. Der Wunsch nach einer geschlechtsangleichenden OP oder nach einer plastischen OP oder nach einer Amputation bedeutet noch nicht zwingend Unzurechnungsfähigkeit. Das führt natürlich weit von dem konkreten Fall weg, weil hier ganz klar Unzurechnungsfähigkeit gegeben ist. Aber wenn der Betroffene durch die Sorge etwas könnte über seine Zähne in den Körper eindringen in ständiger Angst gelebt hat und wegen der Denkstörung in dieser Frage auch nicht therapiefähig ist - vielleicht war das Ziehen der Zähne dann das beste Mittel für ihn. Es ist vielleicht nicht anders als bei einem Patienten mit Alzheimer: Machst du da ständig den Realitätscheck mit dem Patienten, wohlwissend, dass die immer wieder neue Erkenntnis stationär untergebracht worden zu sein und langsam alle Erinnerungen zu verlieren, immer wieder einen neuen Schock für ihn bedeutet, oder lässt du hin und wieder glauben, dass die Bank, auf der er sitzt, wirklich vom Schulbus angefahren wird? Am Ende geht es doch darum, dass der Patient sich noch so viel Lebensqualität wie möglich erhalten kann und so angstfrei und unbelastet wie möglich leben kann. Was man natürlich einwenden kann, ist, dass der Zahnarzt ja nunmal nicht vom Fach ist und diese Entscheidung gar nicht fundiert treffen kann.

pelacani

Zitat von: duester am 17. April 2015, 14:29:37
Zitat von: Pelacani am 17. April 2015, 13:56:14
... und dass überhaupt keinen Grund für die Vermutung gibt, diese Störung wäre mit einer Amputation beseitigt.
Ganz im Ernst: Sei dir da mal nicht zu sicher. Es gibt dutzende Beispiele von Menschen

Jetzt wird es mal langsam Zeit, die Erdumlaufbahn zu verlassen und sich dem Boden der Tatsachen zu nähern. Ich bitte mal um einen Literaturhinweis über Therapieergebnisse oder wenigstens eine einigermaßen aussagefähige Langzeit-Verlaufsbeobachtung.

duester

Zitat von: Pelacani am 17. April 2015, 15:12:11
Jetzt wird es mal langsam Zeit, die Erdumlaufbahn zu verlassen und sich dem Boden der Tatsachen zu nähern. Ich bitte mal um einen Literaturhinweis über Therapieergebnisse oder wenigstens eine einigermaßen aussagefähige Langzeit-Verlaufsbeobachtung.

Die kann ich so ad hoc nicht liefern (ich hab nur mal 'ne Doku über entsprechende Amputationen gesehen und die Befragten schwörten Stein und ... ähem ... Bein, dass die OP zu mehr Lebensqualität geführt habe) und ich kann denn doch beachtlichen Ressourcenaufwandes für eine systematische Literaturrecherche nicht für eine "Freizeit"-Frage aufbringen. Ich widerspreche ja auch nicht in dem Punkt, dass das Problem sehr, sehr selten sein könnte oder dass belastbare Evidenz in diesem Fall schlicht nicht-existent sein könnte. Ich betone nur, dass Menschen eben immer nur vor den Kopf gucken kann und dass es - vielleicht, eventuell, gegebenenfalls - Betroffene geben könnte. Und sollte ich - durch irgendwelche Winkelzüge des Schicksals - man einen solchen treffen, möchte ich vermeiden diesem Menschen mein Körperbild (zehn Finger, zehn Zehen und alles dazwischen) aufzuoktroyieren - solange ich nicht sicher weiß, dass er damit besser fährt.

celsus

The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

duester

Zitat von: celsus am 17. April 2015, 16:10:56
(ab 22:00 Uhr abrufbar)  :facepalm
;D Vermutlich wie bei der Erwähnung von Homosexualität in Schulbüchern: Nicht, dass man da noch wen auf irgendwelche Ideen bringt ...

War auch nicht aus Deutschland. Es könnte die hier http://www.whole-documentary.com/main.html gewesen sein. Kommt zeitlich auch eher hin.

Hildegard

@duester: Mit deinen Beispielen wirfst du meiner Meinung nach drei völlig verschiedene Dinge in einen Topf:
1. Schönheitsoperationen. Der Wunsch, besser auszusehen, sofern nicht von einem völlig unrealistischen Selbstbild (siehe 3.) ausgehend, ist völlig normal und legitim. Ob man sich nun die Lider straffen lässt oder den Busen aufpumpen, das mag nicht jederfraus Geschmack sein, aber in unserer Kultur ist das sicher nicht als krankhaft zu werten.
2. Geschlechtsänderung/-angleichung. Der Wunsch, seinen Penis zu verlieren, weil man sich selbst als Frau sieht, ist etwas völlig anderes, als seinen Arm loswerden zu wollen, weil er sich fremd anfühlt. Ein Problem hat nur, wer meint, damit vor sich selbst davonlaufen zu können.
3. Der Wunsch, einen Arm oder ein Bein loszuwerden. Wie Pelacani schon sinngemäß sagte, da ist doch nicht der Arm das Problem, sondern der Kopf. "Da fehlt's vom Boa weg", wie der Bayer paradoxerweise sagt ;-)
[url="http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com"]http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com[/url]

duester

Zitat von: Hildegard am 17. April 2015, 19:58:44
@duester: Mit deinen Beispielen wirfst du meiner Meinung nach drei völlig verschiedene Dinge in einen Topf:
Vielleicht befinden wir uns aber in den drei Fällen an völlig unterschiedlichen Stellen in einem Prozess.

Nehmen wir mal die plastische Chirurgie: Bis vor gar nicht so langer Zeit hätte man eine große Nase einfach als von Gott gegeben betrachtet und auch bei einem kleinem Busen war es durchaus üblich erstmal zu individuellen Bewältigungsstrategien und/oder psychotherapeutischer Unterstützung zu raten. Erst mit der Verbreitung der Schönheitschirurgie hat sich das Bewusstsein durchgesetzt, dass der Wunsch nach der Beseitigung von subjektiv empfundenen Schönheitsmakeln sooo abnorm gar nicht ist.

Noch deutlicher bei der Transsexualität: Da die Mehrheit keine Probleme in ihrer Geschlechtsidentität hat, fällt es schon schwer, zu verstehen, warum sich jemand einem so schwierigen und langwierigen Prozess unterziehen will, um etwas zu korrigieren, dass er als "falsch" wahrnimmt. Ich hab das erst verstanden, als ich in den Medien Teenager gesehen, die sagen, dass sie sich wie "Irrtümer" der Natur fühlen und froh sind, dass es die Möglichkeit gibt, ihnen ihr "richtiges" Geschlecht zurück zu geben.

Bei Amputenophilen ist die Argumentation nicht wesentlich anders. Die "Störung" ist wahrscheinlich wesentlich seltener als die beiden vorangegangenen,  vielleicht ist aber auch die Dunkelziffer höher. In ihrer eigenen Wahrnehmung ist da etwas falsch und das erzeugt einen Leidensdruck. Jetzt kann man von außen schlecht beurteilen wie hoch der Leidensdruck ist oder ob dieser berechtigt ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Motivation sich teilweise auch aus der Erwartung von sekundärem Krankheitsgewinn speist. Am Ende läuft es aber darauf hinaus, dass niemand einem anderen sagen kann, dass er weiter leiden muss. Wenn es keinen medizinisch verantwortungsbewussten Umgang mit den Betroffenen gibt, inklusive sorgfältiger Prüfung der psychischen Stabilität, dann besteht die Gefahr, dass diese die "Korrekturen" selbst vornehmen. In der Dokumentation wurde von Fällen berichtet, die sich z.B. in's Bein geschossen haben. Da ist es dann doch besser, sich kurz von der eigenen Vorstellung davon, wie ein Körper aussehen soll, zu lösen, um zu akzeptieren, dass andere Menschen das für sich selbst vielleicht anders sehen.

pelacani

Zitat von: celsus am 17. April 2015, 16:10:56
Das Ding hat sogar einen Namen: Body integrity identity disorder
Nicht gleich alles verraten.

Zitat von: duester am 17. April 2015, 15:35:47
Zitat von: Pelacani am 17. April 2015, 15:12:11
Jetzt wird es mal langsam Zeit, die Erdumlaufbahn zu verlassen und sich dem Boden der Tatsachen zu nähern. Ich bitte mal um einen Literaturhinweis über Therapieergebnisse oder wenigstens eine einigermaßen aussagefähige Langzeit-Verlaufsbeobachtung.
Die kann ich so ad hoc nicht liefern (ich hab nur mal 'ne Doku über entsprechende Amputationen gesehen und die Befragten schwörten Stein und ... ähem ... Bein, dass die OP zu mehr Lebensqualität geführt habe) und ich kann denn doch beachtlichen Ressourcenaufwandes für eine systematische Literaturrecherche nicht für eine "Freizeit"-Frage aufbringen.
Soo schwierig ist das nun auch wieder nicht. Bedien' Dich:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=body+integrity+identity+disorder
44 Quellen, davon ein Haufen Ethiker (d. h. Experten, die wohl nie einen Patienten gesehen haben), das ist doch allenfalls als Basis für Spekulationen brauchbar.
ZitatA first description of this condition traces back to a series of letters published in 1972 in the magazine Penthouse. These letters were from erotically-obsessed persons who wanted to become amputees themselves.7
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4094630/pdf/ndt-10-1255.pdf
Erinnert an "The Three Faces of Eve", die Erfindung der Multiple Personality Disorder. Da ist übrigens die Literatur um Größenordnungen reichhaltiger.

Belbo

Um das Thema noch weiter zu  verkomplizieren gibt es ja dann auch noch Frau Jolie die sich aus gesundheitlichen Gründen prophylaktisch Körperteile entfernen lässt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Angelina_Jolie#Privatleben

Patches O Houlihan

aber Belbo, Pel hat doch längst eine fundierte Totaldiagnose geliefert: die sind alle Plemplem.
Da kannst du doch nicht wieder mit Differenzierungen kommen.

Belbo

Zitat von: Patches O Houlihan am 18. April 2015, 15:06:07
aber Belbo, Pel hat doch längst eine fundierte Totaldiagnose geliefert: die sind alle Plemplem.
Da kannst du doch nicht wieder mit Differenzierungen kommen.

Wo liesst Du bei Pelacani das denn raus?


Belbo

ZitatNoch deutlicher bei der Transsexualität: Da die Mehrheit keine Probleme in ihrer Geschlechtsidentität hat, fällt es schon schwer, zu verstehen, warum sich jemand einem so schwierigen und langwierigen Prozess unterziehen will, um etwas zu korrigieren, dass er als "falsch" wahrnimmt. Ich hab das erst verstanden, als ich in den Medien Teenager gesehen, die sagen, dass sie sich wie "Irrtümer" der Natur fühlen und froh sind, dass es die Möglichkeit gibt, ihnen ihr "richtiges" Geschlecht zurück zu geben.

Auch da ist es wohl komplizierter, es brauchte  erst einen bedrückenden Tatort, bevor ich meine arrogante "das sind doch alles Spinner Haltung" revidierte. Die Eindeutigkeit des Geschlechtes ist wohl in viel mehr Fällen als ich bisher gedacht habe eben genau nicht so eindeutig.


Gefährliche Bohnen

Zitat von: Belbo am 18. April 2015, 14:51:19
Um das Thema noch weiter zu  verkomplizieren gibt es ja dann auch noch Frau Jolie die sich aus gesundheitlichen Gründen prophylaktisch Körperteile entfernen lässt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Angelina_Jolie#Privatleben

Das verkompliziert das Thema doch gar nicht, das ist ein ganz anderes. Ohne Brust kein Brustkrebs, aber ohne Zähne immer noch Schizophrenie.
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

pelacani