Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Impflicht gegen Masern- Kommt sie oder nicht?

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von Sir David Attenborough, 22. Februar 2015, 16:30:03

« vorheriges - nächstes »

duester

Zitat von: Patches O Houlihan am 13. April 2015, 18:57:41
Es gibt nur eine Winzigkeit, die bei alledem stört: Demokratie.

:angel: Ich dachte das müsste vielleicht noch mal hervorgehoben werden. Denn das Problem bei den Verboten ist ja, dass sie sich ständig ausbreiten (können). Bei einem großen, wissenschaftlichen Public-Health-Kongress habe ich mal eine Vortragende gehört, die ganz begeistert alle Maßnahmen aufgezählt hat, mit denen man den dummen Pöbel "sanft" zwingen kann, sich maximal gesundheitsbewusst zu verhalten. Helmpflicht, Tempobeschränkungen, Rauchverbote wirklich überall, beschränkte Abgabezeiten und Altersgrenzen für Alkohol, Steuern auf Zucker und Transfette undundund. Für eine Impfpflicht würde ich noch auf die Straße gehen, die Rauchverbote wären mir persönlich latte - aber wenn es jemand wagt, meinen ausufernden Zuckerkonsum zu beschneiden, werde ich zickig. Manchmal kommt mir Lauterbach wie ein Blick in eine sehr, sehr düstere Zukunft vor: Bald sitzen wir alle mit unseren gedünsteten, ungesalzenen Möhrchen eingeschmiert mit LSF 300 im Schatten - und das mit einer Lebenserwartung von hundert Jahren, die einem sehr, sehr lang vorkommen können. Es wird schwierig plausibel zu begründen, warum man z.B. unter 18 nicht mehr auf die Sonnenbank darf (eine Freiheit, die ich in meiner Jugend noch hatte), während man sich in jedem Supermarkt einen hübschen Diabetes Typ II anfuttern darf (eine Freiheit, die ich nicht missen möchte).

duester

Zitat von: ly_schwatzmaul am 13. April 2015, 17:22:34

Bezüglich des Impfens und der o.g. Analogie stell ich hier mal ein paar Gedanken zur Diskussion:

Kann ich sagen: "Ich möchte das Recht auf die Impffreiheit nicht einschränken. Jeder soll selbst entscheiden. ...  Ethisch trifft mich aber hinsichtlich der Einschränkung der Freiheit anderer keine Schuld, denn ich habe ja allen die freie Wahl gelassen. Auch trifft mich keine Schuld wenn Schutzbefohlene durch das Unterlassen von Impfungen sterben, denn eigentlich wollte ich das ja nicht und ich habe ja versucht die Eltern zur Vernunft zu bringen. Hat halt leider nicht geklappt."?
Das Recht auf Impfungen ist ein Kinderrecht. Soll eine Gemeinschaft nicht klar vertreten, dass es das Recht dieser Gruppe vertritt, nötigenfalls auch eingreift, da diese Gruppe an Menschen nicht in der Lage ist ihr Recht auszuüben?   

Das sind vielleicht semantische Spitzfindigkeiten, aber wäre eine Impfpflicht nicht nur dann eine "echte" Pflicht, wenn man - vorausgesetzt man hat ein gesetzlich festgelegtes Schutzalter erreicht - nicht mehr für sich selber entscheiden kann, ob man sich impfen lässt oder nicht? Es sollte jedem, der in der Lage ist, gesundheitsrelevante Entscheidungen autonom zu treffen, freigestellt bleiben, ob er sich impfen lässt oder nicht. Entscheidet sich jemand gegen die Impfungen und erkrankt dann an Tetanus oder Tollwut - nun, das sind dann halt die Konsequenzen seines Handelns. Wenn Eltern nicht an die Masern-Impfung "glauben", nun gut, dann sollen sie ihren eigenen Impfschutz halt nicht auffrischen lassen ( :angel:) - dazu können sie nicht verpflichtet werden. Kinder im relevanten Alter können aber noch nicht bewusst entscheiden, folglich sind sie darauf angewiesen, dass verantwortungsbewusst in Stellvertretung entschieden wird. Wenn es eine solche verantwortungsbewusste Ersatzvornahme gibt, dann handelt es sich nicht um eine Impfpflicht. Wenn man bedenkt, wie ideologisch aufgeladen die Diskussion ist, dann ist vielleicht eine religiöse Analogie gar nicht so schlecht: Babies werden getauft, damit die armen Seelen im Fall der Fälle nicht in der Hölle schmoren müssen. Diese Zuordnung zu einer Glaubensrichtung gilt aber (abgesehen von den Religionen, die ihre Mitglieder nie wieder aus den Klauen lassen) nur so lange, bis die armen Seelen selbst entscheiden können. Das kann schon mit zwölf Jahren der Fall sein, also vorpubertär, dann wenn die Impfungen gegen Röteln und HPV relevant werden. Die Kinder sind dann zwar wahrscheinlich noch indoktriniert von zu Hause, aber eine Willenserklärung ist schon möglich. 

Zusätzlich ist zu bedenken, dass bei hoch ansteckenden Krankheiten, die das Gemeinwohl gefährden, auch eine Quarantäne angeordnet werden können - und das ist ein extremer Eingriff in die Freiheitsrechte. Also wäre abzuwägen, was verhältnismäßiger wäre: Ein Ausschluss von gemeinschaftlichen Aktivitäten, der durch eine Immunisierung beendet werden könnte versus eine potentielle. zwangsweise Beschränkung der Freiheitsrechte durch eine Quarantäne. 

Und schließlich: Stellen wir uns vor, es gäbe eine Impfung gegen HIV. Gerichte haben die wissentliche Ansteckung von Geschlechtspartnern bereits als Straftat gewertet. Es ist strittig, wie weit man in die individuellen Rechte eingreifen darf, um eine mögliche Straftat zu unterbinden, aber wenn man die katastrophalen Folgen einer einzigen "Masernparty" bedenkt, dann könnte man die Impfung als die Beschlagnahme einer Waffe betrachten - und das ist, wenn man nicht davon ausgehen kann, dass der Waffenbesitzer verantwortungsbewusst mit der Waffe umgehen wird, legal und legitim.

Sauropode

Wie will man die Impfpflicht eigentlich umsetzen? Bußgeld, Zwangstermin unter Polizeibegleitung beim Doc?

Belbo

Ein Freiheitsbegriff der sich daraus ableitet z.B. die Kinderlaehmung wieder zu verbreiten hat m.E. mit eben dieser Freiheit nichts mehr zu tun. Freiheit erreicht man nicht über irgendwelche weniger Staat Ideologie sondern darüber dass man in einer Demokratie den Staat als Gemeinschaft etablieren muss. Die Konflikte zum individuellen Freiheitbegriff inclusive.


Belbo

Wollt ich einfach mal gesagt haben so in Lügenpresse- und Polizeistaatszeiten......

Sauropode

Ich habe nach Varianten zur Durchsetzung einer Impfpflicht gefragt und nicht nach Deiner Auffassung von Staat und Demokratie. Du solltest an Deinem Leseverständnis arbeiten.

Wenn man etwas verbietet oder anordnet, muss das auch durchsetzbar sein, sonst ist das ganze ein zahnloser Papiertiger.

Patches O Houlihan

es ist halt eben ein Papiertiger.
unter den provisorischen Bedingungen gegenwärtiger Herrschaft auf Grundlage des Grundgesetzes ist eine allgemeine Impfpflicht (=Impfzwang ! siehe auch allgemeine Wehrpflicht und Totalverweigerung als Paradebeispiel das allgemeine Pflichten im Grunde Zwang sind, sinnvoll oder nicht steht woanders)  nur unter Katastrophenbedingungen umsetzbar.

Jeder, der Impfpflicht fordert und mit Kindergartensperre oder Schulverbot argumentiert ist entweder ein Lügner oder ein Trottel, und sehr wahrscheinlich, Mischfälle inklusive, ein Arschloch!

Sauropode

Eben. Wenn man ein Kind aus der Schule ausschließt, dann lieber Homeschooling und damit noch mehr  Indokrination und Isolation? Will man ein Menschenrecht - das auf Gesundheit gegen ein anderes eintauschen und zwar das auf Bildung?

Bei Kindereinrichtungen das Selbe, dann mimmt eben eine Impfgegnermutti als Tegsmutter die Lütten auf.

Und mit Bußgeldern erreicht man höchstene jene, die eine Impfung verpennt haben, aber nicht die Hartcoreimpfgegner. Die Gründen eine Bußgeldkasse und fühlen sich als verfolgte Helden. Aber werden dadurch deren Kinder geimpft?

Oder Streichung des Kindergelds? Nun, die meist einkommensstarken Impfgegner wird man da auch nicht erreichen. Und auch dann nat es den Effekt, dass diese sich als Märtyrer für ihre Sache sehen.

Das sollte man überlegen. Wenn ich die Masernausbrüche sehen, könnte ich auch nach einer Impfpflicht rufen, aber so einfach ist das nicht.

Patches O Houlihan

lol
Kindergeld streichen bei Impfgegnern. Habe ich ganz vergessen. Sehr gut.
Bei Hartz IV wird ohnehin verrechnet. Also bitte, beste Gesellschaft. Dann noch auf den Armen und gerne auch Armen und Dummen herumprügeln aus Traditionsbewusstsein. Warum müssen die eigentlich in die Schule? Steinbruch und Galeere würde doch ausreichen, ggf. auch als Lustsklaven oder Kanonenfutter.
so ein Unfug.
:facepalm

Einen habe ich noch: Ich fordere Folter und Elektroschocks für Impfgegner. Überhaupt für alle Ungeimpften...
$)

Es kann sich einfach nicht um ein (verhängnisvolles) Kommunikationsproblemversagen defizitärernerdischer Naturwissenschaftler handeln, es ist grundsätzlich und immer das Problem der Dummen und Ungebildeten, dass sie sind, wie sie sind, Lehrer und die die Lehrer sein könnten, können einfach nichts dafür können. Das wäre zu einfach.

Schon mal dem "naturwissenschaftlichen" "Unterricht" in einer Hauptschule beigewohnt? Mich wundert da nur, dass die jungen Leute dort überhaupt etwas lernen. Trotz allem.

pelacani


Patches O Houlihan

Mir ist das Grundgesetz wichtiger.  8)

Edit:
Demokratie ist sowohl mit als auch ohne Epidemien vereinbar.
Impfpflicht ist mit Demokratie (zumindest mit der aktuellen deutschen) kaum denkbar.
Aber Deutsche Soldaten in Afghanistan waren ja auch lange undenkbar...
Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen. 
:rofl

Sauropode

Zitat von: Pelacani am 14. April 2015, 17:14:17
Ich bin für die Impfpflicht.

Hm, angebracht wäre es sicher. Und wie würdest Du die umsetzen?

Wir wurden noch klassenweise in der Schule durchgeimpft, da wurden die Eltern nicht gefragt. Heute müssten in so einem Fall die Eltern bestimmt zig Zustimmungserklärungen und andere Zettel unterschreiben. Wenn da einer verweigert, geht das Dilemma schon los.

Sauropode

Die Demokratie hat definitiv dort ein Ende, wenn man selber einen Säugling hat, der sich beim Kinderarzt mit Masern ansteckt mit der Gefahr, später an SSPE zu erkranken. Die demokratische Entscheidung, selber abzukratzen sei Dir unbenommen, aber andere zu schädigen, nicht.


Patches O Houlihan

soweit ich weiß, gibts in der Schule keine Impfungen mehr, auch aus hygienischen Gründen...

@Sauropode:
Solange es keinen Kinderführerschein gibt, trifft das nur bedingt zu. Faktisch können Eltern im Rahmen ihrer elterlichen Sorge (früher ein Wort mit ~gewalt) so einiges anstellen, das ihren Sprösslingen schadet oder nachhaltig die Zukunft verbaut. Lehrer können das übrigens auch. Allesamt mit besten Absichten.
Dieses Statement hat übrigens nichts mit meiner persönliche Meinung i. d. Sache zu tun. Nur sind die Dinge eben so.

Auch habe ich, für den unwahrscheinlichen Fall, dass dies jemand annehmen würde, kein Problem mit Impfen.
Ich habe aber enorme Probleme damit mit Zwang. Allein die Vorladungspamphlete zur nächsten U-Untersuchung sind eine Zumutung. Im Tonfall wären sie in einer Autokratie angemessen, etwa wenn sie sich an Untertanen richten würden oder Leibeigene. Bürger spricht man anders an.

und noch etwas möchte ich anfügen, weil oft vergleichbar argumentiert wird:
Zitat von: Sauropode am 14. April 2015, 17:31:16
Die Demokratie hat definitiv dort ein Ende, wenn man selber einen Säugling hat, der sich beim Kinderarzt mit Masern ansteckt mit der Gefahr, später an SSPE zu erkranken. Die demokratische Entscheidung, selber abzukratzen sei Dir unbenommen, aber andere zu schädigen, nicht.
ja, die eigene Betroffenheit macht Leute nicht unbedingt zu besseren Demokraten, Besonnenheit ist dann deutlich seltener als Verzweiflung...
Konkret sagst du damit also: wenn du verzweifelt wärst, würdest du nicht so argumentieren. Richtig. Es gilt Adornos Diktum: Die Natur neigt zum Faschismus.
In Betroffenheit und Verzweiflung neigen Menschen zu sehr egozentrischen Anschauungen und entsprechendem Verhalten. Ziemlich genau in Richtung Recht des Stärkeren, Um jeden Preis, Nibelungentreue...
Verzweiflung eben.
Menschlich verständlich, gesellschaftlich/politisch/juristisch fatal.