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Antibiotika in der ZEIT

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Begonnen von mossmann, 21. November 2014, 12:08:21

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Groucho

Zitat von: smartie am 26. November 2014, 16:55:14
Sagen wir mal so: Wenn da so ein ungalublicher Blödsinn steht:
ZitatDer hohe Verbrauch von Antibiotika in der Massentierhaltung gilt als eine von mehreren Ursachen, warum immer mehr Menschen resistent gegen diese Art von Medikamenten sind.
brauche ich mir keine Gedanken über den Wahrheitsgehalt des restlichen Artikels machen.

In der Tat:

ZitatDie MRSA-Keime im Krankenhaus und die MRSA-Keime aus der Landwirtschaft sind völlig unterschiedlich. Die Restistenzen von Krankenhauskeimen haben nichts mit denen in dem landwirtschaftlichen Bereich gemein.
http://www.rlv.de/downloads/rlv/Seiten_aus_LZ_2014_47.pdf

sagt der Prof. Dr. w. Dott vom institut für Hygiene und Umweltmedizin des Uniklinikums in Aachen.
Solche Leute hätte man auch mal fragen können, scheint auch kein ausgewiesener Lobbyist der Intensivhalter zu sein ...  Ichmeinjanur.

ajki

Zitat von: smartie am 26. November 2014, 16:55:14
... Wenn da so ein ungalublicher Blödsinn steht:
ZitatDer hohe Verbrauch von Antibiotika in der Massentierhaltung gilt als eine von mehreren Ursachen, warum immer mehr Menschen resistent gegen diese Art von Medikamenten sind.
brauche ich mir keine Gedanken über den Wahrheitsgehalt des restlichen Artikels machen.

Etliche Leute hier werden schon vor dem Zitat ausgestiegen sein. Und zwar bei den Stichwörtern "NRW" in Verbindung mit der Nennung eines bestimmten Ministeriums, dessen derzeitige Besetzerin an oberster Stelle gewisse Assoziationen zur Harry-Potter-Welt weckt, und des weiteren, um die literarische Assoziation auch noch zu verschärfen, die Benennung der Partei, die da irgendwo etwas öffentlich (auf einer Landes-PK der Landesregierung) vorstellt. Ich persönlich kann das allerbestens nachvollziehen, muß allerdings - auch trotz erheblicher Schwierigkeiten damit - irgendwo zugestehen, dass nu mal bestallte Ministerinnen und ihre Staatssekretäre irgendwelche Veröffentlichungen ihrer Ämter auch vortragen müssen. Das ist nu mal so. Gilt ja immerhin auch für CSU-Leute oder seinerzeit damals auch für FDP-Leute.

Wenn die Kröte erstmal geschluckt ist, kann man mal über die journalistische Volte nachdenken - so wie hier im gesamten thread. Wer mal aus Interesse die Print-Ausgabe der aktuellen Zeit überflogen hat (vom Aufmacher an erster Stelle der Seite 1 über die Titelprojektstory im Wirtschaftsteil bis zum Schaubild im "Wissens"-Teil und diverse Drittprodukte), der weiß schon, dass "Die Zeit" hier mal wieder einen Musterfall für widerlichstmöglichen, faktenfälschenden und desinformierenden Kampagnenjournalismus abgeliefert hat. Nicht zum ersten Mal, nicht zum letzten Mal.

Weil "Die Zeit" sich aktuell so hübsch breit macht in der Thematik, hängt sich der Journalist der sz offensichtlich an das achso beliebte Thema dran. Aus dem Abschnitt des Artikels kommt das Zitat und der Abschnitt geht ähnlich wie das Gesamtkonvolut der "Zeit" damit weiter, dass über die Gefahren von MRSA und allgemein Resistenzen geschrieben wird in einem Artikel, in dem es zunächst mal "nur" um einen Fachbericht aus einem Teil der Agrar-Wirtschaft geht. Das hätte der Journalist nicht machen sollen, es wäre nicht nötig gewesen.

Die Frage ist - aus einer *journalismuskritischen* Perspektive! -, ob das, was er in dem Abschnitt schreibt, *falsch* ist. Das wäre der mit hoher Sicherheit zu erhebende klare Vorwurf an "Die Zeit" mit ihrer gefaketen Titelstory.

Falsch wäre der Abschnitt dann, wenn der Berichtsanlass und der Rahmen des Berichts die Verbindung nicht hergibt. Wenn also etwa ausgeschlossen ist (nach aktuell "bestem Wissen"), dass "Antibiotika in der Massentierhaltung" *eine* [edited: anstatt "keine" - wg. "ausgeschlossen"] "von mehreren möglichen Ursachen" (beachte: keine Quantifizierung!) sind oder zumindest überhaupt keine Aussagen diesbezüglich in der verlinkten Quelle (Fachbericht) oder sonstigen Quellen vorliegen.

Das kann man *so* nicht feststellen. Der Fachbericht des Landesamtes beschreibt in seinen Grundlagen den Zweck der Vorlage und zitiert dabei letztlich Ergebnisse aus dem Monitoring und Stellungnahmen von Bundesbehörden mit entsprechenden Evaluationen. Aus diesen heraus stammt übrigens auch unmittelbar der Auftrag zur Durchführung dieser ersten Landes-Evaluation, nicht von Frau Steffens (leider). Wobei es mir persönlich schon etwas unheimlich ist, dass im Jahre des Heils 2013 *erstmals* eine Landesbehörde hergeht und für ein agrarintensives Bundesland überhaupt mal Daten für einen Teilbereich zusammensammelt (nach eigener Darstellung). Das kann ich persönlich nicht ganz glauben - und das stimmt so, wie im Fachbericht dargestellt, gewiss nicht. Wenn überhaupt ist das das erste Mal, dass eine Evaluation nach irgendwelchen "neuen" Richtlinien oder Schwerpunkten durchgeführt wird.

In diesen diversen Zitaten von Bundesbehörden (BfR und BVL) heißt es:
Zitat1.1 Resistenzsituation im Bereich der Putenmast und daraus erzeugter Produkte
MRSA – Methicillin-resistente Staphylococcus aureus
In den Berichten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zur Lebensmittelsicherheit wird regelmäßig auf die Belastung der Lebensmittel mit Zoonose-Erregern und deren Resistenzverhalten hingewiesen. So wurde beispielsweise nach der Auswertung des Zoonosen-Monitorings für das Jahr 2012 in 12,8% der Mastputenbestände MRSA im Stallstaub nachgewiesen. Des Weiteren wurde die Halshaut von Putenschlachtkörpern beprobt. Die Nachweisrate lag bei 68,6%. Die hohe Rate auf den Schlachtkörpern deutet auf eine schlechte Schlachthygiene hin. In der Konsequenz wies auch das im Einzelhandel entnommene Putenfleisch hohe Nachweisraten von MRSA auf (37,7%). Dabei waren 44,7 % aus deutscher Herkunft positiv, während dies bei Proben aus anderer Herkunft seltener der Fall war (23,6%).
MRSA sind durchweg resistent gegen β-Laktamantibiotika. Die untersuchten Isolate waren darüber hinaus fast ausnahmslos resistent gegen Tetracyclin. Daneben konnten auch gegen Trimethoprim, Clindamycin und Erythromycin Resistenzraten von mehr als 70% beobachtet werden.3
ESBL – Extended-Spectrum-Betalaktamasen
ESBL-bildende Bakterien können Penicilline und Cephalosporine durch Enzyme zerstören und sind gegen diese Wirkstoffe unempfindlich. Sie sind gegen zahlreiche Antibiotika resistent, die zur Therapie von Infektionen eingesetzt werden. Das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) stellte fest, dass ESBL-bildende Bakterien in Nutztierbeständen (Geflügel, Schwein, Rind) vorhanden waren und ihr Vorkommen zunimmt.
Dabei handelt es sich sowohl um Zoonoseerreger wie Salmonella als auch um kommensale Escherichia coli (E. coli). Auch aus Lebensmittelproben (Schweinefleisch, Geflügelfleisch und Rohmilch) konnten ESBL-bildende Salmonella und E. coli isoliert werden. Eine Infektion von Menschen mit ESBL-bildenden Erregern über Lebensmittel ist nach Ansicht des BfR somit grundsätzlich möglich.4

Die Quellen der Zitate sind angegeben und können über die diversen Seiten der Bundesämter geprüft werden. Sie sind meiner Ansicht nach korrekt wiedergegeben worden und decken sich mit den Intentionen der Berichte.

So wie es aussieht, hätte der Journalist im Artikelzusammenhang auf irgendein Anhängen an den Zeit-Quatsch besser verzichten sollen, um gar nicht erst in den Verdacht von sensationalisierendem Schwachfug zu geraten. Schreiben allerdings hat ersie das mit "eine von mehreren Ursachen" schon können. Die diversen Quellen geben die Möglichkeit zu einer solchen unquantifizierten Aussage her - auch die Einreihung in den Gesamtproblemzusammenhang "humane Resistenzenbildung".
every time you make a typo, the errorists win

HorstHuber

Zitat von: mossmann am 26. November 2014, 11:14:48
ZitatVon den abgegebenen 1.452 t Wirkstoffen entfallen 1.444 t auf Präparate, die für mindestens eine Tierart zugelassen sind, die Lebensmittel liefert. Acht Tonnen entfallen auf Präparate, die ausschließlich für nicht Lebensmittel liefernde Tiere (also Sport- und Freizeittiere) zugelassen sind.

Zitat von: HorstHuber am 24. November 2014, 19:22:15
Nein das steht da nicht grob. Denn nur weil ein Antibiotikum für Lebensmittel liefernde Tiere zugelassen ist bedeutet es noch lange nicht das diese auch für diese verwendet wurden.

Du meinst, das meiste oder zumindest einiges der 1.444 t  wurde für Haustiere, nicht für Nutztiere verwendet?

Ich meine garnichts weil der Verbrauch der Gesamtmenge Antibiotika in deutschen Tierarztpraxen ohne entsprechende Aufschlüsselung garnichts sagt.

Mir gibt halt nur zu denken das es in DE ca. ca. 8 Millionen Hunde,  ca. 13 Millionen Katzen und ca. 1 Millionen Pferde gibt (Zahlen sind wahrscheinlich nicht exakt da aus Erinnerung hingeschrieben - die Größenordnung stimmt jedoch). Die anderen Kleintiere nicht mit einbrechnet.
Die meisten Pferde werden im übrigen nicht als Lebensmittel liefernde Tiere geführt (Pass) sprich dürfen nicht geschlachtet werden.

So und jetzt überlege mal wie intensiv der Kontakt zwischen Halter und Haustier ist.
Wo ist die Wahrscheinlichkeit höher das resistente Bakterienstämme übertragen werden.
Zwischen Halter und Heimtier (vorallem interessant ist es ja was diese Tiere so alles fressen falls sie die Möglichkeit haben) oder zwischen Nutztieren und Verbraucher.
Warum denkst du das bei MRSA man unterscheidet zwischen LA-, CA-, und HA-MRSA?
Zu was würdest du MRSA bei Haustieren zählen? Kleiner Tipp diese werden nicht unter LA- einsortiert.

Laut Aussage einiger Tierärzte (ja ich weis nur Anekdoten) die sowohl Nutz als auch Heimtierepraxen haben liegt der Anteil an Antibiotika Verschreibungen  zwischen Nutztier:Heimtier zwischen 60:40 und 50:50.
Das die Menge an Antibiotika bei den Nutztieren dennoch um ein vielfaches höher ist liegt einfach daran das die meisten Nutztiere einfach größer sind.

Dennoch denkst du nicht auch das es den Bakterien egal ist ob sie ihre Resistenz bei einem 10 kg Hund oder 100 kg Schwein bekommen?

The intelligence of the creature known as a crowd, is the square root of the number of people in it. (Terry Pratchett)

pelacani

Aber es gibt natürlich nicht nur Kritik, sondern auch lebhafte Zustimmung zur ZEIT-Recherche. In der Sparte Leserbriefe (Nr. 50, 04.12.14, S. 93) ist zu lesen:
ZitatMit Genugtuung nehmen wir zur Kenntnis, dass das unfassbare Elend, das der Mensch den Tieren in dem perversen System »Massentierhaltung« bereitet, endlich auf ihn selbst zurückfällt.
C. B. und Dr. S. P., Göttingen
Apokalyptiker, von visionären Krämpfen gepeinigt, nein beglückt. Aus Barmherzigkeit habe ich darauf verzichtet, die Namen auszuschreiben.