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Anforderungen an allgemeine Definitionen

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Begonnen von Superkalifragilistisch, 17. Mai 2014, 06:45:26

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pelacani

Zitat von: Superkalifragilistisch am 18. Mai 2014, 10:12:20
Zitat von: Pelacani am 18. Mai 2014, 10:05:21
ZitatNebenbei gesagt, gibt es eine ganze Kategorie von Problemen, die so aussehen, als ob ihnen eine Definition gut tun könnte, während in Wirklichkeit dadurch, daß man das Sachproblem in ein bloß verbales Problem verkehrt, sie nur ihres empirischen Charakters beraubt werden.

Karl Popper, Realismus und das Ziel der Wissenschaft, S. 318
Danke, solche Verweise meinte ich.

Die Auseinandersetzung mit dem Begriff, mit Sinn und Unsinn von Definitionen, mit angemessener Präzision oder Vagheit durchzieht das gesamte Werk Poppers (behaupte ich jetzt mal, obwohl ich natürlich nicht das gesamte Werk gelesen habe, und das was ich gelesen habe, natürlich nicht alles parat habe).

Zitat... Denn eine Definition kann den Sinn eines Begriffs ebensowenig begründen, wie ein Beweis oder eine Ableitung die Wahrheit eines Satzes begründen kann; beide können dieses Problem nur verschieben. Die Ableitung verschiebt das Problem der Wahrheit zurück auf die Prämissen, die Definition verschiebt das Problem des Sinnes zurück auf die definierenden Begriffe (das heißt auf jene Begriffe, die die Definitionsformel aufbauen). Aber diese definierenden Begriffe werden aus vielen Gründen höchstwahrscheinlich ebenso vage und verwirrend sein wie die Begriffe, von denen wir ausgegangen sind; und auf jeden Fall müßten wir nun sie selbst definieren, was zu neuen Begriffen führt, die gleichfalls definiert werden müssen. Und so weiter ad infinitum.
...
Wie wir gesehen haben, verwendet die Wissenschaft Definitionen nicht, um den Sinn ihrer Begriffe festzustellen, sondern nur, um handliche abkürzende Etiketten einzuführen. Und sie hängt nicht von Definitionen ab; alle Definitionen (und damit die definierten Begriffe) können ohne Verlust der gegebenen Information weggelassen werden. Daraus folgt, daß in der Wissenschaft alle wirklich unentbehrlichen Begriffe nur die undefinierten Begriffe sein können. Aber wie versichert sich dann die Wissenschaft des Sinnes ihrer Begriffe? Auf diese Frage sind verschiedene Antworten vorgeschlagen worden, doch glaube ich nicht, daß auch nur eine von ihnen wirklich befriedigend ist. ...
[Die offene Gesellschaft, Bd. II, S. 24, 26]
(Hervorhebungen im Original) etc. pp.

Superkalifragilistisch

Danke Pelacani. Popper ist Pflichtlektüre, steht also ohnehin noch auf dem Programm. Literarisch ist das allerdings momentan ein kleiner Sprung. Wo soll ich anfangen?

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Die Annahme ist, daß ein Begriff existiert, der nicht klar definiert ist; weil es sich um einen Begriff des Zeitgeistes handelt, erweckt er Ehrfurcht bei den Leuten. Auch weil er irgendwie nebulös ist. Ungeachtet dieser Tatsache existiert ein reger Sprachgebrauch der auf dem nebulösen Begriff mannigfaltige Aussagen aufbaut. Ist nicht das Problem, daß in diesem Definitionsvakuum irgendwie jede Aussage ,,wahr" wird? Es lässt sich alles ableiten und alles aussagen. Nirgendwo werden definitorische Grenzen gesetzt. Wie ist das korrekt auszudrücken?

Überhaupt bieten Mehrdeutigkeiten Raum für interpretative Willkür. Es sollte nach Möglichkeit zumindest eine angebbare Stelle im Werk des Gurus geben, an dem er seine Annahme über ,,Midichlorians" konkretisiert und die es in dem Zusammenhang üblich wird zu zitieren. Sonst behauptet ja der eine Teil der Anhängerschaft, die ,,Macht" basiere auf einem übernatürlichen Prinzip, und der andere Teil der Anhängerschaft behauptet ,,das funktioniert alles mit Technik." Es könnte nicht einmal Streit zwischen verschiedenen Auslegungen (Exegese) geben, wenn nicht irgendeine Stelle des Meisters angebbar wäre, die je nach Ansicht für die eine oder die andere Auslegung spräche.

Es passiert häufig genug, daß die Einigkeit über den Gott nur so lange existiert, wie ihn sich jeder so zurecht machen kann, wie er lustig ist. Hin und wieder spalten sich dann Religionsgemeinschaften in Konfessionen, wenn Unterschiede in der Auslegung artikulierbar werden.

Die Schwurbler machen beispielsweise gerne Aussagen, die sich auf quantenphysikalische Phänomene beziehen. Sehr spezifische Aussagen lassen sich anhand der Definition dieser Begriffe sogar praktikabel falsifizieren: Wird der Begriff korrekt auf die Situation angewendet? Kann man die Krankheit wirklich ,,wegteleportieren" so wie es die ,,spukhafte Fernwirkung beweist?" Und weitergefasste Aussagen werden in ihrem umfassenden weltanschaulichen Anspruch gebremst: ,,Aber mein lieber Schwurbelfreund, ob die ,Kopenhagener Interpretation' genannte (,definierte') Auslegung dieser Phänomene tatsächlich xy nahelegt, darüber herrscht eine Debatte die noch nicht beendet ist."
"Umgekehrt mußte die Psychoanalyse manchen enttäuschten Adepten eines vulgarisierten, auf eine ökonomisch-soziale Theorie reduzierten Marxismus als Bereicherung erscheinen."

Jetzt im Trend: »irgendwas mit Gesellschaftskritik«

pelacani

Zitat von: Superkalifragilistisch am 22. Mai 2014, 14:20:22
Popper ist Pflichtlektüre, steht also ohnehin noch auf dem Programm. Literarisch ist das allerdings momentan ein kleiner Sprung. Wo soll ich anfangen?
Ich bin da keine wirkliche Hilfe und kann nur über meine eigene Lese-Erfahrung berichten. Das erste, was ich gelesen habe, war "Objektive Erkenntnis". Hat mich in einer Weise beeindruckt wie bis dahin kaum ein anderes Buch mit philosophischem Anspruch. Das ist eher eine Aufsatzsammlung, ebenso wie z. B. "Vermutungen und Widerlegungen". Der Vorteil ist, dass man Aufsätze, die einem momentan nichts oder wenig sagen, überblättern kann (wenn Popper das wüsste ...). Gut lesbar fand ich auch das erst kürzlich erschienene Postskriptum zur Logik der Forschung, "Realismus und das Ziel der Wissenschaft" (ich habe bisher nur Bd. 1 gelesen).

Seine beiden Hauptwerke, wenn man das so sagen darf, sind "Logik der Forschung" (habe ich bisher nicht gelesen) und "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde". Eine Eigentümlichkeit Poppers ist es, dass er seine Antworten auf die reichliche Kritik, die er hatte, in seine späteren Auflagen dieser Bücher einbaut (mit Paragraph und Fußnote), so dass er sagen kann, er habe seine Meinung in 50 Jahren nicht ändern müssen. ;)

Zitat von: Superkalifragilistisch am 22. Mai 2014, 14:20:22
Die Schwurbler machen beispielsweise gerne Aussagen, die sich auf quantenphysikalische Phänomene beziehen. Sehr spezifische Aussagen lassen sich anhand der Definition dieser Begriffe sogar praktikabel falsifizieren: Wird der Begriff korrekt auf die Situation angewendet? Kann man die Krankheit wirklich ,,wegteleportieren" so wie es die ,,spukhafte Fernwirkung beweist?" Und weitergefasste Aussagen werden in ihrem umfassenden weltanschaulichen Anspruch gebremst: ,,Aber mein lieber Schwurbelfreund, ob die ,Kopenhagener Interpretation' genannte (,definierte') Auslegung dieser Phänomene tatsächlich xy nahelegt, darüber herrscht eine Debatte die noch nicht beendet ist."
Also ich finde ja: der souveräne Gebrauch, den Groucho da gelegentlich von seiner Kenntnis der Akasha-Chronik und ähnlichen Werken macht, hat eine zeitlose Eleganz. Wer einmal versucht hat, diese schwebende Leichtigkeit nachzuahmen, der weiß, dass da viel Arbeit drinsteckt.

Groucho

Ich sehe gerade, wir hatten sogar eine Lobhudelei einen Blog zum 110 Geburtstag.
http://blog.psiram.com/2012/08/karl-popper-zum-110-geburtstag/

@Superkali: Anfangen kann man gut mit Pelacanis Empfehlungen, aber Popper ist generell gut lesbar, das nehmen ihm bis heute einige Philosophen sehr übel, scheint mir.

Auch schön zu lesen, eher literarisch, aber man kommt gut in die damalige Zeit rein:

http://www.amazon.de/Ludwig-Wittgenstein-Popper-Feuerhaken-drohte/dp/3596154022


pelacani

PS. In Realismus und das Ziel der Wissenschaft, Bd 1, S. 189ff, findet sich eine detaillierte Auseinandersetzung mit Freuds Traumdeutung;D

Superkalifragilistisch

Danke, dann greife ich bei Gelegenheit zu  "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" und "Realismus und das Ziel der Wissenschaft". Im ersteren findet sich also die geläufige Definition des Falsifizierungsprinzips?

Und von Wittgenstein habe ich nur die Vorlesungen über Ästhetik (,,Vorlesungen und Gespräche"), auch über die Püschoanalüüse

,,<20> Freud tut etwas, das mir ungeheuer falsch vorkommt. Er nimmt das vor, was er Traumdeutungen nennt."  :D

,,<22> Die Anziehungskraft gewisser Arten von Erklärung ist überwältigend. Zu gewissen Zeiten ist die Anziehungskraft einer bestimmten Art von Erklärung größer, als man sich vorstellen kann. Besonders eine Erklärung der Art ›Das ist in Wirklichkeit nur dies.‹"
"Umgekehrt mußte die Psychoanalyse manchen enttäuschten Adepten eines vulgarisierten, auf eine ökonomisch-soziale Theorie reduzierten Marxismus als Bereicherung erscheinen."

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pelacani

Zitat von: Superkalifragilistisch am 23. Mai 2014, 07:45:14
Danke, dann greife ich bei Gelegenheit zu  "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" und "Realismus und das Ziel der Wissenschaft". Im ersteren findet sich also die geläufige Definition des Falsifizierungsprinzips?

Er hat in vielen Büchern vielerlei Formulierungen für den Fallibilismus gefunden, am ausführlichsten wird er da wohl in Logik der Forschung sein, denke ich. Eine systematische Einführung findest Du auch bei Hans Albert, Traktat über kritische Vernunft, Erstauflage 1968. In meinen Augen auch ein Klassiker.

Superkalifragilistisch

Zitathttp://books.google.de/books?id=MyuxkKOxW6gC&pg=PA142&dq=berufsstrategisch&hl=de&sa=X&ei=VziIU6raMs2W0QXVx4CwBQ&ved=0CDYQ6AEwAA#v=onepage&q=berufsstrategisch&f=false

,,Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass es schon berufsstrategisch unklug wäre, sich auf einen festen Begriff von Kunst und Kultur einzulassen, sondern sich den realen Entwicklungen anzuvertrauen."
Mit anderen Worten: Man betätigt sich überall als Gewinnler, wo etwas zu holen ist oder in Zukunft zu holen sein wird. Natürlich würde eine würdige Definition von Kunst unweigerlich die eigene Herabsetzung der Kunst durch die Eventisierung, Zwangsversorgung und sonstige Erniedrigung des Bestandes beschränken.
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