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Anforderungen an allgemeine Definitionen

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Begonnen von Superkalifragilistisch, 17. Mai 2014, 06:45:26

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Superkalifragilistisch

Hallo

in dem Artikel zur Alternativmedizin steht auf Wikipedia beispielsweise folgendes
ZitatZurzeit existiert keine allgemein akzeptierte Definition von Alternativmedizin.[4] Eine Definition der Weltgesundheitsorganisation lautet: Die Begriffe Alternativmedizin / Komplementärmedizin (CAM) umfassen ein breites Spektrum von Heilmethoden, die nicht Teil der Tradition des jeweiligen Landes sind und nicht in das dominante Gesundheitssystem integriert sind.[5]

Das ist eine sehr wichtige Forderung (im Umkehrschluss macht eine von einer Mehrheit von Pfuschern akzeptierte Definition eine Disziplin noch nicht wissenschaftlich). Sowas gehört in jeden Artikel gleich an erste Stelle.

Aber was ist eine ,,gute" allgemeine Definition? Die Definition der Alternativmedizin von der WHO jedenfalls ist unbrauchbar. Natürlich ist Homöopathie irgendwo Teil der Tradition von Deutschland. Und nicht in das dominante Gesundheitssystem (wir nehmen mal an wir wissen was das sein soll) integriert - das trifft auf alles und nichts zu, darunter sogar Behandlungsmethoden oder Konzepte, die ganz und gar nichts mit Voodoo zu tun haben. Gibt es dazu Literatur? Es ist gut vorstellbar, daß etwa Institutionen, in denen sich eine Pseudowissenschaft organisiert, eine Definition gibt, die von den Mitgliedern der Institution anerkannt ist. Trotzdem kann das Schwurbelei sein, die eigentlich keine Anforderungen von Widerlegbarkeit, Klarheit, Allgemeinheit etc. erfüllt. Welche Kritik nicht ermöglicht sondern behindert.

Außerdem besteht die Gefahr, auf eine ,,Definition" zu stoßen, bei der es sich nicht eigentlich um ,,Prämissen" handelt, sondern schon um Abgeleiteitetes. (Siehe die Neuroschwurbelei von Hüther wo man in Neuro-Neusprech ein Allerlei aus Religion und Moral wiederfindet.) Oder daß in die Prämissen der Argumentation schon das hineinkommt, was dann als gefolgerter These wieder herauszuholen ist.
"Umgekehrt mußte die Psychoanalyse manchen enttäuschten Adepten eines vulgarisierten, auf eine ökonomisch-soziale Theorie reduzierten Marxismus als Bereicherung erscheinen."

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pelacani

Ich halte diese WHO-Definition auch für desorientierend. Brauchbarer finde ich diese hier:

ZitatA spectrum of implausible beliefs and claims about health and disease. These range from the untestable and absurd to the possible but not very intriguing. In all cases the enthusiasm of advocates vastly exceeds the scientific promise.
http://www.sciencebasedmedicine.org/the-nccam-seeks-comments-for-its-strategic-plan-2010-part-i-mandate-and-mission/
Eine Übersetzung ist nicht ganz einfach, vielleicht so:

"Ein Spektrum von nicht plausiblen Glaubensannahmen und Ansprüchen betreffend Gesundheit und Krankheit. Dieses Spektrum reicht vom Nicht-Überprüfbaren und Absurden bis zum Möglichen aber nicht Faszinierenden. In allen Fällen übersteigt der Enthusiasmus ihrer Vertreter die wissenschaftlich begründbaren Aussichten um Größenordnungen."

Superkalifragilistisch

Schon besser, aber auch die Definition macht nicht wirklich konkrete Aussagen, an denen Kritik ansetzen kann. Nun gut, das ist auch eine Aussensicht.

Idealerweise würde eine Definition vielleicht so oder so ähnlich aussehen. Konkrete Aussagen machen.

Zitat(1) Viele Patienten haben ihre Krankheit über lange Zeit selber ,,aufgebaut" oder ,,gepflegt". (2) Die Krankheit ist eine Botschaft. Der Sinn und Zweck ihrer Krankheit oder ihres Unfalls ist es, sie ,,wachzurütteln." Die Krankheit oder der Unfall ist ein Hinweis der Notwendigkeit, das ,,Leben zu ändern." Die Heilung besteht darin, das ,,warum" also den ,,Sinn" dieser Botschaft zu verstehen. (3) Der Weg dieser Selbsterkenntnis ist schwer und muss alleine begangen werden. Der Arzt kann einem dabei nur zur Seite stehen.

Nun ist es aber gerade Merkmal der Schwurbler, daß sie nun einmal schwurbeln und den wahren Gehalt ihrer Lehre nicht gerne aussprechen. Wenn andere den wahren Gehalt ihrer Lehre aussprechen behaupten sie, sie wären tragisch Missverstandene. Eigentlich sollte es ein Verdachtsmoment sein, wenn eine Definition zu viel zeitgeistiges und modisches Vokabular enthält.
"Umgekehrt mußte die Psychoanalyse manchen enttäuschten Adepten eines vulgarisierten, auf eine ökonomisch-soziale Theorie reduzierten Marxismus als Bereicherung erscheinen."

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pelacani

Zitat von: Superkalifragilistisch am 17. Mai 2014, 08:17:03
die Definition macht nicht wirklich konkrete Aussagen, an denen Kritik ansetzen kann

? Nenne doch einmal ein Verfahren, das wir als ,,alternativ" kennzeichnen würden, das nicht in diese Definition passt, oder ein wissenschaftliches Verfahren, das von ihr erfasst würde.

Eine solche Definition kann nur eine Konvention sein, die die Verständigung erleichtert und globale Orientierungen erlaubt. Man mag einwenden: in dieser Definition ist eine klare Wertung enthalten. Aber Inhalt der WHO-Definition ist: Wissenschaft ist nicht nötig, es genügt Tradition. Das ist auch eine Wertung, nur eben eine andere.

Die von Dir angeführte Textpassage (bitte Quellen angeben) berührt einen Aspekt, aber sie ist nicht umfassend genug, um als Definition herzuhalten.

edit: Der Vorteil der Atwood-Definition ist beispielsweise, dass sie auch so etwas wie Nahrungsergänzungsmittel oder Vitamine erfasst, die nicht von vornherein absurd sind, soweit sie aber in dem, was sie leisten können, krass überschätzt werden.

F. A. Mesmer

ich habe vage in Erinnerung, dass Tim Minchin auch eine sehr eingängige und kurze Definition hatte. Sinngemäß:
ZitatAlternativmedizin ist diejenige Form von Medizin, deren Wirkung nicht bewiesen werden konnte. Wo Wirkung bewiesen wurde, nennen wir es Medizin.
leider kann ich gerade keinen Beleg finden.

edit, nun doch gefunden

ZitatBy definition, alternative medicine has either not been prove to work or 've been proved not to work. Do you know what I call alternative medicine that has been proved to work: medicine.
quelle. ab min 3.24

Belbo

Eine Definition der WHO, muss wohl leider immer auch politisch sein. Sie können ja schlecht schreiben,
ZitatAlternativmedizin ist das woran 80 % der Weltbevölkerung verrecken, weil sie sich was gescheites nicht leisten können, ätschebätdsch.

Superkalifragilistisch

Zitat von: F. A. Mesmer am 17. Mai 2014, 09:46:49
ich habe vage in Erinnerung, dass Tim Minchin auch eine sehr eingängige und kurze Definition hatte. Sinngemäß:
ZitatAlternativmedizin ist diejenige Form von Medizin, deren Wirkung nicht bewiesen werden konnte. Wo Wirkung bewiesen wurde, nennen wir es Medizin.
leider kann ich gerade keinen Beleg finden.
Ist mir bekannt. Aber ich verweigere mich der Annahme, daß Alternativmedizin (Magie) bloss ,,unbewiesene" und ,,noch nicht" bewiesene Medizin (Technologie) ist. (Für den Gebrauch im Lied des Herrn Minchin ist es natürlich Zweckmäßig.)

Zitat
? Nenne doch einmal ein Verfahren, das wir als ,,alternativ" kennzeichnen würden, das nicht in diese Definition passt, oder ein wissenschaftliches Verfahren, das von ihr erfasst würde.
Es geht mir ja nicht um eine Definition von aussen der Alternativmedizin à la ,,Alternativmedizin ist..." sondern daß die Anhänger einer weltanschaulichen Lehre, im Prinzip egal ob alternativ oder nicht, ihre Prämissen offenlegen und ihr System damit der Kritik zugänglich machen.

Etwa : ,,Unsere Theorie baut auf folgenden Annahmen auf... Mit xy bezeichnen wir... In Bezugnahme auf Paragraph 42 und 23 sagen wir... Siehe die Axiome 1 - 5"

Das Gegenteil davon müssen nicht einmal testbare Aussagen sein, aber zumindest solche, denen eine Kritik ihre Zustimmung verweigern kann - ob das nun richtig oder falsch ist spielt dafür keine Rolle. Der eine Fehler besteht darin, daß wichtige Begriffe einfach unkritisch vorausgesetzt werden. Der andere, daß die Aussagen unklar und bloss ,,intuitiv" sind, was dann auch schnell zu mehr oder weniger absichtlichen irreführenden Begriffen wie ,,ganzheitlich" führt, etwa die Worte der Sprache spielerisch ausdehnt werden.

Viele Grüße
"Umgekehrt mußte die Psychoanalyse manchen enttäuschten Adepten eines vulgarisierten, auf eine ökonomisch-soziale Theorie reduzierten Marxismus als Bereicherung erscheinen."

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sweeper

@Superkali:
Zitat
Es geht mir ja nicht um eine Definition von aussen der Alternativmedizin à la ,,Alternativmedizin ist..." sondern daß die Anhänger einer weltanschaulichen Lehre, im Prinzip egal ob alternativ oder nicht, ihre Prämissen offenlegen und ihr System damit der Kritik zugänglich machen.
Aus deren Sicht ist doch gerade dieser Umstand so praktisch, dass alles schön schwammig bleibt. Warum sollten sie es ändern bzw wer will sie zwingen, sich festzulegen?
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

Superkalifragilistisch

Zitat von: sweeper am 17. Mai 2014, 10:14:03
@Superkali:
Zitat
Es geht mir ja nicht um eine Definition von aussen der Alternativmedizin à la ,,Alternativmedizin ist..." sondern daß die Anhänger einer weltanschaulichen Lehre, im Prinzip egal ob alternativ oder nicht, ihre Prämissen offenlegen und ihr System damit der Kritik zugänglich machen.
Aus deren Sicht ist doch gerade dieser Umstand so praktisch, dass alles schön schwammig bleibt. Warum sollten sie es ändern bzw wer will sie zwingen, sich festzulegen?
Absolut korrekt. Es ist ihr Markenzeichen. Ich wüsste nun gerne von euch, ob euch eine Definition einer guten allgemeinen Definition bekannt ist, die man von einer x beliebigen Anhängerschaft quasi als Maßstab fordern kann. ,,Unter Verweis auf die bekannten Kriterien von... [Lord Ernst von Popper zu Wittgenstein]... verlange ich von euch, daß ihr mir sagt, was ihr mit xy meint..." Wenn sie dem nicht nachkommen sei das ein ernstzunehmendes Warnsignal.

edit: Kann bitte mal einer der Alleinherrscher den Titel korrigieren?  ;D
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Harlequin

ZitatBy definition", I begin
"Alternative Medicine", I continue
"Has either not been proved to work,
Or been proved not to work.
You know what they call "alternative medicine"
That's been proved to work?
Medicine."
-- Tim Minchin

Per Definition
, setze ich fort, ist Alternativmedizin
ohne bewiesene Wirkung oder erwiesenermaßen wirkungslos.
Wissen Sie, wie man Alternativmedizin nennt, die erwiesenermaßen wirkt?
Medizin.
Man braucht vor der Liebe Gottes keine Angst zu haben. Er hat seit 2.000 Jahren niemand mehr geschwängert.

F. A. Mesmer

Zitat von: Superkalifragilistisch am 17. Mai 2014, 10:07:25
Zitat von: F. A. Mesmer am 17. Mai 2014, 09:46:49
ich habe vage in Erinnerung, dass Tim Minchin auch eine sehr eingängige und kurze Definition hatte. Sinngemäß:
ZitatAlternativmedizin ist diejenige Form von Medizin, deren Wirkung nicht bewiesen werden konnte. Wo Wirkung bewiesen wurde, nennen wir es Medizin.
leider kann ich gerade keinen Beleg finden.
Ist mir bekannt. Aber ich verweigere mich der Annahme, daß Alternativmedizin (Magie) bloss ,,unbewiesene" und ,,noch nicht" bewiesene Medizin (Technologie) ist. (Für den Gebrauch im Lied des Herrn Minchin ist es natürlich Zweckmäßig.)
ich habe dann doch noch die originalaussage gefunden und 4-stage-worte weggelassen, um ein griffiges zitat zu tippen. bitte beachte, es ist etwas differenzierter (ich hatte es zuerst verkürzt niedergeschrieben), von der logik her brauchbar und natürlich in wechselwirkung zu medizin:

Zitat von: F. A. Mesmer am 17. Mai 2014, 09:46:49
edit, nun doch gefunden

ZitatBy definition, alternative medicine has either not been prove to work or 've been proved not to work. Do you know what I call alternative medicine that has been proved to work: medicine.
quelle. ab min 3.24
kurz auf deutsch:

ZitatAlternativmedizin bedeutet, dass die Wirkung entweder nicht bewiesen werden konnte oder die Nichtwirksamkeit nachgewiesen werden konnte. Alternativmedizin die wirkt nenne ich Medizin.

Superkalifragilistisch

"Umgekehrt mußte die Psychoanalyse manchen enttäuschten Adepten eines vulgarisierten, auf eine ökonomisch-soziale Theorie reduzierten Marxismus als Bereicherung erscheinen."

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F. A. Mesmer

superkali: jedenfalls Wirkung, das ist ein gelungener ansatz um das wesentliche an diesen alternativangeboten hervorzuheben.
Danke Harlequin, viel schöner, als ich das gekleckert habe.

Superkalifragilistisch

Die Suggestion fußt im Unbewußten. Das trifft sich gut. So verrate mir bitte eine mehr oder weniger verbindliche und allgemeingültige Definition des Unbewußten.
"Umgekehrt mußte die Psychoanalyse manchen enttäuschten Adepten eines vulgarisierten, auf eine ökonomisch-soziale Theorie reduzierten Marxismus als Bereicherung erscheinen."

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Conina

Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.