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Italienische Richter(!) beweisen: Mobilfunk erzeugt Krebs!

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Begonnen von Dolph, 24. November 2012, 14:46:28

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Dolph

Das letzte diesbezügliche Urteil ist noch nicht gar so lange her und hatte irgendwas mit der Vorhersage von Erdbeeren Erdbeben zu tun.  :laugh:

Dr. Ici Wenn

Zitat von: bayle am 25. November 2012, 09:53:34

Zitat von: Dolph am 24. November 2012, 14:46:28
Oh jeh, das wird jetzt wieder mindestens 20 Jahre regelmäßig aufgekocht...

Ist übrigens nicht das erste Mal, dass ein italienisches Gericht letztinstanzlich über Naturwissenschaft entscheidet. Ein epochemachendes Urteil ist bereits 1633 ergangen; es wird gelegentlich noch heute zitiert.

Kann man schlecht vergleichen. Galilei war ein fürchterlicher Sturkopf, seine Entdeckungen waren innerhalb der Kirche kaum umstritten, bei dem Prozess ging es um schlichte Machtfragen.

Gutes Buch dazu:
http://www.amazon.de/Suhrkamp-Taschenbuch-Band-Entstehungsgeschichte-Welterkenntnis/dp/3518370790/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1353842468&sr=8-1

Wolleren

Zitat von: Dolph am 24. November 2012, 14:46:28
Oh jeh, das wird jetzt wieder mindestens 20 Jahre regelmäßig aufgekocht...
http://www.sueddeutsche.de/wissen/krebsforschung-und-mobilfunk-handy-am-hirn-1.1531987
Skandalös am Urteil ist gerade einmal, dass die italienische Gerichtsbarkeit Daten, die keinen Zusammenhang herstellen konnten, ignoriert hat. Ein Betroffener kriegt nun wohl unberechtigt eine Rente. Da es um äußerst geringe Fallzahlen geht, die strittig sind (5 von 100.000 vs. 10-15 von 100.000 Personen), ist das nah an einem Streit um des Kaisers Bart.
OT: Auf beknackte Gerichte haben Italiener aber keinen Alleinvertretungsanspruch. Im Fall Mollath hat der Betroffene aber keine Rente bekommen, sondern wurde durch das Nürnberger Gericht verleumdet und ist bis heute - obwohl inzwischen freigesprochen - in der Psychiatrie zwangsuntergebracht. Da ist mir die italienische Variante des Irrsinns schon lieber.

Der dahinterstehende Wissenschaftsskandal, der etwa 2/3 des Artikels ausmacht, ist bemerkenswert.
Alexander Lerchl hatte war zu Recht verstimmt, dass das Gericht "seine" Daten (eigentlich "Interphone"-Daten) als unbrauchbar zurückwies, weil dadurch die Integrität eines ganzen Haufens von Wissenschaftlern angegriffen wurde. Lerchl hat nun seinerseits die Integrität Hardells, dessen Daten allein dem Gericht als Grundlage dienten, angezweifelt. Denn er konnte sehr plausibel machen, dass Hardell dazu neigt, die Verblindung zu unterlaufen, um dadurch hohe Rückäuferquoten zu erreichen, und damit den Selbstbeobachtungsbias  zu erhöhen, m.a.W. hat er Hardell - wohl nicht unberechtigt - als Wissenschaftsbetrüger hingestellt.

bayle

Zitat von: Dr. Ici Wenn am 25. November 2012, 12:23:09
Zitat von: bayle am 25. November 2012, 09:53:34

Zitat von: Dolph am 24. November 2012, 14:46:28
Oh jeh, das wird jetzt wieder mindestens 20 Jahre regelmäßig aufgekocht...
Ist übrigens nicht das erste Mal, dass ein italienisches Gericht letztinstanzlich über Naturwissenschaft entscheidet. Ein epochemachendes Urteil ist bereits 1633 ergangen; es wird gelegentlich noch heute zitiert.
Kann man schlecht vergleichen. Galilei war ein fürchterlicher Sturkopf, seine Entdeckungen waren innerhalb der Kirche kaum umstritten, bei dem Prozess ging es um schlichte Machtfragen.

Das klingt ein bisschen nach spätkatholischer Apologetik. Entgegen anderslautenden Gerüchten wurde Galilei nicht wegen seiner Sturheit verurteilt – es sei denn, man versteht Galileis Sturheit so wie Bellarmin sie verstand: er hatte den Verdacht, dass G. sich weiser als Salomo dünkte, welcher schließlich der klügste unter den Menschen gewesen war (Brief an Foscarini).
Im Wortlaut von Abschwörung und Urteil gibt es keinen Hinweis darauf, dass die allgemeine Ansicht über die Verurteilung etwa falsch sei - dafür muss man schon wenigstens soviel Sophistik aufbringen wie etwa die Kreml-Astrologen bei der Prawda-Lektüre.

Der päpstliche Astronom Clavius wird mit der Bemerkung zitiert, dass die Theologen nun mal sehen sollten wie sie mit den Phasen der Venus oder den Jupitermonden zurechtkämen. Dabei hatte sich Galilei sogar noch die Mühe gemacht, den Theologen zu zeigen, wie man den Heliozentrismus mit der Bibel versöhnen könnte (Brief an die Großherzoginmutter Christine von Lothringen).

Natürlich ging es um Macht, aber ich finde schon, dass die Analogie deutlich überzeugender ist, als es aus Ici's Post hervorgeht. Nicht der Konsens entscheidet, was wissenschaftlich ist.

Dr. Ici Wenn

Zitat von: bayle am 25. November 2012, 14:25:55
Natürlich ging es um Macht, aber ich finde schon, dass die Analogie deutlich überzeugender ist, als es aus Ici's Post hervorgeht. Nicht der Konsens entscheidet, was wissenschaftlich ist.

Als heutige Anologie, dass Konsens keine Realität schaffen kann, ist Galilei sicher brauchbar. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass es eine lange Vorgeschichte zum Prozess gab. Wenn man die kennt, erscheint halt auch Galilei nicht mehr reinweiß-strahlend. So wie immer eigentlich. Kann da nur den Koestler empfehlen. Dem darf man natürlich auch nix glauben, war schließlich mal Kommunist  ;D

bayle

Einverstanden, Galilei war vielleicht nicht der strahlende Held der wissenschaftlichen Redlichkeit - Semmelweis übrigens war das auch nicht. Wenn seine Vorgeschichte also instrumentalisierbar ist und bis heute instrumentalisiert wird (vgl. z. B. Feyerabend, Wider den Methodenzwang: "Die Kirche zur Zeit Galileis hielt sich viel enger an die Vernunft als Galilei selber"), - "der Inquisition blieb ja gar nichts anderes übrig" - dann ist das in der Wirkung Apologie.   

The Doctrix

Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

Dr. Ici Wenn

Zitat von: bayle am 25. November 2012, 16:23:00
Einverstanden, Galilei war vielleicht nicht der strahlende Held der wissenschaftlichen Redlichkeit - Semmelweis übrigens war das auch nicht. Wenn seine Vorgeschichte also instrumentalisierbar ist und bis heute instrumentalisiert wird (vgl. z. B. Feyerabend, Wider den Methodenzwang: "Die Kirche zur Zeit Galileis hielt sich viel enger an die Vernunft als Galilei selber"), - "der Inquisition blieb ja gar nichts anderes übrig" - dann ist das in der Wirkung Apologie.

Auch einverstanden. Und über Feyerabend braucht man nicht groß reden, der wollte sticheln, und hat den Stachel ein paar Nummern zu groß gewählt. Kann mal passieren, im jugendlichen Überschwang  ;D

bayle

ZitatUnd über Feyerabend braucht man nicht groß reden, der wollte sticheln

Irgendwer hat mal gesagt, sich mit Feyerabend auseinanderzusetzen ist der Versuch, einen zerlaufenden Camembert an die Wand zu nageln, und ich finde, das stimmt.

Dr. Ici Wenn

Zitat von: bayle am 26. November 2012, 18:20:49
ZitatUnd über Feyerabend braucht man nicht groß reden, der wollte sticheln

Irgendwer hat mal gesagt, sich mit Feyerabend auseinanderzusetzen ist der Versuch, einen zerlaufenden Camembert an die Wand zu nageln, und ich finde, das stimmt.

Wir könnten jetzt noch darüber streiten, ob es ein zerlaufener Camenbert oder ein Pudding war.

bayle

 :fechtel:

Nein im Ernst: für ihn gilt, was unsere London-Guide mal über den dortigen Bürgermeister gesagt hat (Labour, ich glaube es war Ken Livingstone oder so): "Er hat in seinem Leben noch keinen Satz gesagt, mit dem ich übereingestimmt hätte, aber er ist immer amüsant".