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Masern: Pimpfe ohne Impfe

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Begonnen von Graf Zahl, 19. September 2011, 22:11:13

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Graf Zahl

http://news.doccheck.com/de/article/205908-masern-pimpfe-ohne-impfe

Zitatvon Dr. rer. nat. Erich Lederer,  19.09.2011
Masern: Pimpfe ohne Impfe

Pockenepidemien sind Geschichte. Damit die Masern ebenso verschwinden,
sind hohe Durchimpfungsraten notwendig, die Impfskeptiker und der
schwierige Zugang zu Kleinkindern in Afrika und Asien bisher verhindert
haben. Nach Ansicht von Experten wäre eine Impfung dann ideal, wenn Kinder
zum ersten Mal medizinische Hilfe in Anspruch nehmen: Bei ihrer Geburt.
Mehr zu diesem Thema:US-Studie
Kommentar Peter Horton

Es ist ziemlich genau ein halbes Jahr her, dass in einem Münchener
Krankenhaus ein 26-jähriger Patient an Masern starb. Ein Arzt und eine
Krankenschwester steckten sich an, in der Folge ein weiterer Patient.
Glücklicherweise überstanden sie alle die Infektion ohne Folgen.

Masern: Bisher unausrottbar
Hätte die Weltgesundheitsorganisation WHO ihre Ziele erreicht, hätte ein
solcher Vorfall nicht mehr passieren dürfen. Denn eigentlich sollten die
Masern bis 2010 in Europa ausgerottet sein. Dazu müssten aber mindestens
19 von 20 Eltern dafür sorgen, dass ihr Kind dagegen geimpft wird. Als
einziges Land Europas schafft Finnland diese Quote. Deutschland hinkt mit
rund 80 Prozent weit hinterher.

In vielen Kinderarzt-Praxen mit vollen Wartezimmern und quengelndem
Nachwuchs bleibt kaum Zeit für ein längeres Gespräch mit Eltern, die
Zweifel an der Unbedenklichkeit von Impfstoffen haben. Immer noch weit
verbreitet ist in die Ansicht, es wäre besser für das Immunsystem der
Kinder, die Krankheit durchzustehen, als sich mit einer Injektion davor zu
schützen. Der beste Zeitpunkt für ein solches Gespräch mit kritischen
Eltern wäre eigentlich lange vor der Geburt.

Eine Studie im amerikanischen Colorado hat die Folgen der Verweigerung
anschaulich gemacht: Ungeimpfte Kinder haben dort ein 23 mal größeres
Risiko, an Keuchhusten zu erkranken, die ,,Chancen" für Windpocken liegen
neunmal über denen von Geimpften. Sechs mal mehr Kinder ohne Impfschutz
werden in Kliniken gegen eine Pneumokokken-Infektion behandelt. Dazu
kommt: Wer etwa Masern hat, bei dem steigt auch das Risiko einer
Lungenentzündung. Und noch immer verläuft fast jeder fünfhundertste Fall
tödlich.
Spritze bei der Geburt schließt Lücken im Impfschutz
Wenn schon in Europa und den USA die Skepsis gegenüber einer
Masern-Impfung so groß ist, so ist es noch viel schwieriger, die Erreger
in weniger entwickelten Staaten auszurotten. Immerhin konnte die
internationale ,,Masern-Initiative" im August vermelden, dass inzwischen
rund eine Milliarde Kinder in 60 Entwicklungsländern geimpft und die
globale Todesrate in den letzten zehn Jahren um fast vier Fünftel gesunken
ist. Die größten Sorgenkinder sind für die Organisation neben Indien die
afrikanischen Staaten Kongo und Äthiopien.

Wie kann man Mütter und ihre Kinder rechtzeitig erreichen, um sie
aufzuklären und zu schützen? Guzman Sanchez-Schmitz und Ofer Levy von der
Harvard University diskutierten vor Kurzem im Fachmagazin ,,Science
Translational Medicine" die Möglichkeit, Kinder dann zu impfen, wenn sie
ohnehin Kontakt mit der medizinischen Versorgung haben: Bei ihrer Geburt.
Wäre es möglich, schon kurz nach dem ersten Schrei das Immunsystem auf die
Begegnung mit pathogenen Keimen vorzubereiten, könnte auch ein
mehrmonatiges ,,Empfänglichkeitsfenster" geschlossen werden. Wenn die
Antikörper der Mutter nach einigen Monaten nicht mehr da sind, ist das
Baby bis zu seiner ersten Impfung ohne Schutz. Wenn dann die kranke
Nachbarschaft oder gar die eigene Familie als Überträger Kontakt zu den
Kleinkindern hat, ist das Risiko einer Infektion hoch.
Probleme: Schwache Titer, einseitige Immunantwort
Zur Zeit sind nur drei Impfstoffe für die neonatale Anwendung zugelassen.
Vakzine gegen das Hepatitis-B-Virus, das orale Poliovakzin und das
altbekannte BCG gegen die Tuberkulose, der weltweit am meisten verwendete
Impfstoff überhaupt. Sowohl ein Pertussis-Vakzin als auch Impfstoffe gegen
Diphtherie/Tetanus lieferten in Studien bisher nur einen suboptimalen
Antikörper-Titer bei Frischgeborenen.

Ein großes Problem bei der Entwicklung solcher Impfstoffe bei Neugeborenen
ist die schwache Th1-Immunantwort. Der Sinn dieser gebremsten Reaktion
liegt wahrscheinlich darin, eine Antwort auf fremde Antigene der Mutter zu
verhindern und damit unter Umständen einen Abort aus eigenem Verschulden.
Während das heranwachsende Immunsystem also wohl ganz gut mit
extrazellulären Angreifern fertig wird, braucht es für die passende
Antwort auf intrazelluläre Bedrohungen noch etwas Reifezeit.
Möglicherweise lässt sich aber dieser Mangel mit geeigneten Adjuvantien
ausgleichen.

Regionale Antigen-Variation

Ein weiterer wichtiger Punkt, den Impfstoff-Forscher berücksichtigen
müssen, sind regionale Unterschiede in der Zusammensetzung der Pathogene.
Die Impfung gegen Haemophilus influenza Typ B ist in Finnland sehr
effektiv, nicht aber in Alaska. Ähnlich sieht es bei Impfstoffen gegen
Rota- und Hepatitis B-Viren aus. Besonders in den Ländern, in denen das
Hepatitisvirus weit verbreitet ist, entwickeln sich zur Zeit neue
Genotypen, gegen welche die derzeitige Impfung (gegen den Typ A2) nur sehr
eingeschränkt schützt.

Eine Impfstoff-Entwicklung je nach Häufigkeit der Subtypen verschlingt
enorme Finanzmittel. Der Schutz durch personalisierte Vakzine je nach
Bedarf bleibt damit ein vorerst unerfüllbarer Wunsch. Allein 10 Milliarden
Dollar Entwicklungskosten für neue Vakzine veranschlagt die
Bill&Melinda-Gates-Stiftung für die nächsten zehn Jahre. Bei einer
90-Prozent-Abdeckung in den Verbreitungsgebieten der wichtigsten Erreger
könnten damit fast acht Millionen Kinder gerettet werden, schreibt
,,Lancet"-Herausgeber Peter Horton in einem Editorial vor einigen Wochen.
Betrachtet man wiederum die Masern, macht aber eine Impfung mit Kosten von
rund einem Dollar pro Injektion den Verlust durch Krankheit und Tod weit
mehr als wett.
Gerüchte und Verunsicherung wandern schnell
Politik und Medien können viel dazu beitragen, dass die Erfolgsaussichten
steigen und Polio, möglicherweise auch die Masern bald ganz verschwinden.
Dazu gehört aber eine abgestimmte gemeinsame Strategie. In 79 Ländern mit
Diphtherie/Tetanus-Impfung kam eine Untersuchung auf 29 unterschiedliche
Impfpläne. Bei der Diskussion über die Sicherheit von Impfungen gegen
Hepatitis B widersprachen sich vor einigen Jahren die französische
Regierung und die WHO und verunsicherten damit die Bevölkerung.
Schließlich verbreitete sich in Nigeria die Kinderlähmung nach 10-jähriger
Absenz wieder, weil politischer Streit eine Massenimpfung im Norden des
Landes verhinderte. In fast allen Medien tauchte schließlich die Arbeit
von Andrew Wakefield auf, der mit falschen Daten einen Zusammenhang
zwischen Impfstoff gegen Masern/Mumps/Röteln und Autismus und
Darmerkrankungen herstellte. Erst zwölf Jahre nach der Publikation zog der
,,Lancet" die Arbeit offiziell zurück.

Aufklärung über die Bedeutung frühzeitiger Impfungen ist notwendiger denn
je. Kleine Interessensgruppen haben via Social Web die Möglichkeiten, ihre
Thesen in kürzester Zeit um die Welt zu verbreiten. Dabei ist beim Impfen
selbst "Zuwarten" gefährlich. Das British Medical Journal berichtete 2010,
dass der mütterliche Schutz vor Masern wohl sehr viel schneller zu Ende
ist als gedacht. Eine Untersuchung der Universität Antwerpen ergab, dass
im Alter von sechs Monaten alle Kinder ungeschützt waren, ganz gleich, ob
die Immunität der Mutter von einer Impfung oder der Krankheit selbst
herstammte. In Deutschland impft der Arzt Kinder im Alter zwischen 11 und
14 Monaten. Und auch nur dann wenn die Eltern bereit sind, etwas für das
Verschwinden der Krankheit zu tun.

Averell

Hintergrundinfo (Ich Laie dachte das wäre schon längst erforscht?)
http://www.n-tv.de/wissen/Husten-uebertraegt-Masernviren-article4672501.html

ZitatTückische Krankheit: Husten überträgt Masernviren

Masern sind hoch ansteckend. Die Ursache dafür haben jetzt Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts analysiert. Das Virus verbreitet sich von einer strategisch günstigen Stelle aus: der Luftröhre.

Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) im hessischen Langen entschlüsseln den Ansteckungsweg von Masern. Die Viren sitzen in der Luftröhre. Vom typischen Masern-Husten werden die winzigen Partikel dann in die Umgebung geschleudert - und von den Umstehenden eingeatmet, schreiben die Forscher im Fachjournal "Nature".

Weltweit sterben rund 120.000 Menschen jährlich an den Folgen der Masern. In Deutschland gab es im vergangenen Jahr 780 Fälle - in diesem Jahr sind es schon jetzt mehr als 1500. "Verblüffend, dass bisher nicht im Detail bekannt war, wie das Virus in den Körper gelangt", schreibt das PEI.

Klar war, dass die Viren mit Hilfe eines bestimmten Rezeptors Zellen in den Atemwegen infizieren. Diese virusbeladenen Zellen wandern über die Lymphknoten in die Organe, wo sie sich vermehren. "Wie aber die Erreger in die Atemwege zurückgelangen, um schließlich den Weg nach außen zu nehmen, blieb bisher ein Rätsel."

PEI-Forscher Michael Mühlebach hat nun mit Kollegen aus den USA, Kanada, Singapur und Frankreich das Geheimnis gelüftet: Das Forscherteam identifizierte ein sogenanntes Transmembranprotein namens Nectin-4 als "Schuldigen".

"Diese Erkenntnis kann möglicherweise auch dazu beitragen, den Einsatz von Masernviren in der Krebstherapie zu verbessern", teilte das PEI am Mittwoch mit. In Studien wurde gezeigt, dass die Partikel Tumore schrumpfen lassen. Indem sie sich in Tumorzellen vermehren, lösen sie deren Zelltod aus.

dpa