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Betrug mit Vorsatz oder messianische Selbstüberschätzung: Was ist schlimmer ?

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Begonnen von Superkalifragilistisch, 29. April 2011, 16:36:15

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Superkalifragilistisch

Hallo,

Wenn wir übereingekommen sind, dass wissenschaftlich nicht fundierte (was auch immer das nun wieder heisst) Angebote auf dem Gesundheitsmarkt grundsätzlich zu Schaden bei denen führen, denen sie angeboten werden, stellt sich die Frage der Schuld der Anbieter - und das vielleicht sogar in rechtlichen Kategorien. Die Bezeichnung solcher Angebote als ,,Betrug" nimmt vor allem den entstandenen finanziellen Schaden pars pro toto als Maß für die ideelle Verletzung von Prinzipien und den praktisch verursachten Schaden beim Anwender, sei dieser direkt oder indirekt. Sie sagt weniger über den Vorsatz und die Motive des Anbieters aus.
Das aufgeklärte Strafrecht bemißt das Strafmaß (i.e. die Schwere der Tat bzw Schuld) nicht nur nach Gesichtpunkten des Ergebnisses einer Tat, sondern bemüht sich, auch den jeweiligen Tatumständen gerecht zu werden, wonach im Allgemeinen die höhere Schuld trägt, wem die Folgen seines Handelns bewusst waren. Das setzt natürlich vorraus, dass der Delinquent nicht nur die Folgen seines Handelns abzuschätzen imstande war, sondern dass zwischen der urteilenden Instanz und dem Delinquenten Einigkeit über die Wertigkeit der Tat herrschen muss. Wenn eine Person mit einer parnoiden Schizophrenie einen Mord plant und durchführt, weil sie glaubt, damit die Menschheit vor dem Bösen zu retten, so waren der Person zwar die Folgen ihres Handelns bekannt, aber schuldfähig ist sie dennoch nicht.

long story short: Das allgemeine Vorurteil zwingt uns, den, der wirkungslose Mittelchen verkauft, höher zu bestrafen, wenn er wusste, dass sie wirkungslos sind, als wenn er selbst daran geglaubt hätte.

Ich möchte dieser Auffassung gerne widersprechen, bzw euch fragen, wie ihr dazu steht. Ich empfinde es genau umgekehrt. Mich packt die Lust, gerade die am härtesten zu bestrafen, die in liderlicher Selbstüberschätzung alles Mißtrauen über Bord werfen und dem Wahn erliegen, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Das Vergehen des Betrügers, dem es um nichts geht, als Geld, ist viel geringer, als das des Mangels an Tugend und Rechtschaffenheit bei den messianischen Heilerpersönlichkeiten. Dieser vergeht sich nur am Geldbeutel, während sich jener an unser aller Ideale vergeht.

Den Betrüger können - auch wenn das in der Praxis selten vorkommt - noch Skrupel packen. Den verblendeten Narrentänzer nicht. Ich kann nicht umhin, für manchen Betrüger sogar eine gewisse Sympathie zu empfinden und zu bewundern, wie er seinen Anhängern ein X für ein U vormacht, während ich für jene Anhänger nichts als Verachtung übrig habe, die sich getreu dem Spruch verhalten ,,Nichts, was ein Mensch sich auszudenken in der Lage ist, kann so unwahrscheinlich, unlogisch oder hirnrissig sein, als dass es nicht doch ein anderer Mensch für bare Münze halten und diese vermeintliche Wahrheit notfalls mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen wird."

Gruß
"Umgekehrt mußte die Psychoanalyse manchen enttäuschten Adepten eines vulgarisierten, auf eine ökonomisch-soziale Theorie reduzierten Marxismus als Bereicherung erscheinen."

Jetzt im Trend: »irgendwas mit Gesellschaftskritik«

pauli

Den meisten dieser Leute spreche ich die Faehigkeit ab, solche Dinge zu hinterfragen und
in letzter Konsequenz sind viele einfach nicht zurechnungsfaehig.

Die Faehigkeit Dinge strukturiert und analystisch zu hinterfragen ist bei diesen Leuten
dem Geborgenheitsgefuehl der Zugehoerigkeit zur Esoterikbranche gewichen.

Ich wuerde alle gleich zur Verantwortung ziehen, Quacksalber mit und ohne monetaeren Hintergedanken.



If you do, then do while true ..


T-M

Nun, was schlimmer ist, kommt auf den Blickwinkel an:

Für die Opfer dürfte beides gleich schlimm sein. Ob der "Guru" selbst dran glaubt, oder nur so tut als ob, macht für das, was er tut, keinen Unterschied, weswegen es auch selten zweifelsfrei feststellbar ist.

Ich denke aber moralisch gesehen ist doch der Betrüger schlimmer, denn er handelt bewusst, weiß, was er seinen Opfern antut, und tut es trotzdem, weil er seinen Vorteil daraus zieht.

Wer hingegen blöd genug ist und selbst daran glaubt, handelt im Glauben, seinen Anhängern einen Gefallen zu tun und merkt nicht, was er denen, die auch dran glauben, durch sein Handeln antut. Er gibt nicht aus Eigennützigkeit und Berechnung falsche Ratschläge, sondern und Blödheit. Blödheit aber ist bedauerlich, aber moralisch nicht falsch, denn man ist ja nicht absichtlich blöd.

Deinem Argument, den Betrüger könnten doch noch Skrupel packen, was beim Spinner nicht möglich wäre, möchte ich entgegenhalten, dass der Spinner dazulernen und erkennen kann, dass er einem Hirngespinst hinterherjagt (auch wenn das in der Praxis ebenfalls selten vorkommt), während der Betrüger bereits weiß, dass er Unsinn erzählt, es aber trotzdem macht, weil er sich einen Vorteil davon verspricht.

Der Spinner läuft unbemerkt Gefahr, selbst Opfer seiner eigenen Spinnereien zu werden, die er ja für real hält, sodass er versucht, auch seine eigenen Probleme mit diesen Methoden zu lösen. Der Betrüger hingegen hat diese Gefahr nicht, er weiß ja, dass die Methoden, die er verkauft, nichts taugen und ihm selbst nicht helfen können.

Es bleibt dabei: Mit dem Spinner habe ich Mitleid, mit dem Betrüger nicht, im Gegenteil.

heterodyne

Ich denke auch, der Betrüger in gutem Glauben hat nicht mehr Schuld als seine Opfer, die ja genauso die Verantwortung haben sich zu informieren und nicht einer Quelle alles zu glauben.
Wer mit Vorsatz anderen schadet hat mMn mehr Schuld auf sich geladen, zeigt ein deutlich asozialeres Verhalten durch bewußte Schädigung.