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Placebo auf Arte (war: Medien (tv, radio, dvd, kino usw...)

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Begonnen von Bloedmann, 05. November 2014, 22:39:29

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Bloedmann

Diesen Freitag um 21:45 Uhr auf arte:

Zitat
Der Placebo-Effekt
Freitag, 07. November um 21:45 Uhr (51 Min.)
Wiederholung am Montag, 17.11. um 9:50 Uhr

Der Placebo-Effekt war in der Schulmedizin lange Zeit umstritten. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema zeigen, dass unser Gehirn über beinahe unglaubliche Kräfte verfügt, die pharmakologische Wirkung haben können. Der dadurch hervorgerufene Placebo-Effekt, und sei er noch so klein, wird inzwischen häufig auch als Behandlungsmethode in Betracht gezogen.

http://www.arte.tv/guide/de/046586-000/der-placebo-effekt
Es gibt so viele Dinge im Leben, die wichtiger sind als Geld... aber sie kosten so viel! Groucho Marx

gesine2

ZitatFreitag um 21:45
Hat zwar das tag 'Dokumentation' und wird automagisch mitgeschnitten werden, trotzdem schöner Tipp, Bloedmann. Allerdings läßt
ZitatDer Placebo-Effekt war in der Schulmedizin lange Zeit umstritten.
Schlimmes erahnen - nicht nur wg 'Schul-', sondern auch wg umstritten...
_____________________
ne schöne jrooß, gesine2

pelacani

Zitat von: gesine2 am 06. November 2014, 06:04:58
Allerdings läßt
ZitatDer Placebo-Effekt war in der Schulmedizin lange Zeit umstritten.
Schlimmes erahnen - nicht nur wg 'Schul-', sondern auch wg umstritten...

Allerdings. Seit den 50er Jahren (Beecher) war die "Schul"-medizin von der Mächtigkeit des Placebo vollkommen überzeugt, bis zur großen Meta-Analyse von Hrjobartsson und Gotzsche.

Dagegen hielten die Homöopathen den Placebo-Effekt für "menschenunmöglich" (s. Donner-Bericht).

[alles aus dem Ärmel, noch ohne verifizierende Kontrolle]

Bloedmann

Die Doku auf arte morgen hat aber ein Empfehlungsschreiben der Hauptstadt-Skeptiker also seien wir guter Dinge. :grins2:
Es gibt so viele Dinge im Leben, die wichtiger sind als Geld... aber sie kosten so viel! Groucho Marx

pelacani

Der Film war durch einen Haufen Ungenauigkeiten auffällig und hat Placebo tendenziell überbewertet, aber er hat es nicht als Lösung der Menschheitsprobleme dargestellt. Keiner der angeführten Belege war so dargestellt, dass er für den Einsteiger nachrecherchierbar gewesen wäre, aber wer sich schon länger damit beschäftigt, der konnte diese Belege einordnen. Die üblichen Verdächtigen (Benedetti, Enck, Schedlowski) kamen zu Wort, auch Kaptchuk (letzterer wurde einfach aus amerikanischen Filmchen übernommen und untertitelt; da reichte wahrscheinlich das Budget nicht mehr).

Begonnen wurde mit dem Hinweis auf Beecher, der im Krieg Soldaten mit Placebo-,,Morphium"-Spritzen behandelt hat und in 1/3 der Fälle gute Wirkung hatte (dem nachdenklichen Beobachter sollte auffallen, dass er in 2/3 keine Wirkung hatte, was dem Routine-Einsatz doch deutlich im Wege steht). Die systematischen Arbeiten und Meta-Analysen, die den Stand der med. Wissenschaft repräsentieren, kamen mit keiner Silbe vor, statt dessen wird Guru Kaptchuk zitiert mit ,,Die Medizin wird viel zu sehr als Wissenschaft gesehen!".  :crazy.

Mäßig originell war auch der Trick, zunächst eine ungeeignete Placebo-Definition zu verkünden (,,Placebo ist etwas, das keine Wirkung hat") und dann triumphierend festzustellen, dass das ja nicht stimme. Ich entsinne mich einer Veranstaltung, in der die Referentin tapfer behauptete, Schein-Akupunktur sei keine Placebo-Behandlung, denn Placebo würde ja nicht wirken.

Der Placebo-Effekt nerve die Medizin, hieß es weiter. Der folgende Abschnitt über die Doppelblindversuche war leicht fasslich und brauchbar. Krass daneben war aber die Darstellung, dass bei chronischen Bauchschmerzen Placebo-Laparoskopien  statt tatsächlicher Lösung von Verwachsungen wirksam seien. Die einzig korrekte Schlussfolgerung aus den Studienergebnissen wäre gewesen, dass die bisherige Op. zur Lösung der Verwachsungen (Adhäsiolyse) keine über Placebo hinausgehende Wirkung hat.

Die Placebo-Wirkung bei Parkinson wurde behauptet, aber eigentlich nicht dargestellt. Um den Effekt etwas zu dramatisieren, hat man dem Zuschauer gar erzählt, die medik. Therapie müsse maximal hinausgezögert werden, was schlicht falsch ist (es gibt Studien, dass die Patienten bei spätem Therapiebeginn im Vergleich zum baldigen Beginn die Defizite nicht mehr aufholen; auch wenn das noch nicht hinreichend sicher ist). Generell gilt für alle Bewegungsstörungen, dass ihre momentane Ausprägung vom aktuellen Gemütszustand des Patienten abhängig ist, vor allem in den Frühphasen der Erkrankung. Das beste Placebo kann kein Dopamin mehr mobilisieren, wenn die Zellen, die es synthetisieren, zugrunde gegangen sind. So formuliert, klingt das deutlich weniger sensationell.

eLender

Danke für die Zusammenfassung und Bewertung, erspart mir, das Filmchen anzusehen. Reiht sich somit in die Galerie typischer Arte-Dokumentationene ein. Ein wenig sagen, ganz viel verschweigen und daraus abenteuerliche Schlussfolgerungen ziehen.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

gesine2

Das deckt sich mit der (nach dem wegen Übermüdung dritten Anlauf erstmal aufgegebenen) Inspektion in der Nacht vor gestern bzw deren Ergebnis. Ein drastisches Beschneiden der vorhandenen Datenbasis, Formulierungen aus dem 'um jeden Preis für alles offen bleiben'-Eimer, bedeutungsschwangere doch irrelevante Statements.

  • Falls vorsätzlich so produziert: Raffinierte Propaganda von äußerst geschickter Machart
  • Falls mit bestem Vorsatz: Ein wunderschönes Beispiel für die Symptomatik einer beginnenden Infektion mit magischem Denken
Die Anmerkungen (nur zu groben Auffälligkeiten) aus der halben Stunde vor dem Aufschieben:1:6 'welche Verbindung besteht zwischen Körper und Geist?' - eindeutig schon mal die falsche Frage
4:5 für die beginnt die Placebo-Forschung in/nach WW2
14:51 'grundlegender Aspekt bestätigt: Der Patient muß daran glauben' - widerlegt, wie auch 31:29 gesagt
16:35{ 'der PlaceboEffekt stellt unsere Vorstellung vom Zusammenspiel zwischen Körper und Geist infrage.
..philosophischer Glaubenskrieg..
..in der westlichen, von Descartes inspirierten Schulmedizin sind Körper und Geist getrennt.
..darauf basiert bis heute'
ich sachjezzma nur #>https://de.wikipedia.org/wiki/Psychosomatik
}
_____________________
ne schöne jrooß, gesine2

pelacani

ZitatDer Placebo-Effekt nerve die Medizin, hieß es weiter
Der vernünftige Sinn, den man dieser Äußerung beilegen kann, ist: das Placebo-Phänomen ist ein wesentlicher Grund, weshalb man Therapien tunlichst mit allen möglichen Verrenkungen im Doppelblindversuch prüfen muss.

Noch viel mehr als die Medizin ist aber die Glaubensmedizin vom Placebo-Effekt genervt, denn mit dieser simplen Erklärung für ihre "Therapieerfolge" werden sie nie völlig Frieden schließen können. Fritz Donner beschreibt seine Abenteuer als Homöopath:
ZitatEs traten bei allen immer reichlich Placebosymptome bei meinen Prüfungen auf, während der Mitteleinnahme – in mittleren Potenzen – aber keine für das dann geprüfte Mittel charakteristischen Symptome, deren deutliches Auftreten man doch nach all dem erwarten mußte, was die homöopathische 'Parteidoktrin' über die Wertigkeit der Arzneiprüfungen behauptet. Da man früher fast immer ohne Placebokontrollen geprüft und dann alles, was die Prüfer von Symptomen an sich beobachteten, als Wirkungen des betreffenden Arzneistoffes angesehen und darauf das Arzneibild aufgebaut hatte, mußten auch hier erhebliche Zweifel an der Richtigkeit vieler Symptome der homöopathischen Arzneidarstellungen auftauchen. Im Jahre 1938 berichtete ich in engerem Kreise über meine Feststellungen. Zu meiner Überraschung waren meine Zuhörer vollkommen uneinsichtig, sie erklärten energisch (Mezger und Unseld), daß es doch 'menschenunmöglich' wäre, daß nach Placebo Symptome auftreten.

Die Anthroposophin Gunver Kienle hat 1995 ein ganzes Buch verfasst (Der sogenannte Placeboeffekt. Illusion, Fakten, Realität. Stuttgart: Schattauer Verlag), in dem sie die Arbeit des oben erwähnten Beecher von 1955 (,,The powerful placebo") auseinandernimmt:
ZitatZusammenfassend läßt sich sagen, daß die verbreiteten Literaturangaben zu Größe und Häufigkeit des Placeboeffekts unbegründet und in hohem Maße übertrieben, wenn nicht gänzlich falsch sind.
http://www.meb.uni-bonn.de/gmds/abstracts/0460b.html
Klingt gut, aber ist so was von gähn. Wie kann man sich im Ernst entlarvend über die Methodik einer 40 Jahre alten Arbeit hermachen wollen? Der einzig vernünftige Weg ist, selber etwas auf die Beine zu stellen und auf diese Weise Beecher zu kritisieren, wie Hrobjartsson und Gotzsche 2001. Dann landet man auch im NEJM.