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Ein wenig Grundlagen?

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Begonnen von Adromir, 27. Juli 2008, 18:36:35

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Adromir

Ich hab mir überlegt, ob fürs Blog vielleicht auch mal ein Artikel der Grundlagen esoterischen Denkens beleuchtet werden. Zum Beispiel, wie Wahrnehmung funktioniert und deswegen "Sehen nicht gleich wissen ist" und z.B. alternative Heilmethoden deswegen oft eine "gefühlt" hohe Wirksamkeit besitzen.

Schau-ma-amoi

So etwas wäre äußerst wichtig. Wahrnehmung ist ja ein äußerst komplexes Ding.

cohen

Das Ding ist ziemlich gut:
ZitatWarum "Homöopathie" bei manchen Leuten "wirkt":

Aus rationaler und naturwissenschaftlicher Sicht ist sogenannte "Homöopathie" nichts als primitivster, okkulter Unfug, Scharlatanerie und Betrug. Das einzige, was Homöopathiegläubige regelmäßig vorbringen ist, daß nach ihrer persönlichen Erfahrung "Homöopathie" sehr wohl wirken würde und damit wäre für sie bewiesen, daß die Methode gut sei. "Wer heilt, hat Recht."

Drei von vielen, vielen Beispielen aus Internet-Foren:

Zitat "Bine24":
Komisch, daß sich Millionen von Menschen, die mit Homöopathie und Bachblüten gute Erfahrungen gemacht haben, so täuschen können. Komisch auch, daß sich nach Gabe der Globuli der Körper genau dann entscheidet, zufällig von selbst wieder gesund zu werden ...

Zitat "Sarah":
Und wie gesagt, schön wenn Allopathie und Homöopahtie zusammenarbeitet. Meine Erfahrung und keine objektive Studie ;o)

Zitat "mandragora":
Der Patient, der geheilt und gestärkt aus der Praxis des Heilpraktikers kommt, ist Beweis genug.

Dieser zunächst vielleicht überzeugend klingende Einwand der Homöopathiegläubigen hat objektiv jedoch nicht die geringste Aussagekraft, dies soll an einem Beispiel erläutert werden.

Nach der evolutionären Erkenntnistheorie ist uns unsere Denkweise angeboren, unser Gehirn und unsere Sinnesorgane haben sich während der Stammesgeschichte entwickelt, um uns das Überleben in unserer Umwelt zu ermöglichen. Unser Gehirn ist demzufolge aber nicht notwendigerweise darauf ausgelegt, die objektive Realität, die 'Dinge an sich' zu erkennen und somit können wir mancher Täuschung unterliegen. Eine in vielen Fällen sinnvolle mentale Leistung ist es, mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Ereignisse nach Möglichkeit in einen Kausalzusammenhang zu stellen: "danach ist deswegen".

Während eines Gewitters sehen wir Blitze und kurz darauf hören wir jeweils den Donner. Daraus schließen wir, daß der Blitz wohl die Ursache des Donners sein wird. Dies ist ein sehr sinnvoller Schluß, der es uns sogar ermöglicht, beim nächsten Blitz vorherzusagen, daß es vermutlich innerhalb weniger Sekunden danach donnern wird. Im Laufe des Lebens haben wir viele solcher sinnvollen Kausalzusammenhänge kennengelernt und auch selbst abgeleitet, sie sind offenbar ein Grundbaustein unseres Denkens. 'Ich trete das Gaspedal um den Wagen zu beschleunigen.'

Aber nicht immer sind die Schlußfolgerungen, zwei aufeinanderfolgende Ereignisse in einen kausalen Zusammenhang zu setzen, wirklich zwingend:
- In Afrika führt der Schamane den Regentanz auf (wenn er erfahren ist, tut er das gegen Ende der Trockenzeit) und tatsächlich setzt in den nächsten Tagen Regen ein. Die Schlußfolgerung liegt auf der Hand, der Regentanz hat den erhofften Regen herbeigeführt.
- Nächstes Beispiel: ein Kind bekommt den ersten Zahn, hat daher einige Schmerzen und schreit. Die Mutter verabreicht "homöopathische" Globuli und nach einer Weile schläft das Kind friedlich ein. Selbstverständliche Schlußfolgerung auch hier: die Globuli haben geholfen.

In beiden Beispielen kommt als ein weiterer entscheidender Faktor hinzu, daß es sich von vornherein um alles andere als ein objektives Szenario handelt, denn sowohl mit dem Regentanz als auch mit der Globuligabe verbindet sich der sehnliche Wunsch, die jeweilige Methode möge die erhoffte Wirkung zeigen. Tritt dann der Regen erst ein paar Tage oder Wochen später als erwartet ein, ist man in diesem Fall sogar bereit, trotzdem einen kausalen Zusammenhang herzustellen. Vielleicht wurde ja der Regentanz diesmal nicht intensiv genug durchgeführt? Analoges gilt, wenn das Kind erst nach einer Stunde aufhört zu schreien. Vielleicht waren es diesmal nicht die richtigen Globuli oder eine falsche "Potenz"? In jedem Fall wird in diesem Szenario die Methode selbst zu aller letzt in Frage gestellt werden, sogar wenn die erwartete Wirkung vielleicht nur in relativ wenigen Fällen eintritt.

Der gerade beschriebene Ansatz ist daher alles andere als geeignet, stichhaltige Argumente für die jeweilige Methode, den Regentanz bzw. die "Homöopathie" hervorzubringen. Es ist schlicht der beste Ansatz, sich selbst gehörig hinters Licht zu führen. Selbstverständlich ist jedem von uns klar, daß es dem Wetter herzlich egal ist, ob da irgendwo in Afrika ein Schamane tanzt. Die Schamanengläubigen vor Ort jedoch würden mit der gleichen, großen Selbstüberzeugung argumentieren, daß der Regen, der statistisch gesehen ohnehin irgendwann eingesetzt hätte, doch für jeden sichtbar auf den Regentanz zurückzuführen sei. Auch das Kind hätte statistisch gesehen irgendwann von allein aufgehört zu schreien, die zwischendurch erfolgte Globuligabe (was, wie alle wissen, ja reiner Zucker ohne weitere Zusätze ist) wird von der Mutter aber als "Erfolg" für die "Homöopathie" gewertet. Ein ausschließlicher Placeboeffekt, den übrigens die Mutter in ihrer subjektiven Beurteilung zeigt und selbstverständlich nicht das Kind, das von dem ganzen ja bis auf die unspezifische mütterliche Zuwendung bewußt nichts mitbekommt.

Glücklicherweise bietet uns die Wissenschaft nun effektive Ansätze, uns objektivere Erkenntnisse über eine zu prüfende Methode zu liefern. Und zwar mit dem wissenschaftlichen Experiment, bzw. einer wissenschaftlichen Studie. Diese Ansätze sind hunderttausendfach erprobt, im Fall der wissenschaftlichen Studie sogar weitgehend schematisiert und wirklich für JEDEN nachvollziehbar. Essentielle Grundvoraussetzungen sind, gänzlich unvoreingenommen (wie ein Richter es analog auch zu sein hat) gegenüber dem Testobjekt zu sein (siehe randomisierte Doppelblindstudie) und alle Sorgfalt bei den Kontrollen walten zu lassen. Die Kontrollen sind das Wichtigste in jedem wissenschaftlichen Experiment! Als Kontrolle wäre hier eine ausreichend große Gruppe von Müttern zu wählen, die, ohne es zu wissen, nicht "homöopathisch" verzauberten Zucker anwendet.

Das Ergebnis ist, daß keine seriöse, wiederholbare und objektive Studie der vergangenen über 100 Jahre nun hat zeigen können, daß es irgendeinen spezifischen Effekt der "homöopathischen" Mittel gibt. (Wie könnte es einen solchen auch geben!). In Placebo-kontrollierten, randomisierten Doppelblindstudien ist die "Wirkung" von rituell geriebenem Zucker ("Homöopathikum") und dem deutlich preiswerteren Supermarkt-Zucker stets die selbe, d.h. im oben genannten Beispiel würden die Mütter der "Homöopathie"-Gruppe und der Kontrollgruppe (Supermarkt-Zucker) die gleiche subjektive "Wirksamkeit" bei Baby's Zahnschmerzen empfinden. "Homöopathischer" Zucker hat somit nachgewiesenermaßen keinerlei Wirksamkeit. (In vielen solcher Experimente wurde selbst die Forderung der "Homöopathen"(=Heilschwindler) berücksichtigt, den "homöopathischen" Zucker "individuell" zu "verordnen"). Zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Studien siehe die PubMed-Datenbank.

In Wahrheit sind also alle vielleicht gut gemeinten und aus tiefster Überzeugung vorgetragenen subjektiven Erfahrungen bezüglich einer Wirksamkeit von "Homöopathie" (bzw. "Akupunktur", "Bioresonanz", usw., usw.) reine Selbsttäuschung und bei objektiver Betrachtung schlicht und einfach falsch. Bei allen "alternativ-medizinischen" "Methoden" (die sämtlich vollkommen unwirksamer Hokospokus sind) nutzen Scharlatane und Schamanen einzig und allein diesen Mechanismus der Selbsttäuschung aus, um die Kunden schamlos finanziell auszunehmen. Kunden von Heilschwindlern werden nicht durch, sondern trotz der Scharlatan-Methoden wieder gesund (durch die natürliche Selbstheilung oder einen zyklischen Verlauf der Krankheit; wobei der typische Kunde von Scharlatanen ohnehin der klassische Hypochonder ist, der sich "vergiftet" fühlt oder dem der Heilschwindler einen "Darmpilz" oder irgendeine "Allergie" aufgeschwatzt hat - hier haben die Betrüger leichtes Spiel). Lebensgefährlich wird Scharlatanerie allerdings immer dann, wenn sich Patienten bei tatsächlichen schweren Krankheiten, bei denen keine Selbstheilung stattfinden kann, ebenfalls auf die Heilschwindler-Methoden verlassen.

Fazit: vielleicht sollten die Leute, die immer wieder mit dem "Argument" der "eigenen Erfahrung" kommen und Scharlatan-Methoden anpreisen, die Unsinnigkeit ihrer Aussagen vor diesem Hintergrund einmal selbstkritisch in Erwägung ziehen.
http://www.kidmed.de/forum/showtopic.php?threadid=10249

Adromir

Der Artikel ist wirklich lesenswert. Sowas fände ich im Blog wirklich gut.

Deceptor

Meine Artikelvorschläge aus dem Bereich Gesundheit wären:

- Placeboeffekt (haben wir schon, kann ausgebaut werden)
- Noceboeffekt (wie oben)
- wissenschaftliche Studie (retrospektiv, prospektiv, kontrolliert, Verblindung, multizentrisch, cross-over...)
- Erfahrungsheilkunde
- Hypnose
- Suggestion und Autosuggestion
- Pygmalion-Effekt und Barnum-Effekt
- evidenzbasierte Medizin
- statistische Signifikanz (kein Thema für mich. brrr)
- therapeutischer Nihilismus (Nichtstun, wait and see)
- intention to treat
- wissenschaftlicher Betrug und Methoden
- publication bias