Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Ist Wikileaks diletantisch?

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von rincewind, 06. Dezember 2010, 20:51:32

« vorheriges - nächstes »

Rattentod

Also, zumindest beim DNS glaube ich das es Absicht war.

Im Prinzip genial: Sie zeigen, dass die USA jemand einfach den Hostnamen wegnehmen können, wenn sie es wollen(ob das wirklich so ist, ist doch egal). Die Publicity ist super. Man fragt die Community um Hilfe und jeder will mitmachen. Diese macht sich das Projekt damit zu eigen und verteidigt es wie ein Löwe.

Mich hat eher überrascht, das ihnen überhaupt der Hostname weggenommen wurde. Erschien mir dämlich das zu tun. Das wirkt bei Max Musterman, aber bei einem Projekt dieser Bekanntheit ist das eine blöde Aktion. Die Erklärung in dem Link klingt da schon plausibler...

rincewind


wintermute

http://de.wikipedia.org/wiki/BIND gibts in jeder Linux Distri. Und ein eigenes Nameserversystem ist schnell gemacht - setzen hier bind9 für unser $HOME - Netz ein und natürlich für die Arbeit.

Deshalb kann ich mir auch verstellen, das es wikileaks um die Aufmerksamkeit ging. Sind ja keine Deppen, hoffentlich. :)

Das die US- und die französische Regierung so massiv gegen wikileaks vorgehen, das wundert mich.
Die Botschaftdepeschen waren ja bis jetzt nicht gerade soooo spektakulär. (was man da bis jetzt so kennt)

<verschwoerungsmode>
Aaaaaaaaaaaaber: Was haltet Ihr vom dem Gedanken, dass Sie eben nicht wollen, das im Januar die Daten einer grossen US - Bank veröffentlicht werden: http://www.gulli.com/news/aktien-von-us-grossbanken-unter-druck-wikileaks-bringt-b-rse-durcheinander-2010-12-01
Die USA haben immer noch massive Konjunkturprobleme. Und das weiss ich nicht nur aus den Medien, sondern von US Amerikanern mit denen ich oft schreibe.
</verschwoerungsmode>


Sleeper

Zitat von: Rattentod am 06. Dezember 2010, 21:16:51
Also, zumindest beim DNS glaube ich das es Absicht war.

Im Prinzip genial: Sie zeigen, dass die USA jemand einfach den Hostnamen wegnehmen können, wenn sie es wollen(ob das wirklich so ist, ist doch egal). Die Publicity ist super. Man fragt die Community um Hilfe und jeder will mitmachen. Diese macht sich das Projekt damit zu eigen und verteidigt es wie ein Löwe.

Mich hat eher überrascht, das ihnen überhaupt der Hostname weggenommen wurde. Erschien mir dämlich das zu tun. Das wirkt bei Max Musterman, aber bei einem Projekt dieser Bekanntheit ist das eine blöde Aktion. Die Erklärung in dem Link klingt da schon plausibler...

Zitat von: wintermute am 06. Dezember 2010, 22:18:46
http://de.wikipedia.org/wiki/BIND gibts in jeder Linux Distri. Und ein eigenes Nameserversystem ist schnell gemacht - setzen hier bind9 für unser $HOME - Netz ein und natürlich für die Arbeit.
Erstmal für die, die nicht wissen was DNS ist: Das ist so eine Art Telefonbuch des Internets. Das heißt, Namen werden in Adressen umgewandelt. Zentral wird eingetragen, wer für den Namensraum "wikileaks.org" zuständig ist. Also alle Namen die darunter fallen - www.wikileaks.org, cablegate.wikileaks.org usw. WL hat ihren DNS-Server über ein externes Unternehmen laufen lassen, die die Auflösung in Adressen übernommen haben.

Nicht "die USA" haben Wikileaks den Hostname "weggenommen". Es ist ein Angriff gegen WL auf die Server des externen Unternehmens gelaufen, dem die Server nicht standgehalten haben. Das Unternehmen hat dann WL entsprechend seiner Vertragsbedingungen gekündigt, damit nicht die anderen Kunden auch in Mitleidenschaft gezogen werden. Nun könnte WL zwar auf einen anderen DNS-Server bzw. -Provider umsatteln, das machen sie aber aus vernünftigen Gründen, zu denen ich später komme, nicht.

Wie sieht so ein Angriff aus? Ganz einfach: Etliche Computer, verteilt auf der ganzen Welt, führen ganz reguläre DNS-Anfragen durch. Der DNS-Server muss dann antworten. Er hat keinen Anhaltspunkt, legitime von nicht legitimen Anfragen zu unterscheiden. Der Angriff hatte eine Bandbreite von 10 Gigabit pro Sekunde.

Das sind grob geschätzt 2-10 Millionen Anfragen pro Sekunde. Das ist ein vielfaches von dem, was ein normaler Server bekommt. Denn bei normalem Verkehr wird nicht jede einzelne Anfrage eines Nutzers an den DNS-Server einer Zieldomain weitergeleitet. Die DNS-Server der Provider der Nutzer merken sich die einmal aufgelöste Adresse eine bestimmte Zeit, so dass nur ein Bruchteil der Nutzeranfragen tatsächlich an den DNS-Server der Zieldomain eingeht.

10 Gigabit pro Sekunde übersteigt bei weitem das, wofür DNS-Server ausgelegt sind. Und das liegt bestimmt nicht an mangelnden Kenntnissen über BIND (wobei man das bei wahrscheinlichen Angriffsszenarien eh nicht unbedingt nehmen würde). Ein einzelner Server wird das schon hardwaremäßig kaum mal eben so mitmachen. Für solche Datenmengen sind die Datenleitungen innerhalb von normalen (auch Server-)Computern gar nicht ausgelegt. Da braucht man dann schon verteilte Systeme.

Nächstes Problem: Bei diesen Datenmengen braucht man außerdem schon eine spezielle Anbindung ans Internet, nämlich eine direkte Anbindung an einen Verteilerknoten ("Backbone").

Letztlich ist die Lösung von Wikileaks ausgesprochen vernünftig: Verteilung auf mehrere Domänennamen, Provider und Länder.

Das Angriffsziel (hier: der DNS-Server für wikileaks.org) bei einem verteilten Angriff lässt sich nicht unbedingt ohne weiteres ändern. Entsprechend laufen die Angriffe jetzt zumindest zu einem Teil vermutlich ins leere. Und die Angriffe ins Leere laufen zu lassen war vernünftig. Ein direktes Abwandern auf einen anderen Provider hätte die meisten anderen DNS-Provider ebenso gekillt und definitiv hohe und unnötige Kosten bei diesen verursacht, worauf diese wahrscheinlich auch wieder gekündigt hätten.

Rattentod

@wintermute:
Mir war zwischenzeitlich nicht klar, das DDoS-Angriffe gegen die DNS Server geführt wurden, ich hatte angenommen jemand attackiert Wikileaks direkt.

Das geniale ist, der Verlust des Hostnamen wurde als tückischer Angriff durch die USA verkauft. Ebenso Amazon/Paypal. Keine Ahnung wer auf die Idee gekommen ist, vermutlich Journalisten von selbst. Im Endeffekt kann dadurch prima die "Arme Opfer" Rolle eingenommen werden.

Darauf bezog sich auch das "Mich hat eher überrascht...". Das von den Medien gezeichnete (bzw. implizierte) Szenario, dass ihnen die USA den Hostnamen weggenommen haben erschien mir von Anfang an seltsam(sowohl technisch als auch politisch). Habe dann aber nicht weiter darüber nachgedacht.


Daisy

Mein Eindruck ist eher das es Assange um eine persönliche Auseinandersetzung mit den Mächtigen geht und weniger um das aufdecken von Skandalen.
Das Massenweise an die Öffentlichkeit bringen von Depeschen in denen zu lesen ist was auch schon in den Massenmedien zu lesen war hat mit der Aufdeckung von Skandalen wenig bis gar nichts zu tun. Da könnte man auch Notizen von diversen Personalern und Chefs veröffentlichen und daraus einen Skandal machen, zu finden ist da sicherlich die ein oder andere unangebrachte Beschreibung von Mitarbeitern.

Sleeper

Zur Theorie hinter Wikileaks gibts bei der Süddeutschen hier einen ausgesprochen interessanten Artikel.

Kurz gesagt sieht Assanges Theorie demnach in etwa so aus: Autoritäre Strukturen gibt es überall, auch in westlichen Demokratien. Durch Leaks wird die Kommunikation innerhalb dieser autoritären Strukturen geschwächt, da die Kommunikation innerhalb dieser autoritärenen Strukturen aus Angst vor weiteren Leaks abnimmt. Dadurch werden die autoritären Strukturen insgesamt geschwächt.
Dazu passt ganz gut, dass das Außenministerium das Militär nach dem Cablegate-Leak an seine Depeschen nicht mehr ranlässt (Quelle).

Diese Theorie kann man jetzt schlüssig finden oder nicht. Mit "persönlicher Auseinandersetzung mit den Mächtigen" oder Skandalgeilheit hat das aber nichts zu tun.


Daisy

http://www.tagesspiegel.de/medien/digitale-welt/maerchenstunde-mit-julian-assange/1909774.html
ZitatDas Muster lässt sich seit Monaten beobachten: Wer sich vornehmlich aus deutschen Online-Medien informiert, wird den Eindruck gewinnen, Assange sei ein Mensch mit hohen Idealen, der sich im Dienst der Wahrheit mutig mit der mächtigen US-Militärmacht anlegt und nun verfolgt werde. US-Zeitungen hinterfragen seine Behauptungen. In der Summe ergibt sich das Bild eines Mannes, der mit Aufschneidereien, Halbwahrheiten und Manipulationen arbeitet. Deutsche Zeitungen berichten Wikileaks-freundlicher als amerikanische, übernehmen seine Darstellungen aber nicht so unkritisch wie viele deutsche Online-Medien.

Die volle Wahrheit über Assange wird wohl erst in ferner Zukunft ans Licht kommen.

celsus

Zitat von: Daisy am 09. Dezember 2010, 14:07:29
Die volle Wahrheit über Assange wird wohl erst in ferner Zukunft ans Licht kommen.

Die "volle Wahrheit" wird überhaupt nicht ans Licht kommen und ich bezweifle auch, dass es die gibt und noch viel mehr, dass die interessant ist.
Assange ist egal. Selbst wenn Wikileaks ohne ihn verschwände, gäbe es neue, ähnliche Projekte (und genau das passiert ja gerade mit Openleaks).

Assange ist Teil eines undefinierten Kollektivs. Darin ist er natürlich eine schillernde Gestalt.

Aber solche Gestalten werden immer unwichtiger, wenn ein kollektives Etwas wie die Menge der aktiven Internet-Teilnehmer sich selbst zur Handlungsfähigkeit ermächtigen und begreifen, dass Führer nur symbolische Funktionen haben.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

HorstHuber

Bei Wikileaks beschleicht mich immer das Gefühl das die, die am lautesten Schreien angeblich recht haben. Dies wurde mE besonders deutlich als es um S21 ging. Wenn ich die Attacken welche gegen Firmen im Netz durchgeführt werden betrachte dann habe ich immer das Gefühl der Selbstjustiz einiger selbsternannter Wächter. Dabei vergessen viele weshalb sie dies durchführen können. Hierzu mE ein guter Text http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/wikileak_ein_rein_demokratisches_problem/

ZitatLeaks gibt es fast nur in Demokratien. Auch Julian Assange von Wikileaks hatte noch nie vertrauliche Dokumente aus China, Weissrussland oder dem Iran. Das hat damit zu tun, dass diktatorische Regimes viel schärfere Kontrollen und Sanktionen ausüben. In China, Weissrussland und im Iran würden die Verantwortlichen eines leak sofort hingerichtet. In Washington gibt es nun ein paar interne Versetzungen.
Damit wären wir beim Wesen der Demokratie. Demokratie beruht auf Vertrauen. Das Vertrauen zeigt sich in einer offenen Gesellschaft. Sie gibt ihren Bürgern, etwa den Mitarbeitern von Behörden, grosszügigen Zugang zu Informationen und vertraut darauf, dass sie dieses Privileg nicht missbrauchen. Demokratie vertraut auch darauf, dass man intern freimütig debattieren kann, ohne sich am Pranger wiederzufinden.

Nicht falsch verstehen, ich bin für kritisches Hinterfragen der Regierung. Doch dies wird durch das veröffentlichen von einigen Akten durch wikileaks erreicht.
The intelligence of the creature known as a crowd, is the square root of the number of people in it. (Terry Pratchett)